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Alternative Wirtschaft: Ein besseres Leben für alle?

Im Kapitalismus müssen Gewinne immer weiter steigen. Dieser Wachstumsdruck sorgt für viele Probleme – Klimakrise, Ungleichheiten und Teuerung sind nur einige davon. Wir müssen Wirtschaft neu denken. Aber wie? Kann unser System auch ohne ständiges Wachstum funktionieren? Darum ging’s bei der diesjährigen Beyond Growth Conference in Wien. Menschen aus Wirtschaft, Wissenschaft, NGOs und Sozialpartnerschaften diskutierten dort über ein gutes Leben für alle. Wir waren vor Ort.

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Bist du glücklich?

In unserer kapitalistischen Wirtschaft geht es vor allem um die Steigerung von Gewinnen. Dieser ständige Wachstumsdruck führt nicht dazu, dass es möglichst Vielen gut geht. Wir haben es lang genug auf diese Art probiert, müssen uns aber eingestehen: Viele Menschen arbeiten und sind trotzdem armutsgefährdet. Andere erwirtschaften immensen Reichtum durch Ausbeutung ganzer Regionen.

Was das Ganze noch befeuert: Medien, Werbung und unser soziales Umfeld wollen uns oftmals wahrmachen, dass wir bestimmte (materielle) Dinge unbedingt brauchen, um glücklich zu sein. Dabei geht es meist um Konsum, der Geld kostet und Ressourcen verbraucht. Der erwünschte Effekt bleibt dennoch oft aus, glücklicher ist man danach nicht unbedingt.

Ein Beispiel: Menschen wollen sich einer Gruppe zugehörig fühlen, was oft über einen bestimmten Kleidungsstil ausgedrückt wird. Man kauft sich also z.B. teure Markenkleidung. Allein dadurch wird man aber nicht plötzlich Teil der Gesellschaft. Man kann sich immer noch allein fühlen, hat zusätzlich aber noch ein Loch in der Geldbörse und die ausbeuterische Kleidungsindustrie unterstützt.

Gleichzeitig haben viele Menschen das Gefühl, dass die wirklich wichtigen Dinge im Leben nicht genug Platz bekommen. Freund:innen, Familie, eine sinnstiftende Tätigkeit – all das steht im Kapitalismus im Hintergrund. Unsere Wirtschaft kann auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen nicht unendlich wachsen. Es treten immer mehr Probleme auf, unser System stößt an seine Grenzen. Eine Alternative muss her.

Krisen als Chance

Dass die aktuellen Krisen die Schwachstellen unseres Systems aufdecken, können wir aber auch als Chance nutzen und unsere Wirtschaft umbauen. Es bleibt die Frage, ob materieller und monetärer Wohlstand vielleicht doch nicht das Maß aller Dinge ist. Was brauchen wir stattdessen, um wirklich glücklich zu sein? Wie sieht unser Weg in eine lebenswerte Zukunft aus? Und ist ein gutes Leben für alle innerhalb ökologischer Grenzen überhaupt möglich?

Die Expert:innen der Konferenz meinen: Ja. Es ist jedoch wichtig, dass wir uns wieder auf unsere Grundbedürfnisse zurückbesinnen. Also auf das, was wir wirklich brauchen, um glücklich zu sein. Dabei geht es um Bedürfnisse, die jeder Mensch hat, unabhängig von Alter oder Herkunft. Also beispielsweise wohnen, essen, schlafen, Mobilität, Bildung, Zugang zu technischer Infrastruktur. Aber auch soziale Kontakte und Gemeinschaft.

Diese Bedürfnisse stehen in unserer Leistungsgesellschaft nicht im Vordergrund. Der Kapitalismus bedeutet vor allem Profitsteigerung für einige wenige. Das führt nicht zu langfristigem und nachhaltigem Wohlstand für alle – und zerstört unseren Planeten. Ein „Weiter wie bisher“ können wir uns also nicht erlauben, es würde direkt zum Kollaps unserer Ökosysteme und somit unserer Lebensgrundlage führen.

Wie geht es weiter?

Es braucht also die Einführung alternativer Konzepte. Eine spannende Alternative, die bei der Konferenz besprochen wurde, ist die bedingungslose Grundversorgung.

Dabei sollen die Grundbedürfnisse aller Menschen gedeckt werden, unabhängig von ihrem Einkommen oder Status. Zum Beispiel durch gratis Öffis, Kinderbetreuung und eine Garantie auf leistbares Wohnen und gesunde Ernährung. Die Erfüllung von Bedürfnissen wird so von der Erwerbsarbeit entkoppelt und passiert nicht auf Kosten anderer. Müssen sich Menschen weniger Gedanken um die Sicherung ihrer Existenz machen, haben sie meist auch keine Angst mehr vor Veränderungen. Menschen können sich dann viel besser auf Maßnahmen einlassen, die notwendig für die Bekämpfung der Klimakrise und weiterer aktueller Probleme sind.

Ein wichtiger Faktor ist bei dieser Idee, dass die Verantwortung für die Sicherung der Grundbedürfnisse nicht allein beim Individuum liegt, sondern bei der Gesellschaft als Ganzes. Es geht um die wirtschaftliche Orientierung am Gemeinwohl.

Weitere Lösungen und Aspekte, die bei der Konferenz besprochen wurden, sind Arbeitszeitverkürzungen, ein gerechteres Steuersystem sowie Steuern auf Vermögen und Erbschaften, Maximaleinkommen, die Förderung der Kreislaufwirtschaft, konsum- und werbungsfreie Räume. Ebenso müssen Image, Arbeitsbedingungen und Bezahlungen von wirklich systemerhaltenden Jobs wie im Lebensmittelhandel, im Pflege- oder Reinigungsbereich verbessert werden. Auch die verstärkte Demokratisierung der Wirtschaft mit mehr Möglichkeiten zur Teilhabe und Mitbestimmung war Thema, zum Beispiel über Bürger:innenräte.

Viel zu lange war die Devise, dass es wirtschaftliche Mechanismen gäbe, in die man nicht eingreifen könne oder solle. Jedoch ist auch die Wirtschaft ein System, das von Menschen geschaffen wurde – wir können es also auch wieder verändern. Sie muss nicht unbedingt den Regeln des freien Markts folgen, sondern kann nach den eigentlichen Wünschen der Menschen umgestaltet werden.

Positive Vision für die Zukunft

Zusammenfassend: Um ein gutes Leben für alle innerhalb planetarer Grenzen zu ermöglichen, müssen wir statt Gewinnsteigerungen für einige wenige wieder unsere Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen. Was brauchen wir unbedingt? Auf welchen gesellschaftlichen Bereichen sollte unser Fokus liegen?

Dabei geht es nicht um Verzicht. Es stimmt zwar: Einige Dinge werden sich verändern und Umstellung ist nicht immer einfach. Aber die Schaffung von existenzieller Sicherheit für alle bedeutet Freiheit. Es geht darum, dass es uns allen besser geht und dass wir wieder mehr Zeit und Energie für die Dinge haben, die wirklich wichtig sind. Es geht um die nachhaltige Verbesserung unserer Lebensqualität und eine positive Vision für die Zukunft.

Abenteuer Bikepacking

Unterwegs auf dem Fahrrad mit kleinem Gepäck: Bikepacking hat in den letzten Jahren einen großen Boom erlebt. Auch Othmar Pruckner ist mit seinem Radl quer durch Europa gereist – und hat darüber ein Buch geschrieben. Doch wer jetzt denkt, solche abenteuerlichen Reisen seien nur für Radfahrprofis, hat sich getäuscht.

Mit dem Fahrrad als Selbstversorger:in in den Urlaub – Bikepacking ist ein Trend, der die Welt des Abenteuertourismus im Sturm erobert hat. Ein Mix aus Radfahren und Backpacking, diese Outdoor-Aktivität ermöglicht es Reisenden, die Freiheit der Straße zu genießen, während sie gleichzeitig die Wildnis erkunden. Von epischen Bergpfaden bis hin zu malerischen Küstenwegen bietet das Bikepacking eine einzigartige Möglichkeit, die Natur zu erleben.

In die Sattel, fertig, los!

Reisebuchautor, Journalist und leidenschaftlicher Radfahrer Othmar Pruckner hat sich auf den 3.300 kilometerlangen Weg entlang der Donau gemacht. Vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer. Dabei hat er „geschwitzt, gezittert, gekeucht und geflucht“. Bereuen tue er keinen einzigen der vielen Kilometer, die er gefahren ist. Ganz im Gegenteil.

Othmar Pruckner "Donauabwärts", Neuhaus
Othmar Pruckner ist mit dem Rad 3.300 km durch acht Donaustaaten gefahren / © Othmar Pruckner

Die Donau verbindet seit Jahrtausenden Länder, Menschen und Kulturen. Bekannte wie unbekannte Orte, vergessene Städte, Metropolen und Fischerdörfer – all das gibt es entlang der langen Reise quer durch Europa zu entdecken. Pruckners Reisebuch „Donauabwärts. In 33 Tagen mit dem Fahrrad vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer“ porträtiert unterhaltsam und aus einer sehr persönlichen Perspektive die gesamte Länge der Donau. Die Lektüre weckt die Reiselust und macht klar, wie aufregend und abenteuerlich Fahrradfahren mit wenig Gepäck sein kann. Der Reisebuchautor zeigt, dass es geht: Fernreisen mit dem Fahrrad.

Die von Othmar Pruckner erlebte und beschriebene Radreise durch acht von zehn Donaustaaten eröffnet völlig neue Blickwinkel auf eine oft fremde Welt. Er zeigt, dass es nicht immer das Auto oder das Flugzeug braucht, um in andere, ferne Länder einzutauchen. Das Reisebuch veranschaulicht, wie abwechslungsreich und abenteuerlich die Strecke entlang der Donau ist und wie viele Überraschungen sie bereithält. Es wird ein vollständiges Bild des Donauraumes mit zahlreichen Fotos und 11 Karten gezeichnet. Darüber hinaus ist es mit Navigations-Dateien und vielen Links ausgestattet, was die Planung für eine eigene Radtour entlang der Donau erleichtert.

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Was ist Bikepacking?

Bikepacking ist im Wesentlichen eine sehr nachhaltige und klimaschonende Form des Reisens, bei der Radfahrende leichte Campingausrüstung an ihren Fahrrädern befestigen und so für mehrere Tage oder sogar Wochen unterwegs sein können. Im Gegensatz zum klassischen Fahrradtourismus, bei dem normalerweise Hotels oder Gasthäuser genutzt werden, versorgen sich Bikepacker:innen meist selbst und nutzen Zeltplätze oder improvisierte Übernachtungsmöglichkeiten in der Natur.

Was brauche ich?

Der Einstieg ins Bikepacking erfordert nicht viel mehr als ein robustes, gut serviciertes Fahrrad, etwas Campingausrüstung wie einen leichten Schlafsack, Isomatte und ein Zelt, dass nicht mehr als 2 kg wiegt – und eben eine Portion Abenteuerlust. Es gibt keine festen Regeln und keine vorgegebenen Routen. Einsteiger:innen können mit kürzeren Touren beginnen, um sich mit dem Konzept vertraut zu machen, und sich dann nach und nach an längere und anspruchsvollere Strecken heranwagen. Von Wien aus gibt es zahlreiche Wege, die man ausprobieren kann, wie zum Beispiel einen Teil der EuroVelo Route. Der Reiselust sind in Europa keine Grenzen gesetzt.

Der Weg ist das Ziel

Am Ende geht es beim Bikepacking nicht nur darum, von A nach B zu gelangen, sondern vielmehr um den Weg dorthin. Es geht darum, die landschaftliche Schönheit zu genießen, sich den Herausforderungen zu stellen und sich in der Natur lebendig zu fühlen. Es ist eine Reise, die nicht nur den Körper, sondern auch den Geist bereichert.

Bikepacking bietet also eine einzigartige Möglichkeit, die Welt zu erkunden und dabei das Radfahren und das Abenteuer miteinander zu verbinden. Ob allein, mit Freunden oder in organisierten Gruppen, diese aufregende Form des Reisens verspricht unvergessliche Erlebnisse und unendliche Möglichkeiten für Entdeckungen. Also schnapp dir dein Fahrrad, packe deine Taschen und begib dich auf ein Abenteuer!

Donauabwärts
© Falter Verlag

„Donauabwärts“ von Othmar Pruckner ist 2024 im Falter Verlag erschienen.

Sonnenstrom vom eigenen Balkon

Balkonkraftwerke erlauben es auch Menschen in Wohnungen, ihren eigenen Sonnenstrom zu produzieren. Seit 2024 ist die Anschaffung sogar steuerfrei. Damit Kauf und Installation reibungslos klappt, muss man aber ein paar Sachen wissen. Was? Das haben wir mit einem Experten besprochen und hier alle wichtigen Infos zusammengefasst.

Österreich ist im Photovoltaikfieber. 730 Gigawattstunden betrug der Anteil von Sonnenstrom bei der Nettostromerzeugung von Jänner bis März 2024. Und das in den Monaten mit den wenigsten Sonnenstunden. Das ist viermal so viel wie im ersten Quartal 2023. Damals waren es 177 Gigawattstunden.

Das sind gute Nachrichten. Denn der eigene Strom vom Hausdach ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, sondern spart in Zeiten hoher Inflation auch Geld. Nur: Nicht jeder hat ein eigenes Hausdach. Besonders junge Menschen leben oft in Wohnungen. Eine klassische PV-Anlage kommt so nicht infrage. Dank sogenannter Balkonkraftwerke kann aber mittlerweile fast jeder seinen eigenen Sonnenstrom herstellen.

Wir haben mit dem Experten Momir Tabakovic gesprochen und die wichtigsten Fragen rund um Balkonkraftwerke beantwortet. Tabakovic leitet das Kompetenzfeld Renewable Energy Technologies & Climate-fit Buildings and Districts an der FH Technikum Wien und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Photovoltaik-Anlagen.

Was ist ein Balkonkraftwerk und wie unterscheidet es sich von herkömmlichen Photovoltaik-Anlagen?

Ein Balkonkraftwerk ist eine kleine Photovoltaik-Anlage. Sie wird in der Regel am Balkongeländer, an der Fassade oder mithilfe einer Aufständerung am Garagenfach montiert.  Oft werden sie auch Kleinsterzeugungsanlagen genannt. Denn technisch gesehen unterscheidet sie sich nicht von großen Anlagen am Dach, erklärt uns Experte Tabakovic. Beide produzieren mithilfe der Sonne Strom und beide sorgen dafür, dass die Stromrechnung sinkt. Es gibt aber drei wesentliche Unterschiede:

  • Selbstinstallation
    Herkömmliche Photovoltaik-Anlagen erfordern eine professionelle Installation durch Fachpersonal. Ein Balkonkraftwerk kann in der Regel jede:r selbst montieren. Wichtig ist, dass es exakt nach Anleitung montiert wird. Nur ordnungsgemäß angebrachte Anlagen würden starken Winden trotzen, mahnt der Experte. Nicht ordnungsgemäß montierte und angeschlossene Anlagen gefährden außerdem den Versicherungsschutz.
  • Mobil
    Bei einem Umzug lässt sich das Kraftwerk genauso wie jedes andere technische Gerät einfach abstecken, mitnehmen und neu installieren. Große PV-Anlagen lassen sich nur mit viel Aufwand umsiedeln
  • Begrenzte Leistung
    Damit eine PV-Anlage in Österreich als Kleinsterzeugungsanlage durchgeht, darf sie nicht mehr als 800 Watt Maximalleistung bringen. Das entspricht etwa zwei Modulen mit einer Fläche von 170 mal 100 Zentimetern. Momir Tabakovic weist hier darauf hin, dass die Begrenzung sich auf die Einspeiseleistung des Wechselrichters bezieht. Die Leistung der Solarmodule darf höher liegen.
Balkonkraftwerk
Zwischen 500 und 1.000 Euro kostet ein Balkonkraftwerk im Durchschnitt. Anbieter gibt es viele.
Darf ich ein Balkonkraftwerk einfach so anbringen oder brauche ich eine Genehmigung?

Hier gibt es zwei wesentliche Stellen, die man beachten muss.

  • Stromanbieter
    Dem Stromanbieter gegenüber gibt es eine Meldepflicht. Zwei Wochen vor Inbetriebnahme sollte er über das Balkonkraftwerk Bescheid wissen. Bei den meisten Anbietern kann man die Meldung online im Kundenportal vornehmen, zum Beispiel hier bei der Wien Energie, der EVN oder Energie AG. Vor einer Absage muss man sich aber nicht fürchten, denn es handelt sich nur um eine Meldungspflicht, nicht aber um eine Genehmigungspflicht, weiß der Experte. Der Anbieter prüft im Zuge der Meldung, ob der Stromzähler für den Gebrauch eines Balkonkraftwerks geeignet ist. Falls nicht, wird ein kostenloser Tausch veranlasst.
  • Mieter/Eigentümergemeinschaft
    Hier wird es komplizierter. Prinzipiell gilt: Da ein Balkonkraftwerk mobil ist, stellt es keine bauliche Veränderung der Gebäudehülle dar, die man Vermieter:innen oder der Eigentümergemeinschaft melden müsste. Trotzdem sollte man in jedem Fall Rücksprache halten. Denn durch das Anbringen der Solarpanele entsteht eine Veränderung am Erscheinungsbild des Hauses, die streng ausgelegt genehmigungspflichtig ist. Das heißt: Will sich ein:e Vermieter:in querlegen, dann kann sie mit dem Erscheinungsbild argumentieren. Dasselbe gilt für Eigentumswohnungen. Theoretisch bräuchte man die Zustimmung aller Eigentümer:innen, um das Balkonkraftwerk zu installieren. In beiden Fällen könnte man den Rechtsweg beschreiten, sagt Experte Tabakovic. Die Erfolgsaussichten seien dabei durchaus groß. Aber wer will das schon? Deswegen hier die klare Empfehlung: Wer vor dem Kauf das Gespräch sucht, spart sich Geld und Ärger. Und noch ein Tipp: Wer in den letzten zwei Jahren einen neuen Mietvertrag abgeschlossen oder eine neue Eigentumswohnung erworben hat, sollte in die Verträge schauen. Oft ist bereits eine Regelung zu Balkonkraftwerken enthalten.
  • Update vom 5.Juli. 2024: Ab 1. September 2024 wird es für Wohnungseigentümer:innen deutlich einfacher: Sie müssen nur noch bekannt geben, dass sie ein Balkonkraftwerk installieren wollen. Wenn die anderen Wohnungseigentümer:innen nicht innerhalb von 2 Monaten darauf reagieren, gilt das als Zustimmung. Für einen Widerspruch braucht es einen triftigen Grund – z.B. weil die Sicherheit gefährdet ist. Ein einfaches „Gefällt mir nicht“ reicht nicht mehr.
Wie verbinde ich das Balkonkraftwerk mit meinem Stromnetz?

Bei dieser Frage betritt man einen weiteren Graubereich, weiß Momir Tabakovic. Prinzipiell lassen sich viele Balkonkraftwerke per Schuko-Stecker mit dem eigenen Stromnetz verbinden. Das ist ein Standard-Stecker, der in Österreich in jede Steckdose passt.

Es gibt allerdings eine elektrotechnische Norm in Österreich, die den direkten Anschluss von Solarmodulen an die Steckdose nicht billigt. Wer sich nicht an die Norm hält, muss beweisen, dass dadurch kein Sicherheitsrisiko entsteht. Das ist aber Sache des Herstellers, nicht der Käufer:innen. Die österreichische Regulierungsbehörde E-Control hat jedenfalls in einer Studie festgestellt, dass der Anschluss von 800 Watt-Anlagen kein nennenswertes Sicherheitsrisiko darstellt. Und auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) urteilt, dass ein Anschluss über Schuko-Stecker in der Praxis sicher ist und weder in Österreich noch in Deutschland Unfälle bekannt sind.

Wichtig allerdings: Die Einspeisung des Stromes muss direkt in die Wandsteckdose erfolgen. Verlängerungskabel oder Steckdosenleisten dürfen nicht zwischengeschalten werden.

Kann ich mit meinem produzierten Strom Geld verdienen?

Nein, nicht ohne zusätzliche Anträge und Verträge. Mit einem Balkonkraftwerk produziert man nur Strom für die eigene Wohneinheit. Bei Überproduktion wird der Strom zwar ins öffentliche Netz eingespeist, Geld gibt es dafür aber nicht.

Wer will, kann einen Antrag auf Netzanschluss durch eine:n Elektriker:in stellen und dann  einen Stromabnahmevertrag abschließen. Das sei aber viel Aufwand und bei so kleinen Strommengen wenig sinnvoll, meint der Experte.

Zahlt sich ein Balkonkraftwerk bei mir aus?

Menschen mit Balkonen Richtung Süden sind hier klar im Vorteil. Eine Südausrichtung und eine Neigung der Solarmodule von 25 bis 30 Grad gegenüber dem Boden sind das Optimum, sagt Experte Momir Tabakovic.

Bei Ost- oder Westbalkonen ist der Ertrag schon deutlich niedriger, kann sich aber immer noch auszahlen. Wer einen Balkon Richtung Norden hat, schaut leider durch die Finger. Hier zahlt sich ein Balkonkraftwerk nicht aus, meint der Experte.

Selbst bei optimaler Ausrichtung und der maximal zulässigen Leistung von 800 Watt kann ein Balkonkraftwerk nur einen Teil des eigenen Stromverbrauchs decken. Im Sommer lässt sich damit aber in der Regel die Grundlast decken – also jener Stromverbrauch, der durch Geräte verursacht wird, die immer laufen. Zum Beispiel Kühl- und Gefrierschränke, W-LAN-Router und Geräte im Stand-by-Modus.

Rund 10 bis 20 Prozent des jährlichen Verbrauchs könne man circa abdecken, meint der Experte. Persönlicher Verbrauch und die Ausrichtung der Anlage sorgen aber für große individuelle Unterschiede.

Übrigens: Wie alle anderen PV-Anlagen auch, erzeugen Balkonkraftwerke im Winter zwar weniger Strom, aber immer noch einiges. Als Faustregel gilt: In der kalten Jahreshälfte erzeugt eine Anlage rund 30-35 Prozent ihres Jahresertrags, in der warmen Jahreshälfte die restlichen 65 bis 70 Prozent.

Was kostet ein Balkonkraftwerk?

Die meisten Modelle bewegen sich zwischen 500 und 1.000 Euro. Bei diesen Preisen ist bereits alles enthalten, was man für die Stromerzeugung und Einspeisung braucht. Ein Speicher ist hier noch nicht enthalten. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass eine Anlage nach rund fünf Jahren ihre Kosten wieder hereingespielt hat. Natürlich variiert dieser Zeitraum nach Eigenverbrauch, Ausrichtung und dem Preis von Strom und Anlage.

Um das Tempo beim Ausbau von Sonnenstrom auch in Zukunft aufrechtzuerhalten, gilt seit 1. Jänner 2024 für Photovoltaikanlagen der Nullsteuersatz. Dafür sind keine Anträge notwendig, die Umsatzsteuer wird beim Kauf einfach nicht berechnet. Die Befreiung gilt vorerst für die Jahre 2024 und 2025 und gilt ausdrücklich auch für Balkonkraftwerke.

Hinter der Fassade von Spekulation

Stell dir vor, du fliehst aus deinem vom Krieg zerstörten Heimatland, um dann im sicheren Österreich für viel Geld in einem Haus ohne Dach zu wohnen. Das ist die Realität für Bewohner:innen der Spengergasse 1 in Wien. Was hinter der Fassade von Spekulationsobjekten vorgeht, möchten Immobilienfirmen lieber geheim halten. Genau deswegen waren wir vor Ort.

„An den Postkästen sieht man meistens schon, ob eine Hausverwaltung sich noch um ein Haus und seine Mieter:innen kümmert.“ Georg Prack zeigt auf desolate Postfächer im Eingang des Hauses in der Spengergasse 1 im fünften Wiener Gemeindebezirk Margareten. Manche Posttürchen fehlen komplett, andere sind verbogen und hängen schief in den Scharnieren. Prack ist Wohnbausprecher der Wiener Grünen. Gemeinsam mit dem Margaretner Bezirksrat Michael Luxenberger will er uns zeigen, was Immobilienspekulation für Menschen bedeutet, die trotz grober Missstände in einem Spekulationsobjekt leben müssen.

„Die Hausverwaltung verabsäumt ihre Pflichten hier massiv.“

Wir gehen das Stiegenhaus nach oben. Was zuerst auffällt: Die Fenster sind in schlechtem Zustand und an vielen Stellen mit Holzplatten verdeckt. Es ist dunkel, zugig und kalt. Im Winter kühle das Stiegenhaus stark ab. Die Kälte krieche dann bis in die zum Gang hin unisolierten Wohnungen, erzählen uns die beiden. Im zweiten Stock zeigt Georg Prack dann auf feuchte Flecken an der Wand. An den vielen nassen Wänden des Hauses wuchert der Schwarzschimmel. „Die Hausverwaltung verabsäumt ihre Erhaltungs- und Verbesserungspflichten hier massiv“, so Prack.

Dem Haus ist der Spengergasse 1 sieht man die Missstände von außen nicht an.
Gefährlicher Schimmel

Wenn es in einem Wohnhaus zu Schimmelbildung kommt, ist die Hausverwaltung in der Pflicht, die Ursache zu ermitteln und Schäden schnellstmöglich zu beheben. Das ist geltendes Mietrecht. Schimmel in Innenräumen gefährdet die Gesundheit der Bewohner:innen. Schimmelsporen können eine Vielzahl an Atemwegsbeschwerden auslösen. In einigen Fällen führen giftige Stoffwechselprodukte der Pilze auch zu neurologischen Beeinträchtigungen und ernsthaften Organschäden.

Wir folgen der Stiege bis ganz nach oben und betreten durch eine offenstehende Baustellentür das Dachgeschoss. Nur: Ein echtes Dach gibt es nicht mehr. Laut Anrainer:innen fehlt es seit rund vier Jahren. Stattdessen ist der Dachstuhl mit Plastikplanen abgedeckt, die aber an vielen Stellen schon vom Wind abgelöst wurden. Damit sind Boden und Gemäuer permanent der Witterung ausgesetzt. Dieser Umstand lässt sich auch an den vielen Wasserlacken am Boden erkennen. Hier wird uns klar, woher die Wasserschäden im ganzen Haus kommen.

Haus gehört Immobilien-Entwickler Sveta

Von den Missständen innerhalb des Hauses ahnt man als Vorbeigehender nichts. Das Haus in der Spengergasse 1 ist ein typischer Gründerzeitbau, der prächtige Stuck der Fassade von Baugerüsten verdeckt. Seit einigen Jahren ist das Haus im Besitz des Immobilien-Entwicklers Sveta. Ein verzweigtes Konglomerat von Subfirmen, die alte Zinshäuser kaufen, damit spekulieren und versuchen die Wohnungen mit möglichst hohem Gewinn zu verwerten.

Das hätte wohl auch in der Spengergasse passieren sollen. Warum man vor mittlerweile vier Jahren mit der Sanierung des Hauses begonnen, dann aber die Arbeiten plötzlich eingestellt hat, darüber lässt sich nur mutmaßen. Georg Prack und Michael Luxenberger vermuten, dass die bestehende Widmung nicht zum geplanten Umbau gepasst hat. Seitdem ist das Haus eine Baustelle – und wird von der Sveta grob vernachlässigt.

Am Boden des Dachgeschosses sammelt sich Regenwasser. Seit vier Jahren fehlt dem Haus das Dach.
Trotz Missstände bewohnt

Das Haus ist zwar eine Baustelle, aber keineswegs leer. Hier wohnen Menschen. Ob jede der rund zwanzig Wohneinheiten belegt ist, lässt sich bei unserem Besuch nicht feststellen. Schuhe und Matten vor den allermeisten Türen deuten aber darauf hin. Viele Hausbewohner:innen seien anerkannte Flüchtlinge, sagt uns Georg Prack. Sie seien für die Eigentümer:innen Lückenfüller und sollen so lange bleiben und Miete zahlen, bis die gewünschte Widmung da ist. Dann könne die geplante Sanierung weitergehen, vermutet Prack.

Menschen mit Fluchthintergrund sind Spekulationsfirmen schutzlos ausgeliefert. Oft wissen sie um ihre Rechte nicht Bescheid und nehmen überhöhte Mieten und grobe Mängel aus Not in Kauf. Ein Team des ORF hat Ende März für die Sendung Report aufgedeckt, wie systematisch Spekulationsfirmen diese Ausbeutung betreiben. In manchen Häusern gibt es seit über zwei Jahren keinen Strom, keine Heizung und monatelang kein Wasser. Die Wohnungen gleichen einem Rohbau, vielerorts schlafen die Menschen auf Matratzen am Boden.

Heizung funktioniert nicht

Mit solchen Elendsquartieren ist die Spengergasse zwar nicht vergleichbar. Trotzdem haben die Menschen im Haus mit massiven Missständen zu kämpfen. Georg Prack hat vor unserem Besuch mit Mieter:innen gesprochen. Ein Bewohner erzählt ihm, dass die Gasheizung nicht funktionieren würde und er gezwungen sei, mit Strom zu heizen. Ein teures Unterfangen. Zudem seien die Mieten deutlich überhöht. Dagegen hätte zumindest ein Mieter auch schon erfolgreich geklagt, weiß Prack.

Massiver Schwarzschimmelbefall in der Wohnung eines Mieters. © Georg Prack
Sveta sieht sich nicht in der Schuld

Während wir uns im Stiegenhaus aufhalten, begegnet uns ein Mitarbeiter von Sveta. Er sei auf seinem wöchentlichen Rundgang, erzählt er uns. Interview will er uns keines geben, willigt aber ein, schriftlich zu der Situation im Haus Stellung zu nehmen.

Bezugnehmend auf das fehlende Dach verweist die Sveta in ihrer E-Mail auf die Aufstockung des Gebäudes, für die das Entfernen des Daches zwingend notwendig sei. Man befinde sich in der Bauphase, in der naturgemäß zu Unterbrechungen käme. Zur Erinnerung: Bei dieser Unterbrechung handelt es sich laut Anrainer:innen um eine Zeitspanne von vier Jahren.

Auf unsere Nachfrage zu den mit Brettern verschlossenen Fenstern räumt Sveta zwar ein, dass diese Maßnahme „nicht auf Dauer geeignet“ sei. Man sah sich zu diesem Schritt aber veranlasst, um Bewohner:innen am Füttern von Tauben zu hindern.

Auch beim Thema Schimmel sieht die Sveta die Schuld nicht bei sich, sondern bei den Bewohner:innen. Man stelle immer wieder fest, dass in feuchten Räumen nicht ausreichend gelüftet werden würde, so Sveta. Die starke Schimmelbildung im Stiegenhaus, also außerhalb der Wohnungen, passt zu dieser Aussage allerdings nicht.

Ob die Sveta die Bauarbeiten zeitnah wieder aufnimmt, ist fraglich. Die Immobiliengesellschaft Saba, ein Zweig des Sveta-Konglomerats, hat 70 Millionen Euro Schulden und ist insolvent. Ende April meldet man am Handelsgericht Wien ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung an.

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Wohnungen als Finanzprodukt

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Aber zugleich sind Wohnungen ein Finanzprodukt geworden, mit dem sich viel Geld machen lässt. Prack und Luxenberger sehen bei der Lösung dieses Konfliktes die Stadt klar in der Verantwortung. Immobilienspekulation dürfe nicht auf Kosten von Menschen passieren.

„Stadt müsste nur Möglichkeiten wahrnehmen, die das Mietrecht bietet.“

Stadt Wien müsste einschreiten

Möglichkeiten einzugreifen, gebe es viele. „Die Stadt müsste nur die Möglichkeiten wahrnehmen, die das Mietrecht bietet“, sagt Georg Prack. So könne die Stadt etwa Erhaltungsmaßnahmen wie die Herstellung eines Daches oder die Entfernung von Schimmel selbst vornehmen und der Immobilienfirma in Rechnung stellen. Zahlt sie nicht, kann die Stadt das Haus sogar in Zwangsverwaltung nehmen. Die Notwendigkeit für ein solches Vorgehen sei in der Spengergasse bereits gegeben, meint Prack. „Würde die Stadt diese Möglichkeiten konsequent ausschöpfen, kommt es gar nicht erst zu Spekulation mit Wohnraum. Aber kommen die Spekulant:innen damit davon, werden sie es immer wieder machen.“

Margareten ist der am dichtesten besiedelte Bezirk in ganz Wien. Wohnraum sei entsprechend knapp, erzählt uns der grüne Bezirksrat Michael Luxenberger vor dem Haus. Er kenne noch andere Häuser in seinem Bezirk, in dem ähnliche Zustände herrschen. „Wir brauchen diese Häuser, um anständigen Wohnraum zu schaffen“, so Luxenberger. „Diese ganzen Spekulationen müssen ein Ende finden.“ Je mehr Menschen hinter die Fassade von Häusern wie das in der Spengergasse 1 blicken können, desto größer wird der Druck auf die Stadtregierung. Es bleibt zu hoffen, dass sie dann solchen Missständen einen Riegel vorschiebt.

Mehr Geld für Ausbeutung oder Naturschutz?

Gehst du gerne im Wald spazieren? Entspannt dich das Gezwitscher von Vögeln? Trinkst du gerne sauberes Wasser? All das steht auf dem Spiel, wenn wir so weiter machen wie bisher. Denn mit unserem Wirtschaftssystem vernichten wir unsere Lebensgrundlagen.

Ausbeutung oder Naturschutz?

Wir geben mehr Geld für die Ausbeutung von Ökosystemen aus als für deren Schutz. Weltweit zahlen Staaten rund 500 Milliarden Dollar jährlich, um die Natur auszubeuten – zum Beispiel durch Förderungen für fossile Energien und umweltschädliche Praktiken in der Landwirtschaft. Hingegen geben wir für den Schutz unserer Lebensgrundlagen nicht mal ein Drittel davon aus. Und warum? Weil wir zerstörerischen wirtschaftlichen Aktivitäten Vorrang geben, die kurzfristigen Gewinn versprechen.

Die weltweite Naturzerstörung bedroht die gesamte Gesellschaft und stellt ein institutionelles Versagen dar. Unsere Ökosysteme stehen bereits heute massiv unter Druck. In Österreich sind mehr als 80 Prozent der geschützten Arten und Lebensräume in keinem günstigen Zustand. 90 Prozent der ursprünglichen Moorflächen sind bereits zerstört. Und nur noch 14 Prozent unserer Flüsse sind in einem guten ökologischen Zustand. Der Flächenverbrauch liegt weiterhin durchschnittlich bei 12 Hektar pro Tag. Ein gesunder täglicher Bodenverbrauch würde für Österreich bei 2,5 Hektar liegen.

Fehler im System

In unserem Wirtschaftssystem gibt es starke Anreize für die Übernutzung von Ökosystemen. Das gefährdet „Ökosystem-Dienstleistungen“ wie die Bereitstellung von sauberem Wasser und Nahrung sowie die Möglichkeit der Erholung in der Natur. Der Markt wird dieses Problem nicht eigenständig lösen können, wenn das System per se unsere Lebensgrundlagen zerstört. Es braucht grundlegende Veränderungen und dabei müssen alle mithelfen: Regierungen, Banken und Finanzinstitutionen.

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Wir müssen endlich anfangen langfristig zu denken: Durch die Ausbeutung von heute entstehen sehr hohe Kosten für morgen und die Klimakrise sowie das Artensterben werden weiter verstärkt. Wollen wir unser Wohlergehen auch für die Zukunft sichern, dürfen unsere Ansprüche an die Natur nicht das Angebot übersteigen. Es reicht nicht aus, den aktuellen Zustand erhalten zu wollen. Stattdessen müssen wir uns für die Wiederherstellung der Natur einsetzen. Dazu brauchen wir verpflichtende Ziele und Maßnahmen, an die sich Regierungen halten müssen. Neben einem Netto-Null-Ziel für das Klima braucht es ein solches Ziel auch für den Naturschutz und die Artenvielfalt. Und es braucht neue Messgrößen abseits vom Bruttoinlandsprodukt (BIP), um Fortschritt zu bewerten.

EU-Wahl

Intakte Ökosysteme sind wichtig im Kampf gegen Klimakrise und Artensterben. Sie müssen auf allen Ebenen besser geschützt und wo nötig wiederhergestellt werden. Das geplante EU-Renaturierungsgesetz setzt hier an, scheiterte jedoch an dem Widerstand einiger Länder. Weitere Regelungen zum Schutz von Ökosystemen wie den Ozeanen oder dem Regenwald fehlen weitgehend.

Es braucht klare Spielregeln, die den Schutz und die Wiederherstellung der Natur ermöglichen. Am 9. Juni wählen wir ein neues EU-Parlament. Wofür wirst du dich entscheiden – Ausbeutung oder Naturschutz? Deine Stimme zählt.

Ein Zeichen für mehr Bodenschutz

Österreich hat in den letzten Jahrzehnten seine Böden achtlos mit Straßen, Parkplätzen und Industriegebieten verbaut. Wo einst die Erde voller Leben war, ist heute nur mehr toter Beton. Auf diesen Missstand will ein neues Streetart-Kunstwerk in Wien aufmerksam machen.

Der Wiener Donaukanal ist um ein Kunstwerk reicher. Mitte April hat der Künstler Michael Heindl gemeinsam mit einer Gruppe Jugendlicher ein Zeichen für mehr Bodenschutz gesetzt. Auf einer für Graffitikunst gewidmeten Wand haben sie veranschaulicht, wie sich Versiegelung auf die Lebewesen in der Erde auswirkt. Gesunde Böden sind voller Leben, versiegelte Böden nicht.

Die Aktion in der Teil der österreichweiten Streetart-Bewegung Spray for Change. Gemeinsam mit professionellen Street Artists organisiert FREDA – die grüne Zukunftsakademie Workshops für Jugendliche, die mit Kunst ein politisches Zeichen setzen wollen.

© Inés Bacher
© Inés Bacher
© Inés Bacher
© Inés Bacher
Warum das Thema Bodenschutz?

Seit dem Jahr 2000 wurden in Österreich 1.300 Quadratkilometer verbaut. Das ist mehr als dreimal die Fläche Wiens. Pro Minute verschwanden 120 Quadratmeter Boden für Einkaufsmärkte, Parkplätze, Straßen, Gewerbegebiete und Logistikzentren unter Beton. Das bleibt auch den Menschen im Land nicht verborgen und sorgt sie zusehends. Das zeigt eine Umfrage im Auftrag der Hagelversicherung. Vier von fünf der Befragten fordern eine verbindliche Begrenzung des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar. Und drei von vier Befragten sehen durch die Verbauung unserer fruchtbaren Böden die Lebensmittelversorgung gefährdet.

Die wichtigste Maßnahme für Bodenschutz

Österreich braucht einen verbindlichen Grenzwert von 2,5 Hektar Bodenverbrauch pro Tag. Nur eine solche Obergrenze kann den Bodenfraß auf Dauer verhindern. Eine 2,5 Hektar-Grenze erlaubt es Österreich immer noch, 600.000 Wohnungen und 20.000 Kindergärten zu errichten – jedes einzelne Jahr. Hinzu kommen enorme Flächen, die bereits als Bauland gewidmet sind, aber noch unbebaut sind. Ein Beispiel: Auf den bereits gewidmeten Flächen Oberösterreichs könnte man die Millionenstadt Wien unterbringen. Bodenschutz und leistbarer Wohnraum können Hand in Hand gehen.

Wie Landwirtschaft Boden schützt

Um die heimischen Böden zu schützen, braucht es aber nicht nur die Politik, sondern auch die Landwirtschaft. Landwirt:innen können auf ihren Flächen so anbauen, dass sie nicht die Böden zerstören, Wildtieren den Lebensraum stehlen und Trinkwasserspeicher an ihre Grenzen bringen. Dass der Boden gesund ist, ist für Maria und Robert Harmer das Wichtigste. Denn sie wissen: Nur so bleibt er fruchtbar und kann mit Stresssituationen wie Trockenheit umgehen. Erfahre im Video, was sie anders machen als konventionelle Landwirt:innen.

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Ein neues Haus, das keinen Boden versiegelt

Haus bauen geht auch ohne Beton und Bodenversiegelung. Das steht dann auf Schraubfundamenten und hat eine Fassade aus Holz. Wie jenes von Rudi Takacs in Breitenfurt. Erfahre in diesem Video mehr über Rudis außergewöhnliches Haus.

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Häuser sanieren ist aktiver Bodenschutz

Verena und Johann haben ein altes Haus in Sant Pölten saniert, statt ein neues auf die grüne Wiese zu stellen. Und darauf sind sie stolz. Rund um die niederösterreichische Landeshauptstadt kommen jedes Jahr unzählige neue Einfamilienhäuser hinzu. Das Problem dabei: Durch befestigte Flächen wie Gebäude, Straßen oder Parkplätze werden natürliche Böden verdeckt. Erfahre hier mehr über Verena und Johanns Sanierung.

Unsere Böden sind in Gefahr. Um noch fruchtbare Böden an die nächste Generation weitergeben zu können, müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf das Thema Bodenschutz legen. Kunstwerke wie das am Wiener Donaukanal helfen uns dabei.

6 Mythen rund ums Fliegen

Wie oft diskutierst du mit Freund:innen und Bekannten über das Thema Fliegen? Es kursieren viele Argumente, die angeblich rechtfertigen, dass man das Flugzeug weiterhin nutzt – obwohl es globale Ungleichheiten und die Klimakrise verstärkt. Wir machen den Faktencheck und entkräften fünf gängige Mythen rund um den Flugverkehr.

#1 Es fliegen doch eh alle, also ist es egal, ob ich das Flugzeug nutze.

Falsch. Weltweit fliegt nur eine kleine Minderheit, die große Mehrheit nutzt das Flugzeug selten oder gar nicht.

So ist über ein Drittel der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren noch nie geflogen. Nur 18 Prozent der Österreicher:innen fliegen viel. Die negativen Auswirkungen bekommen wir trotzdem alle zu spüren. Das reichste Viertel der Haushalte verursacht beispielsweise allein durchs Fliegen so viel CO₂ wie Menschen mit weniger Geld in ihrem ganzen Leben.

In vielen anderen Ländern, vor allem im globalen Süden, können es sich viele Menschen gar nicht erst leisten, in den Urlaub zu fliegen. Oder sind durch Visa-Regelungen in ihrer Reisefreiheit eingeschränkt.

Etwa 1 Prozent der Weltbevölkerung ist für ungefähr 50 Prozent der Emissionen aus dem Luftverkehr verantwortlich. Wenn eine kleine Elite also so viel fliegt, verstärkt das globale Ungleichheiten weiter, denn unter den Emissionen und der Klimakrise leiden trotzdem alle.

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#2 Fliegen macht nur einen unbedeutenden Teil der Emissionen aus.

Falsch. Außerdem müssen neben den CO₂-Emissionen noch viele weitere Faktoren beachtet werden.

Der Flugverkehr ist für circa 4 Prozent der CO₂-Emissionen der EU verantwortlich.  Zum Vergleich: Die Emissionen aus dem Straßenverkehr machen 20 Prozent aus. Wirkt also vergleichsweise gering. Jedoch ist der Flugverkehr jener Verkehrsbereich mit den am stärksten wachsenden Emissionen. Die Anzahl der Flüge ist in Europa bereits wieder auf dem Vor-Corona-Niveau und soll bis 2050 um weitere 44 Prozent wachsen. Anstatt zu sinken, wie es für die Erreichung unserer Klimaziele notwendig wäre, steigen die Emissionen also weiterhin massiv an.

Und: Neben CO₂ müssen auch weitere Faktoren beachtet werden. Der Klimaeffekt durch Kondensstreifen, Stickoxide, Feinstaub und Zirruswolken soll mindestens doppelt so groß sein wie die Auswirkungen durch CO₂ allein. Und da reden wir noch gar nicht von der Lärmbelästigung oder dem Schaden, der durch das Fliegen in der Tierwelt verursacht wird.

#3 Aber Fliegen ist so billig.

Falsch. Es geht nämlich nicht nur um den reinen Ticketpreis, sondern vor allem um die hohen ökologischen und sozialen Kosten. Die Effekte auf Klima und Umwelt sind groß. Weitere Emissionen und die Auswirkungen auf die Artenvielfalt kosten uns um einiges mehr, als der Preis für eine Flugreise widerspiegelt.

Zudem herrschen in vielen Bereichen der Flugbranche schlechte Arbeitsbedingungen. Vor allem Billigfluglinien haben meist keine Kollektivverträge, ihre Beschäftigten arbeiten für Niedrigst-Löhne und sind oftmals nicht in Österreich gemeldet. Die Billigfluggesellschaft Ryanair verursacht zum Beispiel auch mit Abstand die höchsten CO₂-Emissionen aller Airlines in der EU.

Flugtickets sind außerdem nur deshalb so billig, weil Fliegen praktisch steuerfrei ist. Airlines zahlen nämlich keine Kerosin- oder Mehrwertsteuer. Der VCÖ berechnet: Dadurch sind uns in Österreich allein im Jahr 2019 rund 560 Millionen Euro Steuern entgangen.

#4 Es gibt keine Alternativen.

Falsch.

Der Großteil der Strecken, die innerhalb Europas geflogen werden, ist vermeidbar und über kurze Distanzen – man könnte diese Kurzstreckenflüge also gut durch klimafreundliche Zugreisen ersetzen. Rund ein Drittel der Fluggäste in Wien flog 2019 Ziele an, die weniger als 800 Kilometer entfernt waren.

Vergleicht man den CO₂-Ausstoß eines Kurzstreckenflugs mit der entsprechenden Zugreise, machen die Emissionen der Bahn immer nur rund 20 Prozent jener des Flugzeuges aus. Das Umweltbundesamt errechnet, dass Flüge innerhalb von Österreich sogar rund 50-mal klimaschädlicher sind als der Schienenverkehr.

Auch Geschäftsreisen, die 4 von 10 Flugreisen ausmachen, sind größtenteils vermeidbar. Die meisten betreffen ebenfalls nur kurze Strecken, etwa Wien-Frankfurt. Das geht auch mit dem Zug. Außerdem handelt es sich bei vielen Geschäftsreisen um routinemäßige Besprechungen, die man auch gut per Videokonferenz abhalten könnte.

Es gibt keine realistischen Aussichten auf nachhaltiges Fliegen in der nahen Zukunft. Um unsere Klimaziele zu erreichen, muss der Flugverkehr also deutlich verringert werden.

#5 Wenn ich meine Flüge kompensiere, kann ich weiterhin fliegen.

Das bei Flugreisen ausgestoßene CO₂ zu kompensieren ist gut, wenn sich ein Flug wirklich nicht vermeiden lässt. Die Idee dabei: Man bezahlt Geld, mit dem Bäume gepflanzt, Solar- und Windkraftanlagen gebaut oder neue Technologien unterstützt werden, um somit woanders CO₂ einzusparen.

Wir müssen unsere Emissionen jedoch nicht nur kompensieren, sondern tatsächlich verringern – und das sehr schnell. Zusätzlich hat Fliegen wie oben erklärt noch viel mehr negative Auswirkungen als allein der Ausstoß von CO₂, die man nicht so einfach „ausgleichen“ kann.

Ein weiterer Aspekt: Viele Kompensationsprojekte halten nicht, was sie versprechen. Studien haben gezeigt, dass nur zwei Prozent der Kompensationsprojekte wirklich eine CO₂-Reduktion erzielen, 85 Prozent tun dies mit Sicherheit nicht. Man muss also aufpassen und sich genau informieren – vor allem bei der Kompensation, die viele Airlines selbst anbieten. Mehr Infos zu sinnvollen Projekten findest du beispielsweise hier.

#6 Aber es gibt doch nachhaltige Treibstoffe für Flugzeuge.

Die Flugindustrie wirbt fleißig mit sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF). Und eine EU-Verordnung sieht ab 2025 eine stufenweise Beimengung von SAF vor. Diese vermeintlich nachhaltigen Treibstoffe sind jedoch kaum verfügbar und sehr teuer. Sie kosten mindestens das Fünffache von herkömmlichem Kerosin. Noch dazu sind sie ineffizient: 90 Prozent der Energie gehen verloren, statt das Flugzeug anzutreiben.

Es gibt zwei Gruppen von SAF: synthetische und biogene Treibstoffe. Die Herstellung von synthetischem SAF braucht bei der Produktion sehr viel Energie und wird aktuell nur in geringem Maß gemacht.

Biogenes SAF wird hingegen aus extra dafür angebauten Pflanzen wie Raps oder Soja gewonnen, man braucht also große Anbauflächen dafür. Oder man macht es aus altem Speiseöl – davon haben wir in Europa aber bei weitem nicht genug, um den Bedarf zu decken. Aufgrund der hohen Nachfrage wird bereits Altöl aus Asien importiert. Umwelt-NGOs warnen zusätzlich vor möglicherweise unseriösen Methoden. In Deutschland gab es bereits den Verdacht, dass frisches Palmöl aus Asien als vermeintliches Altöl für SAF auf den Markt gebracht wurde.

Auch bei SAF handelt es sich also leider um Greenwashing. Den Wunsch nach nachhaltigem Reisen wird damit nicht erfüllt.

Was können wir stattdessen für die Erreichung unserer Klimaziele tun?

Von politischer Seite: Die Abschaffung der Steuerbefreiung für Flüge und eine Einschränkung von vor allem Kurzstreckenflügen, aber auch von Langstreckenflügen und Privatjets. Die Flugticketabgabe muss weiter erhöht werden. Außerdem sind zusätzliche Investitionen in das Schienennetz und in bessere Direkt- und Nachtverbindungen zwischen Metropolen notwendig. Dabei muss auf die Leistbarkeit der Zugtickets geachtet werden. So fordert die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling beispielsweise einen Preisdeckel von 10 Prozent pro Kilometer für Zugfahrten zwischen EU-Hauptstädten.

Unternehmen müssen ihre Flugreisen ebenfalls stark verringern und können auf Videokonferenzen oder den Zug umsteigen. Und als Privatperson sollte man sich immer zuerst fragen, ob es nicht auch eine andere Möglichkeit gibt, das gewünschte Ziel zu erreichen.

Anmerkung: Der Artikel wurde im Juli 2024 um den Absatz zu nachhaltigen Treibstoffen ergänzt.

Die Macht der Straße

Seit 2019 ziehen zweimal jährlich junge Menschen durch die Straßen und fordern mehr Klimaschutz. Warum diese Demos auch dann noch wichtig sind, wenn andere Protestformen mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen, erklärt uns Protest- und Bewegungsforscherin Antje Daniel.

Hört uns überhaupt noch irgendwer zu? Das fragen sich manche Aktivist:innen nach über fünf Jahren weltweiter Klimastreiks. Seit dem 3. März 2019 demonstrieren Millionen von jungen Menschen zweimal pro Jahr auf den Straßen ihrer Stadt. Auf ihren Pappschildern fordern sie nach wie vor mehr Klimaschutz, weniger Öl und den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen.

Corona statt Klima in den Medien

2019 hört die Welt der Fridays for Future-Bewegung noch zu. Zeitungen füllen ganze Seiten mit ihren Forderungen, Fernsehteams drängen sich auf ihren Demos und Greta Thunberg wird als Gesicht der Bewegung zu einer der meistzitierten Persönlichkeiten der Welt.

Und dann kommt die Pandemie – und mit ihr wird es still um Fridays for Future. Die Medien titeln mit Corona statt Klima und diskutieren Lockdowns statt Streiks. Aber nicht nur die Bewegung selbst verschwindet damals fast aus den Medien, auch die Klimakrise als Ganzes rückt in den Hintergrund.

Die letzte Generation taucht auf

Erst ein Aktivist:innen-Bündnis mit dem Namen Letzte Generation hievt 2022 das Klimathema wieder zurück auf die Titelseiten. Ihre bevorzugte Protestform: der zivile Ungehorsam. Die Medien berichten dankbar und bald diskutiert das ganze Land über die Klimaaktivist:innen. Und wo bleibt da Platz für die vergleichsweise moderaten Klimastreiks der Fridays for Future-Bewegung?

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Bewegungen stehen nicht im Wettstreit zueinander

Protest- und Bewegungsforscherin Antje Daniel sieht hier kein Entweder-oder. Sie forscht an der Universität Wien und beschäftigt sich unter anderem mit der Fridays vor Future-Bewegung. Sie hat mit uns darüber gesprochen, wieso der Klimaaktivismus beide Bewegungen braucht, um wirksam zu sein.

 Protestbewegungen müssen versuchen relevant zu bleiben

„Für Bewegungen ist es herausfordernd, ihre Themen für Medien lebendig und relevant zu halten“, sagt die Forscherin. Dass nach 5 Jahren nicht mehr so viel berichtet wird wie zu Beginn der Bewegung, ist daher nicht ungewöhnlich.

Um dem entgegenzuwirken, versuche Fridays for Future auch aktuelle gesellschaftliche Themen aufzugreifen. „Letztes Jahr hat der Ukraine-Konflikt eine große Rolle auf den Klimastreiks gespielt. Auch die Frage nach sozialer Gerechtigkeit steht immer wieder im Mittelpunkt“, erzählt Daniel. Man wolle zeigen, dass Klimagerechtigkeit ein Querschnittsthema sei und fast alle Bereiche des Lebens betrifft.

Die Strategie der letzten Generation

In Sachen Aufmerksamkeit hat es die letzte Generation leichter. „Mit zivilem Ungehorsam schafft die letzte Generation, das Thema Klima in den Medien erneut zu platzieren“, argumentiert die Protestforscherin. Die Aktivist:innen entscheiden sich bewusst für Aktionen, die provokant sind und  damit garantiert weit vorne in der Zeitung landen.

Maximale Aufmerksamkeit als Ziel

Es geht um maximale Aufmerksamkeit. Und die bekommt man nur, wenn man provoziert. Ihre Message richte sich dabei aber mehr an die Politik und an die Medien als Vermittler, nicht an einzelne Menschen. Dieser Strategie bediene sich ziviler Ungehorsam aber schon seit jeher, nicht erst seit der letzten Generation. Das Ziel von zivilem Ungehorsam sei es letztlich, Regeln zu brechen, was dadurch gerechtfertigt wird, dass die Klimaziele nicht eingehalten werden, so Daniel.

„Mit den Klimastreiks möchten die Bewegung die breite Mitte der Gesellschaft erreichen.“

Fridays for Future möchte nicht unterbrechen, sondern mobilisieren. „Mit den Klimastreiks möchten die Bewegung die breite Mitte der Gesellschaft erreichen“, erklärt Antje Daniel. In ihrer Kommunikation spreche Fridays for Future daher auch das Individuum an, und nicht Medien und Politik.

Zwar ziehen die Klimademos über Hauptstraßen und unterbrechen damit den Verkehr. Aber die Unterbrechung an sich ist nicht das Ziel. Vielmehr ist die Hauptstraße Ausdruck eines zentralen Ortes. „Die Bewegung will damit ausdrücken, dass sie den öffentlichen Raum einnimmt mit einem Anliegen, das die ganze Gesellschaft betrifft“, sagt Daniel. Auch der Heldenplatz in Wien und andere zentrale Plätze überall auf der Welt als Orte der Abschlusskundgebungen seien bewusst gewählt. Als Knotenpunkt zwischen Öffentlichkeit und Politik.

Die Schlagkraft einer globalen Bewegung

Die Wirkung der Klimastreiks liege auch in seiner globalen Dimension begründet, erzählt die Forscherin. Die Demos finden in tausenden Städten weltweit am selben Tag statt. So kann die Bewegung zeigen: Wir sind viele, also hört uns besser zu. Und nicht zuletzt die halbjährliche Wiederholung der Demos ruft ihre Anliegen immer und immer wieder in Erinnerung.

Erfolge der Klimastreiks sind schwer messbar, aber da

Und welche Form des Aktivismus ist nun mit seinen Forderungen erfolgreicher? Die Protest- und Bewegungsforschung habe es schwer, konkrete politische Veränderungen einer einzelnen Bewegung zuzuschreiben, weiß Antje Daniel aus ihrer täglichen Arbeit. „Ein neues Gesetz kann durch den Druck einer Bewegung erlassen worden sein oder aber einfach einen Wertewandel bei politischen Vertreter:innen widerspiegeln. Politische Veränderungen sind immer multikausal“, so Daniel. Es gibt also immer viele Gründe.

Fridays for Future hat Klimaschutz auf die Straße gebracht

Zwar sind konkrete Erfolge schwer zu benennen. Aber Antje Daniel hält dagegen: „Klimapolitik hat vor 2019 in Österreich institutionalisiert zwischen NGOs und der Politik stattgefunden. Fridays for Future hat Klima- und Umweltbelange wieder auf die Straße gebracht. Damit haben sie den Weg geebnet für andere Bewegungen.“

Geeint durch gemeine Forderung nach mehr Klimaschutz

Dass diese nun mehr Aufmerksamkeit in den Medien bekommen, ist für Fridays for Future kein Nachteil. Im Gegenteil. Man dürfe die beiden Bewegungen nicht gegeneinander ausspielen, sagt Antje Daniel. Außerdem seien sie ohnehin nicht scharf voneinander zu trennen. Viele Aktivist:innen der letzten Generation nehmen auch an den Protesten von Fridays for Future teil, und zum Teil auch umgekehrt. Beide Bewegungen ergänzen einander. Sie haben völlig unterschiedliche Strategien, um sich Gehör zu verschaffen. Aber die gemeinsame Forderung nach konsequentem Klimaschutz eint sie.

Buchtipp: Der Grund

Bodenversiegelung ist – nach Langem endlich – ein Top-Thema in der öffentlichen Diskussion. Unser FREDA Buchtipp zum Thema kommt von Karin Chladek.  

Das Problem, dass immer mehr Boden verbaut und damit anderen Nutzungsformen permanent entzogen wird, besteht beim Verbauungs-„Europasieger“ Österreich (mit einem durchschnittlichen Flächenverbrauch von täglich rund 12,9 ha, also 20 Fußballfeldern) massiv, aber das Problem an sich ist international.

„Wie wir mit Böden und Flächen umgehen, ist die Überlebensfrage des 21. Jahrhunderts“

Auch in Deutschland, dem Herkunftsland der beiden Autorinnen von „Der Grund“, Tanja Busse und Christiane Grefe, ist der behauptete Bedarf von Boden von ganz verschiedenen Seiten beachtlich. Häuslbauer*innen, Landwirtinnen und Landwirte, Immobiliengesellschaften, Straßenbaufirmen, nicht zuletzt Betreiber*innen von Windparks oder PV-Feldern … alle glauben sie, ihre Ansprüche seien wichtiger als andere, alle fordern sie Flächen (oberirdisch) und/oder Böden (auch unterirdisch). Diese stehen aber nicht endlos zur Verfügung. Das ist nicht so trivial, wie es klingt: Wohnen, essen und mobil sein wollen wir schließlich alle. Auch nachhaltig erzeugte Energie ist unverzichtbar. Was aber der Entzug von immer mehr Böden für die Biodiversität, die regionale Landwirtschaft, die Speicherung von Wasser und von CO₂ sowie letztendlich für uns selbst bedeutet, mag man sich kaum vorstellen. Dass es längst andere, weit Boden-schonendere Wirtschaftsformen gibt (die im Buch vorgestellt werden), ist zwar offensichtlich, wird aber von viel zu wenigen Menschen auch tatsächlich umgesetzt. Immer noch.

Wie wichtig das Leben im Boden selbst ist, war lange Zeit nur Biolog*innen und Bio-Bäuer*innen klar. Nun dringt es immer mehr in das Bewusstsein der Gesellschaft. Inzwischen ist bekannt, wie entscheidend Schlüsselorganismen wie Regenwürmer oder Mykorrhiza-Pilze sind. Wer es genau wissen möchte, ist mit diesem Buch gut bedient. „Wie wir mit Böden und Flächen umgehen, ist die Überlebensfrage des 21. Jahrhunderts“, meinen Tanja Busse und Christiane Grefe in „Der Grund“.

Diese Rezession hat Karin Chladek geschrieben / Bilder: Verlag Antje Kunstmann / „Der Grund“ von Tanja Busse & Christiane Grefe ist im Verlag Antje Kunstmann erschien. München 2024.

Bild: Verlag Antje Kunstmann

Österreich braucht eine Bodendiät

Industriegebiete, Parkplätze und Straßen fressen die heimischen Böden auf. Kein Land in Europa verbaut mehr fruchtbares Land als wir. Österreich braucht endlich eine Bodendiät mit einer verbindlichen Obergrenze von 2,5 Hektar. Denn vage Absichten und schöne Worte schützen unsere Böden nicht.

Wenn wir abnehmen möchten, setzen wir uns ein Ziel. Zum Beispiel eine bestimmte Anzahl an Kalorien, die wir pro Tag essen wollen. Oder wir streichen besonders ungesunde Nahrungsmittel von unserem Speiseplan.

Eine Diät ist so oder so nicht leicht. Das weiß jeder, der es schon probiert hat. Aber eine Diät ohne festgelegte Grenzen und Ziele, nur getragen von guten Absichten? Das ist zum Scheitern verurteilt. Eine Ausnahme folgt der anderen und irgendwann essen wir wieder genauso, wie vor der Diät.

Fixe Obergrenze statt vage Absichten

Dieses Prinzip gilt nicht nur für unsere Ernährung. Und damit sind wir wieder bei den heimischen Böden. Wenn etwas so wichtig ist wie Bodenschutz, können wir nicht auf vage Absichten vertrauen. Es braucht verbindliche Ziele und Obergrenzen. Insbesondere deswegen, weil schon jetzt mit unfairen Mitteln gegen Bodenschutz argumentiert wird.

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Das zeigt die Vorgehensweise des Gemeindebundes (Interessensvertretung der österreichischen Gemeinden) und der Bundesländer bei den Verhandlungen zur Bodenstrategie. Die Strategie wurde von der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) erarbeitet. Das ist eine Einrichtung, die für alle österreichweiten Fragen rund um Boden und Raumordnung zuständig ist.

Die ÖROK entscheidet gemeinsam. Bundesländer, Gemeinden und die Bundesregierung sind gleichermaßen in der Einrichtung vertreten und treffen Beschlüsse einstimmig. Das macht Sinn, betrifft doch der Schutz des heimischen Bodens alle politischen Ebenen gleichermaßen.

Fake-Bodenstrategie stiftet Verwirrung

Ende Februar verkündeten aber Gemeindebund und Bundesländer vor den Medien, man hätte eine Bodenstrategie beschlossen – und zwar ohne die Bundesregierung. Denn die wollte einen verbindlichen Grenzwert von 2,5 Hektar Bodenverbrauch pro Tag in der Bodenstrategie geschrieben sehen.

Das Papier hat natürlich keine Gültigkeit ohne der Zustimmung des Bundes. Vielmehr stiften solche Fake News Verwirrung und machen Verhandlungen über echte Maßnahmen zum Schutz der Böden schwieriger.

Das 2,5 ha Ziel ermöglicht immer noch den Bau von 600.000 Wohnungen und 20.000 Kindergärten pro Jahr.

Riesige Reserve bereits gewidmeter Flächen

Die Argumentation der Bodenschutz-Gegner:innen nutzt die Sorgen der Menschen rund um die Teuerung aus. Mit dem 2,5 Hektar-Obergrenze könne man keinen leistbaren Wohnraum und keine wichtigen öffentlichen Gebäude mehr bauen. Diese Behauptung ist allerdings falsch. Das 2,5 Hektar Ziel erlaubt es Österreich immer noch, 600.000 Wohnungen und 20.000 Kindergärten zu errichten – jedes einzelne Jahr.

Hinzu kommen enorme Flächen, die bereits als Bauland gewidmet sind, aber noch unbebaut sind. Ein Beispiel: Auf den bereits gewidmeten Flächen Oberösterreichs könnte man die Millionenstadt Wien unterbringen. Es ist also keine Rede davon, dass wir keine neuen Wohnungen mehr bauen können. Bodenschutz und leistbarer Wohnraum können Hand in Hand gehen.

Bevölkerung will echten Bodenschutz

Mit ihrer Antihaltung stellen sich Gemeinden und Länder aber zunehmend gegen die Wünsche der Bevölkerung. Eine große Mehrheit der Menschen hierzulande steht längst auf der Seite des Bodens, zeigt eine Umfrage im Auftrag der Hagelversicherung. Vier von fünf der Befragten fordern eine verbindliche Begrenzung des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar. Und drei von vier Befragten sehen durch die Verbauung unserer fruchtbaren Böden die Lebensmittelversorgung gefährdet.

Vier von fünf Menschen fordern eine verbindliche Begrenzung des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar.

Ohne natürliche Böden keine Artenvielfalt

Die Österreicher:innen haben erkannt, was in manchen Kreisen der Politik noch nicht in die Köpfe will: Wir brauchen unsere Böden. Sie sind die Grundlage, um überhaupt Lebensmittel anbauen zu können. Sie filtern und reinigen Wasser. Und sie helfen, Hochwasser zu verhindern und sorgen für saubere Grundwasservorräte. Mit jedem verbauten Hektar geht außerdem Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen verloren. Ohne natürliche Böden keine Artenvielfalt.

Österreich braucht eine Bodendiät, damit nicht unser verbliebenes Erbe an natürlichen Böden auch noch aufgefressen wird. Damit diese Diät aber langfristig funktioniert, brauchen wir das 2,5 Hektar Ziel in der Bodenstrategie. Gute Absichten alleine reichen nicht. Denn kaum wäre die Aufmerksamkeit weg vom Thema Bodenschutz, würde die Verbauung munter weitergehen. Der Jo-Jo-Effekt des Bodenfraßes, wenn man so will. Eine gesunde Diät sieht anders aus.