Sonnenstrom vom eigenen Balkon

Balkonkraftwerke erlauben es auch Menschen in Wohnungen, ihren eigenen Sonnenstrom zu produzieren. Damit das reibungslos klappt, muss man ein paar Sachen wissen. Was? Das haben wir einen Experten gefragt und hier alle wichtigen Infos zusammengefasst.

Österreich ist im Photovoltaikfieber. Letztes Jahr wurden im Land so viel Anlagen installiert wie niemals zuvor. Rund 1200 Megawatt Leistung sind 2022 dazugekommen. Das ist mehr, als die vier größten Donaukraftwerke zusammen produzieren.

Das sind gute Nachrichten. Denn der eigene Strom vom Hausdach ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, sondern spart in Zeiten hoher Inflation auch Geld. Nur: Nicht jeder hat ein eigenes Hausdach. Besonders junge Menschen leben oft in Wohnungen. Eine klassische PV-Anlage kommt so nicht infrage. Dank sogenannter Balkonkraftwerke kann aber mittlerweile fast jeder seinen eigenen Sonnenstrom herstellen.

Wir haben mit dem Experten Momir Tabakovic gesprochen und die wichtigsten Fragen rund um Balkonkraftwerke beantwortet. Tabakovic leitet das Kompetenzfeld Renewable Energy Technologies & Climate-fit Buildings and Districts an der FH Technikum Wien und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Photovoltaik-Anlagen.

Was ist ein Balkonkraftwerk und wie unterscheidet es sich von herkömmlichen Photovoltaik-Anlagen?

Ein Balkonkraftwerk ist eine kleine Photovoltaik-Anlage. Sie wird in der Regel am Balkongeländer, an der Fassade oder mithilfe einer Aufständerung am Garagenfach montiert.  Oft werden sie auch Kleinsterzeugungsanlagen genannt. Denn technisch gesehen unterscheidet sie sich nicht von großen Anlagen am Dach, erklärt uns Experte Tabakovic. Beide produzieren mithilfe der Sonne Strom und beide sorgen dafür, dass die Stromrechnung sinkt. Es gibt aber drei wesentliche Unterschiede:

  • Selbstinstallation
    Herkömmliche Photovoltaik-Anlagen erfordern eine professionelle Installation durch Fachpersonal. Ein Balkonkraftwerk kann in der Regel jede:r selbst montieren. Wichtig ist, dass es exakt nach Anleitung montiert wird. Nur ordnungsgemäß angebrachte Anlagen würden starken Winden trotzen, mahnt der Experte. Nicht ordnungsgemäß montierte und angeschlossene Anlagen gefährden außerdem den Versicherungsschutz.
  • Mobil
    Bei einem Umzug lässt sich das Kraftwerk genauso wie jedes andere technische Gerät einfach abstecken, mitnehmen und neu installieren. Große PV-Anlagen lassen sich nur mit viel Aufwand umsiedeln
  • Begrenzte Leistung
    Damit eine PV-Anlage in Österreich als Kleinsterzeugungsanlage durchgeht, darf sie nicht mehr als 800 Watt Maximalleistung bringen. Das entspricht etwa zwei Modulen mit einer Fläche von 170 mal 100 Zentimetern. Momir Tabakovic weist hier darauf hin, dass die Begrenzung sich auf die Einspeiseleistung des Wechselrichters bezieht. Die Leistung der Solarmodule darf höher liegen.
Balkonkraftwerk
Zwischen 500 und 1.000 Euro kostet ein Balkonkraftwerk im Durchschnitt. Anbieter gibt es viele.
Darf ich ein Balkonkraftwerk einfach so anbringen oder brauche ich eine Genehmigung?

Hier gibt es zwei wesentliche Stellen, die man beachten muss.

  • Stromanbieter
    Dem Stromanbieter gegenüber gibt es eine Meldepflicht. Zwei Wochen vor Inbetriebnahme sollte er über das Balkonkraftwerk Bescheid wissen. Bei den meisten Anbietern kann man die Meldung online im Kundenportal vornehmen, zum Beispiel hier bei der Wien Energie, der EVN oder Energie AG. Vor einer Absage muss man sich aber nicht fürchten, denn es handelt sich nur um eine Meldungspflicht, nicht aber um eine Genehmigungspflicht, weiß der Experte. Der Anbieter prüft im Zuge der Meldung, ob der Stromzähler für den Gebrauch eines Balkonkraftwerks geeignet ist. Falls nicht, wird ein kostenloser Tausch veranlasst.
  • Mieter/Eigentümergemeinschaft
    Hier wird es komplizierter. Prinzipiell gilt: Da ein Balkonkraftwerk mobil ist, stellt es keine bauliche Veränderung der Gebäudehülle dar, die man Vermieter:innen oder der Eigentümergemeinschaft melden müsste. Trotzdem sollte man in jedem Fall Rücksprache halten. Denn durch das Anbringen der Solarpanele entsteht eine Veränderung am Erscheinungsbild des Hauses, die streng ausgelegt genehmigungspflichtig ist. Das heißt: Will sich ein:e Vermieter:in querlegen, dann kann sie mit dem Erscheinungsbild argumentieren. Dasselbe gilt für Eigentumswohnungen. Theoretisch bräuchte man die Zustimmung aller Eigentümer:innen, um das Balkonkraftwerk zu installieren. In beiden Fällen könnte man den Rechtsweg beschreiten, sagt Experte Tabakovic. Die Erfolgsaussichten seien dabei durchaus groß. Aber wer will das schon? Deswegen hier die klare Empfehlung: Wer vor dem Kauf das Gespräch sucht, spart sich Geld und Ärger. Und noch ein Tipp: Wer in den letzten zwei Jahren einen neuen Mietvertrag abgeschlossen oder eine neue Eigentumswohnung erworben hat, sollte in die Verträge schauen. Oft ist bereits eine Regelung zu Balkonkraftwerken enthalten.
Wie verbinde ich das Balkonkraftwerk mit meinem Stromnetz?

Bei dieser Frage betritt man einen weiteren Graubereich, weiß Momir Tabakovic. Prinzipiell lassen sich viele Balkonkraftwerke per Schuko-Stecker mit dem eigenen Stromnetz verbinden. Das ist ein Standard-Stecker, der in Österreich in jede Steckdose passt.

Es gibt allerdings eine elektrotechnische Norm in Österreich, die den direkten Anschluss von Solarmodulen an die Steckdose nicht billigt. Wer sich nicht an die Norm hält, muss beweisen, dass dadurch kein Sicherheitsrisiko entsteht. Das ist aber Sache des Herstellers, nicht der Käufer:innen. Die österreichische Regulierungsbehörde E-Control hat jedenfalls in einer Studie festgestellt, dass der Anschluss von 800 Watt-Anlagen kein nennenswertes Sicherheitsrisiko darstellt. Und auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) urteilt, dass ein Anschluss über Schuko-Stecker in der Praxis sicher ist und weder in Österreich noch in Deutschland Unfälle bekannt sind.

Wichtig allerdings: Die Einspeisung des Stromes muss direkt in die Wandsteckdose erfolgen. Verlängerungskabel oder Steckdosenleisten dürfen nicht zwischengeschalten werden.

Kann ich mit meinem produzierten Strom Geld verdienen?

Nein, nicht ohne zusätzliche Anträge und Verträge. Mit einem Balkonkraftwerk produziert man nur Strom für die eigene Wohneinheit. Bei Überproduktion wird der Strom zwar ins öffentliche Netz eingespeist, Geld gibt es dafür aber nicht.

Wer will, kann einen Antrag auf Netzanschluss durch eine:n Elektriker:in stellen und dann  einen Stromabnahmevertrag abschließen. Das sei aber viel Aufwand und bei so kleinen Strommengen wenig sinnvoll, meint der Experte.

Zahlt sich ein Balkonkraftwerk bei mir aus?

Menschen mit Balkonen Richtung Süden sind hier klar im Vorteil. Eine Südausrichtung und eine Neigung der Solarmodule von 25 bis 30 Grad gegenüber dem Boden sind das Optimum, sagt Experte Momir Tabakovic.

Bei Ost- oder Westbalkonen ist der Ertrag schon deutlich niedriger, kann sich aber immer noch auszahlen. Wer einen Balkon Richtung Norden hat, schaut leider durch die Finger. Hier zahlt sich ein Balkonkraftwerk nicht aus, meint der Experte.

Selbst bei optimaler Ausrichtung und der maximal zulässigen Leistung von 800 Watt kann ein Balkonkraftwerk nur einen Teil des eigenen Stromverbrauchs decken. Im Sommer lässt sich damit aber in der Regel die Grundlast decken – also jener Stromverbrauch, der durch Geräte verursacht wird, die immer laufen. Zum Beispiel Kühl- und Gefrierschränke, W-LAN-Router und Geräte im Stand-by-Modus.

Rund 10 bis 20 Prozent des jährlichen Verbrauchs könne man circa abdecken, meint der Experte. Persönlicher Verbrauch und die Ausrichtung der Anlage sorgen aber für große individuelle Unterschiede.

Übrigens: Wie alle anderen PV-Anlagen auch, erzeugen Balkonkraftwerke im Winter zwar weniger Strom, aber immer noch einiges. Als Faustregel gilt: In der kalten Jahreshälfte erzeugt eine Anlage rund 30-35 Prozent ihres Jahresertrags, in der warmen Jahreshälfte die restlichen 65 bis 70 Prozent.

Was kostet ein Balkonkraftwerk?

Die meisten Modelle bewegen sich zwischen 500 und 1.000 Euro. Bei diesen Preisen ist bereits alles enthalten, was man für die Stromerzeugung und Einspeisung braucht. Ein Speicher ist hier noch nicht enthalten. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass eine Anlage nach rund fünf Jahren ihre Kosten wieder hereingespielt hat. Natürlich variiert dieser Zeitraum nach Eigenverbrauch, Ausrichtung und dem Preis von Strom und Anlage.

Über die/den Autor:In

Markus Englisch
Markus Englisch
Markus studierte TV- und Medienproduktion in Wien. Sein größter Antrieb als Journalist ist es, die Klimakrise für alle Menschen begreifbar zu machen. Zuletzt war er als Redakteur bei PULS 4 tätig und leitete das Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

Ähnliche Artikel

Up-to-date bleiben

38FollowerFolgen
155FollowerFolgen
182AbonnentenAbonnieren

Neueste Beiträge