Energie vom Feld ernten

Bis 2030 will Österreich den Strom zur Gänze aus Erneuerbaren Energien gewinnen. Wasser, Wind und Sonne sollen dabei helfen. Im niederösterreichischen Bruck an der Leitha ist nun eine Agri-Photovoltaik-Anlage ans Netz gegangen. Sie arbeitet mit der Kraft der Sonne, verbraucht wenig Platz und macht so landwirtschaftliche Nutzung rund um die Paneele möglich.

Lässt man im niederösterreichischen Bruck an der Leitha den Ecoplus-Park hinter sich und fährt weiter Richtung Pachfurth, tut sich auf einem Feld auf der rechten Straßenseite eine große Photovoltaik-Anlage auf. Es ist aber keine normale PV-Anlage, es ist eine Agri-PV-Anlage. Sie kombiniert Landwirtschaft und Stromerzeugung. Noch sieht man vor allem Erde zwischen den Solarpaneelen. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man aber bereits kleine grüne Halme aus dem Boden wachsen. Weizen, Soja, Mohn und Mais sollen auf der fünf Hektar großen Fläche unter anderem wachsen. Parallel dazu erzeugen 5.704 Photovoltaik-Module Strom für rund 1.000 Haushalte. Ans Netz gegangen ist die Agri-PV-Anlage Anfang November.

Solarpaneele ändern ihre Position

Mit Agri-PV-Anlagen können Landwirt:innen doppelt ernten: sowohl Lebensmittel als auch Strom. Die PV-Module nehmen dabei kaum Platz ein. Am Sonnenfeld in Bruck verbrauchen sie zwei Prozent der Fläche. Der Großteil, nämlich 80 Prozent, kann landwirtschaftlich genutzt werden. Die Module sind zudem flexibel. So können sie dem Verlauf der Sonne folgen. Indem die Position geändert werden kann, kann auch die Intensität des Schattens, den die Paneele werfen, gesteuert werden. Denn die Pflanzen brauchen zum Wachsen genug Sonnenlicht. Bei Niederschlag stehen die Module im 70 Grad-Winkel, damit die Feuchtigkeit gut zum Boden gelangen kann. Durch den Schatten der Module bleibt zudem der Boden länger feucht. Blickt man auf den trockenen Sommer in der Ostregion zurück, ist das ein bedeutender Faktor.

Zwischen den Solarpaneelen sollen unter anderem Soja, Roggen und Leinensaat wachsen.

Ihre Position kann aber auch verändert werden, damit Landwirt:innen beispielsweise mit Traktoren am Feld fahren können. Der Wechsel vom horizontal ausgerichteten Bewirtschaftungsmodus in den Trackingmodus, in dem die Solarzelle am meisten Strom produzieren kann, dauert rund zehn Minuten. Bei Niederschlag stehen die Module im 70 Grad-Winkel, damit die Feuchtigkeit gut zum Boden gelangen kann. Durch den Schatten der Module bleibt zudem der Boden länger feucht. Blickt man auf den trockenen Sommer in der Ostregion zurück, ist das ein bedeutender Faktor.

Platz für Biodiversität

Am Sonnenfeld soll auch die Biodiversität gefördert werden. Daher werden auf den übrigen 18 Prozent Blühstreifen und Bienenweiden gepflanzt, von denen Insekten, nistende Vögel, Hasen und Rotwild profitieren. „Das Sonnenfeld zeigt, dass wirtschaftliche Optimierung und ökologische Optimierung funktionieren“, sagte Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds, bei der Eröffnung des Sonnenfelds. Der Klima- und Energiefonds fördert Projekte, die notwendig sind, um bis 2030 den Strom zur Gänze aus Erneuerbaren Energien zu gewinnen – wie jenes in Bruck an der Leitha.

Am Anfang war die Skepsis

Die Erfahrungen mit Agri-PV-Anlagen sind in Österreich noch rar. 2019 wurde die erste Anlage in Betrieb genommen: die Pilotanlage in Guntramsdorf. Projektentwickler Joachim Payr von EWS Consulting musste daher einiges an Überzeugungsarbeit leisten. „Wir sind eine landwirtschaftlich geprägte Gruppe, die sich mit Energie beschäftigt. Vor zwei, drei Jahren haben wir noch gesagt, auf unsere Äcker stellen wir nichts“, sagt Michael Hannesschläger, Geschäftsführer des Energieparks Bruck, der das Sonnenfeld nun leitet. Auch Grundeigentümer Beppo Harrach stand dem Vorhaben zunächst skeptisch gegenüber. Der Acker sei für landwirtschaftliche Produktion und nicht für Energieerzeugung dar, war er lange Zeit überzeugt.

Payr konnte sowohl Harrach als auch den Energiepark von den Vorteilen einer Agri-PV-Anlage überzeugen. Unter anderem bieten die Module Schutz vor Hagel und können einem trockenen Boden entgegenwirken. Sollte es zu klimabedingten Ernteausfällen kommen, haben die Landwirt:innen immer noch die Stromproduktion als Einnahmenquelle. „Es war dann nicht mehr so sehr die Frage, ob man das umsetzt, sondern wie man das umsetzt, um viel Ertrag zu erwirtschaften“, lässt Harrach wissen. In der Agri-PV-Anlage sieht er einen Weg, wo sich die Landwirtschaft in Zukunft hinbewegen kann. Dass sich die Energieerzeugung mit landwirtschaftlicher Produktion an einem Ort vereinen lässt, sorgt für Akzeptanz. Sowohl bei den Landwirt:innen als auch in der Gesellschaft.

Die Solarpaneele sind so angeordnet, dass Landwirt:innen ihre Felder wie gewohnt beackern können.
Viel Potential in Agri-PV-Anlagen

Mit diesem Projekt wird „innovatives Neuland betreten“, so Klimaministerin Leonore Gewessler. Sie sieht in dem Sonnenfeld „riesiges Potential“ für die Zukunft. Wie auch Joachim Payr. Ein Fünftel des Gesamtstromverbrauchs in Österreich könnte durch Agri-PV-Anlagen gedeckt werden. „Da wollen wir in den nächsten Jahren hin“, sagt er.

Damit das gelingen kann, muss das System hinter der Anlage laufend optimiert werden. Aus diesem Grund wird das Sonnenfeld von einem Team der Universität für Bodenkultur (BOKU) wissenschaftlich begleitet. Untersucht wird, wie die Landwirt:innen die Fläche am besten mit Maschinen bewirtschaften können, welchen Einfluss die Anlage auf die Biodiversität hat und welche Pflanzen am besten wachsen. Der Anbau von Mais beispielsweise ist ein gewagtes Experiment, weil die Pflanze recht hochwächst. Trotzdem wird sie angebaut. „Weil wir wissen wollen, was passiert“, meint Hannesschläger.

Acht Forschungszonen für viele Erkenntnisse

Das Sonnenfeld wurde in acht Forschungszonen unterteilt. In diesen befinden sich unterschiedliche Module mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Die Abstände zwischen den Modulen sind je nach Zone zwischen sechs, neun und zwölf Metern breit. Auf einer Hälfte wird von Harrach und seinem Team konventionelle Landwirtschaft betrieben. Auf der anderen ist er mit Bio-Landwirt:innen eine Kooperation eingegangen. Zudem dienen eine brachliegende Fläche sowie eine landwirtschaftlich genutzte Fläche ohne Solarpaneele als Vergleichsflächen. Mit den Erkenntnissen aus dem Sonnenfeld in Bruck soll die Software hinter der Anlage verbessert werden. Damit eine Agri-PV-Anlage in Zukunft das Interesse von mehr Landwirt:innen weckt.

Steht man am Sonnenfeld in Bruck und dreht sich im Kreis, fallen einem Windräder auf. Und eine Biogasanlage. Allesamt Symbole der Energiewende.

Über die/den Autor:In

Nicole Frisch
Nicole Frisch
Nicole studiert Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Das Ziel: Die Weltpolitik verstehen – und das Verstandene mit möglichst vielen Menschen teilen. Ihren Weg in den Journalismus hat sie über die NÖN gefunden. Ihre Schwerpunkte sind soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Migration und Vergangenheitspolitik.

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