Was das JA zum Renaturierungsgesetz bedeutet

Der Kursschwenk von Umweltministerin Leonore Gewessler hat einen historischen Fortschritt im Naturschutz möglich gemacht. Denn mit Österreichs Zustimmung konnte die EU Montagvormittag endlich das ewig diskutierte Renaturierungsgesetz beschließen. Damit ändert sich viel.

Die EU-Umweltminister:innen haben sich Montag in Luxemburg getroffen, um über das Renaturierungsgesetz zu diskutieren. Mal wieder. Worüber so lange gestritten wurde, kannst du hier nachlesen. Auch diesmal war bis zum Schluss nicht ganz klar, ob über das Gesetz überhaupt abgestimmt wird.

Und dann die Überraschung: Unter den Minister:innen konnte tatsächlich eine sogenannte qualifizierte Mehrheit gefunden werden. Das bedeutet, dass mindestens 55 Prozent der Mitgliedsstaaten dem Beschluss zugestimmt haben, die aber gleichzeitig auch mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der EU repräsentieren müssen.

Und genau diese Prozenthürden wurden bisher knapp nicht erreicht, weil Österreich seine Zustimmung verweigert hat. Das lag aber nicht an Leonore Gewessler, sondern an den Ländern und ihren Landeshauptleuten. Die sind – abgesehen von Wien und Kärnten – nach wie vor gegen das Gesetz. Was die überhaupt mit einem EU-Gesetz zu tun hatten, kannst du in unseren FAQ zum Thema nachlesen.

Wichtig zu wissen ist nur: Trotz des Widerstandes der Landeshauptleute und weiten Teilen der ÖVP hat sich Gewessler entschieden, dem Gesetz zuzustimmen. Damit hat sie Europas Natur im letzten Moment den Arsch gerettet. Die ÖVP ist mit der Entscheidung trotzdem nicht glücklich. Sie erstattet Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch gegen Gewessler.

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Das steht im Gesetz

Es wäre nicht zu viel gesagt, das Renaturierungsgesetz als das ehrgeizigste Naturschutzgesetz in der Geschichte der Europäischen Union zu bezeichnen. Die Verordnung ist natürlich wie jeder Rechtstext komplex und voller Details, aber im Wesentlichen geht es um ein Ziel:

  • Bis zum Jahr 2050 müssen alle zerstörten Ökosysteme der EU wiederhergestellt werden oder im Wiederherstellungsprozess sein.

Am Weg dorthin gibt es zwei Zwischenziele. Bis zum Jahr 2030 müssen mindestens 20 Prozent der zerstörten Ökosysteme wiederhergestellt sein, bis zum Jahr 2040 sind 60 Prozent vorgesehen. Gut. Was heißt das konkret?

Was Wiederherstellung bedeutet

In den letzten 100 Jahren haben wir Menschen viel intakte Natur zerstört. Zum Beispiel, um Land für den Anbau von Lebensmitteln zu gewinnen, um Rohstoffe aus dem Boden zu fördern oder an Holz zu kommen. Wiederherstellung beziehungsweise Renaturierung bedeutet, dass wir die natürlichen Lebensräume, die einst an diesen Stellen existierten, wiederherstellen. Wir reparieren also den Schaden, den wir selbst verursacht haben.

Konkret heißt das: Aus einem öden Feld kann wieder ein Wald, ein Moor oder ein Flussarm entstehen – wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Wiederherstellung hilft aber auch uns Menschen. Zum Beispiel, weil Bäume und Moore CO₂ speichern und sie die Klimakrise ausbremsen. Intakte Natur verbessert außerdem die Qualität von Wasser, Luft und Boden und mildert Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Dürren. Renaturierung ist also nichts Selbstloses, sondern etwas, von dem wir Menschen stark profitieren.

Was das Renaturierungsgesetz für Österreich nicht bedeutet
  • Weniger Ernährungssicherheit: Die steht im Gesetz an vorderster Stelle. Es soll mehr fruchtbarer Boden, bessere Widerstandsfähigkeit gegen Wetterbedingungen, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Produktivität geschaffen werden. Langfristige Nachhaltigkeit steigert unsere Lebensmittelsysteme, unterstützt die Produktivität der Landwirtschaft und verbessert die Ernährungssicherheit.
  • Enteignungen: Das Gesetz sieht keine Zwangsenteignungen von landwirtschaftlichen Flächen vor. Es schließt diese sogar aus. Zwar sollen landwirtschaftliche Flächen naturnäher bewirtschaftet, keinesfalls aber stillgelegt werden. Die Verordnung zielt nicht darauf ab, die landwirtschaftliche Bodennutzung einzustellen. Vielmehr soll es Förderungen und finanzielle Anreize geben, sich freiwillig an solchen Verfahren zu beteiligen. Außerdem muss zum Erreichen der Ziele des Renaturierungsgesetzes in Österreich nicht unbedingt auf Ackerflächen zurückgegriffen werden, sagt der WWF.
Was die EU-Länder jetzt tun müssen

Das EU-Renaturierungsgesetz ist rechtlich bindend. Das ist beim Thema Klima- und Umweltschutz keineswegs selbstverständlich. Beschlüsse auf Weltklimakonferenzen sind etwa nicht rechtlich verpflichtend.

Österreich und alle anderen EU-Mitgliedsstaaten sind also gesetzlich verpflichtet, spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten des Renaturierungsgesetzes nationale Pläne vorzulegen.

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In diesen Plänen muss stehen, wie das Land die Ziele des Renaturierungsgesetzes erreichen will. Jedes Land muss sich also eigenständig detaillierte Maßnahmen und Zeitpläne überlegen und regelmäßig über ihren Fortschritt berichten. Die Europäische Umweltagentur überwacht diesen Prozess. Das ist wichtig, denn viele Länder haben Naturschutz oft auf die lange Bank geschoben.

Eines steht fest: Das EU-Renaturierungsgesetz wird große Fortschritte für den Naturschutz in Europa bringen. Wir werden gesündere und widerstandsfähigere Ökosysteme haben, mit allen Vorteilen, die das mit sich bringt. Intakte Wälder, Moore und Flusslandschaften können besser CO₂ speichern, sauberes Wasser und Luft liefern und Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren mildern.

Über die/den Autor:In

Markus Englisch
Markus Englisch
Markus studierte TV- und Medienproduktion in Wien. Sein größter Antrieb als Journalist ist es, die Klimakrise für alle Menschen begreifbar zu machen. Zuletzt war er als Redakteur bei PULS 4 tätig und leitete das Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

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