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Zu lange blind am rechten Auge

Es hat bis in die 1990er Jahre gedauert, bis Österreich begonnen hat, sich kritisch mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Realität wurde jahrzehntelang verdrängt, mit den Täter:innen setzte man sich nicht auseinander. Das hat Folgen bis heute.

Wer den Film „Murer“ gesehen hat, weiß: Österreich hat ein Problem mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit. Der Steirer Franz Murer war maßgeblich für die Vernichtung der Juden und Jüdinnen in der litauischen Hauptstadt Vilnius verantwortlich. Die Opfer nannten ihn den Schlächter von Wilna. Im Nachkriegs-Österreich wurde er zunächst nicht strafrechtlich verfolgt. Erst auf Drängen des Holocaust-Überlebenden und Publizisten Simon Wiesenthal wurde Murer 1962 angeklagt – und 1963 freigesprochen. Die Öffentlichkeit hat diesen Freispruch bejubelt. Im Film und in der Realität.

Murer war kein Einzelfall. Täter:innen gab es nach 1945 keine in Österreich, so die offizielle Darstellung. Alle waren Opfer. Die Schuld an allem gab man Deutschland. Am Anschluss im März 1938, den im Nachhinein niemand in Österreich begrüßt haben will. An den Verbrechen, an denen keine Österreicher:innen beteiligt gewesen sein sollen, weil es zwischen 1938 und 1945 kein Österreich gegeben hatte.

Berufen hat man sich dabei auf die Moskauer Deklaration aus dem Jahr 1943. Die Alliierten haben darin Österreich tatsächlich als erstes Land bezeichnet, das der deutschen Angriffspolitik zum Opfer fiel. Allerdings haben sie darin auch festgehalten, dass Österreich an der Seite Deutschlands in den Krieg gezogen ist und dafür Verantwortung übernehmen muss. Letzteres wurde schnell unter einen österreichischen Teppich gekehrt und somit musste man sich nach dem Krieg auch nicht mit den Täter:innen auseinandersetzen. Und das, obwohl 1942 8,2 Prozent der Österreicher:innen Mitglieder der NSDAP waren und Österreicher wie Adolf Eichmann und Odilo Globocnik führende Positionen im NS-Apparat innehatten.

Verdrängen mit Folgen

Dass die Realität eine andere war, blendete man lange Zeit aus. Und das verfolgt uns bis heute. Indem Politik und Gesellschaft jahrzehntelang nicht aufgearbeitet haben, was Österreicher:innen während des Zweiten Weltkriegs getan haben, und die Verbrechen nicht verurteilt haben, konnte auch das nationalsozialistische Gedankengut überleben.

Die Täter:innen haben sich als Opfer gesehen, als Opfer der Alliierten, die das nationalsozialistische Deutschland besiegt haben. Ihr Gedankengut konnten die Nationalsozialist:innen an ihre Kinder weitergeben. Eines dieser Kinder war Jörg Haider, der sich im Laufe seiner politischen Karriere mehrmals antisemitisch geäußert hat. Unter ihm als Obmann hat die FPÖ 1992 auch das Österreich zuerst-Volksbegehren initiiert, das besser bekannt ist unter dem Namen Ausländer raus-Volksbegehren. Der Name war Programm.

Der Mythos bröckelt

Die NS-Zeit wollte das offizielle Österreich nach 1945 möglichst schnell vergessen. Doch dann kam 1986 Kurt Waldheim, der die Geschichte von der Pflichterfüllung an der Front nicht mehr glaubhaft vermitteln konnte – zumindest international. Die Mehrheit der Österreicher:innen hat das ehemalige SA-Mitglied zum Bundespräsidenten gewählt. Trotzdem begann der Opfermythos in Österreich zu bröckeln. 1991 gestand dann der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky die Mitschuld von Österreicher:innen an nationalsozialistischen Verbrechen ein.

Seither tut sich etwas in dem Land. Erinnern und Gedenken rückten in den Vordergrund. Gedenkstätten wie das Holocaust-Denkmal am Wiener Judenplatz wurden errichtet und für die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen wurde ein Nationalfonds eingerichtet. Mittlerweile können Verfolgte und ihre Nachkommen wieder die österreichische Staatsbürgerschaft annehmen.

Weiter Nährboden für rechtes Denken

Doch auch wenn sich vieles getan hat in den letzten 30 Jahren, rechtspopulistische und rechtsextreme Ideen finden in Österreich immer noch einen guten Nährboden vor. Wirft man einen Blick in den Verfassungsschutzbericht, liest man da: „Das Risiko rechtsextremistisch motivierter Tathandlungen und nachhaltiger Radikalisierung von Akteurinnen und Akteuren sowie Gruppierungen bleibt konstant erhöht.“ Indem sie versucht haben, die Protestaktionen gegen die Covid19-Schutzmaßnahmen für sich zu vereinnahmen, ist es ihnen gelungen, in Gesellschaftsschichten vorzudringen, die sie bisher nicht erreicht haben.

Dass rassistische und nationalistische Denkweisen für immer mehr Österreicher:innen anschlussfähig sind, zeigen auch die aktuellen Wahlumfragen. Die FPÖ führt diese seit Monaten an. Ihr Chef, Herbert Kickl, verwendet laufend Begriffe mit eindeutigem NS-Bezug.

Auch die letzte Antisemitismusstudie wirft kein gutes Bild auf die Entwicklungen in Österreich. Ein Drittel der Befragten stimmte der Aussage zu, dass Juden und Jüdinnen versuchen, Vorteile daraus zu ziehen, während der NS-Zeit Opfer gewesen zu sein. Dem Satz „Ich bin dagegen, dass man immer wieder die Tatsache aufwärmt, dass im Zweiten Weltkrieg Juden umgekommen sind“ stimmte ebenfalls ein Drittel zu.

Bewusstsein durch Erinnerung

Ohne Erinnern geht es aber nicht. „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dafür, dass es nicht wieder geschieht, dafür schon“, hat der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer gesagt. Die Geschichte der Zweiten Republik zeigt uns, was passiert, wenn wir die Verbrechen der Nationalsozialist:innen und die 17 Millionen Menschen, die sie getötet haben, vergessen. Menschen entwickeln nur schwer ein Bewusstsein für diese Ungerechtigkeit. Und das kann dazu führen, dass sie die Verbrechen der Nazis verharmlosen und rechtsextremes Gedankengut anschlussfähig finden. Wir müssen also erinnern, um ein Bewusstsein zu schaffen, dass sich autoritäre Systeme wie der Nationalsozialismus nie wieder wiederholen.

Wir müssen das Unrecht von damals verstehen, damit wir heute Ungerechtigkeit, Ausgrenzung und Hetze erkennen und dagegen aufstehen. Dem Onkel bei der Familienfeier widersprechen oder der jungen Muslimin, die in der U-Bahn wegen ihres Kopftuchs rassistisch beleidigt wird, helfen. Hier ist das Bildungssystem gefragt, aber auch die Zivilgesellschaft. Es gibt Vereine und Organisationen, die den Rechtsruck verhindern wollen. Zum Beispiel der Verein Gedenkdienst, der nicht nur Österreicher:innen für den Gedenkdienst ins Ausland entsendet, sondern auch Workshops anbietet, in denen sich Teilnehmer:innen unter anderem damit auseinandersetzen, wie die Erinnerungspolitik nach 1945 bis heute spürbar ist. Wir können solche Angebote nutzen, aber uns auch selbst engagieren. Ein wichtiges Mittel sind auch Demonstrationen. Dort können wir ganz klar zeigen, dass wir es nicht hinnehmen, wenn Rechtsextreme beispielsweise die Deportation von mehreren tausend Menschen planen.

Nur still sein, das dürfen wir nicht.

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Jedes Zehntelgrad weniger zählt

Der Golfstrom und der Amazonas-Regenwald, zwei wichtige Zahnräder im großen Getriebe unseres Klimasystems. Beide drohen schon in naher Zukunft zu kippen, sagen zwei neue Studien. Was das bedeutet und vor allem, was wir angesichts dieser Bedrohungen tun können, liest du hier.

Sowohl der Amazonas-Regenwald als auch der Golfstrom sind sogenannte Kippelemente. Kippelemente sind wichtige Bestandteile unseres Klimasystems, die ab einem gewissen Punkt der Erderwärmung kippen können. Das heißt: Sie bleiben lange Zeit stabil, obwohl die Temperatur auf der Erde steigt. Ist aber ein gewisser Schwellenwert überschritten, dann verändern sie sich plötzlich und unaufhaltsam. Nach dem Kipppunkt ist es egal, wie sich die Temperatur auf der Erde weiterentwickelt. Wir Menschen müssen dann tatenlos zusehen.

Neue Studien sind ein Warnschuss

Wo die Schwelle für bestimmte Kippelemente liegt, ist in der Wissenschaft ein viel diskutiertes Thema. Zwei große neue Studien liefern nun neue beunruhigende Erkenntnisse. Ein niederländisches Forscherteam hat sich mit den Veränderungen des Golfstroms beschäftigt. Das ist eine Meeresströmung, die vereinfacht gesagt warme Wassermassen aus der Karibik nach Europa bringt. Dank des Golfstroms haben wir in Europa vergleichsweise milde Winter. Noch. Denn wir bewegen uns auf den Kollaps zu, sagen die Forscher:innen. Schuld ist die menschenverursachte Eisschmelze an den Polen. Wann genau und wie schnell der Golfstrom zusammenbricht, ist nicht vorhersehbar. Es kann in diesem Jahrzehnt oder erst am Ende des Jahrhunderts passieren. Aber je mehr Treibhausgase wir ausstoßen, desto früher tritt er ein, so die Studie. Die Auswirkungen eines Zusammenbruches wären dramatisch. Der Meeresspiegel würde um einen Meter ansteigen, in der südlichen Hemisphäre würde es heißer werden, in Europa dafür deutlich kälter. In Wien wäre es im Winter durchschnittlich um fünf bis acht Grad kälter.

Der Golfstrom ist Teil der Atlantischen Umwälzzirkulation. Bricht der Strom zusammen, würde es in Europa sehr viel kälter werden.

Nicht minder dramatisch wäre der Kollaps des Amazonas Regenwaldes. Nicht nur würde ein Zusammenbruch zu einem massiven Freisetzen von Kohlenstoff führen, der in den Pflanzen gespeichert ist. Der Amazonas-Regenwald ist auch ein wichtiger Motor im globalen Klima. Er gibt Feuchtigkeit in die Atmosphäre ab, die als Niederschlag in anderen Teilen der Welt niedergeht. Bis 2050 könnte aber fast die Hälfte des Waldes verschwinden, sagt eine neue Studie. Schuld daran sind vor allem Abholzung, Dürren und Waldbrände. Ab einem gewissen Punkt würden sich alle diese negativen Effekte gegenseitig verstärken und den unaufhaltsamen Zusammenbruch des Ökosystems bedeuten.

Kippelemente sind das Damoklesschwert der Klimakrise

Dass es Kippelemente in unserem Klimasystem gibt und vor allem, dass sie eine große Gefahr sind, wissen Forscher:innen schon länger. Der Golfstrom und der Amazonas-Regenwald sind nur zwei davon. In den letzten Jahren hat die Wissenschaft insgesamt 16 Kippelemente in unserem Klimasystem identifiziert und benannt. Bisher hielt man vor allem Korallenriffe, Permafrostböden und das Polareis für die instabilsten. Je wärmer die globale Durchschnittstemperatur, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ein oder mehrere dieser Kippelemente tatsächlich ausgelöst werden. Wenn das passiert, dann droht ein Dominoeffekt.

Wenn ein Kippelement seinen Schwellenwert überschreitet, könnte das weitere mitreißen. Das klingt drastisch, aber unser Klimasystem ist empfindlich und hochkomplex. Unzählige physikalische Phänomene, Ökosysteme und Kreisläufe spielen in unserem Klimasystem zusammen und sind voneinander abhängig. Das macht es auch so schwer, sichere Prognosen über die Zukunft unseres Klimas abzugeben.

Wir können uns dieses System wie eine Balkenwaage vorstellen. Allerdings gibt es nicht nur einen Balken mit zwei Schalen links und rechts, sondern unüberschaubar viele Schälchen und Balken, die alle miteinander verbunden sind. Wenn bestimmte Schalen sich stark verändern, etwa wenn Kippelemente tatsächlich kippen, könnte die Waage aus dem Gleichgewicht geraten. Das gilt es um jeden Preis zu verhindern.

Unsere Zivilisation braucht stabiles Klima

Wir erreichen bald einen Punkt, an dem die Erderwärmung das ganze Klimasystem aus dem Gleichgewicht bringt. Ohne Golfstrom und ohne Amazonas-Regenwald wäre unser Klima ein völlig anderes.  Wir steuern sehenden Auges in eine Klimaphase, die das Ende unserer Zivilisation bedeuten könnte.

Es gibt keine risikofreien Fristen mehr, innerhalb derer wir Klimaschutzmaßnahmen umsetzen können. Wir wechseln in ein neues Stadium der Klimakrise, ob wir wollen, oder nicht. Jetzt geht es darum, jedes Zehntelgrad an weiterer Erderwärmung zu verhindern. Jedes Zehntel Grad kann das Kippen oder Nichtkippen von Klimaelementen bedeuten. Ob es funktioniert, dafür gibt es keine Garantie mehr. Die Klimawissenschaft kann nur Wahrscheinlichkeiten anbieten.

Aber Hoffnung gibt es. Wenn wir die globale Erwärmung rasch bremsen, ist es wahrscheinlich, dass wir ein stabiles Klima aufrechterhalten können. Ein Klima, das unsere Zivilisation braucht. Noch können wir den Kollaps des Golfstromes und des Amazonas-Regenwaldes mit großen Anstrengungen verhindern. Jedes Zehntelgrad Erderwärmung weniger zählt!

Kippelemente Klima
Überblick über die Klima-Kippelemente unserer Erde. © Globaia for the Earth Commission/ PIK, SRC und Exeter University

Amtsgeheimnis abgeschafft

Nach fast 100 Jahren wird das Amtsgeheimnis in Österreich abgeschafft. Stattdessen kommt ein Recht auf Information. Bund, Länder und Gemeinden werden damit transparenter. 

Stell dir vor, in deiner Nachbarschaft ist eine große grüne Wiese. Eines Tages fahren dort die Bagger auf, weil ein großer Supermarkt inklusive Parkplatz errichtet wird. Du findest heraus, dass es ein Gutachten gibt, mit dem die Gemeinde die Umwidmung der Flächen begründet. Die Sache kommt dir komisch vor und du willst das Gutachten lesen.

Du googelst danach, findest im Internet aber nichts dazu. Also rufst du auf der Gemeinde an, dort will man dir aber keine Auskunft geben. Begründung: Amtsgeheimnis. Das soll sich mit dem Informationsfreiheitsgesetz ändern. Dieses wurde nun mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament beschlossen. Die Gemeinde muss dir ab 1. September 2025 die Information zu dem Supermarkt-Projekt in deiner Nachbarschaft bereitstellen.

Recht auf Information kommt

Du erhältst ein Recht auf Information. Das bedeutet, dass wir von öffentlichen Stellen alle Informationen von öffentlichem Interesse bekommen, die wir wollen. Darunter fallen unter anderem Studien, Statistiken, Gutachten und Verträge. Solange es dabei nicht um die nationale Sicherheit oder persönliche Daten geht.

Behörden müssen Informationen veröffentlichen

Die Behörden sind aber nicht nur dazu verpflichtet, unsere Anfragen zu beantworten. Sie müssen auch von sich aus Informationen veröffentlichen. Diese sind dann im sogenannten Informationsregister, einer zentralen Webseite, zu finden. Dort kannst du dann zum Beispiel nach Studien zum Ausbau von Radwegen suchen – unabhängig davon, ob sie Bund, Land oder Gemeinde in Auftrag gegeben hat.

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Anfragen sind auch anonym möglich

Findest du die Informationen, nach denen du suchst, auf dieser Webseite nicht, kannst du bei der zuständigen Stelle einfach nachfragen. Das geht schriftlich, mündlich und telefonisch. Sogar dann, wenn du nicht deinen richtigen Namen angibst, erhältst du Auskunft. Die Behörden haben vier Wochen Zeit, deine Anfrage zu beantworten. In aufwendigeren Fällen kann die Frist auf bis zu acht Wochen verlängert werden.

Ausnahme für kleine Gemeinden

Zur Auskunft verpflichtet sind alle öffentlichen Stellen: Ministerien, Länder, Behörden, Gemeinden und sogar staatsnahe Betriebe. Eine Ausnahme gibt es aber für Gemeinden. Haben sie weniger als 5.000 Einwohner:innen, müssen sie nur Anfragen beantworten. Sie sind nicht dazu verpflichtet, von sich aus Informationen zu veröffentlichen. So soll der Verwaltungsaufwand für sie gering gehalten werden. Das betrifft immerhin 1.834 der insgesamt 2.093 Gemeinden.

Information verweigert: Das Bundesverwaltungsgericht klärt das

Wenn sich die öffentlichen Stellen weigern, dir die gewünschten Informationen zu übermitteln, kannst du dich an das Bundesverwaltungsgericht wenden. Das prüft dann, ob die Behörde diese Information wirklich zurückhalten darf oder ob sie sie dir zur Verfügung stellen muss.

4 Fakten zu Biogas, die du wissen musst

Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. Geht’s um die Energieversorgung der Zukunft, hören wir meistens von diesem Trio. Dabei sollten wir auch über Biogas reden. Denn in manchen Punkten ist es Sonne, Wind und Wasser sogar überlegen. Hier erfährst du die Fakten, warum das ist.

Bevor wir über Fakten reden können, müssen wir noch eine Sache klären. Biogas ist nicht Erdgas mit Biolabel. Falls du das gewusst hast: Herzlichen Glückwunsch, du weißt mehr als die meisten.

Biogas wird aus biologischen Abfällen hergestellt. Zum Beispiel aus Pflanzenresten, Kuhkacke und Klärschlamm aus Kläranlagen. Das erklärt auch den Namen. Die Herstellung von Biogas ist zwar ein natürlicher Prozess. Will man es aber industriell herstellen, braucht man dafür eigene Anlagen. Sie funktionieren vereinfacht gesagt so: Man schmeißt den Bio-Abfall in einen luftdichten Behälter und dann erzeugen Bakterien beim Zersetzen dieses Abfalls das gewünschte Biogas. Jetzt kommen wir zu den Fakten.

1. Biogas kann Erdgas ersetzen

Biogas kann alles antreiben, was normalerweise mit Erdgas funktioniert. Fahrzeuge, Heizungen, Fernwärmeanlagen und Maschinen in der Industrie. Das geht, weil Biogas und Erdgas chemisch ähnlich sind. Beides besteht größtenteils aus dem Gas Methan.

Damit Biogas als Ersatz für Erdgas taugt, werden andere Bestandteile in einem technischen Verfahren entfernt. Übrig bleibt Biogas, das einen gleich hohen Anteil an Methan hat wie Erdgas. Danach spricht man genau genommen nicht mehr von Biogas, sondern von Biomethan.

Österreich hat derzeit 14 Anlagen, die Biomethan herstellen. Sie haben im Jahr 2022 zusammen 137 Gigawattstunden (GWh) erzeugt. Das mag viel klingen. Aber du musst wissen, dass Österreich in Summe rund 93.000 Gigawattstunden an Gas pro Jahr verbraucht. Biomethan spielt derzeit also noch eine kleine Rolle. Das soll sich aber bald ändern.

Denn das Potenzial von Biogas ist riesig, denn Biomethan kann von den Anlagen direkt ins Erdgasnetz einspeist werden. Das heißt: Österreich kann mit Biogas seine Abhängigkeit von Erdgas verringern, ohne dabei viel Geld in neue Leitungen oder andere Infrastruktur stecken zu müssen.

2. Biogas ist klimaneutral

Obwohl Biogas und Erdgas chemisch sehr ähnlich sind, unterscheiden sie sich in einem wesentlichen Punkt. Das Verbrennen von Erdgas heizt die Klimakrise an, das Verbrennen von Biogas nicht. Wie kann das sein?

Um das zu verstehen, brauchst du nur folgenden Fakt zu kennen: Wenn eine Pflanze wächst, dann zieht sie CO₂ aus der Luft und speichert es. Jetzt nehmen wir an, wir erzeugen aus den Grünresten dieser Pflanze Biogas und verbrennen es. Wir würden dabei nur so viel CO₂ ausstoßen, wie die Pflanze im Laufe ihres Lebens aus der Luft aufgenommen hat. Ein Nullsummenspiel.

Bei Erdgas ist das anders. Es ist seit Jahrmillionen unter der Erde. Holen wir es nach oben und verbrennen es, dann bringen wir zusätzliches CO₂ in die Atmosphäre. Und genau dieses zusätzliche CO₂ ist es, dass unser Klima immer drastischer verändert.

Beim Verbrennen von Biogas (oben) wird nur so viel CO₂ frei, wie die Pflanze zuvor aus der Luft aufgenommen hat. Beim Verbrennen von Erdgas (unten) kommt hingegen zusätzliches CO₂ in die Luft, das unser Klima aufheizt.
3. Biogas lässt sich besser speichern als andere Erneuerbare

Wind- und Sonnenkraft erzeugen elektrische Energie, besser bekannt als Strom. Wollen wir Strom speichern, müssen wir ihn in eine andere Energieform umwandeln und dabei geht immer Energie verloren.

Im Gegensatz zu Strom lässt sich Biogas problemlos einlagern. Diese Fähigkeit unterscheidet es von den anderen Erneuerbaren und macht es umso wichtiger für die Energiewende. Es liegt an der Natur der Sache, dass Erneuerbare aus Wind und Sonne nicht immer verfügbar sind. An windstillen Tagen oder in der Nacht können sie kaum Energie in unsere Stromversorgung pumpen. Genau bei solchen Engpässen kommt dann das Biogas ins Spiel. Aus dem Gas erzeugen wir Strom und können so die Lücken schließen.

4. Biogas macht uns unabhängig von Ölstaaten

Fast das ganze Gas, das wir zum Heizen und für unsere Industrie brauchen, kommt aus anderen Ländern. Damit ist Österreich ist in einem bedenklichen Ausmaß von ausländischem Erdgas abhängig. Oft kommt aus Ländern, denen wir eigentlich gar kein Geld geben wollen, weil sie damit Kriege finanzieren.

Biogas kann diese Abhängigkeit von ausländischem Gas deutlich verringern. Wir können es im eigenen Land erzeugen. Und statt wenigen riesengroßen Konzern erzeugen es viele kleine Produzenten.

Gut. Wenn Biogas so viele Vorteile hat, warum produziert Österreich dann nicht einfach mehr davon? Genau das ist geplant. Grundlage dafür ist ein neues Gesetz, das sogenannte Erneuerbares-Gas-Gesetz (EGG).

Die Verhandlungen sind gerade in der Zielgeraden. Mithilfe des Gesetzes soll die Menge an heimischen von Biogas Jahr für Jahr wachsen. Ende 2030 sieht das Gesetz vor, dass Österreich jährlich bereits 7500 Gigawattstunden (GWh) Biogas produziert. Du erinnerst dich: Derzeit sind wir bei 137 Gigawattstunden. Der Ausbau soll also in einer enormen Geschwindigkeit passieren.

Auch wenn wir über Biogas weniger hören als über Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. In der Zukunft wird es in Österreichs Energieversorgung eine wesentliche Rolle spielen. Es kann Erdgas ersetzen, ist effizient speicherbar und macht Österreich unabhängiger von Ölstaaten. Aber am wichtigsten ist: Im Gegensatz zu Erdgas ist Biogas klimaneutral und heizt unser Klima nicht weiter auf.

Piste frei für nachhaltigen Wintersport

Die Klimakrise verleiht Österreichs Skigebieten ein neues Gesicht: schmelzende Gletscher, vermehrt grauer Schotter statt weißer Gipfel und grüne Pisten, so weit das Auge reicht. Höchste Zeit sich zu überlegen, wie man dieser Herausforderung bestmöglich entgegenwirken kann – im Interesse der Menschen und im Sinne der Natur.

Die Winter werden immer milder. Dennoch wird der Start der Skisaison nicht verschoben. Stattdessen werden die Pisten künstlich beschneit. Für die Natur ist das alles andere als gesund, und echtes Wintersportfeeling will inmitten grüner Wiesen auch nicht aufkommen. Fakt ist: Die Klimakrise macht auch vor unseren Gebirgsketten keinen Halt. Im Gegenteil, laut Greenpeace erwärmen sich die alpinen Regionen sogar um ein Vielfaches schneller als die Täler. Die Differenz beträgt mittlerweile ganze zwei Grad. Die Folge: Gletscher schmelzen, die Schneefallgrenze steigt, und statt weißer Weihnachten, beginnt es erst im Frühjahr richtig zu schneien. Meteorolog:innen der GeoSphere Austria prognostizieren, dass wir in Zukunft häufiger mit solchen Wintern rechnen müssen. Das könnte fatale Auswirkungen auf den Wintersport-Tourismus haben, sofern sich dieser nicht grundlegend verändert.

Der Alpenverein, als eine der ältesten Naturschutzorganisationen und als größter Bergsportverband Österreichs, hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2033 will er klimaneutral sein. Das bedeutet unter anderem, dass der Alpenverein die öffentliche Anreise seiner Mitglieder unterstützt und Anreize setzt, klimafreundlich unterwegs zu sein.  Auch will der Verein weitere Schutzhütten mit dem Umweltgütesiegel für Alpenvereinshütten auszeichnen, um den Klima-Fußabdruck der Hütten so klein wie möglich zu halten. Um all das zu erreichen, hat der Alpenverein eine eigene Klimastrategie mit umfassenden Maßnahmen entwickelt. Was das genau bedeutet und wie eigentlich ein nachhaltiger Wintersport aussehen kann, erfährt ihr hier:

Der Österreichische Alpenverein hat über 600.000 Mitglieder und betreut 231 Schutzhütten sowie rund 26.000 Kilometer markierte Berg- und Wanderwege.

Plan für die Neuerschließung der Kaunertal Gletscherfläche. Ein großer Bereich von bis dato unberührter Natur müsste für Pisten und Seilbahnen komplett umgebaut werden. © ÖAV Geoinformation
Plan für die Neuerschließung der Kaunertal Gletscherfläche. Ein großer Bereich von bis dato unberührter Natur müsste für Pisten und Seilbahnen komplett verbaut werden. © ÖAV Geoinformation
1. Ausbau weiterer Gletscher für Skigebiete? Nein, danke!

Skifahren unter 1.500 Metern könnte laut Meteorolog:innen der GeoSphere Austria in den kommenden Jahren der Vergangenheit angehören – eine düstere Aussicht für viele Skigebiete. Deshalb planen einige Skianlagenbetreiber:innen, Österreichs letzte naturbelassene Gletscher in Pistenlandschaften zu verwandeln. „Gletscher sind besondere Ökosysteme, weshalb sie in Österreich auch unter strengem Naturschutz stehen“, betont Benjamin Stern vom Alpenverein. Jegliche Verbauung ist daher grundsätzlich verboten. Mit der 2006 in Tirol in Kraft getretenen Raumordnungsprogramm über den Schutz der Gletscher sind Ausnahmen jedoch möglich. Ein Beispiel dafür ist das Projekt zur Erweiterung des Kaunertaler Gletscherskigebiets in Tirol. Im Zuge der Erweiterung soll der Gepatschferner im Kaunertal durch Seilbahnen und Pisten erschlossen werden. „Der Gepatschferner ist zusammen mit dem Kesselwandferner die größte noch zusammenhängende Gletscherfläche in den Ötztaler Alpen. Sie ist bis heute komplett naturbelassen. Eine Erschließung wäre ein massiver Eingriff in ein hochsensibles Ökosystem, in dem auch bedrohte Arten leben“, meint Stern.

„Österreichs Alpen könnten in 50 Jahren eisfrei sein.“

„Österreichs Alpen könnten in 50 Jahren eisfrei sein.“ befürchtet des Alpenverein. „In Zeiten der Klimakrise ist die Erschließung von Gletschern unverantwortlich. Wir brauchen ein Umdenken hin zu einem naturverträglichen Tourismus statt einem weiteren Raubbau an der Natur“, so Stern. Deshalb fordert der Alpenverein auch, dass der absolute Schutz der Gletscher wieder eingeführt wird. Was bedeuten würde, dass jegliche Baumaßnahmen auf Gletschern streng verboten wären – ohne Ausnahmen.

Gemeinsam mit dem Deutschen Alpenverein, den Naturfreunden und dem WWF setzt sich der Österreichische Alpenverein seit Jahren für den Schutz der Gletscher ein. Ein Beispiel dafür war das Großprojekt „Gletscher-Ehe Pitztal-Ötztal„. Im Zuge der Erweiterung wollte man die beiden Gletscherskigebiete Pitztal und Ötztal in Tirol miteinander verbinden. Das Projekt ist von Anfang an auf Widerstand gestoßen, weil der Bau von Pisten und Seilbahnen die unberührte Naturlandschaft im Ötztal massiv beeinträchtigt hätte. Gemeinsam mit weiteren Umweltschutzorganisationen hat sich der Alpenverein daher auch gegen den Bau des Großprojekts eingesetzt. Nach einer negativen Volksabstimmung in der Gemeinde St. Leonhard wurde das Projekt zurückgezogen. Ein scheinbarer Erfolg, der jedoch durch die neuerlichen Expansionspläne der Pitztaler Gletscherbahn im Februar 2023 getrübt wurde. „Wir werden auch diesmal alles dafür tun, um die Erschließung des Linken Fernerkogels mit seinen drei noch naturbelassenen Gletschern zu verhindern“, erklärt Stern.

Wie können wir dabei helfen? „Wichtig ist, dass die Gesellschaft von dem Thema erfährt. Das heißt, man kann sich selbst starkmachen und Projekte zum Schutz der Gletscher ins Leben rufen oder sich bei uns im Verein ehrenamtlich engagieren. Man kann aber auch mit seiner Urlaubsentscheidung Einfluss darauf nehmen, wohin touristische Ressourcen fließen“, erklärt Stern.

Ein Beispiel für sanfte Mobilität sind die Skibusse in der Salzburger Sportwelt. Sie sind für Skifahrer:innen und Snowboarder:innen zu und von den Liftstationen kostenlos. © Wildbild
Ein Beispiel für sanfte Mobilität sind die Skibusse in der Salzburger Sportwelt. Sie sind für Skifahrer:innen und Snowboarder:innen zu und von den Liftstationen kostenlos. © Wildbild
2. Sanfte Mobilität statt Autokolonnen

Alle Mühen helfen aber nicht viel, wenn wir weiterhin in endlosen Autokolonnen die Bergstraßen hinauf tuckern. Rund die Hälfte der CO₂-Emissionen des Wintersport-Tourismus wird durch die An- und Abreise verursacht. Deshalb hat sich der Alpenverein zum Ziel gesetzt, seine Mitglieder zu motivieren und Anreize zu schaffen, um mit dem Bus oder der Bahn statt dem Auto auf den Berg zu fahren. Ein Beispiel dafür ist das Tourenportal alpenvereinaktiv.com. Auf dem Portal kann man gezielt nach Touren suchen, die mit Bus und Bahn erreichbar sind. In einigen Bundesländern ist es zudem möglich, dass Mitglieder übertragbare Klimatickets erhalten. Diese können für die Dauer der Tour ausgeborgt werden, um mit den Öffis anreisen zu können.

3. Nachhaltige Skigebiete sind im Trend

Immer mehr Skigebiete in Österreich setzen auf Nachhaltigkeit. Ein Beispiel dafür ist das Skigebiet Ankogel im Kärntner Mallnitz. Das Dorf im Nationalpark Hohe Tauern hat sich der sanften Mobilität und dem sanften Tourismus verschrieben. So gibt es vor Ort verschiedene Möglichkeiten, ohne Auto von A nach B zu kommen. Beispielsweise gibt es einen kostenlosen Shuttleservice, einen Gratis-Bus, Schnee-Taxis und natürlich die öffentlichen Verkehrsmittel wie Bus und Bahn.

Mallnitz gehört auch zu den Bergsteigerdörfern des Österreichischen Alpenvereins. Die Hütten der Bergsteigerdörfer verfolgen das Ziel, eine ökologische und nachhaltige Bewirtschaftung zu entwickeln, die auf erneuerbare Energien setzt und den Energieverbrauch minimiert, wo immer möglich. Sie fördern auch eine sanfte Mobilität, die auf öffentliche Verkehrsmittel oder alternative Angebote wie Velotaxis zurückgreift. Ein wichtiger Bereich ist auch die Unterstützung von lokalen Produzent:innen und Produkten. So verwenden die Hütten der Bergsteigerdörfer Lebensmittel und Produkte, die vor Ort gewonnen und verarbeitet werden wie Käse, Honig, Schnaps oder Wolle. Aufgrund ihres Engagements im Bereich Umweltschutz sind einige Hütten mit dem Umweltgütesiegel für Alpenvereinshütten des Alpenvereins ausgezeichnet worden. Sie gelten als Vorbild für einen nachhaltigen und umweltfreundlichen Tourismus in den Alpen.

Skating Im Langlaufgebiet Mallnitz © Alpine Pearls
Skating Im Langlaufgebiet Mallnitz © Alpine Pearls
4. Den Berg voll auskosten

Wintersport-Tourismus, allen voran Skifahren, gehört für viele Regionen und Unternehmen zur wichtigsten Einnahmequelle. Doch der Wintersport verändert sich. Umso wichtiger ist es, dass die Skiregionen ihre Angebote erweitern. Alternative Wintersportarten werden daher immer wichtiger. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Zahl der Skifahrer:innen von Jahr zu Jahr abnimmt. Es sollten deshalb auch naturverträgliche Angebote abseits des anlagenbezogenen Wintertourismus geschaffen werden. Dazu gehören Rodeln, Winterwanderungen, Ski-Touren sowie auch Eis- und Langlaufen. Für die meisten dieser Alternativen braucht es weder einen Lift noch präparierte Pisten. Obendrein verursachen diese Sportarten weniger Unfälle und sind auch um einiges billiger – zwei Argumente, mit denen man selbst weniger umweltbewusste Menschen gut überzeugen kann.

5. Den richtigen Berg zur richtigen Zeit

„Die meisten Skifahrer:innen können die vielen Pistenkilometer in einem großen Skigebiet gar nicht abfahren. Da sollte man sich vorweg echt überlegen, ob nicht vielleicht ein kleineres, ruhigeres Skigebiet besser zu seinen Bedürfnissen passt“, erklärt Stern.

Auch der Zeitraum, wann man Skifahren geht, kann für die Umwelt entscheidend sein: Muss man wirklich jedes Wochenende mit dem Auto ins Skigebiet fahren, oder reicht es, weniger häufig zu fahren und dafür länger zu bleiben? Es ist auch wichtig, sich zu fragen, ob man wirklich schon im November auf der Piste sein muss. Wahrscheinlich wird man zu Beginn der Saison Kunstschnee in Kauf nehmen müssen. Besser ist es, ein wenig zu warten und dann frischen Neuschnee zu erleben. Denn wie eine Studie der Südtiroler Grünen erst kürzlich herausgefunden hat, ist der Schnee aus der Kanone ein regelrechter Boden-Killer. Grund dafür ist, dass durch den präparierten Kunstschnee die obersten Bodenschichten gefrieren und dadurch die Vegetation beschädigt wird.

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Erinnern für die Zukunft

Sie gehen in die USA, nach Tschechien oder Israel. Junge Gedenkdienstleistende erinnern aktiv an die Opfer der Nazis und leisten ihren Beitrag dazu, dass sich die Verbrechen der Nazis nicht mehr wiederholen. Erinnern ist immer wichtig, aber gerade jetzt ist es noch viel wichtiger. Denn rechtsradikale und demokratiefeindliche Parteien bekommen in Europa immer mehr Zulauf. In Deutschland schmieden sie bereits Deportationspläne für Millionen von Menschen. 

Der Blick verändert sich. Man erkennt besser, wenn der Professor die türkische Studienkollegin diskriminiert. Man entdeckt antisemitische Codes in Bildern auf Instagram, die auf den ersten Blick gar nicht problematisch erscheinen. Und man versteht, was das Ganze eigentlich mit einem selbst zu tun hat. Der Gedenkdienst schärft den Blick und macht wachsamer. „Wenn man sich täglich mit Einzelschicksalen auseinandersetzt, muss einem bewusst sein, wie sehr man bei rechten gesellschaftlichen Veränderungen aufpassen muss. Denn mit jedem rassistischen und antisemitischen Vorfall verschiebt sich die Grenze des gesellschaftlich Erlaubten ein Stück“, sagt Miriam Bonaparte. Sie leistet derzeit ihren Gedenkdienst in New York.

„Als Land von Tätern und Täterinnen ist es wichtig, zu erinnern.“

Gedenkdienst
Nadine Dimmel ist Obfrau vom Verein Gedenkdienst. © Verein Gedenkdienst

Gedenkdienst – das ist aktive Erinnerungspolitik. Freiwillige arbeiten ein Jahr lang in Gedenkstätten, Bildungseinrichtungen und Altenbetreuungseinrichtungen im Ausland mit. Ihre Aufgabe: An die Opfer der Nationalsozialist:innen erinnern, in Archiven recherchieren und mit Holocaust-Überlebenden sowie deren Angehörigen in Austausch treten. „Als Land von Tätern und Täterinnen ist es wichtig, zu erinnern. Aber mehr in einer Art und Weise, dass man mahnt, dass die Verbrechen nicht vergessen werden. Auch einfach aus Respekt gegenüber den Opfern“, sagt Nadine Dimmel. Sie ist Obfrau des Vereins Gedenkdienst, der pro Jahr bis zu 20 Gedenkdienstleistende ins Ausland entsendet.

Das mit dem Erinnern ist seit jeher schwierig in Österreich. Lange Zeit ruhte man sich auf dem Opfermythos aus. Österreich als erstes Opfer Nazi-Deutschlands. Mit den Täter:innen wollte man nichts gemein haben. Erst 1991 gab der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky die Mitschuld Österreichs an den nationalsozialistischen Verbrechen zu. Dass die Aufarbeitung der Nazi-Zeit so spät begonnen hat, ist ein Problem – bis heute.

In Kontakt treten mit Holocaust-Überlebenden
Gedenkdienst
Miriam Bonaparte leistet ihren Gedenkdienst am Leo Baeck Institute in New York. © Miriam Bonaparte

Miriam sucht in New York nach jüdischen Emigrant:innen und Holocaustüberlebenden, die aus Österreich nach Nordamerika geflohen sind. Sie arbeitet am Leo Baeck Institute für das Projekt „Austrian Heritage Collection“ und führt dafür Interviews mit Emigrant:innen, damit deren Geschichte nicht verloren geht. „Bisher war ich meistens nur in Kontakt mit in Österreich gebliebenen Holocaustüberlebenden. Daher ist es sehr spannend, die Geschichten von österreichischen Emigrant:innen zu hören und zu lernen“, schildert sie ihre bisherigen Erfahrungen.

Lena Lasinger ist auf der anderen Seite des Atlantiks geblieben. Am Institut Theresienstädter Initiative in Prag sucht sie in Archiven nach Opfern. In einer Datenbank dokumentiert sie all jene Menschen, die die Nazis auf tschechischem Boden ermordet oder aus Tschechien deportiert haben. „Ich arbeite mit Originaldokumenten, die teilweise noch nie jemand gesehen hat, was extrem spannend ist für mich”, gibt sie Einblick in ihre Arbeit.

Gedenkdienstleistende werden Multiplikator:innen

Der Gedenkdienst ist vielseitig. Je nach Einsatzort unterstützen Gedenkdienstleistende bei unterschiedlichen Tätigkeiten. Es gibt wissenschaftliche Einrichtungen, wie die Einsatzorte von Lena und Miriam. Andere gehen direkt an die Orte der Verbrechen wie Auschwitz-Birkenau oder Theresienstadt. Und wieder andere verbringen Zeit mit Holocaust-Überlebenden in einer Altenbetreuungseinrichtung in Buenos Aires. “Die Einsatzstellen sind sehr divers. Es gibt nicht konkret die eine Arbeit, die alle machen, sondern es kommt immer sehr darauf an, wofür man sich bewirbt und wofür man auch genommen wird“, hält Nadine Dimmel fest.

Eines haben aber alle Einsatzstellen gemeinsam. Sie machen die Gedenkdienstleistenden zu Multiplikator:innen. „Sie können dann das alles, was sie gelernt haben in diesem Jahr, in dem sie sich extrem intensiv mit dem Thema Nationalsozialismus und der Vergangenheit beschäftigt haben, in ihr Umfeld mitnehmen. In ihren Freund:innenkreis, an den Ort, wo sie dann arbeiten“, hält Nadine fest. Sie entwickeln ein kritisches Geschichtsbild, einen geschärften Sinn für Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Mechanismen, die dazu führen. „Und mit diesem geschärften Blick geht man dann in seinen Alltag zurück oder wird schlagfertiger, man hat bessere Argumentationen“, betont Dimmel.

Gedenkdienst
Lena Lasinger sucht in Prag nach Opfern der Nationalsozialist:innen. © Lena Lasinger
Erinnern als Mahnmal

Eine Eigenschaft, die immer wichtig ist, aber gerade jetzt ist sie noch viel wichtiger. Rechtsradikale und rechtsextreme Parteien in Europa führen Wahlumfragen an und werden von immer mehr Menschen gewählt. In Rom marschieren Neofaschist:innen auf.  Deutsche und österreichische Rechtsextreme schmieden Deportationspläne, wie Correctiv aufgedeckt hat. „Erinnern ist extrem wichtig. Man sieht jetzt, dass es zu solchen Vorfällen immer wieder kommen kann und dieses Erinnern soll auch ein Mahnmal sein, dass das eben nie wieder passiert“, unterstreicht Lena Lasinger. Der Gedenkdienst hat sie bereits in ihrem Handeln und Denken verstärkt. „Durch meine Arbeit hier merke ich immer mehr, wie wichtig es ist, dem entgegenzustehen und dagegen zu arbeiten“, ist sie sich sicher.

„Beitrag für eine Gesellschaft fern von jeder Ausgrenzung.“

Auch Miriams Blick hat sich verschärft. „Rechte Parteien und Gruppierungen erstarken weltweit. Umso wichtiger ist es, seinen Beitrag für eine Gesellschaft fern von jeder Ausgrenzung zu leisten“, hält sie fest. Dass beispielsweise antisemitische Vorfälle bei Corona-Demonstrationen gestiegen sind, sieht sie sehr kritisch. „Genau aus Gründen wie diesen ist eine aktive Gedenkpolitik wichtiger denn je“, sagt sie. Und sie verweist darauf, dass ihre Generation die letzte ist, die von Zeitzeug:innen lernen kann: „Ihre Erinnerungen sollten nicht nur eine Lehre sein, dass so etwas nie wieder geschehen darf, sondern auch, dass man sich täglich für eine gerechte Gesellschaft einsetzen muss.“

Erinnern allein reicht noch nicht

Es braucht laut Nadine aber mehr als nur Erinnern. „Erinnern um des Erinnerns Willen ist nie ausreichend“, betont sie. Nur weil Schulklassen durch das Konzentrationslager Mauthausen geschickt werden, heißt das nicht, dass niemand mehr antisemitisch ist. Es braucht mehr Vor- und Nachbereitung. Es braucht Workshops, in denen jene Mechanismen und Dynamiken offengelegt werden, die zum Nationalsozialismus geführt haben. So kann man ein kritisches Geschichtsbild entwickeln. „Nur wenn man diese Kontinuitäten und Dynamiken benennt, versteht man auch, warum das so schlimm ist und warum das auch heute noch relevant ist. Dieses Erinnern und diese Aufarbeitung der Geschichte müssen einfach verknüpft sein mit Bildungsarbeit“, betont Nadine.

Hier ist einerseits die Politik gefragt, andererseits aber auch die Zivilgesellschaft und damit Vereine wie der Verein Gedenkdienst. Dieser sorgt nicht nur für Erinnerungsarbeit im Ausland, sondern auch im Inland. Er bietet unter anderem Workshops an, in denen man sich mit der Vergangenheit und der Gegenwart beschäftigt, und Studienfahrten an Orte des Verbrechens.

Bis Ende August sind Lena und Miriam noch an ihren Einsatzorten in Prag und New York und leisten ihren Beitrag, damit die Verbrechen der Nationalsozialist:innen nicht vergessen werden. Nadine und ihr Team werden bis dahin einen neuen Jahrgang Gedenkdienstleistender finden. Denn das Erinnern, das hört nie auf.

Du interessierst dich für einen Gedenkdienst im Ausland? Hier findest du alle Infos.

Bald können Gemeinden leichter Tempo 30 Zonen einrichten

Mehr als 280 Gemeinden über alle Parteigrenzen hinweg haben sich dafür starkgemacht, dass sie auf ihren Straßen leichter Tempo 30 umsetzen können. Das Klimaministerium legt nun eine Novelle der Straßenverkehrsordnung vor, die genau das ermöglicht.

Auch bisher war es für Städte und Gemeinden möglich, Geschwindigkeitsbeschränkungen festzulegen. Aber es war dazu viel Bürokratie und umfangreiche Gutachten notwendig. Für viele Gemeinden war das schlicht zu aufwendig. Die Gesetzesnovelle wird es ihnen zukünftig deutlich leichter machen. Das ist wichtig, denn Städte und Gemeinden wissen selbst am besten, wo Temporeduktionen sinnvoll sind.

Diese Änderungen bringt die Novelle:

  • Künftig kann die jeweils zuständige Straßenbehörde in Bereichen mit besonderem Schutzbedürfnis vereinfacht die erlaubte Höchstgeschwindigkeit verringern.Zum Beispiel vor Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Spielplätzen, Krankenhäusern oder Seniorenheimen. Einzige Voraussetzung dafür: Die Maßnahme muss zur Erhöhung der Verkehrssicherheit insbesondere von Fußgänger:innen oder Radfahrer:innen geeignet sein.
  • Zusätzlich erleichtert die Gesetzesnovelle auch die Überwachung der Tempolimits. So sollen Gemeinden künftig Radarkontrollen selbst durchführen können. Voraussetzung ist eine entsprechende Übertragungsverordnung des Landes. Bisher konnten die Gemeinden nur dann Radarkontrollen durchführen, wenn sie über eine eigene Stadtpolizei verfügen.
Viele Vorteile von Tempo 30

Tempo 30 statt Tempo 50 im Ortsgebiet ist eine der wirksamsten Maßnahmen, die Zahl der Unfälle und Unfallopfer zu reduzieren. Temporeduktionen sorgen außerdem für weniger Lärm und eine bessere Luft.

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„Geringeres Tempo bedeutet mehr Sicherheit und mehr Lebensqualität für die Menschen vor Ort. Es führt zu weniger Verkehrstoten, verursacht weniger klimaschädliche Emissionen und spart durch den geringeren Treibstoffverbrauch auch Geld. Ich freue mich sehr, dass wir es durch die neue Straßenverkehrsordnung für Gemeinden und Städte nun einfacher machen, Tempo 30 vor Ort einzuführen“, sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Änderungen voraussichtlich ab Sommer 2024

Die StVO-Novelle geht Mitte Jänner in Begutachtung. Das heißt, die Öffentlichkeit kann sechs Wochen Stellungnahmen zum Entwurf abgeben. Das Inkrafttreten ist für Sommer 2024 geplant.

Große Pläne für den Wiener Gürtel

Viel Platz zum Spazieren, sichere Radwege und rund 1.500 zusätzliche Bäume. Das ist die Vision der Wiener Grünen für den Gürtel. Aktuell fahren dort täglich bis zu 70.000 Pkw und sorgen für Lärm und schlechte Luft.

Es ist laut, es stinkt nach Abgasen und als Fußgänger:in wartet man ewig vor der roten Ampel, wenn man die Straßenseite wechseln möchte. So schaut’s aus am Wiener Gürtel. Bis zu 70.000 Fahrzeuge fahren dort täglich, wobei manchmal fahren sie nicht, sondern stehen – im Stau. Die Fahrzeuge verteilen sich auf sechs, abschnittsweise sogar acht Fahrstreifen. Der Gürtel ist damit eine der meistbefahrenen Straßen Österreichs.

Autos und Lkw wird hier viel Platz eingeräumt. Zum Nachteil all jener, die zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Das muss aber nicht so sein, denn es ist kein Naturgesetz, dass die Fahrspuren für Pkw und Lkw bis zu 86 Prozent der Fläche einnehmen.

Mehr Grün, aber Fahrstreifen bleiben

Für den Westgürtel hat die Wiener Stadtregierung bereits Umgestaltungspläne. Zwar soll die Gegend ansehnlicher werden, unter anderem durch zusätzliche Grünflächen. Die hohe Anzahl der Fahrstreifen aber bleibt bestehen. Die Maßnahmen werden den Verkehr am Gürtel nicht reduzieren – und das wird wahrscheinlich auch die Lebensqualität entlang des Gürtels nicht steigern.

Breitere Gehwege, sichere Radwege und gemütliche Plätze zum Verweilen sind aber nur möglich, wenn man die Fahrstreifen reduziert. Der Gürtel ist ohnehin gut an den öffentlichen Verkehr angebunden. Die U6 fährt auf den Stadtbahnbögen, für die der Gürtel bekannt ist. Auch mit der Straßenbahn kommt man am Gürtel von A nach B. Die Wiener Grünen wollen sogar die Straßenbahnlinie 8 wieder in Betrieb nehmen und die Währinger Straße mit der Station Burggasse/Stadthalle verbinden.

Umgestaltung Gürtel
So könnte der Abschnitt bei der Josefstädter Straße ausschauen, wenn mehr Bäume gepflanzt sind. © bauchplan
Gürtel soll Treffpunkt werden

Die Grünen haben nun eine neue Studie gemeinsam mit Verkehrsexpert:innen und Landschaftsplaner:innen präsentiert, wie man den Gürtel grüner gestalten kann. Im Kern wollen sie mehr Platz für die Menschen und weniger für Autos und Lkw. Mehr und vor allem sicherer Platz für Fußgänger:innen und Radfahrende ist das eine. Die Menschen sollen sich aber auch gern am Gürtel aufhalten. „Bisher galt: Wer kann, scheut den Gürtel. Niemand hat sich drübergetraut, das Problem wirklich anzupacken. Was bislang getan wurde, ist nur ein wenig Behübschung hier und dort. Beim Gürtel müssen wir aber groß denken und die Ärmel hochkrempeln – für die Zukunft unserer Stadt“, sagt Judith Pühringer, Parteivorsitzende der Wiener Grünen. Sie fordert, dass der Verkehr umverteilt wird und Freiflächen attraktiver gestaltet werden.

Ursprünglich war der Wiener Gürtel als Stadtboulevard gedacht. Ein Treffpunkt für die Menschen, die dort leben. Der Plan ist allerdings nicht aufgegangen und der Gürtel hat sich zur Verkehrshölle entwickelt. Die Wiener Grünen wollen mit ihrer Vision für den Gürtel diese Fehlentwicklungen der Vergangenheit korrigieren. Rund 1.500 zusätzliche Bäume sollen entlang der Straße gepflanzt werden. Nicht nur, weil das schön ausschaut, sondern weil diese CO2 binden, uns mit Luft zum Atmen versorgen und an heißen Sommertagen Schatten spenden sowie die Temperatur runterkühlen.

Für die Menschen sollen Plätze geschaffen werden, an denen sie sich gern aufhalten und Kinder spielen können. Es gibt bereits Bereiche in der Mittelzone, an denen Menschen sporteln und spielen. Die Nachfrage nach Aufenthaltsräumen ist also da.

Umgestaltung Gürtel
So könnte sich die Verkehrsfläche beim Westbahnhof auf die verschiedenen Verkehrsteilnehmer:innen aufteilen. © bauchplan

Das könnte zum Beispiel so aussehen: Der Europaplatz beim Westbahnhof soll autofrei und grüner werden. Unter anderem ist beim Westbahnhof auch ein Radhaus geplant. Der Zugang zur U-Bahn soll so umgebaut werden, dass 1.142 Fahrräder abgestellt werden. Das Dach wiederum soll zu einer begrünten Terrasse werden, auf der sich die Menschen aufhalten können.

Klimakrise macht Umgestaltung notwendig

Platz gibt es genug, um den Gürtel zu einem sicheren und tollen Ort für Fußgänger:innen, Radfahrer:innen und auch Autofahrer:innen zu gestalten. Die Stadtregierung muss nur die Flächen umverteilen. In Anbetracht der Klimakrise ist das auch das Gebot der Stunde, denn in Wien könnte sich die Durchschnittstemperatur um bis zu 4,7 Grad bis 2050 erhöhen. Und dann braucht es Maßnahmen, um den Aufenthalt im Freien erträglich zu machen und hohe Temperaturen zu verhindern. Weniger Asphalt und mehr Bäume wären ein wichtiger Anfang.

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Wählen ohne österreichischen Pass

In Österreich leben über 500.000 Menschen, die zwar keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, aber eine aus einem EU-Land. Da bald die EU-Wahl ansteht, haben wir nachgeschaut, wie du als EU-Bürger:in hierzulande wählen gehen kannst.

Alle fünf Jahre werden die Mitglieder des Europäisches Parlaments in den EU-Mitgliedstaaten gewählt. In Österreich findet die Wahl heuer am 9. Juni 2024 statt. Insgesamt werden 20 österreichische Mitglieder gewählt. Bei der Wahl wird die Stimme für eine kandidierende Partei abgegeben – doch weißt du schon, wie du als EU-Bürger:in ohne einen österreichischen an der Wahl teilnehmen kannst? So geht’s!

Österreich oder Heimatland?

Wenn du einen nicht-österreichische EU-Pass besitzt, dein Hauptwohnsitz in Österreich ist und du bei der EU-Wahl eine österreichische Partei für das Europäische Parlament wählen möchtest, musst du einen Antrag auf die sogenannte Europa-Wählerevidenz stellen. Das klingt im ersten Moment kompliziert und bürokratisch – ist es aber nicht. Zuerst musst du dich entschieden: Möchtest du eine Partei aus deinem Heimatland oder eine aus dem Wohnsitzland – in diesem Fall Österreich – wählen? Beides ist möglich, sofern du deinen Hauptwohnsitz in einem anderen Land als dein Herkunftsland hast.

EU-Wählerevidenz

Um für die EU-Wahl für Österreich berechtigt zu sein, musst du mindestens 16 Jahre alt sein und das Formular für die Eintragung in die EU-Wählerevidenz einreichen. Das kannst du persönlich in der Gemeinde, beziehungsweise in dem Bezirk, wo du wohnst oder schriftlich per Mail.
Um die Eintragung online zu beantragen, kannst du das Formular hier herunterladen und ausfüllen. Das ausgefüllte Formular schickst du mit einer Kopie deines Ausweises an die Mail-Adresse der zuständigen Gemeinde, beziehungsweise Bezirk.

Achtung Sperrfrist!

Damit du an der EU-Wal am 9. Juni teilnehmen kannst, musst du die Unterlagen bis spätestens 26. März 2024 bei deiner Gemeinde oder deinem Bezirk eingereicht haben. Erledige das am besten so bald wie möglich.

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Möchtest du doch für eine Partei deines Heimatlandes wählen, solltest du Kontakt beim Wahlservice deines Landes aufnehmen.

Falls du Leute kennst, die ebenfalls einen nicht-österreichischen EU-Pass besitzen, leite ihnen gerne diesen Artikel weiter. Denn schon bald heißt es: Gemeinsam für die Demokratie.

Sieg für den Tierschutz

Schweine sind mehr als nur das Schnitzel, das am Sonntag bei den Großeltern auf den Mittagstisch kommt. Sie sind soziale Wesen, die gerne in Stroh und Erde wühlen. Dass Schweinemastbetriebe bis 2040 Zeit bekommen, qualvolle Vollspaltenböden zu entfernen, sieht der Verfassungsgerichtshof nicht gerechtfertigt und hat die Bestimmung im Tierschutzgesetz nun aufgehoben. 

Manchmal bewegt sich ein Strohhaufen. In einem Moment war alles noch ruhig – und auf einmal grunzt der Strohhaufen. Dann springt plötzlich ein Schwein heraus, und noch eins und noch eins und noch eins. Ein ganzer Sauhaufen löst sich unter dem Strohhaufen auf.

Schweine bauen sich gerne Schlafnester aus Stroh und kuscheln sich mit Artgenossen zusammen. Das ist weich und hält warm. Schweine sind soziale Tiere. Doch nur die wenigsten Schweine werden in Österreich auch so gehalten, dass sie in Stroh und Erde herumwühlen und in Familienverbänden leben können. In Österreich leben laut Statistik Austria 2,57 Millionen Schweine. In zwei Drittel der 20.000 Schweinebetriebe werden die Tiere auf Vollspaltböden gehalten. Sie stehen auf hartem Beton dicht an dicht zu Artgenossen. Wer Stroh sucht, wird in solchen Ställen keines finden.

Übergangsfrist ist zu lange

Wer seit letztem Jahr eine neue Schweinemastanlage errichten will, darf keine Vollspaltenböden mehr integrieren. Das hat der Nationalrat 2022 beschlossen. Derselbe Beschluss sieht für bereits bestehende Betriebe eine Übergangsfrist bis 2040 vor. Für den Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist diese lange Frist sachlich nicht gerechtfertigt. Die Rücksicht auf Landwirt:innen, die in einen Umbau investieren müssten, wird hier klar über das Wohl der Tiere gestellt. „Das Urteil des VfGH ist ein Sieg für den Tierschutz. Dass die Frist mit 2040 nicht hält ist jetzt klar. Ein Ende des Vollspaltenbodens überhaupt festzulegen, war ein hart erkämpfter Erfolg. Nun freuen wir uns sehr, dass mit der Entscheidung des VfGH ein früheres Ende der Vollspaltenböden möglich wird“, betonen Olga Voglauer, Landwirtschaftssprecherin der Grünen, und Faika El-Nagashi, Tierschutzsprecherin der Grünen.

„Das Urteil des VfGH ist ein Sieg für den Tierschutz.“

Das Höchstgericht hat die Bestimmungen im Tierschutzgesetz mit 1. Juni 2025 aufgehoben. Das heißt: Bis dahin muss der Nationalrat eine neue Regelung beschließen. Passiert das nicht, dann sind Vollspaltenböden mit 1. Juni 2025 im ganzen Land verboten.

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ist eine gute Nachricht für die Schweine. Denn das bedeutet, dass die qualvolle Haltung auf Vollspaltenböden schon früher ein Ende haben wird. Wann genau, das muss nun ausgehandelt werden.

Vollspaltenböden
Die Haltung auf Vollspaltenböden sorgt für Tierleid und Krankheiten. © Lars Klemmer/dpa
Schweine leben über ihrem Kot

Doch warum sind Vollspaltenböden eigentlich problematisch? Das ist einfach erklärt: Es handelt sich um Betonplatten, in die Spalten eingelassen sind. Durch diese Spalten rinnt der Urin und fällt der Kot der Tiere direkt in eine Güllegrube. Für die Landwirt:innen bedeutet das weniger Arbeit. Für die Schweine bedeutet das, dass sie Tag und Nacht über ihren eigenen Ausscheidungen stehen und die aufsteigenden Ammoniakdämpfe einatmen müssen. Das reizt Augen und Atemwege.

Zudem stehen Schweine, die auf Vollspaltenböden gehalten werden, unter Stress. Sie entwickeln Magengeschwüre und Verhaltensauffälligkeiten. Unter anderem beißen sie Artgenossen Schwanz und Ohren ab. Der harte Betonboden schädigt zudem ihre Gelenke und verursacht Entzündungen.

Die Haltung auf Vollspaltenböden verursacht Tierleid und Krankheiten. Diese Haltungsform kann gar nicht schnell genug verboten und durch mehr Platz und Strohbuchten für die Tiere ersetzt werden. Das ist nicht nur im Sinne der Schweine, sondern auch im Sinne der Landwirtschaft. Denn wollen wir nicht alle, dass das Schwein, das für das Schnitzel, das es am Sonntag bei den Großeltern gibt, ein gutes und gesundes Leben hatte?