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Frauen wollen nach vorne, Männer zurück

Wir Frauen haben heute viele Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten. Das haben wir Feminist:innen zu verdanken, die diese in den letzten Jahrzehnten hart erkämpft haben. Das passt aber vielen Männern nicht. Sie wollen ihre Privilegien behalten und zurück zur traditionellen Rollenverteilung. 

Wir Frauen haben heute so viele Entscheidungsfreiheiten wie noch nie zuvor. Unter anderem können wir selbst entscheiden, ob wir arbeiten gehen und müssen nicht mehr einen männlichen Verwandten um Erlaubnis bitten. Wir können heiraten, wen wir lieben, oder für immer Single bleiben. Und wenn wir ungewollt schwanger werden, können wir innerhalb der ersten drei Monate straffrei abtreiben.

Natürlich müssen wir noch viel tun, um echte Gleichstellung zu erreichen, aber Feminist:innen haben in der Vergangenheit bereits Vieles erkämpft. Und die weitere Entwicklung sollte eigentlich steil nach oben zeigen. Ein Erfolg folgt auf den anderen. Doch es gibt Gegenbewegungen, die genau das verhindern wollen. In Österreich und vielen anderen Ländern wollen Religiöse, Konservative und Rechtsextreme zurück zu traditionellen Rollenvorstellungen. Vater, Mutter, Kind – so habe laut ihnen eine Familie auszusehen. Ob das Frauen auch wollen? Irrelevant.

Männer verlieren Privilegien

Dass diese Gegenbewegung gerade in den letzten Jahren immer stärker geworden ist, sei kein Zufall, meint Autorin Susanne Kaiser. In ihrem Buch „Backlash“ schreibt sie, dass Frauen und sexuelle Minderheiten wie homo- und transsexuelle Menschen immer mehr Rechte erlangen. Die Vorstellung von Zweigeschlechtlichkeit, also dass es nur Frauen und Männer gebe, verliert dadurch an Bedeutung. Damit wird Männlichkeit zu einer Identität unter vielen. Und so verlieren Männer, die über Jahrhunderte als gesellschaftliche Norm gegolten haben, zunehmend ihre Privilegien.

Privilegien, die ihnen das Leben angenehm gemacht haben, gibt man sich so gerne her. Während Männer Macht verlieren, rücken Frauen in Machtpositionen vor. Das führt Männern ihre eigene Abhängigkeit vor Augen, argumentiert die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach in ihrem Buch „Die Erschöpfung der Frauen“. Denn Frauen können Männer einfach die Fürsorge entziehen. Das heißt beispielsweise: Wenn der Mann nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt, wartet dort nicht das warme Essen, das die Frau davor extra zubereitet hat. „Diese Erfahrung des Wandels und der eigenen Fragilität oder auch Begehrensweisen wehren (manche) Männer ab, indem sie sich an bestimmte Ideen einer natürlichen heterosexuellen und binären Geschlechterhierarchie klammern und versuchen, damit ihre eigene Überlegenheit zu zementieren“, argumentiert Schutzbach.

Die Folge: Gewalt an Frauen steigt. Männer versuchen, den gesellschaftlichen Machtverlust auszugleichen, indem sie ihre Partner:innen schlagen oder ermorden, Hasskommentare unter Social Media-Beiträge von Frauen schreiben und versuchen Frauen aus dem öffentlichen Raum zurückzudrängen.

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Gegenbewegung ist auch politisch

Diese Gegenbewegung besteht nicht nur aus Männern, die sonntags nach der Kirche am Stammtisch sitzen und sich über Gendern und Frauen, die keine Kinder haben wollen, beschweren. Das Ganze hat eine politische Dimension. Konservative und rechtsextreme Politiker:innen wollen zum Beispiel statistisch erheben, warum Frauen abtreiben, fürchten sich vor Gendersternen und behindern den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Das ist in Österreich so und in vielen anderen Ländern auch.

Ein trauriges Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Die USA unter Präsident Donald Trump. Mit ihm ist Frauenfeindlichkeit ins Weiße Haus eingezogen. Und es ist ihm gelungen, die Rechte der Frauen einzuschränken. Zum Beispiel, indem er den Supreme Court, das Höchstgericht der USA, mit konservativen Richter:innen nachbesetzt hat. Und die haben dann 2022 das Abtreibungsrecht zurückgenommen. Seither können alle Bundesstaaten selbst entscheiden, ob sie Abtreibung erlauben oder nicht. Eine traurige Bilanz: 65.000 Vergewaltigungsopfer durften daher nicht abtreiben.

Backlash verhindern

„Einerseits ist das Patriarchat von der Idee her überwunden, faktisch aber eben nicht. Wenn der Staat den misogynen Hatern und Gewalttätern nicht den Nährboden entzieht, sondern einfach das Terrain überlässt, egal ob im Netz, auf der Straße oder zu Hause, dann formieren diese einen gewalttätigen Backlash gegen den verhassten Aufstieg von politischen Minderheiten, allen voran Frauen. Je steiler ihr Aufstieg, je sichtbarer sie werden, besonders in Machtpositionen, desto krasser der Backlash“, schreibt Kaiser in ihrem Buch. Diesen Backlash gilt es zu verhindern.

Das beginnt bereits bei der Erziehung. Wir sagen kleinen Mädchen, dass sie alles werden können, was sie wollen. Aber wir vergessen vielfach immer noch, den Burschen klarzumachen, dass die Welt ihnen nicht alleine gehört. Dafür braucht es Bildungsangebote, die schon im Kindergarten beginnen.

Wir müssen auch aufhören, Gewalt gegen Frauen kleinzureden. Das ist kein individuelles Problem. Das ist kein aus dem Ausland importiertes Problem. Jede Frau kann betroffen sein und die Täter kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Es ist ein strukturelles Problem und damit tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Und es braucht endlich wirksame Maßnahmen, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern.

Die Gegenbewegungen sind eine Reaktion auf die feministischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Aber wir brauchen nicht weniger Gleichberechtigung, sondern mehr davon. Die Arbeit aller Menschen ist gleich viel wert. Alle Menschen sind unabhängig von ihrem Geschlecht medizinisch gut versorgt. Gewalttäter werden zur Verantwortung gezogen. Diese Gesellschaft soll nicht länger Utopie sein. 

Zeckengefahr ohne Pause

Ganzjährig Zecken? Früher undenkbar, heute in vielen Teilen Österreichs Realität. Zecken haben keine Winterpause mehr. Die Klimakrise verändert aber nicht nur die Dauer der Zeckensaison, sondern macht Österreich auch zur Heimat neuer Zeckenarten. Eine interaktive Karte soll zukünftig einen Überblick über die veränderte Zeckenaktivität im Land geben.

Früher hat die Zeckensaison im April begonnen und im Oktober geendet. Diese Faustregel hat aber mit dem Voranschreiten der Klimakrise ihre Gültigkeit verloren. Milde Wintertemperaturen sorgen dafür, dass Zecken fast das ganze Jahr über unterwegs sind. In Österreich gibt es mittlerweile selbst in höher gelegenen Regionen keine wirklich zeckenfreien Gebiete mehr.

Heuer war der Winter besonders mild. Insbesondere der frühlingshafte Februar hat beinahe alle Temperaturrekorde gebrochen. Nach vorläufigen Berechnungen von GeoSphere Austria war er 5,5 Grad wärmer als im Schnitt der letzten drei Jahrzehnte. Damit hat die Zeckensaison heuer bereits Mitte Februar begonnen. Aber Zecken treten nicht nur über einen längeren Zeitraum im Jahr auf, auch ihre Anzahl erhöht sich – teils explosionsartig. Denn immer mehr Zecken überleben die milden Wintertemperaturen und können sich dann im Frühjahr umso schneller vermehren.

Mehr Zecken heißt mehr Krankheiten

Das ist ein Problem, denn Zecken übertragen gefährliche Infektionskrankheiten. Die häufigste durch Zecken übertragene Krankheit in Österreich ist Lyme-Borreliose. Sie verursacht grippeähnliche Symptome, kann aber in manchen Fällen auch zu schwerwiegenden neurologischen Problemen führen. Eine Impfung gibt es zwar nicht, aber die Krankheit kann in der Regel gut mit Antibiotika behandelt werden. Deutlich gefährlicher ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) – eine Virusinfektion, die ebenfalls von Zecken übertragen wird. In manchen Fällen verursacht sie eine gefährliche Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten. Vor FSME schützt die Zeckenimpfung.

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Interaktive Zeckenkarte geplant

Der langfristige Trend bei beiden Krankheiten zeigt nach oben. Denn mit der Anzahl an Zecken auch die Anzahl der Infektionen beider Krankheiten. Das hat die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf den Plan gerufen. Sie will einen Überblick über die veränderte Zeckenaktivität gewinnen. Gemeinsam mit anderen EU-Staaten arbeiten sie an einer interaktiven Karte. Darauf soll zu sehen sein, wann die Zeckensaison beginnt, welche Arten auftreten und welche Gebiete in Österreich betroffen sind. Bisher stammten die Daten aus zufälligen Meldungen der Bevölkerung, von meldepflichtigen FSME-Erkrankungen und punktuellen Forschungsprojekten. Zukünftig soll es einen Gesamtüberblick geben.

Neue Zeckenarten wandern nach Österreich ein

In der Zeckenkarte soll auch festgehalten werden, wenn neue Zeckenarten nach Österreich einwandern. Weltweit gibt es über 900 Arten. Durch die höheren Temperaturen werden zukünftig auch einige dieser Arten in Österreich Fuß fassen. Die Hyalomma-Riesenzecke zum Beispiel, die schon seit einigen Jahren vereinzelt in Österreich beobachtet wird. Sie kommt mit Zugvögeln von Afrika und Asien nach Mitteleuropa. Noch konnte sie nicht dauerhaft etablieren, aber das könnte sich zukünftig ändern. Sie ist dreimal so groß wie die heimische Zecke und an ihren gestreiften Beinen gut erkennbar. Die Hyalomma-Riesenzecke kann viele bakterielle Erkrankungen übertragen. Insbesondere aber jenes Virus, das das Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber auslöst.

Zeckenkontrollen wichtiger denn je

Um sich vor Zeckenbissen und den damit verbundenen Krankheiten zu schützen, sollte man auch im Sommer geschlossene helle Kleidung tragen. Vor allem im Wald, Unterholz und im hohen Gras. Kommt es zu einem Biss, gilt es, die Zecke schnell mit einer Pinzette zu entfernen und die betroffene Stelle zu beobachten. Entwickelt man Krankheitssymptome, sollte man schnell einen Arzt aufsuchen und den Zeckenbiss erwähnen.

Dreimal die Fläche Wiens verbaut

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Seit dem Jahr 2000 wurden in Österreich 1.300 Quadratkilometer verbaut. Das ist mehr als dreimal die Fläche Wiens. Pro Minute verschwanden 120 Quadratmeter Boden für Einkaufsmärkte, Parkplätze, Straßen, Gewerbegebiete und Logistikzentren unter Beton. Zu diesem Ergebnis kommt der WWF in der aktuellen Bodenreport Ausgabe für Österreich.

Laut dem Bodenreport 2023 des WWF betrug zwischen 2019 und 2021 der durchschnittliche Bodenverbrauch pro Tag 11,3 Hektar. Spitzenreiter ist die Steiermark mit 3,1 Hektar pro Tag, gefolgt von Oberösterreich (2,3 ha) und Niederösterreich (2,1 ha). Im Burgenland werden täglich 1,2 Hektar, in Kärnten 0,9, in Tirol 0,7, in Salzburg sowie Vorarlberg je 0,5 verbraucht. In Wien sind es pro Tag 1.000 Quadratmeter (0,1 ha).

Bodenversiegelung gestiegen

Sogar in Gemeinden mit sinkender Bevölkerungszahl kommt es zu Ausweitungen der Siedlungsfläche, weil Wohn- und Gewerbegebiete an den Ortsrändern entstehen, sagt Simon Pories vom: „Besonders alarmierend ist für uns, dass beim Neubau der Versiegelungsgrad gestiegen ist: Während wir vor wenigen Jahren hier noch bei 40 Prozent lagen, werden mittlerweile fast 60 Prozent der Neubauflächen auch wirklich versiegelt“.

Verbauung wird sich teilweise verdoppeln

Es wurden zwar einzelne Maßnahmen gegen den Bodenverbrauch gesetzt, wie etwa kleine Änderungen in den Raumordnungsgesetzen, diese hätten sich jedoch als wirkungslos herausgestellt, sagte Pories: „Sie kratzen gerade mal an der Oberfläche des Betons und werden der Dimension des Problems nicht gerecht“. In den vergangenen 20 Jahren kam es in den meisten Bundesländern zwar zu einer Verlangsamung des Tempos, dies allerdings auf einem sehr hohen Niveau und großteils nicht dem Nachhaltigkeitsziel des Bundes entsprechend, so der WWF.

„Wenn man weitermacht wie bisher, ist dort bis Ende der 2040er-Jahre alles bis an die Gemeindegrenzen komplett verbaut“

Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes werden manche Städte und Ortschaften ihren Flächenverbrauch bis 2050 fast verdoppeln und dann jeden Quadratmeter ihres Gemeindegebietes verbaut haben, wenn sie sich mit dem derzeitigen Tempo ausbreiten, berichtete Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien. Besonders hohen Bodenverbrauch pflege man derzeit etwa in Wiener Neustadt. „Wenn man weitermacht wie bisher, ist dort bis Ende der 2040er-Jahre alles bis an die Gemeindegrenzen komplett verbaut“, sagte er.

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Verbindlicher Rahmen fehlt

Schuld an diesem Desaster wäre ein Fehlen von verbindlichen Bodenverbrauch-Reduktionszielen, sagte Pories: „Es gibt eine Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes, es gibt ein österreichisches Raumentwicklungskonzept und eine Reihe von Strategiepapieren und Empfehlungen auf Landesebene, aber all diesen fehlt der gesetzlich verbindliche Rahmen“. Demnach bräuchte es ein verbindliches Bodenschutzgesetz, das bundesweit gilt und nicht durch Sonderbewilligungen und Ausnahmen aufgeweicht werden kann, sagte Hanna Simons (WWF Österreich). Zudem sollte man Subventionen abbauen, die Verbauung begünstigen. Etwa durch Ökologisierung der Wohnbauförderung und eine Verteuerung der Flächeninanspruchnahme, zum Beispiel mit einer Art Versiegelungsabgabe. (RED/APA)

Zu lange blind am rechten Auge

Es hat bis in die 1990er Jahre gedauert, bis Österreich begonnen hat, sich kritisch mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Realität wurde jahrzehntelang verdrängt, mit den Täter:innen setzte man sich nicht auseinander. Das hat Folgen bis heute.

Wer den Film „Murer“ gesehen hat, weiß: Österreich hat ein Problem mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit. Der Steirer Franz Murer war maßgeblich für die Vernichtung der Juden und Jüdinnen in der litauischen Hauptstadt Vilnius verantwortlich. Die Opfer nannten ihn den Schlächter von Wilna. Im Nachkriegs-Österreich wurde er zunächst nicht strafrechtlich verfolgt. Erst auf Drängen des Holocaust-Überlebenden und Publizisten Simon Wiesenthal wurde Murer 1962 angeklagt – und 1963 freigesprochen. Die Öffentlichkeit hat diesen Freispruch bejubelt. Im Film und in der Realität.

Murer war kein Einzelfall. Täter:innen gab es nach 1945 keine in Österreich, so die offizielle Darstellung. Alle waren Opfer. Die Schuld an allem gab man Deutschland. Am Anschluss im März 1938, den im Nachhinein niemand in Österreich begrüßt haben will. An den Verbrechen, an denen keine Österreicher:innen beteiligt gewesen sein sollen, weil es zwischen 1938 und 1945 kein Österreich gegeben hatte.

Berufen hat man sich dabei auf die Moskauer Deklaration aus dem Jahr 1943. Die Alliierten haben darin Österreich tatsächlich als erstes Land bezeichnet, das der deutschen Angriffspolitik zum Opfer fiel. Allerdings haben sie darin auch festgehalten, dass Österreich an der Seite Deutschlands in den Krieg gezogen ist und dafür Verantwortung übernehmen muss. Letzteres wurde schnell unter einen österreichischen Teppich gekehrt und somit musste man sich nach dem Krieg auch nicht mit den Täter:innen auseinandersetzen. Und das, obwohl 1942 8,2 Prozent der Österreicher:innen Mitglieder der NSDAP waren und Österreicher wie Adolf Eichmann und Odilo Globocnik führende Positionen im NS-Apparat innehatten.

Verdrängen mit Folgen

Dass die Realität eine andere war, blendete man lange Zeit aus. Und das verfolgt uns bis heute. Indem Politik und Gesellschaft jahrzehntelang nicht aufgearbeitet haben, was Österreicher:innen während des Zweiten Weltkriegs getan haben, und die Verbrechen nicht verurteilt haben, konnte auch das nationalsozialistische Gedankengut überleben.

Die Täter:innen haben sich als Opfer gesehen, als Opfer der Alliierten, die das nationalsozialistische Deutschland besiegt haben. Ihr Gedankengut konnten die Nationalsozialist:innen an ihre Kinder weitergeben. Eines dieser Kinder war Jörg Haider, der sich im Laufe seiner politischen Karriere mehrmals antisemitisch geäußert hat. Unter ihm als Obmann hat die FPÖ 1992 auch das Österreich zuerst-Volksbegehren initiiert, das besser bekannt ist unter dem Namen Ausländer raus-Volksbegehren. Der Name war Programm.

Der Mythos bröckelt

Die NS-Zeit wollte das offizielle Österreich nach 1945 möglichst schnell vergessen. Doch dann kam 1986 Kurt Waldheim, der die Geschichte von der Pflichterfüllung an der Front nicht mehr glaubhaft vermitteln konnte – zumindest international. Die Mehrheit der Österreicher:innen hat das ehemalige SA-Mitglied zum Bundespräsidenten gewählt. Trotzdem begann der Opfermythos in Österreich zu bröckeln. 1991 gestand dann der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky die Mitschuld von Österreicher:innen an nationalsozialistischen Verbrechen ein.

Seither tut sich etwas in dem Land. Erinnern und Gedenken rückten in den Vordergrund. Gedenkstätten wie das Holocaust-Denkmal am Wiener Judenplatz wurden errichtet und für die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen wurde ein Nationalfonds eingerichtet. Mittlerweile können Verfolgte und ihre Nachkommen wieder die österreichische Staatsbürgerschaft annehmen.

Weiter Nährboden für rechtes Denken

Doch auch wenn sich vieles getan hat in den letzten 30 Jahren, rechtspopulistische und rechtsextreme Ideen finden in Österreich immer noch einen guten Nährboden vor. Wirft man einen Blick in den Verfassungsschutzbericht, liest man da: „Das Risiko rechtsextremistisch motivierter Tathandlungen und nachhaltiger Radikalisierung von Akteurinnen und Akteuren sowie Gruppierungen bleibt konstant erhöht.“ Indem sie versucht haben, die Protestaktionen gegen die Covid19-Schutzmaßnahmen für sich zu vereinnahmen, ist es ihnen gelungen, in Gesellschaftsschichten vorzudringen, die sie bisher nicht erreicht haben.

Dass rassistische und nationalistische Denkweisen für immer mehr Österreicher:innen anschlussfähig sind, zeigen auch die aktuellen Wahlumfragen. Die FPÖ führt diese seit Monaten an. Ihr Chef, Herbert Kickl, verwendet laufend Begriffe mit eindeutigem NS-Bezug.

Auch die letzte Antisemitismusstudie wirft kein gutes Bild auf die Entwicklungen in Österreich. Ein Drittel der Befragten stimmte der Aussage zu, dass Juden und Jüdinnen versuchen, Vorteile daraus zu ziehen, während der NS-Zeit Opfer gewesen zu sein. Dem Satz „Ich bin dagegen, dass man immer wieder die Tatsache aufwärmt, dass im Zweiten Weltkrieg Juden umgekommen sind“ stimmte ebenfalls ein Drittel zu.

Bewusstsein durch Erinnerung

Ohne Erinnern geht es aber nicht. „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dafür, dass es nicht wieder geschieht, dafür schon“, hat der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer gesagt. Die Geschichte der Zweiten Republik zeigt uns, was passiert, wenn wir die Verbrechen der Nationalsozialist:innen und die 17 Millionen Menschen, die sie getötet haben, vergessen. Menschen entwickeln nur schwer ein Bewusstsein für diese Ungerechtigkeit. Und das kann dazu führen, dass sie die Verbrechen der Nazis verharmlosen und rechtsextremes Gedankengut anschlussfähig finden. Wir müssen also erinnern, um ein Bewusstsein zu schaffen, dass sich autoritäre Systeme wie der Nationalsozialismus nie wieder wiederholen.

Wir müssen das Unrecht von damals verstehen, damit wir heute Ungerechtigkeit, Ausgrenzung und Hetze erkennen und dagegen aufstehen. Dem Onkel bei der Familienfeier widersprechen oder der jungen Muslimin, die in der U-Bahn wegen ihres Kopftuchs rassistisch beleidigt wird, helfen. Hier ist das Bildungssystem gefragt, aber auch die Zivilgesellschaft. Es gibt Vereine und Organisationen, die den Rechtsruck verhindern wollen. Zum Beispiel der Verein Gedenkdienst, der nicht nur Österreicher:innen für den Gedenkdienst ins Ausland entsendet, sondern auch Workshops anbietet, in denen sich Teilnehmer:innen unter anderem damit auseinandersetzen, wie die Erinnerungspolitik nach 1945 bis heute spürbar ist. Wir können solche Angebote nutzen, aber uns auch selbst engagieren. Ein wichtiges Mittel sind auch Demonstrationen. Dort können wir ganz klar zeigen, dass wir es nicht hinnehmen, wenn Rechtsextreme beispielsweise die Deportation von mehreren tausend Menschen planen.

Nur still sein, das dürfen wir nicht.

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Jedes Zehntelgrad weniger zählt

Der Golfstrom und der Amazonas-Regenwald, zwei wichtige Zahnräder im großen Getriebe unseres Klimasystems. Beide drohen schon in naher Zukunft zu kippen, sagen zwei neue Studien. Was das bedeutet und vor allem, was wir angesichts dieser Bedrohungen tun können, liest du hier.

Sowohl der Amazonas-Regenwald als auch der Golfstrom sind sogenannte Kippelemente. Kippelemente sind wichtige Bestandteile unseres Klimasystems, die ab einem gewissen Punkt der Erderwärmung kippen können. Das heißt: Sie bleiben lange Zeit stabil, obwohl die Temperatur auf der Erde steigt. Ist aber ein gewisser Schwellenwert überschritten, dann verändern sie sich plötzlich und unaufhaltsam. Nach dem Kipppunkt ist es egal, wie sich die Temperatur auf der Erde weiterentwickelt. Wir Menschen müssen dann tatenlos zusehen.

Neue Studien sind ein Warnschuss

Wo die Schwelle für bestimmte Kippelemente liegt, ist in der Wissenschaft ein viel diskutiertes Thema. Zwei große neue Studien liefern nun neue beunruhigende Erkenntnisse. Ein niederländisches Forscherteam hat sich mit den Veränderungen des Golfstroms beschäftigt. Das ist eine Meeresströmung, die vereinfacht gesagt warme Wassermassen aus der Karibik nach Europa bringt. Dank des Golfstroms haben wir in Europa vergleichsweise milde Winter. Noch. Denn wir bewegen uns auf den Kollaps zu, sagen die Forscher:innen. Schuld ist die menschenverursachte Eisschmelze an den Polen. Wann genau und wie schnell der Golfstrom zusammenbricht, ist nicht vorhersehbar. Es kann in diesem Jahrzehnt oder erst am Ende des Jahrhunderts passieren. Aber je mehr Treibhausgase wir ausstoßen, desto früher tritt er ein, so die Studie. Die Auswirkungen eines Zusammenbruches wären dramatisch. Der Meeresspiegel würde um einen Meter ansteigen, in der südlichen Hemisphäre würde es heißer werden, in Europa dafür deutlich kälter. In Wien wäre es im Winter durchschnittlich um fünf bis acht Grad kälter.

Der Golfstrom ist Teil der Atlantischen Umwälzzirkulation. Bricht der Strom zusammen, würde es in Europa sehr viel kälter werden.

Nicht minder dramatisch wäre der Kollaps des Amazonas Regenwaldes. Nicht nur würde ein Zusammenbruch zu einem massiven Freisetzen von Kohlenstoff führen, der in den Pflanzen gespeichert ist. Der Amazonas-Regenwald ist auch ein wichtiger Motor im globalen Klima. Er gibt Feuchtigkeit in die Atmosphäre ab, die als Niederschlag in anderen Teilen der Welt niedergeht. Bis 2050 könnte aber fast die Hälfte des Waldes verschwinden, sagt eine neue Studie. Schuld daran sind vor allem Abholzung, Dürren und Waldbrände. Ab einem gewissen Punkt würden sich alle diese negativen Effekte gegenseitig verstärken und den unaufhaltsamen Zusammenbruch des Ökosystems bedeuten.

Kippelemente sind das Damoklesschwert der Klimakrise

Dass es Kippelemente in unserem Klimasystem gibt und vor allem, dass sie eine große Gefahr sind, wissen Forscher:innen schon länger. Der Golfstrom und der Amazonas-Regenwald sind nur zwei davon. In den letzten Jahren hat die Wissenschaft insgesamt 16 Kippelemente in unserem Klimasystem identifiziert und benannt. Bisher hielt man vor allem Korallenriffe, Permafrostböden und das Polareis für die instabilsten. Je wärmer die globale Durchschnittstemperatur, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ein oder mehrere dieser Kippelemente tatsächlich ausgelöst werden. Wenn das passiert, dann droht ein Dominoeffekt.

Wenn ein Kippelement seinen Schwellenwert überschreitet, könnte das weitere mitreißen. Das klingt drastisch, aber unser Klimasystem ist empfindlich und hochkomplex. Unzählige physikalische Phänomene, Ökosysteme und Kreisläufe spielen in unserem Klimasystem zusammen und sind voneinander abhängig. Das macht es auch so schwer, sichere Prognosen über die Zukunft unseres Klimas abzugeben.

Wir können uns dieses System wie eine Balkenwaage vorstellen. Allerdings gibt es nicht nur einen Balken mit zwei Schalen links und rechts, sondern unüberschaubar viele Schälchen und Balken, die alle miteinander verbunden sind. Wenn bestimmte Schalen sich stark verändern, etwa wenn Kippelemente tatsächlich kippen, könnte die Waage aus dem Gleichgewicht geraten. Das gilt es um jeden Preis zu verhindern.

Unsere Zivilisation braucht stabiles Klima

Wir erreichen bald einen Punkt, an dem die Erderwärmung das ganze Klimasystem aus dem Gleichgewicht bringt. Ohne Golfstrom und ohne Amazonas-Regenwald wäre unser Klima ein völlig anderes.  Wir steuern sehenden Auges in eine Klimaphase, die das Ende unserer Zivilisation bedeuten könnte.

Es gibt keine risikofreien Fristen mehr, innerhalb derer wir Klimaschutzmaßnahmen umsetzen können. Wir wechseln in ein neues Stadium der Klimakrise, ob wir wollen, oder nicht. Jetzt geht es darum, jedes Zehntelgrad an weiterer Erderwärmung zu verhindern. Jedes Zehntel Grad kann das Kippen oder Nichtkippen von Klimaelementen bedeuten. Ob es funktioniert, dafür gibt es keine Garantie mehr. Die Klimawissenschaft kann nur Wahrscheinlichkeiten anbieten.

Aber Hoffnung gibt es. Wenn wir die globale Erwärmung rasch bremsen, ist es wahrscheinlich, dass wir ein stabiles Klima aufrechterhalten können. Ein Klima, das unsere Zivilisation braucht. Noch können wir den Kollaps des Golfstromes und des Amazonas-Regenwaldes mit großen Anstrengungen verhindern. Jedes Zehntelgrad Erderwärmung weniger zählt!

Kippelemente Klima
Überblick über die Klima-Kippelemente unserer Erde. © Globaia for the Earth Commission/ PIK, SRC und Exeter University

Amtsgeheimnis abgeschafft

Nach fast 100 Jahren wird das Amtsgeheimnis in Österreich abgeschafft. Stattdessen kommt ein Recht auf Information. Bund, Länder und Gemeinden werden damit transparenter. 

Stell dir vor, in deiner Nachbarschaft ist eine große grüne Wiese. Eines Tages fahren dort die Bagger auf, weil ein großer Supermarkt inklusive Parkplatz errichtet wird. Du findest heraus, dass es ein Gutachten gibt, mit dem die Gemeinde die Umwidmung der Flächen begründet. Die Sache kommt dir komisch vor und du willst das Gutachten lesen.

Du googelst danach, findest im Internet aber nichts dazu. Also rufst du auf der Gemeinde an, dort will man dir aber keine Auskunft geben. Begründung: Amtsgeheimnis. Das soll sich mit dem Informationsfreiheitsgesetz ändern. Dieses wurde nun mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament beschlossen. Die Gemeinde muss dir ab 1. September 2025 die Information zu dem Supermarkt-Projekt in deiner Nachbarschaft bereitstellen.

Recht auf Information kommt

Du erhältst ein Recht auf Information. Das bedeutet, dass wir von öffentlichen Stellen alle Informationen von öffentlichem Interesse bekommen, die wir wollen. Darunter fallen unter anderem Studien, Statistiken, Gutachten und Verträge. Solange es dabei nicht um die nationale Sicherheit oder persönliche Daten geht.

Behörden müssen Informationen veröffentlichen

Die Behörden sind aber nicht nur dazu verpflichtet, unsere Anfragen zu beantworten. Sie müssen auch von sich aus Informationen veröffentlichen. Diese sind dann im sogenannten Informationsregister, einer zentralen Webseite, zu finden. Dort kannst du dann zum Beispiel nach Studien zum Ausbau von Radwegen suchen – unabhängig davon, ob sie Bund, Land oder Gemeinde in Auftrag gegeben hat.

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Anfragen sind auch anonym möglich

Findest du die Informationen, nach denen du suchst, auf dieser Webseite nicht, kannst du bei der zuständigen Stelle einfach nachfragen. Das geht schriftlich, mündlich und telefonisch. Sogar dann, wenn du nicht deinen richtigen Namen angibst, erhältst du Auskunft. Die Behörden haben vier Wochen Zeit, deine Anfrage zu beantworten. In aufwendigeren Fällen kann die Frist auf bis zu acht Wochen verlängert werden.

Ausnahme für kleine Gemeinden

Zur Auskunft verpflichtet sind alle öffentlichen Stellen: Ministerien, Länder, Behörden, Gemeinden und sogar staatsnahe Betriebe. Eine Ausnahme gibt es aber für Gemeinden. Haben sie weniger als 5.000 Einwohner:innen, müssen sie nur Anfragen beantworten. Sie sind nicht dazu verpflichtet, von sich aus Informationen zu veröffentlichen. So soll der Verwaltungsaufwand für sie gering gehalten werden. Das betrifft immerhin 1.834 der insgesamt 2.093 Gemeinden.

Information verweigert: Das Bundesverwaltungsgericht klärt das

Wenn sich die öffentlichen Stellen weigern, dir die gewünschten Informationen zu übermitteln, kannst du dich an das Bundesverwaltungsgericht wenden. Das prüft dann, ob die Behörde diese Information wirklich zurückhalten darf oder ob sie sie dir zur Verfügung stellen muss.

4 Fakten zu Biogas, die du wissen musst

Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. Geht’s um die Energieversorgung der Zukunft, hören wir meistens von diesem Trio. Dabei sollten wir auch über Biogas reden. Denn in manchen Punkten ist es Sonne, Wind und Wasser sogar überlegen. Hier erfährst du die Fakten, warum das ist.

Bevor wir über Fakten reden können, müssen wir noch eine Sache klären. Biogas ist nicht Erdgas mit Biolabel. Falls du das gewusst hast: Herzlichen Glückwunsch, du weißt mehr als die meisten.

Biogas wird aus biologischen Abfällen hergestellt. Zum Beispiel aus Pflanzenresten, Kuhkacke und Klärschlamm aus Kläranlagen. Das erklärt auch den Namen. Die Herstellung von Biogas ist zwar ein natürlicher Prozess. Will man es aber industriell herstellen, braucht man dafür eigene Anlagen. Sie funktionieren vereinfacht gesagt so: Man schmeißt den Bio-Abfall in einen luftdichten Behälter und dann erzeugen Bakterien beim Zersetzen dieses Abfalls das gewünschte Biogas. Jetzt kommen wir zu den Fakten.

1. Biogas kann Erdgas ersetzen

Biogas kann alles antreiben, was normalerweise mit Erdgas funktioniert. Fahrzeuge, Heizungen, Fernwärmeanlagen und Maschinen in der Industrie. Das geht, weil Biogas und Erdgas chemisch ähnlich sind. Beides besteht größtenteils aus dem Gas Methan.

Damit Biogas als Ersatz für Erdgas taugt, werden andere Bestandteile in einem technischen Verfahren entfernt. Übrig bleibt Biogas, das einen gleich hohen Anteil an Methan hat wie Erdgas. Danach spricht man genau genommen nicht mehr von Biogas, sondern von Biomethan.

Österreich hat derzeit 14 Anlagen, die Biomethan herstellen. Sie haben im Jahr 2022 zusammen 137 Gigawattstunden (GWh) erzeugt. Das mag viel klingen. Aber du musst wissen, dass Österreich in Summe rund 93.000 Gigawattstunden an Gas pro Jahr verbraucht. Biomethan spielt derzeit also noch eine kleine Rolle. Das soll sich aber bald ändern.

Denn das Potenzial von Biogas ist riesig, denn Biomethan kann von den Anlagen direkt ins Erdgasnetz einspeist werden. Das heißt: Österreich kann mit Biogas seine Abhängigkeit von Erdgas verringern, ohne dabei viel Geld in neue Leitungen oder andere Infrastruktur stecken zu müssen.

2. Biogas ist klimaneutral

Obwohl Biogas und Erdgas chemisch sehr ähnlich sind, unterscheiden sie sich in einem wesentlichen Punkt. Das Verbrennen von Erdgas heizt die Klimakrise an, das Verbrennen von Biogas nicht. Wie kann das sein?

Um das zu verstehen, brauchst du nur folgenden Fakt zu kennen: Wenn eine Pflanze wächst, dann zieht sie CO₂ aus der Luft und speichert es. Jetzt nehmen wir an, wir erzeugen aus den Grünresten dieser Pflanze Biogas und verbrennen es. Wir würden dabei nur so viel CO₂ ausstoßen, wie die Pflanze im Laufe ihres Lebens aus der Luft aufgenommen hat. Ein Nullsummenspiel.

Bei Erdgas ist das anders. Es ist seit Jahrmillionen unter der Erde. Holen wir es nach oben und verbrennen es, dann bringen wir zusätzliches CO₂ in die Atmosphäre. Und genau dieses zusätzliche CO₂ ist es, dass unser Klima immer drastischer verändert.

Beim Verbrennen von Biogas (oben) wird nur so viel CO₂ frei, wie die Pflanze zuvor aus der Luft aufgenommen hat. Beim Verbrennen von Erdgas (unten) kommt hingegen zusätzliches CO₂ in die Luft, das unser Klima aufheizt.
3. Biogas lässt sich besser speichern als andere Erneuerbare

Wind- und Sonnenkraft erzeugen elektrische Energie, besser bekannt als Strom. Wollen wir Strom speichern, müssen wir ihn in eine andere Energieform umwandeln und dabei geht immer Energie verloren.

Im Gegensatz zu Strom lässt sich Biogas problemlos einlagern. Diese Fähigkeit unterscheidet es von den anderen Erneuerbaren und macht es umso wichtiger für die Energiewende. Es liegt an der Natur der Sache, dass Erneuerbare aus Wind und Sonne nicht immer verfügbar sind. An windstillen Tagen oder in der Nacht können sie kaum Energie in unsere Stromversorgung pumpen. Genau bei solchen Engpässen kommt dann das Biogas ins Spiel. Aus dem Gas erzeugen wir Strom und können so die Lücken schließen.

4. Biogas macht uns unabhängig von Ölstaaten

Fast das ganze Gas, das wir zum Heizen und für unsere Industrie brauchen, kommt aus anderen Ländern. Damit ist Österreich ist in einem bedenklichen Ausmaß von ausländischem Erdgas abhängig. Oft kommt aus Ländern, denen wir eigentlich gar kein Geld geben wollen, weil sie damit Kriege finanzieren.

Biogas kann diese Abhängigkeit von ausländischem Gas deutlich verringern. Wir können es im eigenen Land erzeugen. Und statt wenigen riesengroßen Konzern erzeugen es viele kleine Produzenten.

Gut. Wenn Biogas so viele Vorteile hat, warum produziert Österreich dann nicht einfach mehr davon? Genau das ist geplant. Grundlage dafür ist ein neues Gesetz, das sogenannte Erneuerbares-Gas-Gesetz (EGG).

Die Verhandlungen sind gerade in der Zielgeraden. Mithilfe des Gesetzes soll die Menge an heimischen von Biogas Jahr für Jahr wachsen. Ende 2030 sieht das Gesetz vor, dass Österreich jährlich bereits 7500 Gigawattstunden (GWh) Biogas produziert. Du erinnerst dich: Derzeit sind wir bei 137 Gigawattstunden. Der Ausbau soll also in einer enormen Geschwindigkeit passieren.

Auch wenn wir über Biogas weniger hören als über Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. In der Zukunft wird es in Österreichs Energieversorgung eine wesentliche Rolle spielen. Es kann Erdgas ersetzen, ist effizient speicherbar und macht Österreich unabhängiger von Ölstaaten. Aber am wichtigsten ist: Im Gegensatz zu Erdgas ist Biogas klimaneutral und heizt unser Klima nicht weiter auf.

Piste frei für nachhaltigen Wintersport

Die Klimakrise verleiht Österreichs Skigebieten ein neues Gesicht: schmelzende Gletscher, vermehrt grauer Schotter statt weißer Gipfel und grüne Pisten, so weit das Auge reicht. Höchste Zeit sich zu überlegen, wie man dieser Herausforderung bestmöglich entgegenwirken kann – im Interesse der Menschen und im Sinne der Natur.

Die Winter werden immer milder. Dennoch wird der Start der Skisaison nicht verschoben. Stattdessen werden die Pisten künstlich beschneit. Für die Natur ist das alles andere als gesund, und echtes Wintersportfeeling will inmitten grüner Wiesen auch nicht aufkommen. Fakt ist: Die Klimakrise macht auch vor unseren Gebirgsketten keinen Halt. Im Gegenteil, laut Greenpeace erwärmen sich die alpinen Regionen sogar um ein Vielfaches schneller als die Täler. Die Differenz beträgt mittlerweile ganze zwei Grad. Die Folge: Gletscher schmelzen, die Schneefallgrenze steigt, und statt weißer Weihnachten, beginnt es erst im Frühjahr richtig zu schneien. Meteorolog:innen der GeoSphere Austria prognostizieren, dass wir in Zukunft häufiger mit solchen Wintern rechnen müssen. Das könnte fatale Auswirkungen auf den Wintersport-Tourismus haben, sofern sich dieser nicht grundlegend verändert.

Der Alpenverein, als eine der ältesten Naturschutzorganisationen und als größter Bergsportverband Österreichs, hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2033 will er klimaneutral sein. Das bedeutet unter anderem, dass der Alpenverein die öffentliche Anreise seiner Mitglieder unterstützt und Anreize setzt, klimafreundlich unterwegs zu sein.  Auch will der Verein weitere Schutzhütten mit dem Umweltgütesiegel für Alpenvereinshütten auszeichnen, um den Klima-Fußabdruck der Hütten so klein wie möglich zu halten. Um all das zu erreichen, hat der Alpenverein eine eigene Klimastrategie mit umfassenden Maßnahmen entwickelt. Was das genau bedeutet und wie eigentlich ein nachhaltiger Wintersport aussehen kann, erfährt ihr hier:

Der Österreichische Alpenverein hat über 600.000 Mitglieder und betreut 231 Schutzhütten sowie rund 26.000 Kilometer markierte Berg- und Wanderwege.

Plan für die Neuerschließung der Kaunertal Gletscherfläche. Ein großer Bereich von bis dato unberührter Natur müsste für Pisten und Seilbahnen komplett umgebaut werden. © ÖAV Geoinformation
Plan für die Neuerschließung der Kaunertal Gletscherfläche. Ein großer Bereich von bis dato unberührter Natur müsste für Pisten und Seilbahnen komplett verbaut werden. © ÖAV Geoinformation
1. Ausbau weiterer Gletscher für Skigebiete? Nein, danke!

Skifahren unter 1.500 Metern könnte laut Meteorolog:innen der GeoSphere Austria in den kommenden Jahren der Vergangenheit angehören – eine düstere Aussicht für viele Skigebiete. Deshalb planen einige Skianlagenbetreiber:innen, Österreichs letzte naturbelassene Gletscher in Pistenlandschaften zu verwandeln. „Gletscher sind besondere Ökosysteme, weshalb sie in Österreich auch unter strengem Naturschutz stehen“, betont Benjamin Stern vom Alpenverein. Jegliche Verbauung ist daher grundsätzlich verboten. Mit der 2006 in Tirol in Kraft getretenen Raumordnungsprogramm über den Schutz der Gletscher sind Ausnahmen jedoch möglich. Ein Beispiel dafür ist das Projekt zur Erweiterung des Kaunertaler Gletscherskigebiets in Tirol. Im Zuge der Erweiterung soll der Gepatschferner im Kaunertal durch Seilbahnen und Pisten erschlossen werden. „Der Gepatschferner ist zusammen mit dem Kesselwandferner die größte noch zusammenhängende Gletscherfläche in den Ötztaler Alpen. Sie ist bis heute komplett naturbelassen. Eine Erschließung wäre ein massiver Eingriff in ein hochsensibles Ökosystem, in dem auch bedrohte Arten leben“, meint Stern.

„Österreichs Alpen könnten in 50 Jahren eisfrei sein.“

„Österreichs Alpen könnten in 50 Jahren eisfrei sein.“ befürchtet des Alpenverein. „In Zeiten der Klimakrise ist die Erschließung von Gletschern unverantwortlich. Wir brauchen ein Umdenken hin zu einem naturverträglichen Tourismus statt einem weiteren Raubbau an der Natur“, so Stern. Deshalb fordert der Alpenverein auch, dass der absolute Schutz der Gletscher wieder eingeführt wird. Was bedeuten würde, dass jegliche Baumaßnahmen auf Gletschern streng verboten wären – ohne Ausnahmen.

Gemeinsam mit dem Deutschen Alpenverein, den Naturfreunden und dem WWF setzt sich der Österreichische Alpenverein seit Jahren für den Schutz der Gletscher ein. Ein Beispiel dafür war das Großprojekt „Gletscher-Ehe Pitztal-Ötztal„. Im Zuge der Erweiterung wollte man die beiden Gletscherskigebiete Pitztal und Ötztal in Tirol miteinander verbinden. Das Projekt ist von Anfang an auf Widerstand gestoßen, weil der Bau von Pisten und Seilbahnen die unberührte Naturlandschaft im Ötztal massiv beeinträchtigt hätte. Gemeinsam mit weiteren Umweltschutzorganisationen hat sich der Alpenverein daher auch gegen den Bau des Großprojekts eingesetzt. Nach einer negativen Volksabstimmung in der Gemeinde St. Leonhard wurde das Projekt zurückgezogen. Ein scheinbarer Erfolg, der jedoch durch die neuerlichen Expansionspläne der Pitztaler Gletscherbahn im Februar 2023 getrübt wurde. „Wir werden auch diesmal alles dafür tun, um die Erschließung des Linken Fernerkogels mit seinen drei noch naturbelassenen Gletschern zu verhindern“, erklärt Stern.

Wie können wir dabei helfen? „Wichtig ist, dass die Gesellschaft von dem Thema erfährt. Das heißt, man kann sich selbst starkmachen und Projekte zum Schutz der Gletscher ins Leben rufen oder sich bei uns im Verein ehrenamtlich engagieren. Man kann aber auch mit seiner Urlaubsentscheidung Einfluss darauf nehmen, wohin touristische Ressourcen fließen“, erklärt Stern.

Ein Beispiel für sanfte Mobilität sind die Skibusse in der Salzburger Sportwelt. Sie sind für Skifahrer:innen und Snowboarder:innen zu und von den Liftstationen kostenlos. © Wildbild
Ein Beispiel für sanfte Mobilität sind die Skibusse in der Salzburger Sportwelt. Sie sind für Skifahrer:innen und Snowboarder:innen zu und von den Liftstationen kostenlos. © Wildbild
2. Sanfte Mobilität statt Autokolonnen

Alle Mühen helfen aber nicht viel, wenn wir weiterhin in endlosen Autokolonnen die Bergstraßen hinauf tuckern. Rund die Hälfte der CO₂-Emissionen des Wintersport-Tourismus wird durch die An- und Abreise verursacht. Deshalb hat sich der Alpenverein zum Ziel gesetzt, seine Mitglieder zu motivieren und Anreize zu schaffen, um mit dem Bus oder der Bahn statt dem Auto auf den Berg zu fahren. Ein Beispiel dafür ist das Tourenportal alpenvereinaktiv.com. Auf dem Portal kann man gezielt nach Touren suchen, die mit Bus und Bahn erreichbar sind. In einigen Bundesländern ist es zudem möglich, dass Mitglieder übertragbare Klimatickets erhalten. Diese können für die Dauer der Tour ausgeborgt werden, um mit den Öffis anreisen zu können.

3. Nachhaltige Skigebiete sind im Trend

Immer mehr Skigebiete in Österreich setzen auf Nachhaltigkeit. Ein Beispiel dafür ist das Skigebiet Ankogel im Kärntner Mallnitz. Das Dorf im Nationalpark Hohe Tauern hat sich der sanften Mobilität und dem sanften Tourismus verschrieben. So gibt es vor Ort verschiedene Möglichkeiten, ohne Auto von A nach B zu kommen. Beispielsweise gibt es einen kostenlosen Shuttleservice, einen Gratis-Bus, Schnee-Taxis und natürlich die öffentlichen Verkehrsmittel wie Bus und Bahn.

Mallnitz gehört auch zu den Bergsteigerdörfern des Österreichischen Alpenvereins. Die Hütten der Bergsteigerdörfer verfolgen das Ziel, eine ökologische und nachhaltige Bewirtschaftung zu entwickeln, die auf erneuerbare Energien setzt und den Energieverbrauch minimiert, wo immer möglich. Sie fördern auch eine sanfte Mobilität, die auf öffentliche Verkehrsmittel oder alternative Angebote wie Velotaxis zurückgreift. Ein wichtiger Bereich ist auch die Unterstützung von lokalen Produzent:innen und Produkten. So verwenden die Hütten der Bergsteigerdörfer Lebensmittel und Produkte, die vor Ort gewonnen und verarbeitet werden wie Käse, Honig, Schnaps oder Wolle. Aufgrund ihres Engagements im Bereich Umweltschutz sind einige Hütten mit dem Umweltgütesiegel für Alpenvereinshütten des Alpenvereins ausgezeichnet worden. Sie gelten als Vorbild für einen nachhaltigen und umweltfreundlichen Tourismus in den Alpen.

Skating Im Langlaufgebiet Mallnitz © Alpine Pearls
Skating Im Langlaufgebiet Mallnitz © Alpine Pearls
4. Den Berg voll auskosten

Wintersport-Tourismus, allen voran Skifahren, gehört für viele Regionen und Unternehmen zur wichtigsten Einnahmequelle. Doch der Wintersport verändert sich. Umso wichtiger ist es, dass die Skiregionen ihre Angebote erweitern. Alternative Wintersportarten werden daher immer wichtiger. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Zahl der Skifahrer:innen von Jahr zu Jahr abnimmt. Es sollten deshalb auch naturverträgliche Angebote abseits des anlagenbezogenen Wintertourismus geschaffen werden. Dazu gehören Rodeln, Winterwanderungen, Ski-Touren sowie auch Eis- und Langlaufen. Für die meisten dieser Alternativen braucht es weder einen Lift noch präparierte Pisten. Obendrein verursachen diese Sportarten weniger Unfälle und sind auch um einiges billiger – zwei Argumente, mit denen man selbst weniger umweltbewusste Menschen gut überzeugen kann.

5. Den richtigen Berg zur richtigen Zeit

„Die meisten Skifahrer:innen können die vielen Pistenkilometer in einem großen Skigebiet gar nicht abfahren. Da sollte man sich vorweg echt überlegen, ob nicht vielleicht ein kleineres, ruhigeres Skigebiet besser zu seinen Bedürfnissen passt“, erklärt Stern.

Auch der Zeitraum, wann man Skifahren geht, kann für die Umwelt entscheidend sein: Muss man wirklich jedes Wochenende mit dem Auto ins Skigebiet fahren, oder reicht es, weniger häufig zu fahren und dafür länger zu bleiben? Es ist auch wichtig, sich zu fragen, ob man wirklich schon im November auf der Piste sein muss. Wahrscheinlich wird man zu Beginn der Saison Kunstschnee in Kauf nehmen müssen. Besser ist es, ein wenig zu warten und dann frischen Neuschnee zu erleben. Denn wie eine Studie der Südtiroler Grünen erst kürzlich herausgefunden hat, ist der Schnee aus der Kanone ein regelrechter Boden-Killer. Grund dafür ist, dass durch den präparierten Kunstschnee die obersten Bodenschichten gefrieren und dadurch die Vegetation beschädigt wird.

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Erinnern für die Zukunft

Sie gehen in die USA, nach Tschechien oder Israel. Junge Gedenkdienstleistende erinnern aktiv an die Opfer der Nazis und leisten ihren Beitrag dazu, dass sich die Verbrechen der Nazis nicht mehr wiederholen. Erinnern ist immer wichtig, aber gerade jetzt ist es noch viel wichtiger. Denn rechtsradikale und demokratiefeindliche Parteien bekommen in Europa immer mehr Zulauf. In Deutschland schmieden sie bereits Deportationspläne für Millionen von Menschen. 

Der Blick verändert sich. Man erkennt besser, wenn der Professor die türkische Studienkollegin diskriminiert. Man entdeckt antisemitische Codes in Bildern auf Instagram, die auf den ersten Blick gar nicht problematisch erscheinen. Und man versteht, was das Ganze eigentlich mit einem selbst zu tun hat. Der Gedenkdienst schärft den Blick und macht wachsamer. „Wenn man sich täglich mit Einzelschicksalen auseinandersetzt, muss einem bewusst sein, wie sehr man bei rechten gesellschaftlichen Veränderungen aufpassen muss. Denn mit jedem rassistischen und antisemitischen Vorfall verschiebt sich die Grenze des gesellschaftlich Erlaubten ein Stück“, sagt Miriam Bonaparte. Sie leistet derzeit ihren Gedenkdienst in New York.

„Als Land von Tätern und Täterinnen ist es wichtig, zu erinnern.“

Gedenkdienst
Nadine Dimmel ist Obfrau vom Verein Gedenkdienst. © Verein Gedenkdienst

Gedenkdienst – das ist aktive Erinnerungspolitik. Freiwillige arbeiten ein Jahr lang in Gedenkstätten, Bildungseinrichtungen und Altenbetreuungseinrichtungen im Ausland mit. Ihre Aufgabe: An die Opfer der Nationalsozialist:innen erinnern, in Archiven recherchieren und mit Holocaust-Überlebenden sowie deren Angehörigen in Austausch treten. „Als Land von Tätern und Täterinnen ist es wichtig, zu erinnern. Aber mehr in einer Art und Weise, dass man mahnt, dass die Verbrechen nicht vergessen werden. Auch einfach aus Respekt gegenüber den Opfern“, sagt Nadine Dimmel. Sie ist Obfrau des Vereins Gedenkdienst, der pro Jahr bis zu 20 Gedenkdienstleistende ins Ausland entsendet.

Das mit dem Erinnern ist seit jeher schwierig in Österreich. Lange Zeit ruhte man sich auf dem Opfermythos aus. Österreich als erstes Opfer Nazi-Deutschlands. Mit den Täter:innen wollte man nichts gemein haben. Erst 1991 gab der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky die Mitschuld Österreichs an den nationalsozialistischen Verbrechen zu. Dass die Aufarbeitung der Nazi-Zeit so spät begonnen hat, ist ein Problem – bis heute.

In Kontakt treten mit Holocaust-Überlebenden
Gedenkdienst
Miriam Bonaparte leistet ihren Gedenkdienst am Leo Baeck Institute in New York. © Miriam Bonaparte

Miriam sucht in New York nach jüdischen Emigrant:innen und Holocaustüberlebenden, die aus Österreich nach Nordamerika geflohen sind. Sie arbeitet am Leo Baeck Institute für das Projekt „Austrian Heritage Collection“ und führt dafür Interviews mit Emigrant:innen, damit deren Geschichte nicht verloren geht. „Bisher war ich meistens nur in Kontakt mit in Österreich gebliebenen Holocaustüberlebenden. Daher ist es sehr spannend, die Geschichten von österreichischen Emigrant:innen zu hören und zu lernen“, schildert sie ihre bisherigen Erfahrungen.

Lena Lasinger ist auf der anderen Seite des Atlantiks geblieben. Am Institut Theresienstädter Initiative in Prag sucht sie in Archiven nach Opfern. In einer Datenbank dokumentiert sie all jene Menschen, die die Nazis auf tschechischem Boden ermordet oder aus Tschechien deportiert haben. „Ich arbeite mit Originaldokumenten, die teilweise noch nie jemand gesehen hat, was extrem spannend ist für mich”, gibt sie Einblick in ihre Arbeit.

Gedenkdienstleistende werden Multiplikator:innen

Der Gedenkdienst ist vielseitig. Je nach Einsatzort unterstützen Gedenkdienstleistende bei unterschiedlichen Tätigkeiten. Es gibt wissenschaftliche Einrichtungen, wie die Einsatzorte von Lena und Miriam. Andere gehen direkt an die Orte der Verbrechen wie Auschwitz-Birkenau oder Theresienstadt. Und wieder andere verbringen Zeit mit Holocaust-Überlebenden in einer Altenbetreuungseinrichtung in Buenos Aires. “Die Einsatzstellen sind sehr divers. Es gibt nicht konkret die eine Arbeit, die alle machen, sondern es kommt immer sehr darauf an, wofür man sich bewirbt und wofür man auch genommen wird“, hält Nadine Dimmel fest.

Eines haben aber alle Einsatzstellen gemeinsam. Sie machen die Gedenkdienstleistenden zu Multiplikator:innen. „Sie können dann das alles, was sie gelernt haben in diesem Jahr, in dem sie sich extrem intensiv mit dem Thema Nationalsozialismus und der Vergangenheit beschäftigt haben, in ihr Umfeld mitnehmen. In ihren Freund:innenkreis, an den Ort, wo sie dann arbeiten“, hält Nadine fest. Sie entwickeln ein kritisches Geschichtsbild, einen geschärften Sinn für Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Mechanismen, die dazu führen. „Und mit diesem geschärften Blick geht man dann in seinen Alltag zurück oder wird schlagfertiger, man hat bessere Argumentationen“, betont Dimmel.

Gedenkdienst
Lena Lasinger sucht in Prag nach Opfern der Nationalsozialist:innen. © Lena Lasinger
Erinnern als Mahnmal

Eine Eigenschaft, die immer wichtig ist, aber gerade jetzt ist sie noch viel wichtiger. Rechtsradikale und rechtsextreme Parteien in Europa führen Wahlumfragen an und werden von immer mehr Menschen gewählt. In Rom marschieren Neofaschist:innen auf.  Deutsche und österreichische Rechtsextreme schmieden Deportationspläne, wie Correctiv aufgedeckt hat. „Erinnern ist extrem wichtig. Man sieht jetzt, dass es zu solchen Vorfällen immer wieder kommen kann und dieses Erinnern soll auch ein Mahnmal sein, dass das eben nie wieder passiert“, unterstreicht Lena Lasinger. Der Gedenkdienst hat sie bereits in ihrem Handeln und Denken verstärkt. „Durch meine Arbeit hier merke ich immer mehr, wie wichtig es ist, dem entgegenzustehen und dagegen zu arbeiten“, ist sie sich sicher.

„Beitrag für eine Gesellschaft fern von jeder Ausgrenzung.“

Auch Miriams Blick hat sich verschärft. „Rechte Parteien und Gruppierungen erstarken weltweit. Umso wichtiger ist es, seinen Beitrag für eine Gesellschaft fern von jeder Ausgrenzung zu leisten“, hält sie fest. Dass beispielsweise antisemitische Vorfälle bei Corona-Demonstrationen gestiegen sind, sieht sie sehr kritisch. „Genau aus Gründen wie diesen ist eine aktive Gedenkpolitik wichtiger denn je“, sagt sie. Und sie verweist darauf, dass ihre Generation die letzte ist, die von Zeitzeug:innen lernen kann: „Ihre Erinnerungen sollten nicht nur eine Lehre sein, dass so etwas nie wieder geschehen darf, sondern auch, dass man sich täglich für eine gerechte Gesellschaft einsetzen muss.“

Erinnern allein reicht noch nicht

Es braucht laut Nadine aber mehr als nur Erinnern. „Erinnern um des Erinnerns Willen ist nie ausreichend“, betont sie. Nur weil Schulklassen durch das Konzentrationslager Mauthausen geschickt werden, heißt das nicht, dass niemand mehr antisemitisch ist. Es braucht mehr Vor- und Nachbereitung. Es braucht Workshops, in denen jene Mechanismen und Dynamiken offengelegt werden, die zum Nationalsozialismus geführt haben. So kann man ein kritisches Geschichtsbild entwickeln. „Nur wenn man diese Kontinuitäten und Dynamiken benennt, versteht man auch, warum das so schlimm ist und warum das auch heute noch relevant ist. Dieses Erinnern und diese Aufarbeitung der Geschichte müssen einfach verknüpft sein mit Bildungsarbeit“, betont Nadine.

Hier ist einerseits die Politik gefragt, andererseits aber auch die Zivilgesellschaft und damit Vereine wie der Verein Gedenkdienst. Dieser sorgt nicht nur für Erinnerungsarbeit im Ausland, sondern auch im Inland. Er bietet unter anderem Workshops an, in denen man sich mit der Vergangenheit und der Gegenwart beschäftigt, und Studienfahrten an Orte des Verbrechens.

Bis Ende August sind Lena und Miriam noch an ihren Einsatzorten in Prag und New York und leisten ihren Beitrag, damit die Verbrechen der Nationalsozialist:innen nicht vergessen werden. Nadine und ihr Team werden bis dahin einen neuen Jahrgang Gedenkdienstleistender finden. Denn das Erinnern, das hört nie auf.

Du interessierst dich für einen Gedenkdienst im Ausland? Hier findest du alle Infos.

Bald können Gemeinden leichter Tempo 30 Zonen einrichten

Mehr als 280 Gemeinden über alle Parteigrenzen hinweg haben sich dafür starkgemacht, dass sie auf ihren Straßen leichter Tempo 30 umsetzen können. Das Klimaministerium legt nun eine Novelle der Straßenverkehrsordnung vor, die genau das ermöglicht.

Auch bisher war es für Städte und Gemeinden möglich, Geschwindigkeitsbeschränkungen festzulegen. Aber es war dazu viel Bürokratie und umfangreiche Gutachten notwendig. Für viele Gemeinden war das schlicht zu aufwendig. Die Gesetzesnovelle wird es ihnen zukünftig deutlich leichter machen. Das ist wichtig, denn Städte und Gemeinden wissen selbst am besten, wo Temporeduktionen sinnvoll sind.

Diese Änderungen bringt die Novelle:

  • Künftig kann die jeweils zuständige Straßenbehörde in Bereichen mit besonderem Schutzbedürfnis vereinfacht die erlaubte Höchstgeschwindigkeit verringern.Zum Beispiel vor Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Spielplätzen, Krankenhäusern oder Seniorenheimen. Einzige Voraussetzung dafür: Die Maßnahme muss zur Erhöhung der Verkehrssicherheit insbesondere von Fußgänger:innen oder Radfahrer:innen geeignet sein.
  • Zusätzlich erleichtert die Gesetzesnovelle auch die Überwachung der Tempolimits. So sollen Gemeinden künftig Radarkontrollen selbst durchführen können. Voraussetzung ist eine entsprechende Übertragungsverordnung des Landes. Bisher konnten die Gemeinden nur dann Radarkontrollen durchführen, wenn sie über eine eigene Stadtpolizei verfügen.
Viele Vorteile von Tempo 30

Tempo 30 statt Tempo 50 im Ortsgebiet ist eine der wirksamsten Maßnahmen, die Zahl der Unfälle und Unfallopfer zu reduzieren. Temporeduktionen sorgen außerdem für weniger Lärm und eine bessere Luft.

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„Geringeres Tempo bedeutet mehr Sicherheit und mehr Lebensqualität für die Menschen vor Ort. Es führt zu weniger Verkehrstoten, verursacht weniger klimaschädliche Emissionen und spart durch den geringeren Treibstoffverbrauch auch Geld. Ich freue mich sehr, dass wir es durch die neue Straßenverkehrsordnung für Gemeinden und Städte nun einfacher machen, Tempo 30 vor Ort einzuführen“, sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Änderungen voraussichtlich ab Sommer 2024

Die StVO-Novelle geht Mitte Jänner in Begutachtung. Das heißt, die Öffentlichkeit kann sechs Wochen Stellungnahmen zum Entwurf abgeben. Das Inkrafttreten ist für Sommer 2024 geplant.