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Große Pläne für den Wiener Gürtel

Viel Platz zum Spazieren, sichere Radwege und rund 1.500 zusätzliche Bäume. Das ist die Vision der Wiener Grünen für den Gürtel. Aktuell fahren dort täglich bis zu 70.000 Pkw und sorgen für Lärm und schlechte Luft.

Es ist laut, es stinkt nach Abgasen und als Fußgänger:in wartet man ewig vor der roten Ampel, wenn man die Straßenseite wechseln möchte. So schaut’s aus am Wiener Gürtel. Bis zu 70.000 Fahrzeuge fahren dort täglich, wobei manchmal fahren sie nicht, sondern stehen – im Stau. Die Fahrzeuge verteilen sich auf sechs, abschnittsweise sogar acht Fahrstreifen. Der Gürtel ist damit eine der meistbefahrenen Straßen Österreichs.

Autos und Lkw wird hier viel Platz eingeräumt. Zum Nachteil all jener, die zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Das muss aber nicht so sein, denn es ist kein Naturgesetz, dass die Fahrspuren für Pkw und Lkw bis zu 86 Prozent der Fläche einnehmen.

Mehr Grün, aber Fahrstreifen bleiben

Für den Westgürtel hat die Wiener Stadtregierung bereits Umgestaltungspläne. Zwar soll die Gegend ansehnlicher werden, unter anderem durch zusätzliche Grünflächen. Die hohe Anzahl der Fahrstreifen aber bleibt bestehen. Die Maßnahmen werden den Verkehr am Gürtel nicht reduzieren – und das wird wahrscheinlich auch die Lebensqualität entlang des Gürtels nicht steigern.

Breitere Gehwege, sichere Radwege und gemütliche Plätze zum Verweilen sind aber nur möglich, wenn man die Fahrstreifen reduziert. Der Gürtel ist ohnehin gut an den öffentlichen Verkehr angebunden. Die U6 fährt auf den Stadtbahnbögen, für die der Gürtel bekannt ist. Auch mit der Straßenbahn kommt man am Gürtel von A nach B. Die Wiener Grünen wollen sogar die Straßenbahnlinie 8 wieder in Betrieb nehmen und die Währinger Straße mit der Station Burggasse/Stadthalle verbinden.

Umgestaltung Gürtel
So könnte der Abschnitt bei der Josefstädter Straße ausschauen, wenn mehr Bäume gepflanzt sind. © bauchplan
Gürtel soll Treffpunkt werden

Die Grünen haben nun eine neue Studie gemeinsam mit Verkehrsexpert:innen und Landschaftsplaner:innen präsentiert, wie man den Gürtel grüner gestalten kann. Im Kern wollen sie mehr Platz für die Menschen und weniger für Autos und Lkw. Mehr und vor allem sicherer Platz für Fußgänger:innen und Radfahrende ist das eine. Die Menschen sollen sich aber auch gern am Gürtel aufhalten. „Bisher galt: Wer kann, scheut den Gürtel. Niemand hat sich drübergetraut, das Problem wirklich anzupacken. Was bislang getan wurde, ist nur ein wenig Behübschung hier und dort. Beim Gürtel müssen wir aber groß denken und die Ärmel hochkrempeln – für die Zukunft unserer Stadt“, sagt Judith Pühringer, Parteivorsitzende der Wiener Grünen. Sie fordert, dass der Verkehr umverteilt wird und Freiflächen attraktiver gestaltet werden.

Ursprünglich war der Wiener Gürtel als Stadtboulevard gedacht. Ein Treffpunkt für die Menschen, die dort leben. Der Plan ist allerdings nicht aufgegangen und der Gürtel hat sich zur Verkehrshölle entwickelt. Die Wiener Grünen wollen mit ihrer Vision für den Gürtel diese Fehlentwicklungen der Vergangenheit korrigieren. Rund 1.500 zusätzliche Bäume sollen entlang der Straße gepflanzt werden. Nicht nur, weil das schön ausschaut, sondern weil diese CO2 binden, uns mit Luft zum Atmen versorgen und an heißen Sommertagen Schatten spenden sowie die Temperatur runterkühlen.

Für die Menschen sollen Plätze geschaffen werden, an denen sie sich gern aufhalten und Kinder spielen können. Es gibt bereits Bereiche in der Mittelzone, an denen Menschen sporteln und spielen. Die Nachfrage nach Aufenthaltsräumen ist also da.

Umgestaltung Gürtel
So könnte sich die Verkehrsfläche beim Westbahnhof auf die verschiedenen Verkehrsteilnehmer:innen aufteilen. © bauchplan

Das könnte zum Beispiel so aussehen: Der Europaplatz beim Westbahnhof soll autofrei und grüner werden. Unter anderem ist beim Westbahnhof auch ein Radhaus geplant. Der Zugang zur U-Bahn soll so umgebaut werden, dass 1.142 Fahrräder abgestellt werden. Das Dach wiederum soll zu einer begrünten Terrasse werden, auf der sich die Menschen aufhalten können.

Klimakrise macht Umgestaltung notwendig

Platz gibt es genug, um den Gürtel zu einem sicheren und tollen Ort für Fußgänger:innen, Radfahrer:innen und auch Autofahrer:innen zu gestalten. Die Stadtregierung muss nur die Flächen umverteilen. In Anbetracht der Klimakrise ist das auch das Gebot der Stunde, denn in Wien könnte sich die Durchschnittstemperatur um bis zu 4,7 Grad bis 2050 erhöhen. Und dann braucht es Maßnahmen, um den Aufenthalt im Freien erträglich zu machen und hohe Temperaturen zu verhindern. Weniger Asphalt und mehr Bäume wären ein wichtiger Anfang.

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Wählen ohne österreichischen Pass

In Österreich leben über 500.000 Menschen, die zwar keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, aber eine aus einem EU-Land. Da bald die EU-Wahl ansteht, haben wir nachgeschaut, wie du als EU-Bürger:in hierzulande wählen gehen kannst.

Alle fünf Jahre werden die Mitglieder des Europäisches Parlaments in den EU-Mitgliedstaaten gewählt. In Österreich findet die Wahl heuer am 9. Juni 2024 statt. Insgesamt werden 20 österreichische Mitglieder gewählt. Bei der Wahl wird die Stimme für eine kandidierende Partei abgegeben – doch weißt du schon, wie du als EU-Bürger:in ohne einen österreichischen an der Wahl teilnehmen kannst? So geht’s!

Österreich oder Heimatland?

Wenn du einen nicht-österreichische EU-Pass besitzt, dein Hauptwohnsitz in Österreich ist und du bei der EU-Wahl eine österreichische Partei für das Europäische Parlament wählen möchtest, musst du einen Antrag auf die sogenannte Europa-Wählerevidenz stellen. Das klingt im ersten Moment kompliziert und bürokratisch – ist es aber nicht. Zuerst musst du dich entschieden: Möchtest du eine Partei aus deinem Heimatland oder eine aus dem Wohnsitzland – in diesem Fall Österreich – wählen? Beides ist möglich, sofern du deinen Hauptwohnsitz in einem anderen Land als dein Herkunftsland hast.

EU-Wählerevidenz

Um für die EU-Wahl für Österreich berechtigt zu sein, musst du mindestens 16 Jahre alt sein und das Formular für die Eintragung in die EU-Wählerevidenz einreichen. Das kannst du persönlich in der Gemeinde, beziehungsweise in dem Bezirk, wo du wohnst oder schriftlich per Mail.
Um die Eintragung online zu beantragen, kannst du das Formular hier herunterladen und ausfüllen. Das ausgefüllte Formular schickst du mit einer Kopie deines Ausweises an die Mail-Adresse der zuständigen Gemeinde, beziehungsweise Bezirk.

Achtung Sperrfrist!

Damit du an der EU-Wal am 9. Juni teilnehmen kannst, musst du die Unterlagen bis spätestens 26. März 2024 bei deiner Gemeinde oder deinem Bezirk eingereicht haben. Erledige das am besten so bald wie möglich.

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Möchtest du doch für eine Partei deines Heimatlandes wählen, solltest du Kontakt beim Wahlservice deines Landes aufnehmen.

Falls du Leute kennst, die ebenfalls einen nicht-österreichischen EU-Pass besitzen, leite ihnen gerne diesen Artikel weiter. Denn schon bald heißt es: Gemeinsam für die Demokratie.

Sieg für den Tierschutz

Schweine sind mehr als nur das Schnitzel, das am Sonntag bei den Großeltern auf den Mittagstisch kommt. Sie sind soziale Wesen, die gerne in Stroh und Erde wühlen. Dass Schweinemastbetriebe bis 2040 Zeit bekommen, qualvolle Vollspaltenböden zu entfernen, sieht der Verfassungsgerichtshof nicht gerechtfertigt und hat die Bestimmung im Tierschutzgesetz nun aufgehoben. 

Manchmal bewegt sich ein Strohhaufen. In einem Moment war alles noch ruhig – und auf einmal grunzt der Strohhaufen. Dann springt plötzlich ein Schwein heraus, und noch eins und noch eins und noch eins. Ein ganzer Sauhaufen löst sich unter dem Strohhaufen auf.

Schweine bauen sich gerne Schlafnester aus Stroh und kuscheln sich mit Artgenossen zusammen. Das ist weich und hält warm. Schweine sind soziale Tiere. Doch nur die wenigsten Schweine werden in Österreich auch so gehalten, dass sie in Stroh und Erde herumwühlen und in Familienverbänden leben können. In Österreich leben laut Statistik Austria 2,57 Millionen Schweine. In zwei Drittel der 20.000 Schweinebetriebe werden die Tiere auf Vollspaltböden gehalten. Sie stehen auf hartem Beton dicht an dicht zu Artgenossen. Wer Stroh sucht, wird in solchen Ställen keines finden.

Übergangsfrist ist zu lange

Wer seit letztem Jahr eine neue Schweinemastanlage errichten will, darf keine Vollspaltenböden mehr integrieren. Das hat der Nationalrat 2022 beschlossen. Derselbe Beschluss sieht für bereits bestehende Betriebe eine Übergangsfrist bis 2040 vor. Für den Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist diese lange Frist sachlich nicht gerechtfertigt. Die Rücksicht auf Landwirt:innen, die in einen Umbau investieren müssten, wird hier klar über das Wohl der Tiere gestellt. „Das Urteil des VfGH ist ein Sieg für den Tierschutz. Dass die Frist mit 2040 nicht hält ist jetzt klar. Ein Ende des Vollspaltenbodens überhaupt festzulegen, war ein hart erkämpfter Erfolg. Nun freuen wir uns sehr, dass mit der Entscheidung des VfGH ein früheres Ende der Vollspaltenböden möglich wird“, betonen Olga Voglauer, Landwirtschaftssprecherin der Grünen, und Faika El-Nagashi, Tierschutzsprecherin der Grünen.

„Das Urteil des VfGH ist ein Sieg für den Tierschutz.“

Das Höchstgericht hat die Bestimmungen im Tierschutzgesetz mit 1. Juni 2025 aufgehoben. Das heißt: Bis dahin muss der Nationalrat eine neue Regelung beschließen. Passiert das nicht, dann sind Vollspaltenböden mit 1. Juni 2025 im ganzen Land verboten.

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ist eine gute Nachricht für die Schweine. Denn das bedeutet, dass die qualvolle Haltung auf Vollspaltenböden schon früher ein Ende haben wird. Wann genau, das muss nun ausgehandelt werden.

Vollspaltenböden
Die Haltung auf Vollspaltenböden sorgt für Tierleid und Krankheiten. © Lars Klemmer/dpa
Schweine leben über ihrem Kot

Doch warum sind Vollspaltenböden eigentlich problematisch? Das ist einfach erklärt: Es handelt sich um Betonplatten, in die Spalten eingelassen sind. Durch diese Spalten rinnt der Urin und fällt der Kot der Tiere direkt in eine Güllegrube. Für die Landwirt:innen bedeutet das weniger Arbeit. Für die Schweine bedeutet das, dass sie Tag und Nacht über ihren eigenen Ausscheidungen stehen und die aufsteigenden Ammoniakdämpfe einatmen müssen. Das reizt Augen und Atemwege.

Zudem stehen Schweine, die auf Vollspaltenböden gehalten werden, unter Stress. Sie entwickeln Magengeschwüre und Verhaltensauffälligkeiten. Unter anderem beißen sie Artgenossen Schwanz und Ohren ab. Der harte Betonboden schädigt zudem ihre Gelenke und verursacht Entzündungen.

Die Haltung auf Vollspaltenböden verursacht Tierleid und Krankheiten. Diese Haltungsform kann gar nicht schnell genug verboten und durch mehr Platz und Strohbuchten für die Tiere ersetzt werden. Das ist nicht nur im Sinne der Schweine, sondern auch im Sinne der Landwirtschaft. Denn wollen wir nicht alle, dass das Schwein, das für das Schnitzel, das es am Sonntag bei den Großeltern gibt, ein gutes und gesundes Leben hatte?

Wetter ist nicht Klima

Wenig Schnee im Winter ist noch kein Beweis für den Klimawandel, winterlich kalte Tage mit viel Schneefall aber auch keiner dagegen. Viele Menschen verwechseln die Begriffe Wetter und Klima. Hier sind die wichtigsten Unterschiede.

Fangen wir mit dem Wetter an. Es beschreibt, wie die Atmosphäre in einem bestimmten Moment an einem bestimmten Ort aussieht. Regnet es, geht der Wind, ist es kalt oder warm? Wir müssen nur die Türe gehen und wissen es. Das heißt: Wie das Wetter draußen gerade ist, können wir mit unseren eigenen Sinnen beantworten. Für genaue Angaben zur Temperatur, Regenmenge und Windgeschwindigkeit brauchen wir natürlich Messgeräte. Aber für grobe Angaben reichen unsere Sinne.

Klima können wir mit Sinnen nicht erfassen

Beim Klima sind unsere Sinne nutzlos. Auch wenn wir genau hinspüren, können wir nichts zum Klima einer Region sagen. Denn dafür reicht ein einzelner Sinneseindruck nicht.  Wir brauchen Wetterdaten aus vielen Jahren, in der Regel mindestens 30 Jahre. Daraus errechnen Klimaforscher:innen dann Mittelwerte und Durchschnitte. Und erst mit diesen Werten lassen sich dann endlich Aussagen zum Klima treffen. Klima ist also die Statistik des Wetters.

Wir Menschen verstehen die Welt aber über Einzelfälle. Das liegt in unserer Natur, denn wir haben kein intuitives Verständnis von Statistik. Und genau deswegen lassen wir uns oft dazu hinreißen, aus einem einzelnen Wetterereignis etwas über das Klima abzuleiten.

Ein einzelner extrem heißer Tag wird schnell zum Beweis für die Erderhitzung. Und ein kalter, schneereicher Winter schnell der Gegenbeweis. Beides ist falsch.

Wetter ist Willkür der Natur

Das Wetter ist der Willkür Natur unterworfen, das Klima nicht. Es lässt sich berechnen und vorhersagen. Die voranschreitende Erderhitzung lässt sich wissenschaftlich stichhaltig belegen. Aber nur, in dem wir Wetterdaten aus vielen Jahrzehnten vergleichen. Nicht, in dem wir einzelne Wetterereignisse herauspicken.

Hier noch einmal alle Unterschiede zusammengefasst:

  • Das Wetter beschreibt einen einzelnen Moment, das Klima eine lange Zeitspanne.
  • Das Wetter können wir mit unseren Sinnen spüren, das Klima nicht.
  • Das Wetter verändert sich schnell, das Klima langsam.
  • Das Wetter ist Willkür der Natur, das Klima berechenbar.

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„Wir brechen das 1,5 Grad Limit“

Reinhard Steurer ist Professor für Klimapolitik an der Uni für Bodenkultur. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Schein- Klimaschutz und den Ausreden bei der Bekämpfung der Klimakrise. Er steht außerdem hinter den aktuellen Klimaprotesten und hält diese für notwendig.

Im FREDA Talk gibt er einen interessanten, aufschlussreichen und nachdenklich machenden Überblick darüber, wo wir beim Klimaschutz stehen und welche Folgen das für uns haben kann. Das Video kannst du dir gleich hier anschauen oder direkt auf unserem YouTube-Kanal.

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Reinhard Steurer fordert dazu auf, gemeinsam den Scheinklimaschutz abzuwählen, selbst aktiv zu werden und auch Aktivistinnen und Aktivisten unterstützen. Er empfiehlt den eigenen ökologischen Handabdruck zu reduzieren. Wenn wir die Realität anerkennen, brauchen wir drastische Maßnahmen für den Ersatz und die Einsparung fossiler Energie. Aktuell werden wir das 1,5 Grad Ziel nicht schaffen, wenn wir sowohl in Österreich als auch weltweit weiter konsumieren und emittieren.

Jetzt geht es darum Kipppunkte nicht zu reißen, damit die sich gegenseitig beschleunigenden negativen Effekte verhindert werden. „Wer das Problem lösen will, der wird auch Wegen finden, alle anderen finden Ausreden.“ so Steurer.

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Hoffnung im Seewinkel

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Sie sind Österreichs seltenstes Ökosystem: die Salzlacken des Seewinkels. Und sie sind gefährdet. In den letzten 100 Jahren sind 100 Lacken für immer verschwunden. Ein großes Naturschutzprojekt will die verbliebenen Lacken nun retten. 

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Seit 40 Jahren ist Bernhard Kohler im Seewinkel unterwegs. In dieser Zeit hat er 15 Salzlacken sterben sehen. 15 Lacken in einem halben Menschenleben. Und wenn eine Lacke erst einmal weg ist, kommt sie nie wieder. Und das, obwohl diese Lacken 20.000 Jahre alt sind. „Vor etwa 100 Jahren hatten wir noch 140 Lacken. Mit dem Beginn der Entwässerungsmaßnahmen in den 1910er und 1920er Jahren hat ein rasches Lackensterben eingesetzt und es sind mehr als 100 Lacken verloren gegangen“, lässt WWF-Experte und Biologe Bernhard Kohler wissen. Hinnehmen will er das nicht. Er kämpft für eine Zukunft mit Salzlacken.

Die Salzlacken des Seewinkels sind ein seltener und ungewöhnlicher Lebensraum. Es sind kleine, salzhaltige Seen, die weder Zu- noch Abflüsse haben. Sie sind auf Grundwasser und Regen angewiesen. Je nach Jahreszeit sind sie entweder mit Wasser gefüllt oder trocken. In Europa gibt es sie an nur ganz wenigen Orten. In Österreich, Ungarn und Serbien. Sie sind das Zuhause einer besonderen Tier- und Pflanzenwelt und daher von unschätzbarem Wert für die Artenvielfalt.

Kohler nimmt uns mit zur Birnbaumlacke bei Podersdorf. Der Weg dorthin ist glitschig. Aber nicht, weil der Boden aufgrund des Regens der letzten Tage feucht ist. Es sind auch keine Pferdeäpfel, wie man vielleicht glauben mag, wenn man schnell hinschaut. Es sind Algen, die sich am Boden rund um die Lacke ausbreiten. Dazwischen schaut die eine oder andere Salzaster hervor. Nur wenige haben noch fliederfarbene Blüten, die meisten sind bereits verblüht.

12 Millionen Euro sollen die Salzlacken retten

Seit September läuft ein großes Naturschutzprojekt, an dem auch Kohler beteiligt ist. Insgesamt zwölf Millionen Euro von EU, Bund und Land Burgenland stehen zur Verfügung, um das Wasser in den Lacken zu halten und den Lebensraum zu schützen. Unter anderem werden dafür Entwässerungsgräben zurückgestaut, damit das Wasser nicht abfließen kann. Aber es geht nicht nur darum. Das Ganze hat auch eine gesellschaftliche Dimension. Die Entwässerungsgräben wurden gebaut, um Flächen landwirtschaftlich zu nutzen. In ehemaligen Überschwemmungsgebieten stehen heute Einfamilienhäuser. Staut man nun einfach Wasser zurück, sind Äcker nicht mehr nutzbar und die Keller der Häuser stehen unter Wasser. Für die Wohnsiedlungen werden sich technische Lösungen finden lassen. Für die Landwirtschaft aber braucht es neue Visionen.

Denn die Landwirt:innen werden nicht nur Äcker verlieren, sie werden zum Teil auch andere Kulturen anbauen müssen. Welche, darüber wird im Zuge des Naturschutzprojekts diskutiert, gibt Kohler Einblicke in die Projektarbeit. Kartoffel, Mais und Soja werden wahrscheinlich keine Zukunft im Seewinkel haben, sie verbrauchen zu viel Wasser. Durch die Klimakrise regnet es weniger und die Landwirt:innen müssen ihre Pflanzen bewässern. Das senkt den Grundwasserspiegel, der allerdings entscheidend für die Salzlacken ist. Er muss hoch sein, damit sie funktionieren.

Salzlacken
Biologe Bernhard Kohler will die Salzlacken des Seewinkels retten. © Markus Englisch
Grundwasserspiegel ist entscheidend

Das Salz in den Salzlacken kommt aus dem Grundwasser. Es muss bis an die Oberfläche heranreichen, damit es verdunsten und sich der Boden mit Salz anreichern kann. Es gibt Lacken, die das ganze Jahr über Wasser führen und es gibt solche, die im Sommer austrocknen. Letzteres passiert dann, wenn mehr Wasser verdunstet, als durch Regen und Grundwasser nachkommt. Der Grundwasserspiegel darf nicht unter die Lackensohle sinken, denn sonst verlandet die Lacke. Genau die Gefahr besteht aber, wenn das Wasser weiter aus dem Gebiet abgeleitet und zu viel davon verwendet wird, um Felder zu bewässern.

Der Grundwasserspiegel entscheidet also darüber, ob eine Salzlacke lebt oder stirbt. „Das heißt, man muss die Faktoren ausschalten, die zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels führen“, erklärt WWF-Experte Kohler. In kleinerem Rahmen wurden in der Vergangenheit bereits Entwässerungsgräben zurückgestaut. Dieses Renaturierungsprojekt ist mit einer niederschlagsreichen Phase zusammengefallen. Kohler blickt zufrieden auf diese Projekte zurück. Die Wirkung war positiv, der Salztransport konnte wieder aktiviert werden.

Wenn wir die Lacken des Seewinkels schützen, schützen wir auch ihre Bewohner. Zum Beispiel den Feenkrebs, ein recht mysteriöser Zeitgenosse. Damit diese Krebse aus ihren Eiern schlüpfen, muss das Wasser gefrieren. So weit, so gut. Wenn es aber nicht kalt genug ist, dann warten die Eier bis die Bedingungen eben passen. So überstehen sie auch Trockenphasen. Sie sind nicht tot, aber auch nicht lebendig. So einzigartig Feenkrebse sind, für Vögel sind sie einfach Futter. Der Säbelschnäbler beispielsweise ernährt sich von ihnen.

Ausgetrocknete Salzlacken kommen nicht mehr zurück

Ist eine Salzlacke erst einmal verschwunden, kommt sie nie wieder zurück. Bis zu 20.000 Jahre haben sie das Landschaftsbild des Seewinkels geprägt, innerhalb von 100 Jahren sind 80 Prozent der Lacken verschwunden. Dass die noch verbliebenen Lacken geschützt werden müssen, spricht für sich. Aber es ist auch für uns Menschen von enormer Bedeutung, dass die Salzlacken am Leben erhalten werden. Einerseits, weil der Seewinkel vom Tourismus lebt. Menschen kommen, um Vögel zu beobachten und die Natur zu entdecken. Wenn ein wesentlicher Teil dieser Natur verloren geht, verändert das die Landschaft, die Vögel kommen nicht mehr und die Tourist:innen bleiben auch aus.

Die Salzlacken sind aber auch ein Wasserspeicher. Prognosen zeigen, dass es im Osten Österreichs künftig längere Trockenphasen geben könnte, in denen es nicht regnet. „Es wäre jetzt sehr unklug, so weiterzumachen wie bisher und, wenn viel Wasser vom Himmel kommt, das Wasser ganz schnell abzuleiten. Das wäre sehr schlecht. Wir müssen auf eine Wasserbewirtschaftung umstellen, wie sie im Mittelmeergebiet üblich ist“, meint Kohler. Das bedeutet: Wenn das Wasser vom Himmel kommt, muss es in der Landschaft gespeichert werden, um in Trockenphasen darauf zurückgreifen zu können. Die Wasserwirtschaft muss also radikal umgestellt werden. Und das heißt auch, Feuchtgebiete zu erhalten und wiederherzustellen. Im Seewinkel lässt sich das in den nächsten Jahren beobachten. „Wenn es uns gelingt, die Wasserentnahmen im Projektgebiet so weit zu reduzieren, dass der Grundwasserspiegel wieder ansteigen kann, dann haben wir gewonnen“, ist sich Kohler sicher. Er will kämpfen. Bis zum Schluss.

Buchtipp: Die Natur hat Recht

In Ecuador kann der langnasige Harlekinfrosch vor Gericht ziehen. Und das sollte weltweit möglich sein. Warum alle Länder die Natur zum Rechtssubjekt erklären sollten, beschreibt Journalistin Elisabeth Weydt in ihrem Buch „Die Natur hat Recht“.

Die Natur zieht vor Gericht. Frösche, Wälder und Seen klagen ihr Recht ein, geschützt zu werden. Klingt nach einem utopischen Film, ist für die Menschheit aber überlebenswichtig. Und in Ecuador längst Realität. Die deutsche Journalistin Elisabeth Weydt schreibt in ihrem Buch „Die Natur hat Recht“ darüber, wie wichtig das Rechtssystem für die Lösung der Klimakrise ist.

Aber es ist kein trockenes Buch voller Paragrafen, das Jus-Student:innen für Prüfungen lernen müssen. Sie nimmt ihre Leser:innen unter anderem mit nach Ecuador und gibt ihnen Einblicke in die Kämpfe gegen einen Kupferfabrik im Intag-Tal. Sie beschreibt den anstrengenden, kräftezehrenden Kampf der Aktivist:innen, die gar nicht daran denken, aufzugeben. Unter ihnen viele starke Frauen.

Eine Bäuerin kämpft für einen Frosch mit langer Nase

Wie zum Beispiel die Bäuerin Cenaida Guachagmira. Unter ihrem Haus und ihrem Feld im Intag-Tal liegt ein Kupferschatz, um den bereits seit 30 Jahren gekämpft wird.  Dort lebt aber auch der langnasige Harlekinfrosch. Und in seinem Namen klagt Cenaida Guachagmira nun die Regierung an. Der Vorwurf: Sie hätte mit Codelco, dem größten Kupferkonzern der Welt, die Rechte der Menschen und die Rechte der Natur im Intag-Tal verletzt.

„Es geht bei den Rechten der Natur nicht nur um ein paar Paragrafen, sondern um ein Weltverständnis.“

In Ecuador gilt die Natur als juristisches Subjekt. Die Interessen von Tieren, Pflanzen und Gewässern können daher von Menschen vor Gericht eingeklagt werden. Für Weydt sind solche Gesetze wichtig, wenn wir die Natur und damit unsere Lebensgrundlage schützen wollen. Aber es geht nicht allein darum, die Natur zu einem juristischen Subjekt zu erklären. „Es geht bei den Rechten der Natur nicht nur um ein paar Paragrafen, sondern um ein Weltverständnis. Es geht um das Verhältnis zwischen Mensch und Natur und damit auch das Verhältnis zwischen Mensch und Mensch“, schreibt Weydt in ihrem Buch.

Ecuador schreitet hier voran. Weydt schildert aber auch, warum andere Länder noch keine entsprechenden Gesetze beschlossen haben. Es geht um Korruption, Kolonialismus und Geld.

Es braucht Mut zur Veränderung

Elisabeth Weydt fordert mit „Die Natur hat Recht“ uns Menschen auf, mutig zu sein. Ohne Mut werden wir nichts verändern. Gleichzeitig macht sie mit ihrem Buch aber auch Mut, denn sie zeigt eine Möglichkeit auf, den ökologischen Kollaps zu verhindern. Sie hält für ihre Leser:innen zudem eine Liste parat, wie sie selbst wirksam werden können. „Mit dem Wollen fängt es an, mit dem Verstehenwollen zuallererst. Doch dafür müssen wir wieder lernen, zuzuhören, zu träumen und auch zu spielen. Visionen können helfen, Träume. Probieren Sie es, trauen sie sich“, regt die Autorin dazu an, Utopien zu entwickeln.

Wir brauchen Visionen, damit sich etwas verändern kann. Denn es geht nicht nur darum, die Natur als Rechtssubjekt anzuerkennen. Es geht darum, dass wir uns selbst als Teil dieser Natur zu begreifen – und sie endlich entsprechend schützen.

„Die Natur hat Recht“ von Elisabeth Weydt ist 2023 im Knesebeck Verlag erschienen.

Zu viel Feinstaub in der Luft

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Die Feinstaubbelastung in Österreich ist hoch. Im Vorjahr wurden die Richtwerte bei allen Messstellen überschritten. Uns Menschen macht das krank. Was hilft: Langsamer Auto fahren und wenn möglich ganz auf den Pkw verzichten.

2022 sind bei allen Feinstaub-Messstellen und bei 75 Prozent der Stickstoffdioxid-Messstellen in Österreich die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO überschritten worden. Das zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Analyse vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) auf Basis von Umweltbundesamt-Daten. Laut Europäischer Umweltagentur verursachte die Luftverschmutzung zuletzt 4.500 vorzeitige Todesfälle in Österreich.

Verkehr als wichtiger Hebel

Will man hier etwas ändern, muss man beim Verkehr ansetzen. Denn dieser kann einen großen Beitrag dazu leisten, die Luftverschmutzung zu reduzieren. Das Land Salzburg habe beispielsweise festgestellt, dass allein das kürzlich aufgehobene flexible Tempolimit 100 (IG-L Tempolimit) auf der Tauernautobahn (A10) den Stickoxidausstoß beim Pkw-Verkehr um 19 Prozent reduzierte. Inklusive dem nicht betroffenen Lkw-Verkehr brachte das flexible Tempolimit eine Reduktion um acht Prozent, was der Wirkung einer Gesamtsperre der Autobahn von knapp einem Monat entspricht.

„Die Gesundheit der Bevölkerung ist das höchste Gut. Deshalb ist ein Beibehalten beziehungsweise Einführen von niedrigeren Tempolimits wichtig, solange die Schadstoffbelastung über den Richtwerten der WHO liegt“, betonte VCÖ-Expertin Lina Mosshammer. Höheres Tempo erhöhe nicht nur den Schadstoffausstoß, sondern auch Reifen- und Bremsabrieb, den auch Elektroautos verursachen.

„Die Gesundheit der Bevölkerung ist das höchste Gut.“

In den Gemeinden und Städten kann durch Verkehrsberuhigung sowie mit einer Verkehrs- und Stadtplanung, die das zu Fuß gehen und Radfahren fördert, wesentlich dazu beigetragen werden, dass die Bevölkerung bei mehr Alltagserledigungen auf Autos verzichten kann. In Städten sind zudem auch emissionsfreie Lieferzonen wichtig, um die Luftverschmutzung durch Diesel-Transporter zu reduzieren, schlug der VCÖ vor.

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Feinstaub macht krank

Je kleiner die Feinstaubpartikel, umso gefährlicher sind sie. Langfristige Belastungen erhöhen unter anderem das Risiko für Herzinfarkt und auch Lungenkrebs. Für Kinder sind die Feinstaubpartikel sehr schädlich, weil sich ihre Lunge im Wachstum befindet und sie im Verhältnis zur Körpergröße mehr Luft einatmen. Stickstoffdioxid kann Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Lungenschäden verursachen. Für mehr als die Hälfte der Stickoxid-Belastung ist der Verkehr verantwortlich, insbesondere Dieselabgase. (APA, red.)

Der Anfang vom Ende fossiler Energien

Update zum Artikel vom 14.12.2023 nach der COP-Abschlusserklärung:

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Ursprünglicher Artikel vom 27.11.2023

Das könnt ihr von der Weltklimakonferenz erwarten

Vom 30. November bis 12. Dezember geht die nächste Klimakonferenz in Dubai über die Bühne. Was dürfen wir uns diesmal erwarten? Wir haben für euch zusammengefasst, was im Vorfeld über die COP28 bekannt ist und welche Ergebnisse zumindest wahrscheinlich sind.

2023 wird die Welt einen Rekord brechen. Die Rede ist hier aber keineswegs von einem Erfolg, sondern von einem besorgniserregenden Negativrekord. Schon jetzt steht fest: Dieses Jahr wird das wärmste seit 125.000 Jahren. Das hat der EU-Klimawandeldienst errechnet. Und wenn es so weitergeht, werden noch viele weitere Rekorde kommen. Derzeit steuert die Erde auf eine Erhitzung von 2,5 bis 2,9 Grad zu, zeigt der Emissions Gap Report der Vereinten Nationen.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Wir brauchen Veränderung. Und zwar schnell. Angesichts der enttäuschenden Klimakonferenz in Ägypten blicken viele Menschen aber mit wenig Erwartungen auf die COP28. Und trotzdem: Eine so große Konferenz ist ein mächtiger Hebel im Kampf gegen die Klimakrise. Also lasst uns einen Blick nach Dubai werfen.

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In Dubai gibt es eine große Premiere

Dieses Jahr ist es schwieriger denn je vorherzusagen, welche Einigungen zustande kommen könnten. Denn es kommt ein neuer Faktor ins Spiel, den es so noch nie gab. Das erste Mal wird über den Global Stocktake gesprochen. Merkt euch das Wort, es wird in den nächsten Wochen oft fallen. Um zu erklären, was es bedeutet, müssen wir kurz ausholen.

2015 wurde in Paris mit dem 1,5 Grad-Obergrenze ein wichtiges Ziel formuliert. Und wie bei jedem anderen Ziel auch, muss man regelmäßig kontrollieren, ob man auf Kurs ist und die notwendigen Fortschritte macht. Deswegen wurde in Paris nicht nur das eigentliche Ziel beschlossen, sondern auch der Global Stocktake, kurz GST.

Stocktake heißt Bestandsaufnahme. Und das ist im Wesentlichen, was passiert. Alle fünf Jahre sieht sich die Wissenschaft an, ob die Weltgemeinschaft die Erderhitzung so verringern konnte, wie es in Paris beschlossen wurde. Die Grundlage für diese Bestandsaufnahme liefern die Berichte des Weltklimarates (IPCC).

Zurück zur Klimakonferenz. Die Ergebnisse des ersten Global Stocktake werden auf der COP28 präsentiert. Kurzum: In Dubai ist Zeugnistag. Man muss die konkreten Ergebnisse nicht kennen, um zu wissen, dass die Menschheit kein Einserzeugnis ausgeteilt bekommt. Wir sind weit vom Pfad der Pariser Klimaziele abgekommen. Auf der COP28 wird sich zeigen, wie die Länder auf dieses alarmierende Zeugnis reagieren.

Hoffnung auf Verschärfung nationaler Klimaziele

Und das bringt uns auch schon zum nächsten Thema der COP28. Und auch hier müssen wir kurz ausholen und einen Sprung zurück nach Paris machen.

2015 wurden zwar große Ziele beschlossen, aber den Ländern wurde sehr viel Spielraum gelassen, wie sie diese Ziele im eigenen Land umsetzen möchten. Jedes Land definiert seine eigenen Klimaziele. Die sogenannten Nationally Determined Contributions, kurz NDC. Auch diesen Begriff werdet ihr in den nächsten Wochen wohl oft hören.

Warum? Weil der Stocktake klar zeigen wird, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichend wirken. Und das heißt: Alle Länder müssen ihre nationalen Klimaziele verschärfen, um sie im Einklang mit dem 1,5 Grad-Ziel zu bringen.

Manche Beobachter:innen gehen davon aus, dass die COP28 dadurch ein Wendepunkt wird und die Länder fortan deutlich ambitionierter an Klimaschutz herangehen.

Geld für geschädigte Staaten

Das im Vorfeld am meisten diskutierte Thema ist ein Geldtopf für Verluste und Schäden. Inwieweit müssen reiche Länder mit historisch riesigen CO₂-Emissionen für Schäden und Verluste aufkommen, die durch die Klimakrise entstehen?

Diese Frage wollen vor allem Länder des globalen Südens diskutieren. Denn die Schäden und Verluste durch die Klimakrise entstehen vor allem bei ihnen – obwohl sie kaum etwas zur Klimakrise beigetragen haben. Diese Ungerechtigkeit soll ein Geldtopf ausgleichen.

Auf der letzten Klimakonferenz in Ägypten hat man sich zwar prinzipiell darauf geeinigt, dass es diesen Geldtopf geben soll – den sogenannten Loss & Damage-Fonds. Reiche Industrieländer sollen einzahlen und geschädigte Entwicklungsländer dürfen sich Geld herausnehmen.

Aber: Wer genau wie viel einzahlt und welche Länder sich wann aus dem Topf Geld nehmen dürfen, ist noch nicht geklärt. Werden auch reiche Entwicklungsländer wie der Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate etwas beitragen? Was ist mit China, einem riesigen Schwellenland mit enormen Emissionen?

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Loss & Damage-Fonds kommt wahrscheinlich zur Weltbank

Antworten auf diese Fragen wird es nach der COP28 geben, Empfehlungen gibt es aber schon jetzt. Zwischen den beiden Klimakonferenzen haben bereits Verhandlungen stattgefunden. Weitgehend von der Weltöffentlichkeit unbeobachtet hat der sogenannte Übergangsausschuss für Schäden und Verluste Anfang November Empfehlungen formuliert.

So soll der Geldtopf zum Beispiel anfangs bei der Weltbank angesiedelt sein. Das sehen viele Länder kritisch. Außerdem empfiehlt der Ausschuss, Länder ausschließlich über politischen und moralischen Druck zur Zahlung zu verpflichten. Eine echte völkerrechtliche Verpflichtung soll es nicht geben. Die Empfehlungen werden während der COP28 jedenfalls mit den nationalen Regierungen diskutiert.

Beobachter:innen gehen davon aus, dass der Loss & Damage-Fonds ein Knackpunkt für die ganze Konferenz sein wird. Wenn die reichen Industrieländer hier ihr Versprechen an den globalen Süden nicht halten, können auch wichtige Einigungen bei anderen Themen scheitern.

Atomkraft wird ein großes Thema

Seit Mitte November wissen wir zudem, dass auch Atomkraft eine größere Rolle bei der COP28 einnehmen wird. Sechs Länder haben sich zu einer Allianz für Atomkraft zusammengeschlossen. Frankreich, Großbritannien, die USA, Schweden, Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Diese Länder wollen auf der Konferenz vorschlagen, dass bis zum Jahr 2050 die Menge an Atomenergie verdreifacht wird. Andere Länder sollen sich dieser Idee anschließen. Die offizielle Erklärung zu diesem Vorschlag stellen die Länder am 2. Dezember auf der Konferenz vor. Hier ist der Ausgang völlig offen, denn beim Thema Atomkraft sind die Fronten verhärtet.

Einigung beim Ausbau von Erneuerbaren wahrscheinlich

Deutlich weniger strittig ist eine andere Form der Energiegewinnung. Beobachter:innen erwarten, dass ein deutlicher Ausbau von erneuerbaren Energien beschlossen wird. Die Rede ist von einer Verdreifachung der weltweiten Kapazitäten bis 2030, das entspräche 11.000 Gigawatt. Hier scheint eine Einigung sehr wahrscheinlich.

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Kein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen erwartet

Ein Knackpunkt hierbei ist, ob die zusätzlichen Erneuerbaren fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas ersetzen, oder einfach eine gesteigerte Energienachfrage decken. Denn nur ein gleichzeitiger fossiler Ausstieg würde die so dringend Reduktion von klimaschädlichen Gasen bewirken. Ein solcher Ausstieg scheint aber 2023 unwahrscheinlich. Nicht zuletzt, weil der Vorsitzende der Konferenz, Sultan Al Jaber, gleichzeitig Chef der staatlichen Ölgesellschaft der Emirate ist. Ein irrwitziger Interessenskonflikt, der dem Ruf der Klimakonferenz schadet.

Dass Klimakonferenzen Meilensteine hervorbringen können, hat sich 2015 in Paris gezeigt. Das Pariser Klimaabkommen war eine ambitionierte Verpflichtung mit harten Zahlen – im Gegensatz zu den vagen Absichtserklärungen des letzten Jahres in Ägypten. Ob Dubai zum nächsten Paris wird oder ähnlich enttäuscht wie Ägypten, lässt sich schwer sagen. Der Global Stocktake macht aber zumindest Hoffnung. Die alarmierenden Ergebnisse könnten ein Wendepunkt sein.

Reiche leben sehr viel klimaschädlicher

Die soziale Ungerechtigkeit zeigt sich auch an der Klimakrise. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung verursachte 2019 so viele klimaschädliche Treibhausgase wie die fünf Milliarden Menschen, die die ärmeren zwei Drittel ausmachen, heißt es im neu veröffentlichten Oxfam-Bericht.

Der extreme Konsum der Reichen und Superreichen beschleunigt nach einer neuen Berechnung der Entwicklungsorganisation Oxfam die Erderwärmung in geradezu obszöner Weise.

„Durch ihren extremen Konsum befeuern die Reichen und Superreichen die Klimakrise.“

Der Bericht „Climate Equality: A Planet for the 99 Percent“ fußt auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass der Treibhausgasausstoß der Menschen mit dem privaten Einkommen und Vermögen steigt. Ursache sind unter anderem häufigere Flugreisen, größere Häuser sowie insgesamt mehr klimaschädlicher Konsum – im Extremfall in Form von Luxusvillen, Megajachten und Privatjets.

Oxfam-Referent Manuel Schmitt sagte zu den Ergebnissen: „Durch ihren extremen Konsum befeuern die Reichen und Superreichen die Klimakrise, die mit Hitzewellen, Dürren oder Überschwemmungen die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen bedroht, insbesondere in den einkommensschwachen Ländern des Globalen Südens.“

Einige Ergebnisse aus dem Bericht
  • Das Konsumverhalten des reichsten Prozents (77 Millionen Menschen) verursachte 2019 16 Prozent der weltweiten Emissionen. Das ist mehr als doppelt soviel wie das Konsumverhalten der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung, und mehr als die Emissionen des gesamten Straßenverkehrs in der Welt.
  • Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung waren 2019 für rund die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.
  • Zum reichsten Prozent der Weltbevölkerung gehörten im Jahr 2019 Personen mit einem Jahreseinkommen von über 140.000 US-Dollar.
Vermögenssteuer für Superreiche

Oxfam erklärte, nötig seien nun neue Steuern auf klimaschädliche Konzerne und die Vermögen und Einkommen der Superreichen. Dies würde den finanziellen Spielraum für den Übergang zu den erneuerbaren Energien erheblich vergrößern. Letztlich aber brauche es auch „eine Überwindung des gegenwärtigen Wirtschaftssystems und der Fixierung auf Gewinnstreben, Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und konsumorientierter Lifestyles“.

Für den Bericht analysierte Oxfam zusammen mit dem Stockholm Environment Institute die durch Konsum verursachten Treibhausgasemissionen nach Einkommensklassen für das Jahr 2019 und den Zeitraum 1990 bis 2019. Die Untersuchung basiert auf Zahlen des Stockholm Environment Institute, das sich auf Daten des Global Carbon Atlas, der World Inequality Database, den Penn World Tables zum Einkommen (PWT) sowie Zahlen der Weltbank stützt. (RED/APA)