Kassasturz im Autoland

Dass Österreich ein Autoland sei, haben wir in letzter Zeit oft gehört. Aber über eines reden wir in diesem Zusammenhang kaum: Am Autoland festzuhalten, kommt uns teuer zu stehen. Es ist an der Zeit, die wahren Kosten des fossilen Autoverkehrs zu benennen.

Autofahren ist teuer. Die Rede ist aber nicht nur von den Kosten, die für Autofahrer:innen selbst anfallen, etwa hohe Spritkosten. Den Preis für ein auf das Auto ausgerichtetes Verkehrssystem zahlen auch all jene, die kein Auto haben – ob sie wollen oder nicht. Das ist immerhin jeder vierte Haushalt in Österreich. Darunter sind auch viele Menschen, die sich ein eigenes Auto schlicht nicht leisten können. Sie alle zahlen mit. Unter den Vielfahrer:innen wiederum sind vor allem die Wohlhabenden, die dafür nicht die vollen Kosten tragen müssen. Sozial gerecht geht anders.

“Der Autoverkehr kostet Österreich jährlich 12,5 Milliarden, die nicht die Verursacher:innen zahlen.”

Allgemeinheit finanziert Autoland

„In Summe fallen durch Autoverkehr in Österreich jährlich rund 12,5 Milliarden Euro an externen Kosten an“, erzählt uns VCÖ-Verkehrsexperte Michael Schwendinger im Interview. Er hat an einer Publikation mitgewirkt, die diese gesellschaftlichen Kosten sichtbar machen will. Schwendinger spricht deshalb von externen Kosten, weil das Geld nicht von den Verursachenden selbst bezahlt wird, sondern von der Allgemeinheit und der nächsten Generation gestemmt werden muss. Wie viel uns allen das Autoland kostet, wird deutlich, wenn wir es mit anderen Verkehrsformen vergleichen. Der öffentliche Verkehr zum Beispiel verursacht nur rund 1,9 Milliarden Euro an externen Kosten. Beim Gehen und Radfahren sei es sogar umgekehrt, hebt der Experte hervor. “Hier entsteht ein gesellschaftlicher Mehrwert durch den positiven Gesundheitseffekt von aktiver Bewegung im Alltag.”

Darum entstehen so hohe Kosten für die Allgemeinheit

Es sind Unfallfolgekosten, Umweltschäden, Abgase und der hohe Flächenverbrauch, der den Autoverkehr für die Gesellschaft so teuer macht. „Der größte Anteil an externen Kosten fällt durch Autounfälle an“, so Schwendinger. Das beginne bei materiellem Schaden an Fahrzeugen und Infrastruktur, über Einsatzkosten von Polizei und Rettung, bis hin zu gesundheitlichen Kosten und Arbeitsausfällen durch lange Krankenstände. Aber auch die negativen Effekte auf Umwelt und Klima verursachen hohe externe Kosten, die auf die Gesamtgesellschaft abgewälzt werden. Der Verkehrsexperte führt dabei Kompensationszahlungen als Beispiel an. „Laut Rechnungshof kommen auf Österreich aufgrund verfehlter Klimaschutzziele bis zum Jahr 2030 über 9 Milliarden Euro an Kosten zu.“ Geld, das aus wohl oder übel aus dem Steuertopf kommen wird.

Fossile Mobilität macht abhängig

Für unser fossiles Verkehrssystem zahlen wir aber auch einen ganz anderen Preis – den der Abhängigkeit. Vier Fünftel des Erdöls, das Österreich importiert, verschlingt der Verkehr. Eine Abhängigkeit, nicht erst seit dem Angriffskrieg Russlands teuer bezahlen. Hinzu kommt, dass unser Geld fast ausschließlich in die Taschen von Ländern wandert, die Menschenrechte, Pressefreiheit und die Demokratie mit Füßen treten. 2021 kam das meiste Öl aus Kasachstan, Libyen, Irak und Russland.

Es ist Zeit für mehr Kostenwahrheit im Verkehr

In anderen Lebensbereichen ist es selbstverständlich, dass Menschen für Kosten aufkommen, die sie verursachen. Nur im Verkehr haben wir eine Schieflage. „Kostenwahrheit erreicht man über Steuern und Abgaben“, sagt Schwendinger. Wichtig sei zu verstehen, dass die Kosten schon da sind. Es geht lediglich um die Frage, wer sie bezahlt. VerursacherInnen oder die Allgemeinheit?

Gibt es Kostenwahrheit im Verkehr, dann führt das auch dazu, dass klimafreundliche Mobilität die günstigere Art wird von A nach B zu kommen. Natürlich muss der Weg dorthin sozial gerecht sein. Mit dem Klimabonus zur Rückverteilung der CO₂-Steuern ist hier aber schon ein wichtiger Schritt gesetzt. Michael Schwendinger spricht allerdings für einen höheren Preis für CO₂ aus. “Damit dieses Modell wirkt, muss die Höhe der CO₂-Bepreisung den tatsächlichen Kosten entsprechen, was in Österreich noch nicht der Fall ist.”

„Österreich ist im internationalen Vergleich vor allem ein Bahnland.”

Vom Autoland zum Öffiland

Natürlich wollen wir alle in einem Land leben, in dem wir uns frei bewegen können und alle Orte erreichen, die wir erreichen wollen. Aber das kann nicht nur das Auto ermöglichen. Ganz im Gegenteil: Ein auf das Auto ausgerichtetes Verkehrssystem schließt viele Menschen von der Mobilität aus. Österreich sollte vielmehr ein Öffiland sein. Auch für Michael Schwendinger ist die Bezeichnung Autoland schon jetzt unzutreffend. „Österreich ist im internationalen Vergleich vor allem ein Bahnland – sowohl was die international erfolgreiche Bahnindustrie angeht, als auch die Tatsache, dass in keinem anderen EU-Staat so viel mit der Bahn gefahren wird wie in Österreich.“

Bundeskanzler Karl Nehammer sieht das anders. Für ihn ist Österreich “das Autoland schlechthin”. Das sagte er kürzlich ausgerechnet in einer Rede, in der es um die Zukunft der Nation gehen sollte. Was wir brauchen sind klare politische Signale, dass ein gerechtes und klimafreundliches Zeitalter im Verkehr angebrochen ist. Das Zeitalter der Bahnen, Busse und Räder. Diskussionen über E-Fuels sind kein derartiges Signal. Nebelkerzen wie diese verunsichern Wirtschaft und Bevölkerung.

“Österreich ist vor allem ein sehr innovatives Pflaster”, meint der Verkehrsexperte. Und genau diese Innovationskraft werde den Wirtschaftsstandort Österreich langfristig absichern. “Was nicht in dieses Bild passt, ist ein krampfhaftes Festhalten am Verbrennungsmotor – einer Technologie ohne Zukunft. Und zwar völlig unabhängig davon, ob wir wollen oder nicht.” Das Bild vom Autoland Österreich hat ein für alle Mal ausgedient. Zu hoch ist der Preis, den die Allgemeinheit und unser Klima für ein solches Verkehrssystem zu zahlen hat.

Über die/den Autor:In

Markus Englisch
Markus Englisch
Markus studierte TV- und Medienproduktion in Wien. Sein größter Antrieb als Journalist ist es, die Klimakrise für alle Menschen begreifbar zu machen. Zuletzt war er als Redakteur bei PULS 4 tätig und leitete das Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

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