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Mit Wildblumen gegen das Artensterben

Unsere Lebensräume verarmen, viele Arten von früher gibt es heute nicht mehr. Doch Wildblumen-Expertin Karin Böhmer glaubt daran: Die allermeisten Pflanzenarten können wir wieder zurückholen. Sie kämpft gegen das Artensterben – mit einem Betrieb, der in seiner Art einzigartig ist. Wir haben sie einen Tag lang begleitet.

Ein sonniger Vormittag im südlichen Waldviertel. Naturschutzexpertin Karin Böhmer bindet sich alte Polsterüberzüge an den Gürtel, schnappt ihre Gartenschere und schon geht es zu einer ihrer Sammelflächen. Auf einem kleinen Fleckchen Wiese können über hundert Pflanzenarten wachsen – eine enorme Vielfalt im Vergleich zu anderen Flächen. Diese werden in den Sommermonaten gesammelt und später getrocknet, um sie woanders wieder aussäen zu können.

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Heimische Wildpflanzen locken Insekten, Vögel und weitere Tiere an und fördern die Artenvielfalt enorm. Das ist wichtig, denn unsere Natur steht massiv unter Druck – ein Drittel aller Pflanzen- und Tierarten sind weltweit vom Aussterben bedroht. Jedoch müsste keine weitere Art verloren gehen, wenn wir aktiver werden. Es gibt nämlich sehr viele Flächen, wo Platz für neue Vielfalt wäre. Von Straßen- und Bahnbegleitflächen über Dachbegrünungen bis hin zu Wasserrückhalteflächen und Blühflächen für Landwirt:innen ist alles möglich.

Seit über 40 Jahren sammelt Karin Böhmer gemeinsam mit ihren Mitarbeiter:innen Wildblumensamen, um damit wieder neue Lebensräume anzulegen. Dafür gehen sie auf ökologisch wertvolle Flächen in ganz Österreich und „ernten“ die reifen Wildblumen – von rund 1000 verschiedenen Arten. Im Anschluss werden die Samen aus der Pflanze geholt, gereinigt und getrocknet, um dann für die jeweilige Region und das entsprechende Pflegeregime individuell zusammengemischt zu werden. Auch die zunehmende Wärme und Trockenheit werden bei der Zusammenstellung der Mischungen berücksichtigt. Ihre Kund:innen können also Samenmischungen bestellen, die perfekt auf den jeweiligen Standort zugeschnitten sind. So wird sichergestellt, dass die Samen nur auf Flächen kommen, auf denen sie auch wachsen können – ein wichtiger Beitrag zum Naturschutz und der Förderung regionaler Vielfalt.

Karin Böhmer mit einer Mitarbeiterin und der Journalistin Mira Dolleschka am Dachboden ihres Betriebs. Sie stehen auf Decken, auf denen Wildblumen zum Trocknen aufliegen. Im Hintergrund hängen Polsterüberzüge gefüllt mit weiteren Pflanzen, um gegen das Artensterben zu kämpfen.
Karin Böhmer mit einer ihrer Mitarbeiter:innen und der Journalistin Mira Dolleschka am Dachboden, wo die Wildblumen getrocknet werden. Foto: Julia Zander
Wir brauchen intakte Natur

Auf unseren Wiesen nimmt die Vielfalt rasant ab. Selbst früher weit verbreitete Arten wie die Margerite oder der Wiesensalbei werden immer seltener. Das liegt vor allem an Versiegelung, intensiver Bewirtschaftung und Überdüngung und bringt unsere Ökosysteme aus der Balance. Dabei ist eine intakte Natur ein wichtiger Schutz gegen die negativen Auswirkungen der Klimakrise.

Die in ganz Österreich verteilten Flächen, auf denen Karin Böhmer und ihre Mitarbeiter:innen sammeln, sind zum Großteil gepachtet. Einige sind auch öffentliche Flächen, auf denen sie sammeln dürfen; für manche haben sie eigene Nutzungsübereinkommen.

Die Wiesen sind Teil der Kulturlandschaft und müssen gepflegt werden. Denn sonst wachsen sie zu und werden früher oder später zu Wald. Die Bewirtschaftung ist jedoch oftmals mühsam und bringt wenig monetären Ertrag im Vergleich zu Futterwiesen oder Waldwirtschaft, weshalb in vielen Regionen Österreichs immer mehr Wiesen zu Monokulturen werden. Denn Landwirt:innen, die generell schon stark unter Druck stehen, haben oftmals keine Zeit für die arbeitsintensive Pflege. Viele von ihnen sind mittlerweile jedoch gute Kund:innen des Betriebs und stellen ihre Blühwiesen zur Verfügung, weil sie zu schätzen wissen, wenn wieder mehr Vielfalt in die Ackerlandschaft kommt. Durch Karin Böhmers Arbeit entstehen also nicht nur neue artenreiche Wiesen, sondern es werden auch bestehende Flächen erhalten. Sie arbeitet sehr naturnahe und beweidet die Flächen auch mit Pferden, Ziegen und Schafen.

Zu den größten in den letzten Jahren von Karin Böhmer begrünten Flächen gehören etwa die Dammbegrünungen an der March und der Donau. Die überwiegende Anzahl ihrer Kund:innen sind jedoch Privatpersonen, teilweise auch nur mit kleinen Flächen im Garten oder Dachflächen und Balkonkästchen. Ebenso gibt es Leute mit speziellen Wünschen, was einzelne Pflanzenarten anbelangt.

Ein Foto von einer grünen Wiese mit vielen Wildblumen in verschiedenen Farben. Ein Symbol für den Kampf gegen das Artensterben.
Auf einem Fleckchen Wiese können über 100 verschiedene Wildblumenarten wachsen. Foto: Julia Zander
Die Ungeduld der Menschen

Eine der größten Hindernisse bei Karin Böhmers Arbeit ist, dass es in manchen Landschaften keine oder nur mehr sehr wenige artenreiche Sammelflächen gebe. Beispielsweise im Alpenvorland.

Die eigentlich noch größere Hürde ist aber die Ungeduld der Menschen. Wildblumen wachsen oft sehr langsam und verzögert, manche sieht man tatsächlich erst nach Jahren bis Jahrzehnten nach der Aussaat. Diese Zeitspanne überfordere viele Leute. Oft bekommt Karin Böhmer Anrufe von besorgten Kund:innen, die wissen wollen, ob da etwa ein Fehler unterlaufen sei. „Wir haben verlernt, Geduld mit der Natur zu haben“, meint sie dazu.

Zusätzlich herrsche sehr viel Erklärungsbedarf. Das Wissen um die Natur und deren Vorgänge nimmt ständig ab. Selbst bei Menschen mit entsprechenden Ausbildungen. Laut Karin Böhmer sei vielen nicht bewusst, was Vielfalt überhaupt bedeute. Es würden sehr leichtfertig Flächen ruiniert werden, wo es nicht notwendig wäre – zum Beispiel bei Verkehrsflächen oder Siedlungsgebieten. Oder wenn im Garten die Blumen nicht bestehen bleiben dürfen, weil der Rasenroboter über alles hinweg fährt.

Dabei gehe es auch um eine Frage der Wahrnehmung. Sie betont: „Jede:r von uns kann etwas tun, indem wir die Vielfalt einfach ein bisschen bewusster wahrnehmen.“

Die Arbeit lohnt sich

Bereits als Jugendliche hat Karin Böhmer mitbekommen, dass die Lebensräume um sie herum verarmen. Diese Erfahrung hat sie geprägt. Später hat sie Landwirtschaft an der Universität für Bodenkultur studiert und währenddessen in der Landschaftsplanung gearbeitet. Bei der Planung von Blumenwiesen ist ihr bewusst geworden, dass es keine heimischen Blumensamen zu kaufen gibt. Zeitgleich ist sie ins Waldviertel gezogen und hat gesehen, dass rundherum lauter schöne Blumenwiesen sind. In ihrem Kopf reifte somit eine Idee heran: Die Blumensamen selbst sammeln und damit neue Wiesen anlegen.

Die Leidenschaft für das Sammeln und die Vielfalt ist im Gespräch mit Karin Böhmer sehr spürbar. Ebenso ihr Optimismus. Sie ist überzeugt davon, dass wir alle Wildblumen wieder ansiedeln könnten, sogar die ganz seltenen. Dabei sei auch sie immer wieder von der Natur überrascht worden: Selbst, wenn man nur wenige Samen an den richtigen Standort bringe und ihnen Zeit gebe, würden die Arten wiederkommen. Begeistert erzählt sie von einem besonderen Fall: „Vor 20 Jahren haben wir ein Gewerbegebiet begrünt, unter anderem mit ein paar Samen vom Kreuzenzian – eine bei uns mittlerweile wirklich seltene Art. Und jetzt haben wir einen wunderschönen kleinen Kreuzbestand dort entdeckt.“ Solche Beispiele von der erfolgreichen Wiederansiedelung von seltenen Arten geben ihr Hoffnung.

Was die Politik tun kann

Mit dem Verschwinden der landschaftlichen Vielfalt nehme gleichzeitig die Aufmerksamkeit für die Probleme wieder zu. Manche Gemeinden nehmen ihre Verpflichtung, die Biodiversität zu fördern, schon länger ernst und bestellen seit Jahren bei Karin Böhmer. Ihre Hoffnung ist, dass das Interesse der Behörden auch durch das Renaturierungsgesetz zunehmen wird. „Wenn sie das Gesetz ernst nehmen, werden sie über Gruppen wie uns nicht hinwegkommen. Wir müssen viel aktiver werden und ohne Sammeln wird es nicht gehen“, so Karin Böhmer.

Generell wünsche sie sich von politischer Seite eine bessere Zusammenarbeit. Die Politik sollte alle an einen Tisch bringen und zum Dialog anregen: die Länder, die Gemeinden, die Verwaltung, die Behörden, Betriebe wie den ihren. Aktuell laufe noch sehr viel gegeneinander, selbst innerhalb der NGOs, die sich für Naturschutz interessieren. Am Wichtigsten ist es laut Karin Böhmer, miteinander zu reden, sich abzustimmen und nicht die gleichen Schienen mehrfach zu bedienen. Dass alle Akteur:innen sich zusammensetzen, kann mühsam sein. Aber im Endeffekt sei es der einzige Weg, wie es wirklich funktionieren kann.

Handsammlung und Vermehrung am Feld

In Österreich gibt es neben Karin Böhmers Betrieb circa 30 weitere Fachbetriebe, die ähnliche Arbeit leisten. Zusammen bilden sie das REWISA-Netzwerk für Naturnahes Grün. Der Großteil der anderen Betriebe sammelt jedoch nicht selbst, sondern kauft das Saatgut zu und vermehrt dieses dann am Feld. Der Vorteil von dieser Vermehrungsart ist, dass man schneller sehr große Mengen erzielen kann. Das ist vor allem für bestimmte Mengenarten wichtig, die in einer Wiese tausendfach vorkommen, denn dabei könne der Bedarf schwer mit der Handsammlung gedeckt werden.

Der Nachteil dabei: Diese Vermehrungsart sei meist nicht biologisch, da jede Monokultur betreuungsintensiv ist und Herbizide eingesetzt werden müssen. Außerdem lassen sich nicht alle Arten feldmäßig vermehren. Es wäre also sehr wichtig, dass noch mehr Leute mit der Hand sammeln würden.

Selbst aktiv werden

Im Laufe der Jahre hat Karin Böhmer ihr Sortiment immer mehr erweitert und neue Sammelregionen hinzugenommen. Dennoch betont sie im Gespräch, dass es unbedingt noch mehr Sammler:innen brauche. Es gibt viele Regionen, wo Karin Böhmer und ihre Mitarbeiter:innen nicht hinkommen – weil sie zu weit weg sind oder ihnen schlichtweg die Kapazitäten fehlen. Zum Beispiel in den südlichen Alpenvorländern, also Steiermark und Südburgenland. Oder für die westlichen Kalkalpen und die Zentralalpen. Ein wichtiger Teil von Karin Böhmers Arbeit ist also auch die Ausbildung weiterer Sammler:innen.

Das Sammeln kann jede:r bei ihr lernen und dann in der eigenen Region umsetzen. Die Tätigkeit sei an sich nicht schwierig. Man muss die Fläche finden, wo die Pflanzen wachsen, diese sammeln und wieder auf geeignete neue Fläche bringen. Das sind alles einfache Vorgänge, für die man laut Karin Böhmer kein besonderes Wissen oder spezielle Ausstattung brauche – außer ein paar alten Polsterüberzügen, einer Schere und natürlich Geduld. Das Ganze zahle sich laut Karin Böhmer auch finanziell aus.

Die vielfältigsten Lebensräume unserer Landschaften

Als Wildpflanzen werden jene Pflanzen definiert, die bereits vor der Entdeckung Amerikas bei uns gewachsen sind, beziehungsweise alle natürlich auftretenden, im Gegensatz zu den Kulturpflanzen nicht durch menschliche Pflanzenzüchtung genetisch veränderten Pflanzenarten.

Wildblumenwiesen sind die vielfältigsten Lebensräume unserer Landschaften. Es handelt sich dabei um sehr alte Ökosysteme, die teilweise seit über 1000 Jahren bestehen. Der Boden unter solchen Wiesen ist sehr dicht und tief bewurzelt, was auch zum Erosionsschutz sowie der Reinigung und Speicherung von Wasser beiträgt. Die Wiesen haben sich mit der menschlichen Bewirtschaftung mitentwickelt und sind durch ihre Vielzahl an Pflanzenarten sehr robust gegenüber Klimaschwankungen. So sind in einem feuchten Jahr bestimmte Arten stärker, in einem trockenen Jahr wieder andere. Der Bestand bleibt jedoch insgesamt stabil. Denn die allermeisten der Pflanzen sind ausdauernde Arten, die auch bei schlechten Bedingungen erhalten bleiben. So bekommt Karin Böhmer von ihren Sammelflächen zwar nie das Gleiche in der gleichen Menge, aber dennoch immer genug.

Endlich Umdenken

Vielfalt ist eine Voraussetzung dafür, dass unsere Ökosysteme funktionieren. Dabei geht es um so viele Faktoren – Luft- und Wasserreinhaltung, Bodengesundheit, Lebensmittelsicherheit, Vielfalt von anderen Lebewesen, Erosionsschutz, grüner Erholungsraum.

„Wir brauchen einfach viel Leben um uns herum. Wildpflanzen spielen eine wichtige Rolle für die gesunde Erhaltung unserer Ökosysteme. Das ist entscheidend für uns Menschen – am Land, aber auch in den Städten“, fasst Karin Böhmer zusammen.

Im Hinblick auf die vielen Krisen unserer Zeit fühlen sich viele oft machtlos. Ohne Wildblumen bleiben die Insekten aus, der Anbau von Obst und Gemüse wird zunehmend schwieriger. Viele Gegenden haben bereits keine Blumen mehr. Doch Karin Böhmer zeigt, dass wir alle etwas tun können. Sei es, bei der Pflege von Flächen mitzuhelfen, die eigene Wiese ein bisschen mehr wachsen zu lassen oder sogar selbst zu sammeln, auch im kleinen Umfang. Jede:r kann etwas bewirken und sich für ein Umdenken einsetzen – für Naturschutz und mehr Vielfalt auf unseren Wiesen.

Wie stark verändern wir unseren Planeten?

Beeinflussen wir Menschen unseren Planeten so stark, dass diese Veränderungen ein eigenes Erdzeitalter bestimmen? Offiziell wurde die Anerkennung des Anthropozäns bisher abgelehnt, doch das „Menschenzeitalter“ ist nicht mehr zu leugnen.

Zu tiefgreifend hat der Mensch den Planeten und das Erdsystem insgesamt bereits verändert. Fragt sich, ob dies nur von kurzer Dauer ist und sich die Erde bald erholt? Nein, meint die Wissenschaft: „Das Anthropozän ist gekommen, um zu bleiben, auch in geologischen Dimensionen“, sagt Michael Wagreich von der Uni Wien. Der Geologe gehört zu einem Forschungsteam um Colin Summerhayes von der Universität Cambridge. Die Wissenschafter:innen haben in einer Überblicksarbeit im Fachjournal „Global and Planetary Change“ das künftige Ausmaß und die Dauer des angenommenen Anthropozäns analysiert. Konzentriert haben sie sich dabei auf den Klimawandel und die Rolle der Ozeane sowie die Auswirkungen der globalen Erwärmung unter anderem auf das Meereis, Eisschilde, das Albedo der Erde, die Versauerung der Ozeane und die Artenvielfalt.

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Erde gewinnt mehr Wärme, als sie verliert

In der Arbeit werden ausführlich die massive Zunahme der Treibhausgase, der Anstieg der globalen Temperatur und des Meeresspiegels, die Rolle der Ozeane sowie der Eisverlust und dessen Folgen dokumentiert. Der daraus resultierende Unterschied zwischen den stabilen Klimabedingungen des Holozäns, in dem die menschliche Zivilisation mehr als 11.000 Jahre gedeihen konnte, und jenen des angenommenen Anthropozäns, sei „erheblich und in vielen Aspekten unumkehrbar“, erklärte Wagreich.

„Das Anthropozän ist gekommen, um zu bleiben.“

Durch den sprunghaften Anstieg der Treibhausgasemissionen seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre heute höher als je zuvor in den vergangenen drei Millionen Jahren. Beziehe man die Wirkung der Methanemissionen ein, müsse man sogar 15 Millionen Jahre zurückgehen. Daraus resultiert ein Ungleichgewicht des Energiehaushalts der Erde. Unser Planet gewinnt mehr Wärme, als er verliert. Der Wert dafür liegt derzeit bei 1,36 Watt pro Quadratmeter.

„Selbst wenn die Treibhausgaskonzentrationen stabilisiert würden und die Nettoemissionsrate auf Null sinkt, also zusätzliche CO₂-Emissionen durch Entnahme aus der Atmosphäre ausgeglichen würden, wäre die Energiebilanz an der Erdoberfläche immer noch nicht im Gleichgewicht“, heißt es in der Arbeit. Diese gespeicherte Erwärmung würde so lange anhalten, bis das Energiegleichgewicht zwischen der Atmosphäre und den Weltmeeren, einer massiven Wärmequelle, über viele Jahrtausende hinweg wiederhergestellt wäre.

„Modelliert man das gestörte Erdklima in die ferne Zukunft, zeigt sich, dass die nächste Eiszeit noch mindestens 50.000 Jahre auf sich warten lässt. Bei weiteren Treibhausgasemissionen wird es aber mindestens eine halbe Million Jahre dauern“, betonte Wagreich.

Mensch verändert das Erdsystem

Für die Wissenschafter:innen stellt das Anthropozän eine dauerhaftere und wesentlichere Veränderung des Erdsystems dar als das nur 11.700 Jahre dauernde Holozän. Das war „ein kurzes Intervall, in dem komplexe, sesshafte menschliche Gesellschaften mit einem stabilen Erdsystem koexistierten, dieses aber nicht überforderten“. Die Menschheit müsse sich an die neuen Bedingungen anpassen und sich auf eine lange Zeitspanne vorbereiten.

Anthropozän

Aufgrund des beispiellosen Einflusses des Menschen auf die Erde plädieren seit einigen Jahren Experten dafür, das gegenwärtige Erdzeitalter „Anthropozän“ zu nennen. Der Begriff wird zwar bereits verwendet, aber bisher ist die Epoche nicht offiziell von den dafür zuständigen wissenschaftlichen Kommissionen und Organisationen anerkannt. (Red./APA)

Viele Gefahren für Europas Wasser

Ein neuer Bericht der Europäischen Umweltagentur warnt, dass Europas Wasser gleich von mehreren Seiten bedroht ist. Um unsere Gewässer und unser Trinkwasser zu schützen, müssen wir mit Wasser anders umgehen. Was zu tun ist.

Die europäischen Gewässer geben ein trübes Bild ab. Nur rund vier von zehn sogenannten Oberflächenwasserkörpern – also etwa Seen oder Flüsse – befinden sich in gutem oder sehr gutem Zustand. Obwohl das Problem bekannt ist, hat sich diese Zahl seit 2015 kaum verändert, warnen die Autor:innen des neuen Berichts. Veröffentlicht wurde er von der Europäischen Umweltagentur (kurz EEA), einer EU-Behörde mit Sitz in Kopenhagen.

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„Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um die Gesundheit unserer Gewässer sicherzustellen.“

EEA-Direktorin Leena Ylä-Mononen lässt bei der Vorstellung des Berichts mit einem Appell aufhorchen. „Unsere Gewässer stehen vor noch nie dagewesenen Herausforderungen, die die Wassersicherheit Europas bedrohen. Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um die Gesundheit unserer wertvollen Flüsse, Seen, Küstengewässer und anderen Gewässer wiederherzustellen und sicherzustellen, dass diese lebenswichtige Ressource für künftige Generationen widerstandsfähig und sicher ist.“

Landwirtschaft großes Problem

Die größte Gefahr des Oberflächen- und Grundwassers geht von der Landwirtschaft aus. Schuld ist vor allem der intensive Einsatz von Nährstoffen und Pestiziden. Besonders viele Schwierigkeiten bereiten die sogenannten Ewigkeitschemikalien. Sie verbleiben jahrzehntelang in der Umwelt, weil sie sich nicht oder kaum natürlich abbauen. Sie gelangen in Böden und Gewässer und in weiterer Folge in unsere Nahrungskette. Nahezu 100 Prozent aller Grundwasserkörper seien zum Beispiel mit der Ewigkeitschemikalie TFA verunreinigt, warnt Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden von Global 2000. Der Umgang mit diesen Chemikalien stellt eine der großen Herausforderungen im Wasserschutz dar.

Was sich ändern müsste

Abhilfe schaffen könnten etwa Änderungen der landwirtschaftlichen Praktiken und neue Technologien, schreibt die EEA. Der Einsatz von Pestizid-Alternativen wie biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln etwa. Aber auch moderne Technik wie die Präzisionslandwirtschaft könnte den Pestizidverbrauch reduzieren. Hierbei werden Daten genutzt, um genau festzulegen, wo und wann Pestizide notwendig sind, wodurch der Eintrag in Böden und Gewässer verringert wird. Als Vorbild könnte zum Beispiel ein großer landwirtschaftlicher Betrieb in Niederösterreich dienen. Dort arbeitet man schon seit Jahrzehnten ohne chemische Dünger und Pestizide.

Aber auch bei einem weiteren Problem der zukünftigen Wasserversorgung spielt die Landwirtschaft eine unrühmliche Rolle. Sie ist der bei weitem größte Netto-Wasserverbraucher in Europa. Und ohne Änderungen der Praktiken wird der Bedarf der Bewässerungslandwirtschaft mit der Klimakrise wahrscheinlich steigen, so der Bericht.

„Ein Drittel aller EU-Bürger:innen ist von Wasserstress betroffen.“

Immer öfter Wasserknappheit in Europa

Auch Wasserstress ist eine wachsende Sorge in Europa. Auf dem ganzen Kontinent werden Dürreperioden häufiger und stärker, insbesondere im Süden Europas führen sie immer öfter zu Wasserknappheit. Dies wirke sich auf die öffentliche Wasserversorgung sowie auf Landwirtschaft und Industrie aus, wird im Bericht angeführt. Bereits heute sind ein Drittel aller EU-Bürger von Wasserstress betroffen. Zahlen, die laut EEA-Bericht in Zukunft aufgrund der Klimakrise wahrscheinlich noch steigen werden. Von Wasserstress wird gesprochen, wenn mehr als 20 Prozent des verfügbaren Wassers vom Menschen genutzt wird.

Weniger Wasser verbrauchen

Dagegen hilft ein geringerer Wasserverbrauch. „Die Reduzierung von Lecks, die Verwendung wassersparender Geräte und Prozesse und die Erhöhung der Wasserwiederverwendung würden die Effizienz verbessern“, sagt die EEA. Auch der Wasserpreis spiele eine Rolle: Er könne unter anderem eine wichtige Triebkraft für die Verringerung des Verbrauchs sein.

Mehr Starkregen

Auch „zu viel“ Wasser wird zu einem immer größeren Problem. Intensive Regenfälle haben in Teilen Europas bereits zugenommen, was zu Überschwemmungen und wachsenden Hochwasserrisiken führe. Mit dem Klimawandel in Europa werde ein erschwingliches und nachhaltiges Hochwasserrisikomanagement immer wichtiger, mahnt der Bericht.

EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht umgesetzt

Die EU-Wasserrahmenrichtlinie stellt einen wichtigen gesetzlichen Rahmen zum Schutz der europäischen Gewässer dar. Sie wurde bereits im Jahr 2000 verabschiedet und verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten eigentlich, die Gesundheit ihrer Gewässer zu verbessern und zu bewahren. Der jüngste Bericht der EEA zeigt jedoch, dass viele Länder die Richtlinie auch nach fast 25 Jahren nicht erfüllen.

Um das Wasser in Europa langfristig zu schützen, fordert die EEA daher verstärkte Anstrengungen bei der Umsetzung der Richtlinie, insbesondere angesichts des steigenden Drucks durch Klimakrise, Verschmutzung und landwirtschaftliche Übernutzung.

Europas Wasser ist in Gefahr

Der Bericht der Europäischen Umweltagentur zeigt klar, dass Europas Wasser in Gefahr ist. Diese Warnungen sollten wir ernst nehmen. Der Bericht ist die umfangreichste Bewertung des Zustands der europäischen Gewässer, die je durchgeführt wurden. Mehr als 120.000 Oberflächengewässer und 3,8 Millionen Kilometer Grundwasserfläche in der Europäischen Union und Norwegen haben sich Expert:innen dafür angesehen. Sie wissen also, wovon sie sprechen, wenn sie uns vor den Gefahren der zukünftigen Wasserversorgung warnen.

Endlich handeln

Wir müssen dringend handeln. Europa braucht strengere Regulierungen in der Landwirtschaft, was den Einsatz von Pestiziden angeht. Gleichzeitig sollten wir Techniken fördern, die weniger Wasser und Chemikalien erfordern. Auch Renaturierung ist ein ganz wichtiger Teil von Wasserschutz. Moore und Wälder sind ein natürlicher Wasserschutz und können Wasser aufnehmen. Bei versiegelten Böden fließt das Wasser aus der Region ab. Nur eine ganzheitliche Strategie, von der Reduktion des Wasserverbrauchs bis hin zum Hochwasserschutz, kann auch in Zukunft unserer Gewässer und unser Trinkwasser schützen. (Red./APA)

Risiko für Hochwasser steigt

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Die Wahrscheinlichkeit für katastrophale Hochwasser hat sich durch die Klimakrise verdoppelt. Das bestätigt eine neue Analyse der World Weather Attribution. Letzte Woche mussten wir diese unkontrollierbaren Extremwetterereignisse auch bei uns in Österreich schmerzlich erfahren.

Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit für ein großräumiges Hochwasser in Mitteleuropa wie das in Österreich, Polen, Tschechien und weiteren Ländern einer Analyse zufolge etwa verdoppelt. Die Niederschläge des Sturms „Boris“ vom 12. bis 15. September seien die stärksten bisher erfassten Vier-Tage-Regen in Mitteleuropa seit Beginn entsprechender Aufzeichnungen 1940 gewesen. Das analysierten Wissenschafter:innen der Initiative World Weather Attribution anhand der aktuellen Daten.

Die Regenfälle hätten ein ungewöhnlich großes Gebiet von Deutschland bis Rumänien betroffen, das noch größer sei als bei den früheren großen Überschwemmungen von 1997 und 2002, hieß es von dem Team um Friederike Otto vom Imperial College London weiter. Diese beiden Überschwemmungskatastrophen seien als Jahrhundertereignisse bezeichnet worden. Nun gebe es schon jetzt ein weiteres, sagte Mitautor Bogdan Chojnicki von der Universität für Lebenswissenschaften in Posen.

„Alle Europäer müssen wissen, dass die Bekämpfung des Klimawandels ihr Leben sehr viel besser machen wird.“

Mit der weiteren Erderwärmung durch die Nutzung fossiler Brennstoffe würden Starkregen-Episoden noch heftiger und häufiger, warnen die Wissenschafter:innen und Wissenschafter. Die Kosten der Klimakatastrophen drohten zu eskalieren. „Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung, insbesondere für die ärmeren Teile der Gesellschaft, und alle Europäer müssen wissen, dass die Bekämpfung des Klimawandels ihr Leben sehr viel besser machen wird“, betonte Friederike Otto.

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Natürliche Klimavariabilität vernachlässigbar

Bereits eine Mitte September vorgestellte Schnellanalyse hatte ergeben, dass der Klimawandel wahrscheinlich großen Anteil an der Starkregen-Episode hatte. „Wir führen die starken Niederschläge, die zu den Überschwemmungen in Mitteleuropa führten, größtenteils auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurück, während die natürliche Klimavariabilität wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielte“, hieß es vom Forschungskonsortium Climameter, einem von der Europäischen Union und der französischen Forschungsorganisation CNRS finanzierten Projekt.

Solche sogenannten Attributionsstudien nutzen Daten zu ähnlichen Wetterlagen in der Vergangenheit und gleichen sie statistisch mit Klimasimulationen ab. Nach den Erkenntnissen des Weltklimarates nähmen Extreme im Wasserkreislauf schneller zu als die durchschnittliche Veränderung, hieß es von Climameter auch. Auf lokaler Ebene sei ein Trend zu mehr Flussüberschwemmungen in West- und Mitteleuropa zu beobachten.

Auch Österreich ist betroffen

„Allgemein gibt es in Mitteleuropa zunehmende Trends bei starken, mehrtägigen Regenereignissen. Das deckt sich sehr gut mit der in Österreich beobachteten statistisch signifikanten Zunahme der größten gemessenen fünftägigen Niederschlagssummen in den Bundesländern Niederösterreich und Wien um rund 20 Prozent seit 1961“, sagte Klaus Haslinger, Klimaforscher der Geosphere Austria. Der Forscher war selbst als Co-Autor an der Studie beteiligt.

Mehr engagierter Klimaschutz

Betrachte man nur die Art von Wetterlagen wie beim jüngsten Hochwasser, dann zeige sich in Mitteleuropa eine Zunahme der Regenmenge um sieben Prozent gegenüber vorindustrieller Zeit. Die sei unmittelbar auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen. „Die globale Erderwärmung beträgt derzeit 1,3 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchte kann sie aufnehmen, die dann als Regen wieder herunterkommen kann“, so Haslinger. In Zukunft ist eine weitere Temperaturzunahme zu erwarten: „Bei einer Erwärmung der globalen Mitteltemperatur auf zwei Grad gegenüber vorindustrieller Zeit kann die Regenmenge bei Ereignissen wie in den letzten Wochen um weitere zumindest fünf Prozent zunehmen. Das zeigt auch, wie wichtig ein engagierter weltweiter Klimaschutz ist.“

Hochwasserschutz verbessert

Als positiv wertete der Forscher die Verbesserungen der Warn- und Schutzmaßnahmen in Mitteleuropa, die eine deutliche Wirkung zeigten. Die Zahl der Toten sei deutlich geringer gewesen als bei vergleichbaren Hochwasser-Ereignissen in Mitteleuropa, etwa in den Jahren 2002 und 1997. (Red./APA)

Die umstrittene Schüler:innenvertretung

In Österreich wird seit langer Zeit über das System der Schüler:innenvertretung diskutiert. Ein Thema, das über eine Million junge Menschen betrifft und doch wenig Beachtung findet. 

Österreich ist weltweit eines der wenigen Länder, welches eine im Gesetz verankerte Vertretung der Schüler:innen besitzt. Der Aufbau der Wahlstrukturen ist allerdings kompliziert, undemokratisch und unterstützt die eingesessene und größte Schüler:innenorganisation – die der ÖVP nahestehende Schülerunion. Die Bundesschulsprecher:in, welche die Stimme für über eine Million Schüler:innen darstellt, wird von nur 29 Personen gewählt. Warum ist das so?

Das Wahlverfahren erklärt

Die Wahl zur Bundesschüler:innenvertretung (BSV) erfolgt nicht direkt durch die Schüler:innen selbst, sondern über mehrere Ebenen. Jede Schule wählt zu Beginn des Schuljahres eine Schulsprecher:in. Diese Person ist dann stellvertretend für die ganze Schule am Ende des Schuljahres berechtigt, die Landesschüler:innenvertretung (LSV) zu wählen. Diese LSV setzt sich aus den Vertreter:innen aus den Ländern und drei Landesschulsprecher:innen zusammen. Warum nur drei? Pro Bereich (AHS / BMHS / BS) gibt es ein:e Landesschulsprecher:in. Nur diese drei sind dann wiederum Teil der Bundeschüler:innenvertretung (BSV). Diese BSV besteht aus drei Vertreter:innen. Jedes der 9 Bundesländer und zwei Vertreter:innen der Zentralen Lehranstalten (ZLA). Insgesamt also 29 Personen. Die Bundesschulsprecher:innen werden im Endeffekt dann von diesen 29 Personen gewählt. Um für dieses Amt kandidieren zu können, muss man selbst Teil der Bundesschüler:innenvertretung sein.

Wir haben am 19. September 2024 mit der neu gewählten Bundesschulsprecherin Mira Langhammer von der Schülerunion gesprochen. Wir haben nachgefragt, was sie umsetzen möchte, ihre Meinung zur Kritik am Wahlsystem eingeholt und über die Nähe der Schülerunion zur ÖVP gesprochen.

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Aufgaben der Vertretung

Die Landesschüler:innenvertretung ist die Stimme der Schüler:innen für das jeweilige Bundesland. Sie vertreten die Interessen der Schüler:innen gegenüber der Politik. Auf Landesebene gegenüber der Landesregierung und den Bildungsbeauftragten des Landes. Weiters organisieren sie das Schüler:innenparlament (SIP), in welchem Schüler:innen über Anträge zur Verbesserung des Bildungssystems abstimmen können. Die beschlossenen Anträge werden dann an den Bildungsausschuss der Landesregierung weitergeleitet und dort diskutiert. Zusätzlich gibt es Referate innerhalb der LSV, die an die gewählten Vertreter:innen zugeordnet werden. Diese sind unter anderem: Finanzen, Social Media, SIP, Veranstaltungen, etc.

Auf Bundesebene gilt das genannte dann ebenfalls für die Bundesschüler:innenvertretung (BSV). Sie bildet die Stimme für alle 1.1. Millionen Schüler:innen Österreichs und vertritt deren Interessen gegenüber der Politik. Vor allem gegenüber dem Bildungsministerium und dem Nationalrat. Im Speziellen auch gegenüber dem Bildungsausschuss des Nationalrates. Weiters organisiert die BSV das Österreichische Schüler:innenparlament (ÖSIP). In welchem ebenfalls wie auf Landesebene über Anträge diskutiert und abgestimmt wird. Diese werden dann im Bildungsausschuss des Nationalrats diskutiert und dem Bildungsminister vorgelegt. Man sieht also, dass ihre Stimme durchaus Gewicht hat.

Kritik am bestehenden System

Trotz der gesetzlich verankerten Vertretung wird das Wahlsystem oft von Expert:innen und drei der vier Schüler:innenorganisationen als undemokratisch und nicht repräsentativ kritisiert. Dieses System bevorzugt Strukturen, die vor allem der ÖVP nahestehenden Schülerunion nutzen. In Bundesländern mit mehr Schüler:innen wie Wien und Niederösterreich führt dies zu einer Unterrepräsentation. Denn Teil der BSV sind pro Bundesland nur drei Vertreter:innen, egal wie viele Schüler:innen in diesem Bundesland zur Schule gehen. Dies ist insofern unverständlich, da die Größe der Landesschüler:innenvertretung sehr wohl abhängig ist von der Anzahl der im Bundesland zur Schule gehenden Schüler:innen. Zum Beispiel besteht die LSV in Vorarlberg aus nur sechs Personen. In Niederösterreich und Wien aus jeweils 24 Personen.

Forderung nach Reform

Es gibt eine wachsende Forderung nach einer Direktwahl der Vertretungen durch die Oberstufenschüler:innen. Konkret wird gefordert, dass alle Schüler:innen der Oberstufe Österreichs berechtigt sind, sowohl die LSV als auch die BSV direkt zu wählen. Drei der vier bundesweiten Schülerorganisationen (AKS, Junos_Schülerinnen und Verde) unterstützen diese Forderung, während die Schülerunion sich gegen solche Änderungen ausspricht. Warum? Weil die Schülerunion durch dieses System profitiert und bereits seit mehr als einem Jahrzehnt durchgehend die Bundesschulsprecher:in stellt.

Schülerunion – Parteiunabhängig?

Die mit Abstand größte Schüler:innenorganisation ist die Schülerunion oder kurz SU. Sie stellt sich selbst oft als parteiunabhängig und neutral dar. Weiterhin argumentiert sie damit, dass sie die gesamte Bundeschüler:innenvertretung widerspiegeln, denn sie stellen den größten Anteil der Vertreter:innen innerhalb der BSV. Das ist zwar richtig, hat jedoch einen Hintergrund und dieser hat wenig mit Inhalten oder Lösungsvorschlägen für die Probleme der Schüler:innen zu tun. Sie besitzen sowohl finanzielle Mittel als auch organisatorische und personelle Strukturen wie keine andere Schüler:innenorganisation. Mit den finanziellen Mitteln, welche sie unter anderem durch den „Verein der Freunde der Schülerunion“ beziehen, welcher Teil des ÖVP-Systems ist. Gegründet wurde die Schülerunion aus den beiden Vorfeld-Organisationen der ÖVP: dem Mittelschüler-Kartell-Verband und der Jungen ÖVP. Seitdem sind einige ÖVP-Politiker:innen aus der Schülerunion auf die politische Bühne gewechselt, unter anderem Othmar Karas oder Nico Marchetti. Während der Wahlkämpfe und vor allem an den Wahltagen nutzen sie dieses System und die zugehörigen Funktionär:innen der anderen ÖVP-nahestehenden Organisation. Sie zeigen Präsenz und versuchen, die wahlberechtigten Schulsprecher:innen zu manipulieren, bedrängen und zu beeinflussen. Wie so etwas genau aussehen kann und welch großen Impact dieses Vorgehen auf Wahlen haben kann, könnt ihr in unserer Wahlreportage zu den LSV-Wahlen auf Instagram sehen.

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Fazit

Die Schüler:innenvertretung in Österreich steht vor einer wichtigen Entscheidung. Die Forderung nach direkteren Wahlmöglichkeiten zielt darauf ab, eine gerechte und repräsentative Vertretung zu schaffen. Dabei geht es um einen Prozess, welcher durch die Politik bestimmt und gelenkt werden muss. Denn es handelt sich um Änderungen eines Gesetzes und um Entscheidungen, die vor allem im Bildungsministerium getroffen werden müssen. Dieses aktuelle System vertritt die Schüler:innen Österreichs nicht. Es fördert bestehende Strukturen, dient als Kaderschmiede für politische Parteien und fördert nur die bereits enorm starke Politik-Verdrossenheit bei jungen Menschen. Diese wollen mitreden, mitbestimmen und für ihre Interessen einstehen können.

Hochwasser durch Klimakrise?

Diese Frage sitzt vielen Menschen im Nacken. Denn damit verbunden ist eine weitere, viel drängendere Frage: Hätte diese Katastrophe verhindert werden können? Die Wissenschaft hat Antworten, auch wenn sie nicht so eindeutig sind, wie wir uns das wünschen würden.

Die sogenannte Attributionsforschung untersucht, ob und wie die Klimakrise bestimmte Wetterereignisse beeinflusst hat. Sind Hitzewellen, Stürme oder eben starke Regenfälle durch die Klimakrise häufiger geworden, oder stärker? Das untersucht Douglas Maraun.

Er ist einer der führenden Klimaforscher Österreichs und hat als Leitautor am letzten Weltklimabericht der IPCC mitgeschrieben. Er lehrt und forscht am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz.

Zwei wissenschaftliche Lager

In der Attributionsforschung gebe es zwei Lager, erzählt uns Douglas Maraun. Die einen beschäftigen sich mit der Auftrittswahrscheinlichkeit von Extremwettern. Ihre Ergebnisse werden von Journalist:innen oft verkürzt wiedergegeben. Schlagzeilen wie „Studie zeigt: Hitzewellen im Juli ohne Klimawandel praktisch unmöglich“ stoßen ihm sauer auf, denn sie vermitteln ein falsches Bild.

Die Frage, ob es starke Regenfälle auch ohne der Klimakrise gegeben hätte, ist falsch gestellt.  „Der Klimawandel löst solche Ereignisse nicht aus, nimmt aber auf jedes einzelne Wetterereignis Einfluss“, so Maraun.

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Zuverlässigere Aussagen zur Intensität von Unwettern

Maraun gehört zum anderen Lager. Er und seine Kolleg:innen forschen zur Intensität von Wetterereignissen. Das heißt: Er stellt sich nicht die Frage, ob Unwetter häufiger werden, sondern, ob sie stärker werden. Hier ließen sich bereits zuverlässige Aussagen treffen, ist der Klimaforscher überzeugt.

Simulationen helfen der Wissenschaft

Für seine Forschungen nutzt Douglas Maraun Computersimulationen. Dazu lässt er zum Beispiel einen Computer ein echtes Unwetter eins zu eins nachspielen.

Der Computer verwendet dafür reale Messdaten von Wetterstationen, wie etwa Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit. „Wir konnten Ereignisse so simulieren, wie sie tatsächlich stattgefunden haben“, erzählt der Klimaforscher.

„Ein Grad Erwärmung kann Gewitter um 14 Prozent stärker machen.“

Das zeigt, wie exakt Computersimulationen arbeiten. Um nun die Auswirkungen der Klimakrise zu untersuchen, simuliert Maraun das Unwetter erneut, diesmal mit einer niedrigeren Temperatur. Anschließend vergleicht er die beiden Simulationen. „Ein Grad Erwärmung kann die Intensität eines Gewitters um 14 Prozent erhöhen“, erzählt der Forscher. Eine höhere Gewitterintensität kann größere Regenmengen bedeuten.

Auch Hangrutschungen lassen sich simulieren

Mithilfe von Simulationen untersucht Douglas Maraun auch Hangrutschungen. In einem gebirgigen Land wie Österreich gehören sie zu den größten Gefahren, die mit starkem Regen verbunden sind. In einer Studie hat er ein großes Hangrutschereignis in der Südoststeiermark untersucht. 3000 Hangrutschungen gab es dort 2009.

„Wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht, dann wären bis zu 40 Prozent größere Flächen von Hangrutschungen betroffen“, erzählt Maraun von den Ergebnissen der Simulationen. Bei einer Erwärmung von 1,5 Grad, also jenem Anstieg, der im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben ist, wären es nur um 10 Prozent mehr.

Die Erkenntnisse der Attributionsforschung zeigen also eines klar auf: Es macht einen Unterschied, ob wir eine Erwärmung von eineinhalb Grad oder von über drei Grad haben. Das gilt für Hochwasser genauso wie für alle anderen Extremwetterereignisse.

Klimaschutz lohnt sich

„Die Klimawandel verändert das Auftreten von Wetterlagen nur schwach“, erläutert der Klimaforscher. Seine Computersimulationen zeigen aber, dass die Klimakrise sehr wohl einen Unterschied macht. „Die spürbare Änderung passiert in der Intensität“, fasst es der Klimaforscher zusammen.

Womöglich hätte es das Hochwasser also auch ohne Klimakrise gegeben. Genau lässt sich das natürlich nicht beantworten. Aber selbst wenn die Klimakrise Hochwasser nicht direkt auslöst, sie macht es stärker.

Und das heißt für uns: Wir müssen alles denkbar Mögliche tun, um die Klimakrise abzuschwächen. Denn mit jedem Zehntel Grad, um das es wärmer wird, wird unser Wetter extremer. Noch haben wir es in der Hand, das zu verhindern.

Anmerkung der Redaktion: Das Interview mit Douglas Maraun ist im Oktober 2023 erschienen und wurde im September 2024 adaptiert und neu veröffentlicht.

Photovoltaik größer denken

Photovoltaik-Ausbau in Österreich hat in den vergangenen Jahren stark an Tempo gewonnen. Vor allem auf Hausdächern werden viele PV-Anlagen montiert. Um Österreichs Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, brauchen wir allerdings noch mehr Photovoltaik-Anlagen.

Unsere Hausdächer allein werden nicht reichen, sagt der Verband Oesterreichs Energie in einer neuen Studie. Für genügend Sonnenstrom für die angestrebte Klimaneutralität müssen wir Photovoltaik noch größer denken. „Wir gehen davon aus, dass dafür bis 2040 für jede Anlage auf einem Dach zumindest noch einmal die gleiche Leistung auf einer Freifläche gebaut werden muss“, sagt Hubert Fechner, der für Oesterreichs Energie das Potenzial des PV-Ausbaus in Österreich analysiert hat. Damit sich das ausgeht, muss der Ausbau gleichzeitig erfolgen, so der Experte.

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Begrenztes Potenzial

Vor allem durch sinkende Kosten und attraktive Förderungen habe sich das Potenzial gegenüber der letzten Erhebung vor vier Jahren fast verdreifacht. Nach derzeitigem Stand könnten auf bereits genutzten Flächen zusätzliche PV-Anlagen mit einer Erzeugungskapazität von rund 13,5 TWh installiert werden. „Von den 41 TWh, die wir laut Österreichischem integriertem Netzinfrastrukturplan zur Erreichung der Klimaziele bei PV brauchen, sind wir damit aber weit entfernt“, sagt Fechner.

Neue Möglichkeiten

Die Studie zeigt, dass unter Berücksichtigung technischer, wirtschaftlicher und sozialer Beschränkungen noch rund 10,7 Terawattstunden (TWh) Erzeugungskapazität auf Gebäuden errichtet werden kann. Ein Teil der Lösung zu mehr Strom aus Sonnenkraft wären zum Beispiel mehr PV-Anlagen auf Verkehrsflächen wie Parkplätzen, Deponien und Wasserflächen. Hier ließen sich laut Studie weitere 2,8 TWh realisieren. Um die fehlenden Kapazitäten zu schaffen, werde man aber auch Photovoltaik in Kombination mit der Landwirtschaft – zum Beispiel durch Agri-Photovoltaik – massiv favorisieren müssen. (Red./APA)

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Unser Wasser ist nicht unendlich

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Der Mythos vom unendlichen Wasser in Österreich hat ausgedient. Die letzten Sommer haben gezeigt, dass auch bei uns Wasserknappheit ein immer größeres Thema wird. Vor allem in Niederösterreich und im Burgenland kann das Risiko für Dürren bis 2050 stark ansteigen. Das zeigt eine neue Analyse von Greenpeace.

Das Risiko für akute Wasserknappheit ist in Österreich nicht überall gleich groß. Laut der Auswertung von Greenpeace sind bis zum Jahre 2050 landesweit 471 Gemeinden in Österreich davon betroffen.

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Hohes Dürrerisiko in Niederösterreich

Die betroffenen Gemeinden liegen der Analyse zufolge in Regionen, in denen in trockenen Jahren weniger Grundwasser verfügbar ist, als für öffentliche Wasserversorgung, Industrie und Landwirtschaft benötigt wird. Das kann zu Nutzungskonflikten führen. Mehr als die Hälfte dieser Gemeinden liegt mit einer Anzahl von 288 in Niederösterreich. In der Steiermark sind insgesamt 82 Gemeinden betroffen, in Tirol sind es 54, im Burgenland 38 und in Oberösterreich acht. In den gefährdeten Gebieten liegen auch die Bundeshauptstadt Wien sowie die Landeshauptstädte Linz, Innsbruck und St. Pölten.

Klimafitter Wasserschutzplan gefordert

Die Umweltorganisation forderte von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) einen detaillierten und klimafitten Wasserschutzplan gegen die drohende Wasserknappheit.

„Die letzten beiden Sommer haben gezeigt, dass Dürren immer häufiger unser Land prägen.“

„Glühende Hitze, ausgetrocknete Seen und Badeteiche, die sich in kleine Schlammlacken verwandeln. Die letzten beiden Sommer haben gezeigt, dass Dürren immer häufiger unser Land prägen. Davon sind auch immer mehr Felder betroffen, auf denen unser Essen wegen Wassermangel verdorrt“, so Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace Österreich.

Greenpeace forderte etwa, dass große Wasserentnahmen durch die Industrie in einem zentralen Register digital gemeldet werden müssen, effiziente Wassernutzung gefördert wird und regionale Programme erarbeitet werden, um den Wasserverbrauch zu senken. Außerdem sollte es Krisenpläne für bedrohte Regionen geben. (Red./APA)

Echte Einsparung statt CO₂-Kompensation

Es gibt zwei Wege, wie ein Unternehmen sagen kann, dass es klimafreundlich ist. Entweder es erzeugt wirklich weniger CO₂ beim Wirtschaften. Oder das Unternehmen zahlt Geld und lässt andere CO₂ sparen. Wer wirklich was fürs Klima tut und wer sich drückt, schaut sich eine Klimaorganisation aber genau an.

Klimafreundlicher zu wirtschaften, ist für Unternehmen heute keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. Konsument:innen, Umweltbewegungen wie Fridays for Future, aber auch Regierungen üben Druck aus, damit Unternehmen ihren CO₂-Ausstoß und ihren Ressourcenverbrauch verringern. Will ein Unternehmen also sein Image bewahren und weiter Geld verdienen, muss es sich mit seiner Klimabilanz auseinandersetzen.

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Echte Maßnahmen zur CO₂-Reduktion

Viele Unternehmen tun das auch. Sie schauen sich ihre Produktionsprozesse und Lieferketten genau an. An welcher Stelle werden fossile Brennstoffe verwendet, wo kann man Energie sparen und wo Transportwege verkürzen? Gibt es alte Maschinen, die man tauschen muss oder ein Bürogebäude, dass thermisch saniert gehört?

Nehmen wir ein konkretes Beispiel zur Hand, wie echte CO₂-Sparmaßnahmen aussehen können: Eine Bäckerin hat bisher ihr Mehl von einem weit entfernten Zulieferer bezogen und ihre Öfen mit Erdgas geheizt. Um klimafreundlicher zu werden, steigt sie auf regionales Mehl um.

Das führt zu kürzeren Transportwegen und damit zu weniger CO₂-Ausstoß. Und sie investiert in Backöfen, die mit Holzpellets heizen. Im Gegensatz zu Erdgas entsteht bei Holz kein zusätzliches CO₂. Zuletzt nutzt sie die Abwärme der Öfen, um ihr eigenes Warmwasser zu erzeugen. Das mag wenig erscheinen, doch in der Summe führen solche Maßnahmen zu großen CO₂-Einsparungen.

Der zweite Weg: CO₂-Kompensation

Nicht alle Unternehmen handeln so. Neue Öfen kosten Geld und nicht alle sind bereit, zu investieren. Für Unternehmen ist der zweite Weg oft günstiger – zumindest kurzfristig.

Sie setzen auf sogenannte CO₂ -Kompensation. Dabei reduzieren sie CO₂ nicht durch direkte Maßnahmen im eigenen Betrieb, sondern durch die finanzielle Unterstützung von Klimaschutzprojekten. Meist im globalen Süden.

Das Unternehmen zahlt also Geld ins Ausland. Dort wird zum Beispiel ein Wald gepflanzt oder eine PV-Anlage errichtet. Und dann rechnet sich das Unternehmen die CO₂-Einsparungen des Projekts selbst zu. Jetzt könnte man sagen: Hauptsache, CO₂ wird eingespart. Die Klimakrise ist in weltweites Problem und egal, wo CO₂ eingespart wird, wirkt es der Klimakrise entgegen.

Keine soliden Belege, dass Kompensation wirkt

CO₂-Kompensation ist jedoch umstritten. In einer umfassenden Untersuchung stellte die renommierte Klimaorganisation Science Based Targets Initiative (kurz SBTi) fest, dass Kompensation keine legitime Methode für Unternehmen ist, um ihre CO₂-Bilanz zu verbessern. Der Grund: Wissenschaftliche Studien konnten die Wirkung bisheriger CO₂-Kompensationen nicht belegen.

Ein Projekt, das beispielsweise die Aufforstung eines Waldes unterstützt, mag zunächst vielversprechend klingen. Doch was passiert, wenn der gepflanzte Wald nach einigen Jahren wieder abstirbt? Dann wurde keinerlei zusätzliches CO₂ gebunden, das Unternehmen hat sich die Einsparung aber angerechnet.

Und auch die Photovoltaikanlage garantiert nicht, dass wirklich zusätzliches CO₂ eingespart wird. Denn die Anlage wäre vielleicht so oder so gebaut worden, egal ob ein Unternehmen nun Geld zuschießt oder nicht. Und tatsächlich CO₂ eingespart wird auch nur dann, wenn für die PV-Anlage ein anderes klimaschädliches Kraftwerk stillgelegt wird. Auch das passiert nicht immer.

Label der Science Based Targets Initiative

Für Konsument:innen ist es aber schwierig zu erkennen, ob ein Unternehmen wirklich klimafreundlich wirtschaftet oder lediglich auf Kompensationen setzt. Die klar ablehnende Haltung der Science Based Targets Initiative zur Kompensation kommt da gelegen. Hat ein Unternehmen Klimaziele, die von dieser Initiative abgesegnet sind, dann weiß man: Die sparen wirklich CO₂ in ihren eigenen Abläufen.

Druck auf Initiative ausgeübt

Das hätte sich aber fast geändert, wie ein vor kurzem bekannt gewordener Vorfall zeigt. Große Konzerne und selbst die US-Regierung versuchten, die Initiative dazu zu bewegen, auch Kompensationen als gültige Maßnahme anzuerkennen. Erst große Proteste der Belegschaft konnten das verhindern.

Wenn sich ein Unternehmen zukünftig am Markt behaupten will, führt kein Weg an echter Veränderung vorbei. Klimafreundliche Investitionen und Umschulungen kosten zwar Geld und Zeit, keine Frage. Aber der Nutzen für Umwelt, Gesellschaft und nicht zuletzt das eigene Image überwiegen bei weitem. Diese Erkenntnis ist aber noch nicht in allen Köpfen angekommen.

Schon mal deinen Plastikmüll gezählt?

Mit einer neuen Aktion will Greenpeace Plastikmüll an den Kragen. Vom 14. bis 27. Oktober können alle Österreicher:innen beim Plastikcheck mitmachen und eine Woche lang jeden Tag ihren Verpackungsmüll dokumentieren.

Österreich produziert täglich rund 26 Lkw-Ladungen an Plastikmüll. Manches davon landet leider nicht im Recycling, sondern in der Natur. Dort bleibt es für Jahrhunderte liegen, denn Plastik verrottet sehr, sehr langsam. Der Schaden ist enorm. Tiere verfangen sich in Plastikabfällen oder halten sie fälschlicherweise für Essen. Wäre das nicht schon schlimm genug, zerfällt Plastik im Laufe der Zeit zu immer kleineren Partikeln. Dieses sogenannte Mikroplastik sorgt für noch mehr Probleme. Über Nahrung und Trinkwasser gelangt es sogar bis in unsere Körper.

Lösungen finden

Was also tun? Eine der größten Herausforderungen im Umgang mit Plastikmüll ist die schlechte Datengrundlage. In Österreich wissen wir schlichtweg nicht, welche Arten von Plastikverpackungen den größten Anteil am Müll ausmachen und wie viel davon tatsächlich recycelt wird. Mit der Aktion Plastikcheck will Greenpeace genau das ändern. Die mit unserer Hilfe gesammelten Daten sollen Expert:innen einen Überblick verschaffen und so bei der Entwicklung von Lösungen helfen.

So funktioniert’s

Mitmachen ist easy. Die Anmeldung erfolgt über die Website von Greenpeace. Danach bekommen wir einen speziellen Zählzettel per E-Mail zugeschickt. Den drucken wir aus und hängen ihn über den Mistkübel. Für jedes Stück Plastikmüll, das wir wegwerfen, machen wir dann ein Stricherl an der passenden Stelle. Für jede Art von Verpackung gibt es eine eigene Kategorie auf dem Zählzettel. Nach sieben Tagen zählen wir die Stricherl bei jeder Kategorie zusammen und tragen die Daten auf der Website von Greenpeace ein.

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Was bringt’s dir?

Greenpeace analysiert unsere gesammelten Daten und gibt uns anschließend eine persönliche Auswertung mit Tipps, wie wir unseren persönlichen Plastikverbrauch verringern können. Zusätzlich wird im November dann eine große landesweite Analyse veröffentlicht. Je mehr Menschen bei der Aktion mitmachen, desto aussagekräftiger werden die Daten dieser Analyse sein.

Wenn du mitmachen willst, kannst du dich bis 20. Oktober auf der Greenpeace-Website anmelden. Die Aktion ist unkompliziert und ein super Weg, aktiv etwas gegen das Plastikproblem unserer Gesellschaft zu unternehmen und zur Lösung beizutragen.