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Weltklimarat fordert sofortiges Handeln

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Die Auswirkungen der Klimakrise sind bereits spürbar – und je heißer es auf der Erde wird, desto mehr werden sie eskalieren. Zu diesem Schluss kommt der jüngste Bericht des Weltklimarats (IPCC). Was es dringend braucht: „ehrgeizigere Maßnahmen“.

Die Risiken und negativen Auswirkungen durch den menschengemachten Klimawandel sind bereits eingetreten, und sie werden mit jedem weiteren Schritt der globalen Erwärmung weiter eskalieren. So die drastische Prognose von Dutzenden Forschenden des Weltklimarats (IPCC). Einige künftige Veränderungen seien unvermeidbar oder gar unumkehrbar, aber mit einer schnellen und nachhaltigen globalen Treibhausgasreduzierung könnten sie begrenzt werden, hieß es im jüngsten Bericht.

Aktuelle Pläne reichen nicht

Nach sechs Teilberichten hat der Weltklimarat nun den „Synthesebericht“ veröffentlicht. „Er unterstreicht die Dringlichkeit ehrgeizigerer Maßnahmen“, sagte IPCC-Vorsitzender Hoesung Lee. Der Text richtet sich an alle politischen Entscheidungsträger:innen. Fünf Jahre nach der ersten Publikation sei die Herausforderung noch größer. Die Treibhausgasemissionen (THG) würden weiter steigen, doch die aktuellen Pläne seien unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen. In Zukunft könnte die Klimakrise eskalieren.

Für 1,5 Grad-Ziel: globale Emissionen bis 2030 halbieren

Die Emissionen sollten bereits jetzt zurückgehen und müssen bis 2030 um fast die Hälfte gesenkt werden, wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden soll. Darauf hatte sich die Staatengemeinschaft 2014 in den Pariser Klimazielen geeinigt. „Klimagerechtigkeit ist von entscheidender Bedeutung, weil diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, unverhältnismäßig stark davon betroffen sind“, wurde Aditi Mukherji, eine von 93 Autor:innen des Syntheseberichts, zitiert.

Klimawandel betrifft Menschen, Regionen und Sektoren unterschiedlich

Der Klimawandel habe bereits die Ernährungssicherheit verringert, die Wasserversorgung beeinträchtigt und behindere die Bemühungen, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu erreichen, heißt es in dem Bericht. Die bereits weit verbreiteten negativen Auswirkungen und die damit verbundenen Verluste und Schäden (Loss and Damage) hätten sich zudem ungleich über Systeme, Regionen und Sektoren verteilt. Wirtschaftliche Schäden durch den Klimawandel wurden in Sektoren wie Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Energie und Tourismus festgestellt. Städtische Gebiete sind von nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, den Lebensunterhalt und wichtige Infrastrukturen betroffen.

Negativer CO₂-Ausstoß gefordert

Der Weltklimarat wies zudem darauf hin, dass die Erwärmung auch dann noch reduziert werden kann, wenn sie ein bestimmtes Niveau wie das 1,5 Grad-Ziel bereits überschritten hat. Dafür ist ein negativer globaler Netto-CO₂-Ausstoß notwendig, der nicht nur erreicht, sondern auch aufrechterhalten werden müsste. Kritik haben die Wissenschafter:innen an den derzeitigen globalen Finanzströmen für die Anpassungsmaßnahmen geäußert, diese seien unzureichend und behindern die Umsetzung der Möglichkeiten, und zwar insbesondere in Entwicklungsländern.

Wissenschaft so klar wie noch nie

Man sollte die Rolle des Weltklimarates (IPCC) im Zusammenhang mit den Bemühungen zur Treibhausgas-Reduktion „nicht unterschätzen“, erklärte Keywan Riahi gegenüber der APA. Er ist Klimaforscher am Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse in Laxenburg. Das Papier zeige viele Maßnahmen auf, die „rasch umgesetzt“ werden müssten. Auf wissenschaftlicher Seite sei man klar wie noch nie, die Politik müsse nachziehen.

Es brauche jedenfalls eine „effektive Einbindung“ von Wissenschafter:innen in den gesellschaftlich so zentralen Prozess der Umstellung des Energiesystems mit all seinen Auswirkungen, ohne dass Forscher politische Entscheidungen vorwegnehmen. Der Politik würde es guttun, „sich multiple Auswirkungen der unterschiedlichen Lösungen rational anzuschauen“, und weniger ideologiegetrieben zu agieren. Leider laufe die Diskussion in Österreich vielfach „abgehoben“ von der klaren Faktenlage ab, kritisiert Riahi.

42 Prozent der Emissionen in nur 30 Jahren

Die historischen kumulierten Netto-CO₂-Emissionen von 1850 bis 2019 betrugen 2.400 Gigatonnen CO₂. 58 Prozent davon kamen bis 1989 zustande. Für die restlichen 42 Prozent brauchte es nur noch die 30 Jahre bis 2019. Im Jahr 2019 waren die atmosphärischen CO₂-Konzentrationen so hoch wie seit mindestens zwei Millionen Jahren nicht mehr und die Konzentrationen von Methan wie seit mindestens 800.000 Jahren nicht mehr. (RED/APA)

Junge Frauen machen Politik

Frauen in der Politik sind immer noch in der Unterzahl. Elena, Shengjile und Laura sind drei junge Frauen, die die Gesellschaft mitgestalten wollen. Über das Mentoring-Programm der steirischen Grünen blicken sie nun zwei Monate hinter die Kulissen der Politik. 

Denk kurz an die Politik! Was ist gerade vor deinem geistigen Auge aufgetaucht? Vielleicht ein Politiker, wie er eine Rede vor dem Nationalrat hält oder an einem Verhandlungstisch sitzt? Die Wahrscheinlichkeit, dass du an einen Mann gedacht hast, ist sehr hoch. Denn Frauen sind in der Politik immer noch in der Unterzahl. Ein gutes Beispiel ist die Kärntner Landtagswahl, bei der es mit Olga Voglauer nur eine einzige Spitzenkandidatin gegeben hat. Alle anderen Parteien gingen mit Männern auf Listenplatz eins in die Wahl.

Frauen müssen die Politik mitgestalten

„Du bekommst als Mädchen immer vorgesagt, das geht nicht. Aber geht nicht, gibt’s nicht. Du kannst alles tun. Alles, was du dafür brauchst, hast du in dir. Sei die Veränderung, die du möchtest. Du kannst das“, hat die grüne Frauensprecherin Meri Disoski beim letzten FREDA-Salonabend in Graz gesagt. Es ist wichtig, dass Frauen die Gesellschaft mitgestalten. Denn sie nehmen bestimmte Themen anders wahr als Männer. Zum Beispiel hat Kinderbetreuung für sie einen anderen Stellenwert als für Männer. Oder der Schutz vor Männergewalt. Damit sich hier etwas zum Besseren entwickelt, braucht es den Blick von Frauen in Politik und Öffentlichkeit. „Es ist ganz wichtig, dass mehr Frauen in die Politik gehen. Dort werden die Weichen fürs Leben gestellt, das können wir nicht den Männern überlassen“, betont die steirische Frauensprecherin Veronika Nitsche.

Männer dominieren die Politik

Es wollen zwar immer mehr Frauen die Gesellschaft mitgestalten, die Politik ist aber immer noch von Männern dominiert. Im Nationalrat sind nur 40,4 Prozent der Abgeordneten weiblich. Nur jedes zehnte Bürgermeister:innenamt wird von einer Frau ausgeübt. Der Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung liegt aber bei fast 51 Prozent. Es liegt also auf der Hand, dass die Interessen von Frauen in der Politik viel zu wenig repräsentiert werden.

Junge Frauen ermutigen

Um mehr Frauen für die Politik zu begeistern und sie dazu zu ermutigen, selbst politisch aktiv zu werden, haben die steirischen Grünen im Vorjahr ein Mentoring-Programm ins Leben gerufen. Dieses ging nun in seine zweite Runde Die Mentees werden acht Wochen lang ihre Mentorinnen wie Sandra Krautwaschl, Veronika Nitsche und die Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwentner zu unterschiedlichen Terminen begleiten. Sie können von den Erfahrungen ihrer Mentorinnen profitieren und sich ein eigenes Netzwerk aufbauen. „Wir wollen sie ermutigen, die Stimme zu ergreifen und sich einzumischen“, sagt Schwentner.

Elena, Shengjile und Laura sind drei junge Frauen, die an dem Programm teilnehmen.

Elena: Die Welt inklusiv gestalten
Frauen in der Politik
Elena setzt sich für mehr Inklusion und Barrierefreiheit ein. © Nicole Frisch

Für die 26-jährige Grazerin Elena ist Politik eine Lebenseinstellung. „Das Wesen von Politik ist, dass wir unser Leben mitgestalten. Politik betrifft alle unsere Lebensbereiche“, sagt sie. Und mitgestalten will die Grazerin. Seit 2017 ist sie Referentin für Barrierefreiheit der Österreichischen Hochschüler:inneschaft (ÖH) an der Universität Graz. Zudem setzt sie sich für mehr Barrierefreiheit in Graz ein. „Mein Hauptziel ist, die Stadt Graz so inklusiv wie möglich mitzugestalten“, betont Elena. Aufgrund eines Sauerstoffmangels bei der Geburt ist sie spastisch gelähmt sowie sehbehindert und daher auf einen Rollstuhl angewiesen.

Inklusion und Barrierefreiheit sind also Themen, die ihr Leben entscheidend prägen. „Behinderung drückt nicht Minderwertigkeit aus, sondern kann Potenzial sein, um auf eine inklusivere Welt hinzuarbeiten. Einfach nur dadurch, dass ich aus meinem Leben erzählen kann“, hält sie fest. Sie ist Frau und hat eine Behinderung. Da treffen zwei Benachteiligungen aufeinander, die sich gegenseitig verstärken. Als Beispiel nennt sie barrierefreie Toiletten. Bei diesen wird nämlich nicht nach den Geschlechtern unterschieden. „Menschen mit Behinderung werden als geschlechtslos abgestempelt. Es ist mir wichtig, durch das Mentoring-Programm zu zeigen, dass ich eine stolze Frau bin und stolz auf meine Behinderung bin“, unterstreicht die 26-Jährige. Sie will nicht nur Einblicke in die tägliche politische Arbeit bekommen, sie will sich auch selbst einbringen.

Frauen in der Politik
Jusstudentin Shengjile kennt die Politik in der Theorie und will die Praxis kennenlernen. © Nicole Frisch
Shengjile: Für eine gleichberechtigte Gesellschaft kämpfen

Shengjile hingegen will sich erst einmal den politischen Alltag anschauen. „Ich schnuppere mal in die Politik hinein und schaue, was sich ergibt“, lässt sie wissen. Die 23-Jährige studiert Jus und hat sich bereits theoretisch damit auseinandergesetzt, wie Politik funktioniert. Nun möchte sie hinter die Kulissen schauen und Politik in der Praxis erleben. Sie hat aber auch konkrete Vorstellungen, was sie aus dem Programm mitnehmen will. „Ich erhoffe mir, dass ich durch den Austausch eine Vision bekomme, wie ich mich als Frau für eine gleichberechtigte Gesellschaft und Gleichbehandlung einsetzen kann“, unterstreicht die Studentin. Von den Spitzenpolitikerinnen will sie sich abschauen, wie sie selbstbewusst auftritt. Shengjile interessiert sich besonders für die Themen Menschenrechte, Gleichbehandlung, Klima und Bildung.

Laura: Den politischen Fokus finden
Frauen in der Politik
Laura ist bereits in der Schüler:innenvertretung ihrer Schule engagiert. © Nicole Frisch

Für Laura steht indes schon fest, dass sie einmal in der Politik mitreden möchte. „Ich rede gerne mit Leuten und höre mir ihre Probleme an“, erzählt sie. In ihrer Schule, der HLW Schrödinger in Graz, ist die 16-Jährige bereits in der Schüler:innenvertretung engagiert. Auch im Jugendzentrum der steirischen Gemeinde Gratwein ist sie aktiv. Ein Projekt des Jugendzentrums, bei dem die Jugendlichen Gemüsebeete und Obststräucher gepflanzt sowie Totholzbau für Insekten geschaffen haben, wurde 2021 sogar von der Bundesjugendvertretung mit dem Climate Action Award ausgezeichnet. Bei der Verleihung hat Laura den Partner der Grünen Landessprecherin Sandra Krautwaschl kennengelernt, über den sie auf das Mentoring-Programm aufmerksam geworden ist.

In den nächsten acht Wochen will sie einen Fokus finden, in welche Richtung sie ihre politische Karriere einschlagen will. Sie will neue Erfahrungen sammeln, Gutes ebenso wie Schlechtes mitnehmen und neue Menschen kennenlernen. Ihr liegen vor allem die Themen Bildung und Klimaschutz am Herzen, doch auch Frauenrechte sind für sie wichtig. „Ich will die Welt gerne ein bisschen besser machen“, hat sie sich ein großes Ziel gesteckt.

Junge Frauen brauchen Vorbilder

Elena, Shengjile und Laura sind drei junge Frauen, die etwas verändern und unser gesellschaftliches Zusammenleben besser machen wollen. Sie wollen sich mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen einbringen. Ein Mentoring-Programm wie das der steirischen Grünen hilft jungen Frauen, den Weg in die Politik zu finden. Aber es braucht mehr. Zum Beispiel kann ein Reißverschlusssystem, bei dem abwechselnd Frau und Mann auf der Wahlliste stehen, helfen, dass mehr Frauen in politischen Gremien vertreten sind. Mehr Frauen in politischen Positionen heißt auch mehr potenzielle Vorbilder für junge Frauen. Sie können ihnen Mut machen, auch politisch aktiv zu werden.

Österreich radelt wieder

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Pünktlich zur Radsaison ist die Kampagne „Österreich radelt“ gestartet. Unter dem Motto „Jede Radfahrt zählt“ ruft die Aktion bereits zum fünften Mal in Folge zum Sammeln von Radkilometern aufgerufen. Ob in die Arbeit, Schule, Alltagswege oder als Sport – von 20. März bis 30. September können online oder in der App geradelte Kilometer eingetragen werden. Im Vorjahr machten 36.000 Radfahrer:innen mit und fuhren 29 Millionen Kilometer auf dem Bike.

Radverkehrsanteil verdoppeln

Damit wurden potenzielle Autofahrten ersetzt und mehr als 5.000 Tonnen CO2 eingespart. „Für Fahrten unter 2,5 Kilometer ist das Rad unschlagbar“, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler bei einem gemeinsamen Termin mit Gesundheitsminister Johannes Rauch (beide Grüne) am Montag am Ringradweg in Wien. „Radfahren ist gut für die Umwelt, fürs Klima und die eigene Gesundheit“, sagte die Ministerin. Jetzt sei die „beste Zeit, um Rad zu fahren“, ergänzte Rauch mit Blick auf das beginnende Frühlingswetter. Der Gesundheitsminister betonte, dass Radeln Herzkreislauf-Erkrankungen vorbeugt und die Gelenke schont, weshalb es ein geeigneter Sport für jedes Alter ist. Laut Statistik Austria steigen 2,7 Millionen Menschen in Österreich regelmäßig auf das Fahrrad. Mit der nun gestarteten Aktion soll der Radverkehrsanteil weiter gesteigert werden – Gewessler will den Anteil verdoppeln. Im Vorjahr waren mehr als 600 Firmen und Gemeinden sowie 250 Vereine und 130 Bildungseinrichtungen mit dabei.

Wien und Vorarlberg Radlspitze

Rauch berichtete, dass er vor seiner Arbeit als Gesundheitsminister in Vorarlberg als Landesrat für den Radverkehr zuständig war und dieser konsequent ausgebaut wurde. Vorarlberg sei „ein Radland“ und habe nach Wien den zweithöchsten Anteil an Radlern. Gewessler und Rauch stiegen nach dem Termin selbst auf Räder – der Gesundheitsminister auf ein Rennrad, die Umweltministerin auf ein Faltrad. „Ich hab drei Fahrräder, mit diesem bin ich am Wochenende unterwegs“, sagte Rauch. Rennräder dürfen bei Tageslicht und guter Sicht ohne Reflektoren und einer Klingel gefahren werden.

Österreich radeltErmuntern und gewinnen

Für die fleißigsten Radler:innen gibt es auch heuer wieder Preise. Die geradelten Kilometer können auf radelt.at oder in der „Österreich radelt“ App eingetragen und die Leistungen im freundschaftlichen Wettbewerb verglichen werden. Darüber hinaus werden bei verschiedenen Aktionen – von „Österreich radelt zur Arbeit“ über „Österreich radelt zur Schule“ bis hin zum „Sommerradeln“ – Preise wie Fahrräder, E-Bikes, Falträder und Fahrradzubehör verlost. Interessierte Betriebe, Gemeinden, Vereine und Bildungseinrichtungen können sich unter hier anmelden und Mitmenschen zum Radfahren motivieren. Besonders wichtig ist Radfahren für Kinder, sagte Gewessler. Denn damit „verändert sich das Mobilitätsverhalten im Erwachsenenalter“. (RED/APA)

Buchtipp: Wofür wir arbeiten

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Work-Life-Balance, Digitalisierung und Fachkräftemangel. Die Arbeitswelt befindet sich in einem Umbruch. Wie sie sinnstiftender und gerechter werden kann, damit beschäftigt sich Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack in ihrem neuen Buch „Wofür wir arbeiten“. 

Zuerst fleißig lernen und dann hart arbeiten – über Jahrzehnte hinweg galt das als Erfolgsmodell, um finanziell gut abgesichert zu leben. Doch das ist ein alter Glaubenssatz, der heute nicht mehr funktioniert. Immer mehr Menschen können von ihrer Erwerbsarbeit nicht leben. Sie arbeiten 40 Stunden pro Woche und haben trotzdem Probleme, all ihre Rechnungen zu bezahlen und gut fürs Alter vorzusorgen. Harte Arbeit führt nicht mehr automatisch zu Wohlstand. Dass sich etwas ändern muss, liegt auf der Hand. Wie sich etwas ändern kann, zeigt Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack in ihrem neuen Buch „Wofür wir arbeiten“.

Mut zu Utopien

Die Arbeitswelt befindet sich bereits in einer Phase des Umbruchs. Jüngere Generationen legen Wert auf Work-Life-Balance, die Digitalisierung verändert Arbeitsplätze und viele Branchen beklagen einen Arbeits- und Fachkräftemangel.

„Um aus dem Trott auszubrechen und etwas zu ändern, braucht man eine Vision einer Zukunft, für die es sich lohnt, in der Gegenwart etwas zu verändern.“

Auf 140 Seiten spürt Prainsack nach, woran der Arbeitsmarkt aktuell krankt und was unser Verständnis von Arbeit damit zu tun hat. Sie sieht sich an, was sich Arbeitnehmer:innen von ihrer Arbeit erwarten und zeigt auf, wie wir in Zukunft arbeiten können. Dafür fordert sie Mut zu Utopien ein. „Um aus dem Trott auszubrechen und etwas zu ändern, braucht man eine Vision einer Zukunft, für die es sich lohnt, in der Gegenwart etwas zu verändern“, hält die Politikwissenschaftlerin in ihrem Buch fest. Es geht um sinnstiftende Arbeit, kürzere Arbeitszeiten, faire Bezahlung und bedingungsloses Grundeinkommen.

Für kürzere Arbeitszeiten

„Wofür wir arbeiten“ ist im richtigen Moment erschienen. Denn gerade jetzt diskutiert das ganze Land, wie lang wir arbeiten sollen. Ihren Anfang genommen hat die Diskussion nach einem Interview von Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher, in dem er gefordert hat, jenen Menschen, die freiwillig einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, Sozialleistungen zu kürzen. Während vor allem die Wirtschaft an der 40-Stunde-Woche festhält und die Arbeitszeiten am liebsten sogar noch ausweiten würde, fordert unter anderem die Gewerkschaften eine Arbeitszeitverkürzung. Auch Prainsack spricht sich in ihrem Buch für kürzere Arbeitszeiten aus. Wie davon nicht nur Arbeitnehmer:innen, sondern auch die Wirtschaft profitieren, untermauert die Politikwissenschaftlerin mit Daten: „Die Volksweisheit, dass länger arbeiten nicht unbedingt bessere Ergebnisse bringt, ist übrigens mit Daten belegbar.“

Veränderung als gesamtgesellschaftliche Verantwortung

Wer in der aktuellen Diskussion mitreden möchte und sich für einen Umbruch starkmachen will, für den ist „Wofür wir arbeiten“ eine gute Wissensgrundlage. Prainsack belegt ihre Argumente mit nationalen und internationalen Daten und macht deutlich, warum sich etwas ändern muss. Sie stellt aber auch klar, dass es nicht nur Aufgabe der Wirtschaft ist, etwas zu verändern, zum Beispiel in puncto Bezahlung. „Die Entlohnung von Arbeit muss so gestaltet sein, dass sie einerseits den gesellschaftlichen Wert der Arbeit symbolisiert und andererseits sicherstellt, dass alle genug für ein würdevolles Leben haben. Wenn wir dies ernst nehmen, dann ist die faire Entlohnung von Arbeit nicht nur eine Sache derer, die die Erwerbsarbeit ihrer Beschäftigten bezahlen. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung“, schreibt Prainsack. Wir müssen alle mitgestalten, damit wir nicht länger von Utopien schwärmen, sondern in ihnen leben.

„Wofür wir arbeiten“ von Barbara Prainsack ist 2023 im Brandstätter Verlag erschienen.

9 Antworten zur Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt

Staatsgewalt ohne Gewalt – diesem Ziel soll uns eine unabhängige Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt näherbringen. Wann sie kommt und wie wir uns an sie wenden können? Hier gibt’s Antworten!

Was ist die Aufgabe der Beschwerdestelle?

Die neue Anlaufstelle für Polizeigewalt soll Vorwürfe von Misshandlung durch die Polizei rasch und unbefangen aufklären. Es handelt sich um keine Ombudsstelle der Polizei selbst, sondern um eine Beschwerdestelle außerhalb der polizeilichen Hierarchie. Die Regierung plant, sie im Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) anzusiedeln, einer Einrichtung des Innenministeriums.

Was darf die geplante Beschwerdestelle?

Die Ermittlerteams sollen unabhängig von der Polizei arbeiten können. Damit das geht, braucht die neue Stelle sogenannte kriminalpolizeiliche Ermittlungsbefugnisse. Etwa die Erlaubnis, Zeugen zu befragen, Hausdurchsuchungen durchzuführen und Verdächtige festzunehmen. Um all das zu dürfen, ist die Beschwerdestelle im Innenministerium eingegliedert.

Ab wann können kann ich mich an die Beschwerdestelle wenden?

Derzeit befindet sich die Gesetzesentwurf in der Begutachtung. Laut Justizministerin Alma Zadić soll die Anlaufstelle 2024 ihre Arbeit aufnehmen. Bereits im Koalitionsabkommen 2020 haben sich die Grünen und die ÖVP drauf geeinigt, dass sie eine unabhängige Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt schaffen wollen.

Wie erreiche ich die Beschwerdestelle zukünftig?

Die Stelle ist noch nicht eingerichtet. Stichhaltige Informationen darüber, wie Bürger:innen sie erreichen können, sind daher noch ausständig. Auf der Pressekonferenz Anfang März ist aber von einer Online-Meldestelle die Rede. Es ist aber davon auszugehen, dass Beschwerden auch telefonisch und persönlich entgegengenommen werden. Jedenfalls soll die Stelle rund um die Uhr erreichbar sein, betonen die Verantwortlichen. Außerdem soll es auch die Möglichkeit geben, Meldungen anonym abzugeben.

Meldungen eines Misshandlungsvorwurfs sollen aber auch nach wie vor in allen Polizeiinspektionen möglich sein. Dort leiten sie die Beamt:innen dann unverzüglich  an die Beschwerdestelle weiter.

Gleichzeitig soll die Stelle aber auch von sich aus aktiv werden – etwa dann, wenn sie von Übergriffen aus Videos auf Social Media erfährt.

Mit welchen Beschwerden können sich Bürger:innen an die geplante Stelle wenden?

Die Ermittlungs- und Beschwerdestelle soll bei einer großen Bandbreite von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamt:innen tätig werden. Beispiele sind:

  • Übermäßiger Einsatz von Gewalt oder absichtliche Demütigung bei Festnahmen
  • Schläge, Tritte und andere Formen körperlicher Gewalt gegen wehrlose Verdächtige
  • Rassistische Übergriffe auf Personen mit Migrationshintergrund
  • Grundlose Gewalt gegen friedliche Demonstrant:innen
  • Grundloser oder unverhältnismäßig langer Freiheitsentzug
  • Gewalt oder Demütigung gegen Personen in Polizeigewahrsam
  • Sexuelle Belästigung oder Missbrauch von Verdächtigen durch Polizist:innen
Wer arbeitet in der geplante Beschwerdestelle?

In der Beschwerdestelle sollen neben Polizist:innen auch Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen, Forensiker:innen und Menschenrechtler: innen arbeiten. Das heißt: Betroffene müssen zukünftig ihre Erlebnisse nicht mehr Polizist:innen anvertrauen – eben jene Berufsgruppe, durch die sie Gewalt erfahren haben.

Das soll die Ermittlungen der Stelle auch glaubwürdiger machen. Denn bisher ermitteln bei Beschwerden Polizistinnen gegen Polizistinnen. Für Außenstehende ist es dabei schwer zu glauben, dass gegen die „eigenen“ Kolleg:innen genauso ernsthaft ermittelt wird wie gegen jede andere normale Person.

Wem nützt die geplante Beschwerdestelle?

In erster Linie soll sie Menschen nützen, die von Polizeigewalt betroffen sind. Sie erfahren Gerechtigkeit, in dem übergriffige Polizist:innen disziplinarisch und strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Die überwiegende Mehrheit der Polizist:innen arbeitet fair und korrekt. Die geplante Beschwerdestelle ist daher auch in ihrem Sinne. Sie leiden darunter, dass ein paar wenige schwarze Schafe den Ruf der Polizei schaden. Und auch zu Unrecht beschuldigte Polizist:innen profitieren. Die unabhängige Ermittlung befreit sie von dem Vorwurf von oben geschützt zu werden.

Zuletzt soll die Beschwerdestelle auch der Polizei als Ganzes nützen. Sie zeigt damit deutlich, dass sie polizeiliches Fehlverhalten nicht länger toleriert. Das soll Vertrauen stiften – und das braucht es. Nur eine Polizei, der Bürger:innen vertrauen, kann ein gutes Zusammenleben aller Menschen sicherstellen.

Wird die Beschwerdestelle wirklich unabhängig sein?

Die Regierung hat einige Mechanismen eingebaut, um die Unabhängigkeit der neuen Stelle trotz Ansiedlung im Innenministerium sicherzustellen. So soll es zum Beispiel einen unabhängigen Beirat geben. Er wird aus unabhängigen Expert:innen für Menschenrechte, Opferschutz und Strafrecht bestehen. Sie sollen der Beschwerdestelle bei der Arbeit auf die Finger schauen und jährlich einen Bericht verfassen. Der Beirat wird weder im Innenministerium noch im BAK sitzen, um möglichst unabhängig agieren zu können. Außerdem sollen Weisungen an die Beschwerdestelle stets schriftlich erfolgen – und immer auch an den Beirat adressiert sein. Um die Unabhängigkeit der Beschwerdestelle weiter abzusichern, soll die Leitung für einen langen Zeitraum (10 Jahre) fix bestellt werden.

Warum braucht es so eine Beschwerdestelle?

Österreich braucht eine Beschwerdestelle für Polizeigewalt, weil es bisher keine unabhängige Instanz gibt, die sich mit diesem Thema befasst. Bisher werden Beschwerden über Polizeigewalt intern von der Polizei selbst bearbeitet, was zu einem Interessenkonflikt führen kann. Außerdem fehlen oft angemessene Sanktionen bei Fällen von Polizeigewalt. Das führt dazu, dass viele Opfer oder Zeugen:innen von Polizeigewalt sich nicht trauen, ihre Erlebnisse zu melden und daher keine Gerechtigkeit erfahren. Das soll sich ab 2024 ändern.

Die Stelle soll aber auch präventiv wirken, denn sie ist ein klares Signal an alle Polizistinnen, die sich nicht an die Regeln halten.  Das soll weitere Übergriffe und Misshandlungen vorbeugen.

Förderungen für die thermische Haussanierung

Wir haben zusammengefasst, welche Förderungen Privatpersonen für eine thermische Sanierung 2023 in Anspruch nehmen können.

Thermische Sanierung meint all jene Maßnahmen, die zu einer höheren Energieeffizienz eines Gebäudes führen. Zum Beispiel das Dämmen der Hausfassade, das Tauschen von Fenstern und der Einbau einer modernen Heizung. Je besser ein die Energieeffizienz, desto niedriger die Heizkosten. Bei den derzeit hohen Energiepreisen lohnt sich die thermische Sanierung also besonders. Aber nicht nur das!

Sie trägt auch einen großen Teil zum Klimaschutz bei, da der Energieverbrauch von Gebäuden einen erheblichen Anteil an den CO₂-Emissionen ausmacht. Möglichst viele Gebäude thermisch zu sanieren ist daher unerlässlich, wenn wir die Pariser Klimaziele noch erreichen wollen.

Deswegen gibt es zahlreiche Förderungen, die Menschen dabei unterstützen, Häuser zu dämmen, Fenster zu tauschen und ihre alten Heizungen gegen neue zu tauschen. Die Fördersätze wurden vom Klimaministerium für das Jahr 2023 noch einmal deutlich angehoben. Bis 2026 will Klimaministerin Leonore Gewessler rund zwei Milliarden Euro auszahlen.

1) Sanierungsscheck

Der Sanierungsscheck fördert thermische Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden, die älter als 20 Jahre sind. Es handelt sich um eine Förderung des Klimaministeriums (BMK). Das Ziel: Den Energieverbrauch von Gebäuden reduzieren und damit Emissionen einsparen. Folgende Maßnahmen können sich Privatpersonen fördern lassen:

  • Dämmung der Außenwände
  • Dämmung der obersten Geschossdecke bzw. des Daches
  • Dämmung der untersten Geschossdecke bzw. des Kellerbodens
  • Sanierung bzw. Austausch der Fenster und Außentüren

Für Privatpersonen umfasst die Förderung 3.000 Euro bis 14.000 Euro, maximal jedoch 50 Prozent der förderfähigen Kosten. Die Höhe hängt vom Umfang der Sanierung und dem erreichten Energiestandard ab. Fördervoraussetzungen und Details sind auf der Seite der Umweltförderung nachzulesen.

2) Raus aus Öl und Gas

Mit dieser Förderaktion können sich Hausbesitzer:innen den Umstieg auf eine klimafreundliche Heizung fördern lassen. Auch hier vergibt das Geld das Klimaministerium (BMK).

Mit der Förderung will der Bund Schritt für Schritt fossile Systeme wie Öl-, Gas- und Kohleheizungen aus den Wohnhäusern Österreichs verbannen. Auch hier ist das Ziel, möglichst viele CO₂-Emissionen einzusparen. Gefördert wird in erster Linie der Anschluss an eine hocheffiziente oder klimafreundliche Nah-/Fernwärme. Ist das nicht möglich, gibt es Geld für den Umstieg auf eine Holzzentralheizung oder eine Wärmepumpe.

Die Förderung unterstützt mit einem Betrag von bis zu 7.500 Euro. Ab dem 12. September 2022 vergibt das BMK zusätzlich einen Raus aus Gas-Bonus in Höhe von 2.000 Euro, wenn jemand eine klimafreundliche Alternative anstelle eines gasbetriebenen Heizungssystems einbaut. Wer gleichzeitig eine thermische Solaranlage installiert, kann sich einen weiteren Bonus in Höhe von 1.500 Euro holen. Der genaue Ablauf vom Antrag bis zur Überweisung ist auf einer eigens für Förderung eingerichteten Seite genau beschrieben.

3) Sauber heizen für alle

Sauber heizen für alle unterstützt einkommensschwache Haushalte beim Umstieg auf eine klimafreundliche Heizung.  Bis zu 26.050 Euro deckt diese Förderung ab – je nach Art der Heizung.

Im Gegensatz zur Raus aus Öl und Gas-Förderung ist hier auch eine 100-prozentige Übernahme der Kosten möglich, sofern die Kosten-Obergrenzen nicht überschritten werden.

Art der Heizung Kosten-Obergrenze
Anschluss Fernwärme        19.750 Euro
Installation Pellet- oder Hackgutkessel        25.100 Euro
Installation Scheitholzkessel        20.850 Euro
Installation Luft/Wasser Wärmepumpe        17.750 Euro
Installation Erdwärme/Wasser bzw. Wasser/Wasser Wärmepumpe        26.050 Euro

Auch sie wird vom Klimaministerium (BMK) finanziert, die Abwicklung liegt aber bei den einzelnen Bundesländern.  Die Höchstverdienstgrenze hängt davon ab, wie viele Menschen in einem Haushalt leben. Bezogen auf einen Einpersonenhaushalt entspricht das zum Beispiel einem Monatsnettoeinkommen von höchstens 1.554 Euro. Alle Details lassen sich auf der Seite der Umweltförderung nachlesen.

4) Wohnbauförderung

Die Wohnbauförderung unterstützt Östereicher:innen beim Neubau und der Sanierung von Wohngebäuden. Es handelt sich dabei um keine Förderung des Bundes, denn die Wohnbauförderung wird von den einzelnen Ländern vergeben. Sie zielt darauf ab, den Zugang zu leistbarem Wohnraum zu erleichtern. Deswegen geht es bei der Wohnbauförderung nicht ausschließlich um thermische Maßnahmen. Die Förderungen sind je nach Bundesland unterschiedlich und reichen von Investitionszuschüssen bis hin zu vergünstigten Darlehen. Eine Übersicht gibt es am Transparenzportal.

Übrigens: Im Jahr 2023 erhöht die Regierung die Förderung für PV-Anlagen auf 600 Millionen Euro. Außerdem führt sie ein neues Vergabesystem ein, um diese Mittel fairer zu verteilen. Es gibt zukünftig vier Zeitfenster im Jahr, in denen Privatpersonen einen Förderantrag stellen können – sogenannte Calls.

  • Erster Call: von 23.03.2023 bis 06.04.2023
  • Zweiter Call: von 14.06. bis 28.06.2023
  • Dritter Call: von 23.08. bis 06.09.
  • Vierter Call von 09.10. bis 23.10.2023.

Wer beispielsweise im ersten Call keine Zusage bekommt, weil die Mittel aufgebraucht sind, hat noch drei weitere Möglichkeiten. Ebenfalls neu: Privatpersonen können auch nach Baubeginn einen Antrag stellen und die Anlage nutzen, bevor sie die Förderzusage erhalten. Die Höhe der Förderung hängt von der Leistung der Anlage ab und beträgt 285 Euro pro Kilowatt für Anlagen bis 10 Kilowatt und 250 Euro pro Kilowatt für Anlagen von 10 bis 20 Kilowatt. Für eine Anlage mit der maximalen Leistung von 20 Kilowatt beträgt die Förderung also beispielsweise 5.000 Euro.

Weniger Arbeit für mehr Gleichstellung

40 Stunden arbeiten und dann noch Kinder betreuen – das geht sich nicht aus. Würden wir alle kürzer arbeiten, hätten wir alle mehr Zeit, um uns um unsere Mitmenschen und uns selbst zu kümmern. Und davon profitiert die Geschlechtergerechtigkeit. 

„Acht Stunden Arbeit. Acht Stunden Schlaf. Acht Stunden Freizeit.“ Mit dieser Forderung ist die Arbeiter:innenbewegung ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Straße gegangen. In Österreich kämpften ihre Anhänger:innen bis 1918, bis der Acht-Stunden-Tag gesetzlich verankert wurde. Für damals war das ein großer Erfolg. Heute, mehr als 100 Jahre später, wird er der Gesellschaft aber nicht mehr gerecht. Ebenso die 40-Stunden-Woche, die seit 1975 gilt. In manchen Branchen wurde die wöchentliche Arbeitszeit in weiterer Folge auf 38 beziehungsweise 37 Stunden reduziert. Doch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 35 oder 30 Stunden ist seither nicht erfolgt.

Arbeitsmarktsituation hat sich verändert

Dabei ist eine Arbeitszeitverkürzung längst überfällig. Die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungssituation von heute lässt sich mit jener der 1970er Jahre nicht mehr vergleichen. „Seither ist die Beschäftigungsquote von Frauen rasant angestiegen. Die 40-Stunden-Woche wurde vor dem Hintergrund eingeführt, dass es einen Haupternährer – das war meistens der Mann – und eine unterstützende Frau, die sich um die ganze Reproduktionsarbeit kümmert, gibt“, beschreibt Claudia Sorger die Situation der 1970er Jahre. Sie forscht am Institut L&R Sozialforschung unter anderem zu den Themen Arbeitsmarkt und Gender.

Zweite Schicht nach der Erwerbsarbeit

Heute sind Frauen nicht mehr den ganzen Tag zu Hause, um sich um Kinder und Haushalt zu kümmern und dem Mann am Abend das warme Essen auf den Tisch zu stellen, wenn er erschöpft von einem achtstündigen Arbeitstag heimkommt. Heute kommen sie selbst erschöpft nach Hause. Haben vor der Arbeit das Kind in den Kindergarten gebracht, waren nach der Arbeit noch schnell im Supermarkt einkaufen und haben am Heimweg wieder das Kind vom Kindergarten abgeholt. Zu Hause wird gekocht, geputzt und das Kind unterhalten. Nach der Arbeit beginnt für viele die zweite, unbezahlte Schicht: die Reproduktionsarbeit. Damit sich Erwerbs- und Fürsorgearbeit ausgehen, arbeiten viele Frauen nur Teilzeit. Sechs Stunden am Tag, manche fünf. Der Acht-Stunden-Tag ist nicht für Menschen gemacht, die Kinder haben oder ältere Angehörige pflegen. Die Arbeiter:innenbewegung hat die Versorgungsarbeit in ihren Forderungen vor über 100 Jahren nicht mitgedacht.

Vor allem Frauen arbeiten Teilzeit

Das Erschreckende: Die Versorgungsarbeit wird auch heute nicht immer mitgedacht. Zum Beispiel, wenn Arbeitsminister Martin Kocher fordert, dass Menschen, die in Teilzeit arbeiten, weniger Sozialleistungen erhalten sollen. Damit der Sozialstaat auch weiterhin finanziert werden kann, müssten so viele Menschen wie möglich einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen, so das Credo. Bundeskanzler Karl Nehammer ergänzte später, dass Kochers Forderung Menschen mit Betreuungspflichten nicht betreffen soll. „Wenn wir jetzt wirklich diejenigen mit Versorgungspflichten abziehen, dann noch diejenigen, die aus Ausbildungs- und Weiterbildungsgründen Teilzeit arbeiten, dann bleiben tatsächlich nicht mehr viele übrig, bei denen wir sagen können: Die arbeiten Teilzeit und könnten eigentlich Vollzeit arbeiten“, kritisiert Sorger und fragt sich, worum es in dieser Diskussion eigentlich geht.

Noch dazu werden in Branchen wie dem Einzelhandel sowie Gesundheits- und Sozialbereich, in denen überwiegend Frauen tätig sind, sehr oft nur Teilzeitjobs angeboten. Frauen, die mehr Stunden arbeiten möchten, haben diese Möglichkeit nicht. Hinzu kommt, dass die Arbeit im Gesundheits- und Sozialbereich körperlich und psychisch so anstrengend ist, dass viele gar nicht länger arbeiten können.

Sozialstaat finanziert sich nicht über Arbeitsstunden

„Das Ziel sollte eigentlich sein, dass die Menschen für die Arbeit, die sie machen, ausreichend bezahlt werden. Auch wenn sie nicht Vollzeit plus Überstunden leisten“, hält Sorger fest. Denn der österreichische Sozialstaat finanziert sich nicht über Arbeitsstunden. Das Geld kommt aus Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern, die sich nach der Höhe des Gehalts richten. Je mehr die Arbeitnehmer:innen verdienen, desto mehr zahlen sie in die beiden Töpfe ein. Es würde sich also sogar ausgehen, dass Menschen, die 30 Stunden pro Woche arbeiten, mehr einzahlen als Personen, die 40 Stunden arbeiten. Es ist alles nur eine Frage der Bezahlung, nicht der Arbeitszeit.

In der Realität sind Teilzeitarbeitsplätze allerdings sehr oft schlecht bezahlt. Das liegt auch daran, dass diese Stellen oft – wie der Name andeutet – nur als halbe Jobs angesehen werden. Daher werden sie als weniger wichtig als Vollzeitstellen wahrgenommen, was sich in schlechterer Bezahlung und schlechteren Aufstiegschancen niederschlägt.

Arbeitszeitverkürzung als Voraussetzung für Geschlechtergerechtigkeit

Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich würde das Lohnniveau vieler Frauen anheben. Denn sie würden mit einem Mal Vollzeit arbeiten beziehungsweise dem, was als Vollzeit gilt, näherkommen. Damit würden sie auch entsprechend mehr verdienen. Erwerbs- und Fürsorgearbeit lassen sich aber weiterhin vereinbaren, weil sich an der Wochenarbeitszeit nichts ändert. Eine Arbeitszeitverkürzung kann sich zudem positiv auf die Geschlechtergerechtigkeit auswirken. Denn, wenn alle weniger Stunden am Tag arbeiten, schafft man erst die Voraussetzungen, dass sich alle an der Reproduktionsarbeit beteiligen können. „Kinderbetreuung geht sich mit einer 40-Stunden-Woche ganz schwer aus. Wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten, dann tun sie das mit großer Unterstützung von anderen Personen, entweder aus dem familiären Umfeld oder sie kaufen sich die Leistungen zu. Dass beide Vollzeit arbeiten, geben einerseits die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen nicht her und andererseits ist in Frage zu stellen, ob man einem Kind wirklich neun Stunden in einer solchen Einrichtung zumuten will“, sagt Sorger.

Eine Studie an Industriearbeiterinnen, von denen sehr viele vollzeitbeschäftigt waren, weil Teilzeit nicht möglich war, hat gezeigt, dass eine 40-Stunden-Woche neben der Kinderbetreuung eine enorme Belastung ist. „Sie haben gesagt, dass das sehr belastend ist. Sie haben ganz wenig Freizeit, alles ist ganz eng getaktet und sie haben wenig Schlaf“, erzählt Sorger.

An weiteren Schrauben drehen

Weniger Arbeitszeit heißt also mehr Zeit für Kinder, zu pflegende Angehörige und sich selbst. Heißt, dass man sich weniger stressen muss, um Erwerbs- und Fürsorgearbeit zu vereinbaren. Viele Eltern müssen Familienaufgaben in die Abende oder Wochenenden quetschen. Für viele bedeutet das Überforderung. „Für mich ist die Arbeitszeit ein Haupthebel“, betont Sorger. Sie sagt aber auch, dass zusätzlich noch an anderen Schrauben gedreht werden muss, damit wir als Gesellschaft zu mehr Geschlechtergerechtigkeit kommen. Zum Beispiel, indem man Vätern bessere Karenzzeiten ermöglicht. In Island beispielsweise sind drei Monate für die Mütter, drei für die Väter und drei zur freien Wahl vorgesehen. Das hat dazu geführt, dass 90 Prozent der Väter in Karenz sind. Eine weitere Schraube wäre die Kinderbetreuung. Diese müsste flächendeckend in guter Qualität verfügbar sein. „Man sieht, dass in Bundesländern, in denen Kinderbetreuung in einem höheren Ausmaß zur Verfügung gestellt wird, auch Frauen ihre Arbeitszeit erhöhen können“, lässt Sorger wissen.

Arbeitstage müssen kürzer werden

Wichtig ist, dass auch wirklich die Arbeitstage kürzer werden. Eine Vier-Tage-Woche, in der 38 Stunden auf vier Tage aufgeteilt werden, bringt für die Geschlechtergerechtigkeit nicht viel. „Kinderbetreuung findet ja nicht nur an einem Tag statt, sondern jeden Tag. Es braucht eine durchgängige Arbeitszeitverkürzung“, unterstreicht Sorger. Das ist wichtig für die Geschlechtergerechtigkeit. Und obendrein sind Menschen, die kürzer arbeiten, gesünder und produktiver. Auch das zeigen Studien. Eine Win-win-Situation.

Tierleid auf Europas Straßen

Legal, illegal, ganz egal: Täglich werden rund 3,8 Millionen Rinder, Schweine und Hühner quer durch Europa und weiter in Drittstaaten transportiert. Als Exportware deklariert, wird auf ihren Schutz kaum Wert gelegt. Das Tierleid ist dabei enorm. Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen, will das nun ändern. 

„Sie haben alle einen Namen und die meisten hören auch darauf“, erklärt Toni Schuster und blickt stolz auf seine Kuhherde. Der Oberösterreicher ist Bauer aus Leidenschaft. Seit über 30 Jahren betreibt er einen mittelgroßen Bauernhof im Mühlviertel. Aktuell hat er 85 Milchkühe und einige Kälber. Geerbt hat er den Traditionsbauernhof von seinem Vater und dieser von dessen Vater. Das Arbeiten mit der Kuh ist Toni sozusagen in die Wiege gelegt worden. Seit einigen Jahren wird die Arbeit am Bauernhof allerdings immer härter. Die Preise für einen Liter Milch sinken stetig. Die Kosten für die Versorgung hingegen steigen. Hinzu kommt der Konkurrenzkampf am österreichischen Markt mit der Billig-Importware. Deswegen verkauft Toni auch öfters eine seiner Kühe sowie seine Kälber. „Wenn ich könnte, würde ich alle behalten. Das geht leider nicht. Daher hoffe ich, dass sie immerhin einen guten Platz finden“, meint er. Toni verkauft seine Kälber an einen bekannten Kuhhändler. Wohin dieser die Kälber weiterverkauft, erfährt Toni nur selten. Vor allem männliche Kälber gelten nach wie vor als Nebenprodukt der Milchindustrie und landen oft als Abfallprodukte in Drittstaaten. Und da beginnt auch schon das Problem.

Das globale Agrarsystem: ein industrielles Businessmodell

Das aktuelle globale Agrarsystem macht es für Kleinbauern wie Toni immer schwieriger, am internationalen wie nationalen Markt mithalten zu können. Sie werden von Massentierhaltungen kontinuierlich unterboten. Denn diese züchten, produzieren und verkaufen viel billiger. Auf Kosten der heimischen Landwirtschaft, der Konsument:innen, aber vor allem auf Kosten der Tiere. „Das hat mit herkömmlicher Landwirtschaft nichts mehr zu tun. Es ist vielmehr ein industrielles Businessmodell“, erklärt Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen. Denn damit die Industrie so billig produzieren kann, werden die Tiere an verschiedenen Orten Europas gezüchtet, gemästet und geschlachtet. Jährlich werden so über 1,5 Milliarden Geflügeltiere und über 49 Millionen lebende Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Pferde innerhalb der EU sowie in und aus Drittstaaten transportiert. Auf das Wohl der Tiere achtet man dabei kaum. Mit fatalen Folgen: Regelmäßig kommt es zu Unfällen mit Tiertransportern, weil diese überladen sind. Viele Tiere kommen erschöpft oder verletzt am Zielort an. Einige schaffen es bis dahin gar nicht mehr. Und all das, obwohl es ein EU-Tiertransportgesetz zum Schutz der Tiere gibt.

EU-Abgeordneter der Grünen Thomas Waitz bei einer Tiertransport-Kontrolle in Österreich.© Paul Schwarzl
EU-Abgeordneter der Grünen Thomas Waitz bei einer Tiertransport-Kontrolle in Österreich.© Paul Schwarzl
Das Tierleid auf Rädern

Warum ist so etwas trotz Gesetz möglich? Aufgrund veralteter Regelungen und zu vieler Menschen, die einfach wegschauen. Einer, der nicht weg, sondern ganz genau hinschaut, ist Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Bio-Bauer. Als Mitglied des Tiertransport-Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments setzt er sich seit Jahren für eine Reform des aktuellen EU-Tiertransportgesetzes ein. In seinem Kurzfilm „Tierleid auf Rädern“ zeigt er die Missstände auf Europas Straßen auf. Ein Film, der einerseits die Gesellschaft auf das Thema aufmerksam machen soll. Andererseits will Waitz damit Druck auf die Politik ausüben. Denn das EU-Parlament soll Ende 2023 endlich eine Reform des EU-Tiertransportgesetzes verhandeln.

Warum das aktuelle EU-Tiertransportgesetz nicht ausreicht

Das aktuelle EU-Tiertransportgesetz existiert seit 2005. Es handelt sich um eine Verordnung der Europäischen Union, die die Bedingungen für den Transport von Tieren innerhalb der EU sowie den Export von Tieren aus der EU in Drittländer regeln soll. Allerdings treten bei Langstreckentransporten regelmäßig Missstände auf.

„Laut Gesetz dürfen zwei- bis dreiwöchige Kälber 19 Stunden transportiert werden, mit einer Stunde Pause. In dieser sollen die Kälber mit Milchpräparaten versorgt werden. Das ist auf einem dreistöckigen LKW technisch alleine schon unmöglich“, erklärt Thomas Waitz.

Das EU-Tiertransportgesetz regelt beispielsweise die Transportdauer. Für viele Tiere ist die vorgeschriebene Zeit jedoch untragbar: Schweine darf man beispielsweise 24 Stunden ohne Pause transportieren, Rinder sogar 29 Stunden mit nur einer Stunde Pause. Kaninchen und Hühner werden meist 12 Stunden transportiert. Generell gibt es für sie aber keine festgelegte Transportzeit. Auch nicht entwöhnte Kälber und Lämmer darf man transportieren. Eine ausreichende Versorgung der Jungtiere ist während der Fahrt jedoch nicht möglich. Auch die Mindestanforderungen an Belüftung, Temperatur, Wasser- und Futterversorgung sowie Raumangebot halten die Transportunternehmen oft nicht ein. Es gibt viele Fälle, in denen man Tiere stundenlang ohne Wasser und bei extremen Temperaturen transportiert hat. Schlecht ausgebildetes Personal und ungeeignete Transporter tragen zum Leid der Tiere zusätzlich bei. Denn viele Fahrer:innen kennen die gesetzlichen Vorschriften nur bedingt. Ruhephasen werden oft nicht eingehalten und die Versorgung der Tiere bleibt auf der Strecke. „In der Steiermark haben wir einen LKW mit Schlachtschweinen angehalten. Es hatte draußen rund 30 Grad, und der LKW war bereits über seinem erlaubten Transportgewicht. Deshalb hatte er den Wassertrank nicht befüllt. Das heißt, die Tiere waren stundenlang ohne Wasserversorgung unterwegs“, erzählt Waitz.

„Wir haben Schiffe in Rumänien gesehen, die dürften in Belgien nicht mal losfahren, weil sie in einem so schlechten Zustand sind“, so Waitz.

Während für den Landtransport zumindest begrenzte Transportzeiten festgelegt sind, werden Tiere auf Transportschiffen oft tage- bis wochenlang transportiert. Viele dieser Schiffe sind für den Transport jedoch ungeeignet, weshalb es häufig zu Verletzungen bei den Tieren kommt. Da es am Schiff aber keine Tierärzte gibt, können die verletzten Tiere auch nicht behandelt oder notfalls eingeschläfert werden. Die Besatzung wirft tote Tiere deshalb einfach über Bord.

Unter den Kälbern am rumänischen Schiff nach Jordanien befinden sich auch drei Kälber von Toni Schuster. Verängstigt, hungrig, durstig und eingepfercht in kleinste Abteile sind sie tagelang am Meer unterwegs. Ob Toni damit einverstanden wäre, wenn er das gewusst hätte, ist zu bezweifeln. Das globale Agrarsystem macht eine solche Ausbeutung dennoch möglich. Denn obwohl viele dieser Transporte gesetzeswidrig sind, transportiert man fleißig weiter. Ein Grund dafür ist, dass Verstöße kaum sanktioniert werden. „Wir haben viele Polizisten getroffen, die zwar willig waren einzuschreiten, aber einfach nicht gewusst haben, was sie dürfen und was nicht. Deshalb braucht es dringend eine Reform mit klaren Regeln, klaren Vorschriften, klaren Schulungen“, erklärt Waitz.

Die Forderungen

Bei den massenhaften Tiertransporten auf Europas Straßen wird das Versagen des europäischen Agrarsystems sichtbar. Das Problem: Statt lokal und regional wird importiert und exportiert. „Europa ist der größte Agrarimporteur und gleichzeitig auch der größte Agrarexporteur. Da zeigt sich ganz klar, dass es hier vor allem um Profit geht“, so Waitz. Um unnötige Tiertransporte zu verhindern, fordern Thomas Waitz und die Europäische Grüne Partei folgende Rahmenbedingungen:

  • Kürzere Transportzeiten für erwachsene Tiere von maximal 8 Stunden
  • Transportverbote für nicht von Muttermilch entwöhnte Tiere
  • Transport von Jungtieren erst ab fünf Wochen
  • Herkunftskennzeichnung für Fleisch, Eier und Milch in der Gastronomie
  • Exportverbot von Lebendtieren in Drittstaaten
  • Verbot von Tiertransporten auf Schiffen
  • Reform und bessere Durchsetzung der Tiertransportverordnung, strengere Kontrollen der Ruhe- und Transportbestimmungen
  • Förderung von regionaler Produktion, Direktverkauf und kürzeren Transportwegen
  • Förderung von alternativen Schlachtmethoden, wie Weideschlachtungen oder Schlachtung am Hof

Forderungen, die längst überfällig sind, meint Thomas Waitz. In den kommenden Monaten entscheidet sich, ob sie tatsächlich zur Realität werden. „Ende des Jahres wird die Kommission die Überarbeitung der Tiertransportverordnung präsentieren. Jetzt gilt es, den Druck auf die Kommission hochzuhalten, um jegliche Verwässerung zu verhindern“, erklärt der Politiker. Daher braucht es auch den Druck der Bevölkerung, den diese ist schon längst gegen die qualvollen Tiertransporte. Das zeigt eine Umfrage von VIER PFOTEN. Mehr als 93 Prozent der Befragten ist gegen den qualvollen Tiertransport und für strengere Regeln.

Fazit: Es braucht Mut für Veränderung

Bauer Anton Schuster und seine Kühe gibt es nicht wirklich. Die traurige Geschichte dahinter allerdings schon. Sie ist ein Paradebeispiel für unser verfehltes Agrarsystem. Um dem Tierleid ein Ende zu setzen, braucht es endlich Mut seitens der Politik, sich gegen die Agrarlobby zu stellen und ein Umdenken in der Gesellschaft. Denn auch jede:r von uns kann einen Beitrag zum Wohle der Tiere leisten: „Wichtig ist, dass sich Verbraucher:innen über die Herkunft von Lebensmitteln informieren und sich bewusst für Produkte von Kleinbauer:innen und artgerechter Tierhaltung entscheiden“, so Waitz. Langstreckentransporte sind veraltete Systeme, die im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr haben.

Den kompletten Film von Thomas Waitz „Tierleid auf Rädern“ findet ihr hier:

20 Minuten Klimaprotest schlägt 20 Jahre Argumente

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Anfang des Jahres stellte sich eine Gruppe Wissenschafter:innen bei einer Klimaprotestaktion am Wiener Praterstern demonstrativ hinter die Aktivisten. Diese „20 Minuten“ hätten möglicherweise mehr Effekt gehabt „als 20 Jahre Wissenschaftskommunikation“ und „braves“ Argumentieren, so Klimapolitik-Experte Reinhard Steurer – der Initiator der Aktion. Seiner Meinung nach seien solche Störaktionen mittlerweile gerechtfertigt. Es brauche den sozialen und zivilen Widerstand.

Mindestens 30 Jahre lang zeige die Wissenschaft akribisch auf, was die massive Steigerung der Treibhausgase in der Atmosphäre für verheerende Auswirkungen auf das Weltklima hat, so etwa im Rahmen der Berichte des Weltklimarates IPCC. Gebracht habe es herzlich wenig: „Wir sind in einer katastrophalen Situation“, sagte Steurer im Rahmen einer Diskussion zum Thema „Aktivismus in der Wissenschaft – Tabubruch oder Pflicht?“ mit Unterstützern der Initiative „Scientists for Future“.

Es braucht Störung

Laut Steurer sind wir nun an dem Punkt angekommen, „wo es Störung braucht“. Wenn vielerorts unverhohlen Verharmlosung betrieben wird und man es sich im „fossilen Lebensstil“ zu gemütlich eingerichtet hat, brauche es Aktivisten, „die den Spiegel vorhalten“. Dass sich solche Proteste jetzt dorthin bewegen, wo es tatsächlich zu Störungen für den alltäglichen Ablauf kommt, sei gewissermaßen notwendig. Ein Protest an einem Kohlekraftwerk-Standort, vor Firmen- oder Parteizentralen sei mittlerweile kaum noch medial erwähnenswert, meinte der an der Wiener Universität für Bodenkultur tätige Forscher.

„Die Mehrheit der Menschen wählt immer noch Parteien, die mehr oder weniger nichts für den Klimaschutz tun.“

Dass seine Solidarität mit den umstrittenen Klebe-Aktionen der „Letzten Generation“, etwa zur Störung des Frühverkehrs in Wien, ihm nicht nur Applaus bringt, sei klar gewesen, so Steurer. Er habe damit aber einen Gegenpol zur politischen Diskussion setzen wollen, wo die Gruppe vielfach in die Nähe von „Terroristen“ gerückt wurde. „Sie sind keine Kriminellen und Chaoten“ – die Chaoten säßen in den Regierungen und Unternehmen, die zu wenig tun, um die drohende Klimakatastrophe abzuwenden.

Wissenschaft klarer positionieren

Die Forderung der „Letzten Generation“ zur Temporeduktion auf Österreichs Straßen funktioniere auch daher so gut, weil sie einfach und nicht zu technisch ist. Durch das Backup der Forscher am Praterstern habe sich etwas in der öffentlicher Wahrnehmung verändert, glaubt Steurer.

Für Steurer und andere Forscher ist Aktivismus auch eine neue Form der Wissenschaftskommunikation. „Die Wissenschaft“ halte es schon aus, wenn sich Forscherinnen und Forscher in der Klimafrage noch klarer positionieren. In der Vergangenheit seien auch viele Fehler in der Wissenschaftsvermittlung gemacht worden. Selbst die Zusammenfassungen der IPCC-Berichte seien immer noch „keine leichte Kost“, monierte Steurer. Trotzdem habe man über Jahrzehnte „sehr laut gewarnt“. Nun sollte die Wissenschaft auch eine politischere Rolle spielen, und zum Beispiel deutlich auf politische Ablenkungsmanöver und Co hinweisen. Er sehe es auch als Aufgabe, Parteien klar zu benennen, die nichts im Klimaschutz tun.

Es gehe nun sehr wohl auch darum, dabei zu helfen, politischen Druck aufzubauen. „Die Leute werden von Parteien auch nach Strich und Faden belogen“, die sich als vermeintliche Mitte darstellen und auf unrealistische Lösungen durch neue Technologien und Freiwilligkeit hinweisen. Trotzdem wähle die Mehrheit der Menschen immer noch Parteien, die mehr oder weniger nichts für den Klimaschutz tun. (Red/APA)

Seeregion sucht Vision

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Der Wasserstand im Neusiedler See sinkt von Jahr zu Jahr. Letzten Sommer hat er den niedrigsten Stand seit 1965 erreicht. Ob Fremdwasser in ihn eingeleitet wird, ist noch ungewiss. Tourismus und Landwirtschaft müssen aber auf jeden Fall umdenken.

Windsurfer:innen, Tretboote und hin und wieder auch Fähren tauchen regelmäßig am Horizont auf. Im Sommer ist noch viel los am Neusiedler See. Doch das Wasser wird weniger. Wenn man regelmäßig am See ist, kann man das auch mit eigenen Augen mitverfolgen. Zum Beispiel im Strandbad Weiden am See. Besonders gut zeigt sich das im Kinderbadebereich. In diesem planschen nicht nur kleine Kinder herum, viele nutzen den flachen Zugang zum See auch, um mit ihren Stand-Up-Paddle-Boards ins Wasser zu kommen. Anfang Juni war der Weg ins Wasser noch nicht allzu weit. Ende August musste man dann schon eine Weile über kleine heiße Steine staksen, bis die Füße vom Wasser umspielt wurden.

So niedrig wie zuletzt 1965

Dass das Wasser des Sees weniger wird, zeigt sich auch in Zahlen: Mit 115 Metern über der Adria wurde im Juli 2022 der niedrigste Stand seit 1965 erreicht. Wasserschwankungen und komplettes Austrocknen gehören zum Neusiedler See dazu. Mehr noch: Sie sichern sein Überleben. Ein- bis zweimal pro Jahrhundert ist der Steppensee in seiner 13.000-jährigen Geschichte ausgetrocknet. Im 20. Jahrhundert allerdings kein einziges Mal, daher ist uns dieser Prozess nicht so bewusst.

Neusiedler See
Der Neusiedler See ist bei Windsurfer:innen beliebt. © Markus Englisch

Mittlerweile hängt sehr viel am See. Der Tourismus genauso wie die Landwirtschaft. Was also tun? Die Grünen Burgenland haben eine Fachtagung organisiert, um sich mit „ökologisch sinnvollen Optionen für die Zukunft“ der Region Neusiedler See zu beschäftigen.

Künstliche Wasserzufuhr umstritten

Einig waren sich die Expert:innen an diesem Abend nicht immer. Vor allem bei der Frage, was mit dem Wasser im See passieren soll. Während sich Bernhard Kohler, Biologe und Artenschutzexperte beim WWF, vehement gegen eine künstliche Wasserzufuhr aus der ungarischen Moson-Donau ausspricht, hält Biologe Georg Wolfram, der auch ein Gutachten für die burgenländische Landesregierung erstellt hat, eine Zufuhr in einem bestimmten Ausmaß für möglich.

„Der See braucht gelegentliche Austrocknungsereignisse für sein langfristiges Überleben.“

Kohler spricht sich dafür aus, den See seinem natürlichen Schicksal zu überlassen. Das heißt: austrocknen. „Der See braucht starke Wasserstandschwankungen, gelegentliche Austrocknungsereignisse und einen ausreichenden Salzgehalt für sein langfristiges Überleben“, betont Kohler. Er befürchtet, dass durch die Zuleitung der Salzhaushalt des Sees gestört wird. Das Salz in Kombination mit der geringen Wassertiefe und ständigen Windbewegungen sorgt dafür, dass winzige Mineralteilchen in der Schwebe bleiben. Das macht das Wasser trüb und verhindert, dass sich Algen bilden. Sinkt der Salzgehalt, wird das Wasser klarer und Algenbildung begünstigt. Diese Trübeteilchen tragen auch dazu bei, dass totes organisches Material abgebaut wird, bevor es den Seeboden erreicht und zur Schlammbildung beiträgt. Eine künstliche Wasserzufuhr würde laut Kohler daher bedeuten, dass der See womöglich noch schneller verlandet, weil mehr Schlamm entsteht. Die Trockenphasen sind auch notwendig, damit sich der Schlamm an der Luft zersetzen kann.

Wasserzufuhr mit Zufluss aus Wulka vergleichbar

Laut Wolfram würde jedoch nicht so viel Wasser aus der Moson-Donau in den Neusiedler See geleitet werden, damit die von Kohler beschriebenen Szenarien eintreten. Um die 30 Millionenen Kubikmeter Donau-Wasser sollen den Pegel des Sees um zehn Zentimeter pro Jahr anheben. Zum Vergleich: Aus der Wulka, die in den See mündet, kommen jährlich 20 bis 30 Millionen Kubikmeter. „In diesem Ausmaß verträgt der See eine Wasserzufuhr“, erklärt Wolfram. Gleichzeitig hält er aber auch fest: „Man kann den See nicht in alle Richtungen drehen und manipulieren, so wie wir das wollen.“ Durch die Zuleitung würde das Wasser im See erhalten bleiben, was gut für das Mikroklima und das Ökosystem ist. Der See wäre dennoch weiterhin auf Niederschlag angewiesen.

Sinkendes Grundwasser macht Landwirtschaft zu schaffen

Die Region Neusiedler See wird sich also unweigerlich verändern. Doch was bedeutet das für all jene, die vom See leben? Josef Umathum ist Winzer in Frauenkirchen. Die Landwirt:innen verwenden zwar nicht das Wasser aus dem Neusiedler See, um ihre Felder zu bewässern. Trotzdem brauchen sie den See. Indem das Wasser des Sees verdunstet, entsteht das für die Region typische mediterrane Klima. Der Landwirtschaft macht zu schaffen, dass das Grundwasser immer mehr sinkt und Niederschläge ausbleiben. Umathum führt dazu auch ein Weintagebuch auf seiner Homepage. Im letzten Beitrag vom 23. Jänner heißt es: „Während der Süden Österreichs im Schnee versinkt, zeigt sich das Wetter im Nordosten Österreichs sonnig und weiterhin zu trocken. Im Burgenland fehlt es an wertvollem Nass und vor allem fehlt der Schnee, der den geschrumpften Vorrat an Grundwasser wieder auffüllen könnte.“

Landwirtschaft muss Wasser sparen

Für die Landwirtschaft heißt es also: umdenken. „Es wird existentiell notwendig sein für die Landwirtschaft, mit dem vorhandenen Wasser sparsam und sparsamer umzugehen“, sagt er. Man wird sich am mediterranen Raum orientieren müssen. Nicht nur beim Wasserverbrauch, sondern auch bei den Kulturen, die man künftig anbauen wird. Mais benötigt viel Wasser und wird daher keine Zukunft haben. Roggen hingegen kommt mit wenig Wasser aus und ist ertragreich. Hier wird es Förderungen von staatlicher Seite brauchen, meint der Winzer.

Die Böden müssen so bewirtschaftet werden, dass sie mehr Wasser speichern können. Zum Beispiel, indem man den Boden begrünt oder Kompost aufbringt. Der Seewinkel muss zudem aufgeforstet werden. In den letzten 60 Jahren wurden Windschutzgürtel rausgerissen und Sümpfe trockengelegt. Fehler, die man jetzt spürt. Damit sich etwas ändert in der Landwirtschaft, müssen alle zusammenarbeiten. „Wir sitzen alle in einem Boot. Solange Wasser da ist, können wir noch rudern. Wir müssen zusammenarbeiten. Es geht nur mit Solidarität“, betont Umathum.

See als Dreh- und Angelpunkt für Tourismus

Um Veränderungen wird auch der Tourismus nicht umhinkommen. Zwar kommen immer weniger Gäste, um im Neusiedler See zu baden – an Schwimmen ist aufgrund des niedrigen Wasserstandes ohnehin nicht mehr zu denken. Doch viele Touristiker:innen sind sich einig, dass der See Dreh- und Angelpunkt für den Tourismus ist. Die Radfahrer:innen kommen wegen der Landschaft, die vom See geprägt ist. Ebenso die Weinliebhaber.

„Ein ausgetrockneter See ist nicht sehr attraktiv für die Gäste.“

Das hat auch Victoria Schreiner beobachtet. Sie betreibt eine Ferienwohnung in Rust. „Viele Touristen wollen nicht baden, aber am See sein. Die meisten wollen Radfahren und Fährverbindungen nutzen“, beschreibt sie ihre Beobachtungen der letzten Jahre. Auch Schiffrundfahrten nutzen die Gäste gerne. „Ein ausgetrockneter See ist wahrscheinlich nicht sehr attraktiv für den Großteil der Gäste. Man bekommt den Klimawandel im Urlaub vor Augen geführt“, meint Schreiner. Sie ist sich aber sicher, dass man neue Tourismuskonzepte finden wird, damit die Menschen auch weiterhin in die Region kommen. Sie fordert aber, dass diese gemeinsam mit Betroffenen ausgearbeitet werden.

Neusiedler See
Die Przewalski-Pferde wurden in Illmitz ausgewildert. © Nicole Frisch

Das Naturerlebnis wird wohl ein Faktor sein, der in Zukunft wichtiger werden wird. Bereits jetzt hat es einen großen Anteil am Tourismusaufkommen, lässt Tourismusexperte Alois Lang wissen. Im Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel gibt es nicht nur die außergewöhnliche Steppenlandschaft zu betrachten, sondern auch ihre Artenvielfalt. Von verschiedensten Vogelarten bis hin zu den Przewalski-Pferden, die in Illmitz ausgewildert wurden.

Salzlacken trocknen aus

Reich an Artenvielfalt sind auch die Salzlacken im Seewinkel. Aufgrund der Trockenheit werden aber auch sie immer weniger. Im Nationalpark trifft man immer öfter auf kahle, ausgetrocknete Flächen als auf wasserreiche Lacken, in denen sich unterschiedliche Vögel tummeln. Wurden 1855 noch 139 Lacken gezählt, kam man 2020 nur noch auf 27 bis 30. Damit sind nur noch 18 Prozent der Flächen vorhanden. Noch drastischer: Allein zwischen 1986 und 2020 hat die Zahl der Lacken um 20 Prozent abgenommen. „Wir dürfen nicht nur das fehlende Wasser im See thematisieren, sondern müssen auch schauen, was es heißt, wenn wir so mit den Lacken umgehen“, gibt Lang zu Bedenken.

Neusiedler See
Die Salzlacken im Seewinkel trocknen zunehmend aus. © Nicole Frisch

Man wird sich auch neue Mobilitätskonzepte für Radfahrer:innen überlegen müssen, wenn der Wasserstand so niedrig ist, dass sie nicht mehr mit der Fähre zwischen Mörbisch und Illmitz pendeln können. „Wir müssen uns anschauen, wie wir einen Plan B oder mehrere entwickeln“, sagt Lang. Dabei wird es auch notwendig sein über die Landesgrenzen hinauszublicken und zu schauen, was andere Tourismusregionen, die mit Trockenheit zu kämpfen haben, tun.

Es braucht ein Umdenken

Die Region Neusiedler See wird sich in den nächsten Jahren verändern. Mit dem Ausbaggern von Schlamm, um den Wasserspiegel zu heben, wie es derzeit in Rust und Mörbisch passiert, wird sich das vermutlich nicht verhindern lassen. Es sind noch viele Fragen zur Zukunft des Sees offen. Aber es wird ein Umdenken brauchen. Und die Fachtagung hat gezeigt, dass es bereits Menschen gibt, die sich mit neuen Lösungen auseinandersetzen. Ob Donauwasser in den See geleitet wird oder dieser austrocknet, wird sich noch zeigen. Doch die Menschen müssen unabhängig davon weitermachen.