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Stromkostenbremse: Wie sie hilft

Die Teuerungen belasten immer mehr Menschen. Die Regierung hat sich daher nun auf eine Stromkostenbremse geeinigt. Für die Verbraucher:innen soll das eine Entlastung von 500 Euro im Jahr bringen. 

Die Preise sind in den letzten Monaten stark angestiegen. Im Supermarkt. An der Tankstelle. Beim Gas. Und auch auf der Stromrechnung. Österreich ist aktuell mit den höchsten Inflationsraten seit 50 Jahren konfrontiert. Für die Teuerungswellen verantwortlich sind die pandemiebedingten Lieferengpässe und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Für immer mehr Menschen in Österreich wird das zu einer enormen Belastung. Soziale Probleme werden verschärft, für Haushalte mit weniger Geld wird es immer schwieriger.

Stromsparen trotz niedrigerer Rechnungen

Beim Strom steuert die Bundesregierung nun mit einer Kostenbremse entgegen. Das Ziel: Die Stromrechnungen senken, gleichzeitig aber auch Anreize zum Stromsparen schaffen. „Die hohen Strompreise sind für viele Menschen in unserem Land eine große Belastung. Deshalb haben wir uns als Regierung vorgenommen, schnell, unkompliziert und spürbar zu entlasten. Die Stromkostenbremse macht genau das: Sie fördert den Grundbedarf an Strom und sorgt dafür, dass Menschen, die darüber hinaus Unterstützung brauchen, diese auch erhalten. Zusätzlich stellt sie sicher, dass wir weiterhin sorgsam mit Energie umgehen“, sagt Energieministerin Leonore Gewessler.

Grundbedarf wird gefördert

Die Stromkostenbremse greift beim Grundbedarf der Haushalte, den die Regierung bei 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs eines Haushalts angesetzt hat. Das sind pro Jahr maximal 2.900 Kilowattstunden. Bis zu dieser Grenze zahlen die Verbraucher:innen zehn Cent pro Kilowattstunde.  Den Restbetrag schießt der Staat zu – bis maximal 40 Cent. Das bedeutet, dass Haushalte, die 30 Cent pro Kilowattstunde bezahlen, 20 Cent gefördert bekommen. Bezahlt man mehr als 40 Cent pro Kilowattstunde, erhält man ebenfalls 30 Cent Förderung. Damit will die Regierung verhindern, dass Energieunternehmen aufgrund der staatlichen Unterstützung, die Preise noch mehr anheben.

Verbraucht ein Haushalt mehr als 2.900 Kilowattstunden Strom im Jahr, muss er den darüber hinausgehenden Verbrauch zu den aktuellen Marktpreisen bezahlen. So will die Regierung erreichen, dass trotz der Unterstützung sparsam mit Strom umgegangen wird.

  • Update vom 30.11.2022: Mehrpersonenhaushalte verbrauchen mehr Strom als Single-Haushalte. Daher gibt es für Haushalte, in denen mehr als drei Personen leben, ein Zusatzkontingent. Für jede zusätzliche Person werden 350 Kilowattstunden zu 30 Cent unterstützt. Weiters bekommen jene Menschen, die von den Rundfunkgebühren (GIS) befreit sind, einen zusätzlichen Netzkostenzuschuss von bis zu 200 Euro pro Haushalt.

Die Bundesregierung rechnet mit einer Entlastung von rund 500 Euro pro Haushalt. Drei bis vier Milliarden Euro stellt sie dafür zur Verfügung. Die Stromkostenbremse tritt am 1. Dezember in Kraft. Die Maßnahme wird bis 30. Juni 2024 gelten. Die Verbraucher:innen bekommen dann automatisch die verringerte Stromrechnung zugeschickt. Es ist kein Antrag notwendig. Die Stromversorger bekommen den Unterschied zwischen dem gedeckelten Preis und dem Tarif vom Staat ersetzt. Die Stromkostenbremse soll rasch und unbürokratisch helfen.

Die aktuellen Teuerungen bedeuten auch für viele Unternehmen eine enorme Belastung. Auch für sie sollen Maßnahmen kommen. Die Regierung arbeitet an diesen aktuell noch.

vera*: Jemand, der dir glaubt

Im Probenraum, in der Turnhalle und auch am Sportplatz – Belästigung, Gewalt und Machtmissbrauch kommt überall vor. Mit vera* wurde nun eine Vertrauensstelle für Betroffene aus den Bereichen Kunst, Kultur und Sport eingerichtet. Das Ziel: Betroffenen helfen und ein gewaltfreies Klima schaffen.

Wahr, wahrhaftig, aber auch Glaube, Zuversicht und Vertrauen bedeutet der Name Vera. Vera* heißt auch die neue Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Sport. Eigentlich ist es eine Abkürzung für Vertrauens- und Anlaufstelle. Doch auch die Bedeutungen des Namens Vera beschreibt die Institution treffend. „Dies spiegelt die Haltung der Mitarbeitenden wider, denn bei vera* hört dir jemand zu, der dir glaubt, der dich ernst nimmt, der an die Wahrheit deiner Aussagen glaubt“, lässt das Team von Safe Sport wissen.

Safe Sport ist ein Fachbereich des Vereins 100 Prozent Sport und setzt sich seit Jahren für ein diskriminierungs- und gewaltfreies Klima im Sport ein. Bei vera* ist der Verein für den Bereich Sport zuständig. Anlaufstelle für Betroffene aus Kunst und Kultur ist der Verein Vertrauensstelle. Vera* ist die Dachmarke. Betroffene können sich informieren, werden beraten und wenn notwendig an andere Stellen vermittelt. Ist es zu Vorfällen gekommen beziehungsweise besteht der Verdacht auf Belästigung und Machtmissbrauch werden sie betreut und begleitet. Neben dieser individuellen Fallarbeit will man bei vera* aber auch auf das System einwirken. Organisationen sollen sensibilisiert, ein Bewusstsein für die Problematik geschaffen werden.

Vorfälle zeigen Notwendigkeit

Vera* geht auf einen Entschließungsantrag des Nationalrats zurück. Im März 2021 wurde das Ministerium für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport (BMKOeS) dazu aufgefordert, eine Beratungs- und Anlaufstelle für Betroffene von Belästigung und Machtmissbrauch einzurichten. Dass es diese braucht, zeigt die Metoo-Debatte, die vor allem seit 2017 Belästigungs- und Missbrauchsfälle sichtbar macht. In Österreich wurden zuletzt vor allem Vorfälle aus dem Bereich Kunst und Kultur öffentlich. Regisseurin Katharina Mückstein hat auf der Social Media-Plattform Instagram über ihre Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch geschrieben. Daraufhin hat sie zahlreiche Nachrichten von anderen Betroffenen bekommen. Zum Teil hat sie diese anonym veröffentlicht. Die 20-jährige Schauspielerin Luna Jordan hat in ihrer Rede beim Österreichischen Filmpreis erzählt, dass sie bereits viermal Opfer von sexuellem Missbrauch war. Der Standard hat Anfang August seine Recherche zu Belästigung, Gewalt und Machtmissbrauch an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien veröffentlicht. Vor wenigen Tagen wurde ein Gymnastiktrainer zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er Unmündige sexuell belästigt und missbraucht hat. Die ehemalige Schirennläuferin Nicola Werdenigg hat 2017 ihr Schweigen gebrochen. In den 1970er Jahren hat sie Machtmissbrauch selbst erlebt, unter anderem hat sie ein Teamkollege vergewaltigt.

Drei von vier haben Machtmissbrauch erlebt

Bei all diesen Fällen handelt es sich nicht um Ausnahmen, sie sind ein strukturelles Problem. Eine Online-Umfrage des Kulturrat Österreichs offenbart ein erschreckendes Bild: Von 623 Befragten aus Kunst, Kultur und Sport waren bereits 453 betroffen. Damit hat nur jeder Vierte keine Erfahrung mit Belästigung, Gewalt und Machtmissbrauch gemacht. Viele der Befragten waren sogar mehrfach betroffen. Am häufigsten erwähnten die Befragten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität. Die europaweite Studie Cases hat den Sportbereich untersucht. In Österreich haben 70 Prozent der Studienteilnehmer:innen als Kinder und Jugendliche Gewalt erlebt. 32 Prozent haben von sexualisierter Gewalt ohne Körperkontakt berichtet, 16 Prozent mit Körperkontakt.

Risikofaktoren begünstigen Grenzüberschreitung

Die Bereiche Kunst, Kultur und Sport sind nicht anfälliger als andere Bereiche für Belästigung und Gewalt. Aber sie weisen Risikofaktoren auf, die Grenzüberschreitungen begünstigen. Prekäre Anstellungsverhältnisse, Abhängigkeiten und Hierarchien. Hinzu kommt, dass Proben und Trainings oft isoliert stattfinden. Gerade im Film- und Theaterbereich arbeitet oft eine Gruppe über einen längeren Zeitraum isoliert an einem Projekt. Kommt es zu einem Vorfall fehlt intern die Vertrauensperson und, sich an eine neutrale Stelle außen zu wenden, ist auch nicht möglich. Im Sport wiederum ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Sportler:in und Trainer:in wichtig. Dieses kann missbraucht werden. Die Angst, dass die Karriere zu Ende sein könnte, wenn man die Vorfälle öffentlich macht, ist groß. Das zeigt auch die Umfrage des Kulturrats: Nur 14 Prozent der Befragten konnten Nachteile für sich ausschließen.

Metoo-Debatte hat Ventil geöffnet

Durch die Metoo-Debatte haben viele Betroffene das lange Zeit Unaussprechliche ausgesprochen. Das Bewusstsein für Belästigung, Gewalt und Machtmissbrauch ist gewachsen. Es wurde erkannt, dass nicht nur daran gearbeitet werden muss, Übergriffe und Grenzüberschreitungen zu verhindern, sondern dass Vorfälle auch aufgearbeitet werden müssen. Anlaufstellen wie #we_do für Filmschaffende und Safe Sport für Sportler:innen tun dies bereits seit Jahren. Im Sportbereich gibt es ein Netzwerk aus 104 Präventions- und Schutzbeauftragten in Vereinen und Verbänden sowie 102 Genderbeauftragte. Vera* ist nun eine weitere wichtige Stelle, die versucht, ein gewaltfreies Klima in Kunst, Kultur und Sport herzustellen. Das Team von Safe Sport plädiert aber auch für Vertrauenspersonen innerhalb der Strukturen. Dafür braucht es die Möglichkeit für Feedback und ein Beschwerdemanagement. „Gewalt ist nicht notwendig, um herausragende Leistungen zu erhalten“, ist man sich bei Safe Sport sicher.

Spanien: Zugfahren zum Nulltarif

Spanien macht manche seiner Züge ab 1. September gratis. FREDA hat sich angesehen, welche Bahnstrecken Teil der Aktion sind und ob auch bahnfahrende Tourist:innen davon profitieren können.

Auch Spanien ächzt unter den gestiegenen Kosten für Energie, Treibstoff und Lebensmittel. Die Inflation ist im Juli 2022 auf 10,8 Prozent gestiegen. Um die Spanier:innen zu entlasten, ruft die Regierung das Null-Euro-Ticket ins Leben. Es ist Teil eines größeren Maßnahmenpakets, das der Ministerpräsident Pedro Sánchez Mitte Juli vorgestellt hat.

Vorerst soll das Ticket für vier Monate gelten – von 1. September bis 31. Dezember. Ob die Regierung die Aktion verlängert, ist derzeit noch offen. Auf 15 bis 20 Prozent mehr Fahrgäste hofft das spanische Ministerium für Verkehr, Mobilität und städtische Agenda in diesen Zeitraum.

Regierung will vor allem Pendler:innen entlasten

Mit dem Null-Euro-Ticket will man vor allem Menschen in die Züge locken, die bisher mit dem Auto in die Arbeit oder zum Studium gependelt sind. Das spiegelt sich auch in der Entscheidung wider, die Freifahrten nicht für das gesamte spanische Zugnetz anzubieten. Folgende Züge kann man mit dem Null-Euro-Ticket fahren:

  • Cercanías-Züge
    Das sind die Vorortzüge. Sie verbinden die großen spanischen Städte mit ihrem Umland. Cercanías sind vergleichbar mit den österreichischen S-Bahnen. Sie finden sich unter anderen in den Städten Madrid, Valencia, Sevilla und Bilbao.
  • Rodalies-Züge
    Bei den Rodalies handelt es sich um die Vorortzüge Kataloniens. Sie verbinden Barcelona mit dem Umland. Auch diese Züge sind mit den österreichischen S-Bahnen vergleichbar.
  • Media Distancia-Züge
    Das sind die Mittelstreckenzüge Spaniens. Als Mittelstrecke gelten in Spanien alle Zugverbindungen, die kürzer als 300 Kilometer sind. Die Media Distancia entsprechen den österreichischen REX- und Intercity-Zügen.
  • Züge der mallorquinischen Bahngesellschaft SFM
    Zunächst war die Maßnahmen nur für das spanische Festland vorgesehen, wo das staatliche Bahnunternehmen Renfe ein einheitliches Tarifsystem betreibt. Anfang August beschließt die spanische Regierung aber, die Maßnahmen auch auf die Insel Mallorca auszudehnen. Damit sind alle Züge der Insel gratis.
Gratis Zugfahren Spanien
Spaniens berühmte Hochgeschwindigkeitszüge werden zwar nicht gratis, aber auf kurzen Fahrten gibt es 50 Prozent Ermäßigung.
Halbierte Preise in den Hochgeschwindigkeitszügen

Spanien bedient mit seinen AVE-Zügen Europas längstes Hochgeschwindigkeitsnetz. Diese Züge sind nicht Teil der Gratis-Aktion. Allerdings gewährt Renfe 50 Prozent Ermäßigung auf alle AVE-Fahrten, die kürzer als 100 Minuten dauern.

 Wie Reisende vom Null-Euro-Ticket profitieren

Auch Menschen ohne spanische Staatsbürgerschaft und ohne Wohnsitz in Spanien können das Null-Euro-Ticket prinzipiell nutzen. Es gibt aber Hürden:

  • Man braucht ein Monatsabo oder eine Mehrfahrtenkarte.
    Einfach zum Bahnhof kommen und einstiegen, spielt es nicht. Nur wer bereits ein Monatsabo bei Renfe hat oder eine Mehrfahrtenkarte besitzt, kann von den Gratisfahrten profitieren.
  • Man muss sich online anmelden.
    Wer die Gratisfahrten in Anspruch nehmen möchte, muss sich registrieren. Am leichtesten geht das über die App von Renfe, verfügbar für Android und iOS. Dort erhält man das Ticket dann in Form eines QR-Codes aufs Handy.
  • Man muss eine Kaution hinterlegen.
    Die Kaution beträgt zehn Euro, wenn man ausschließlich Regionalzüge nutzen möchte. Für die Mittelstreckenzüge beträgt die Kaution 20 Euro.
  • Man muss mindestens 16 Fahrten unternehmen.
    Renfe erstattet die Kaution nur zurück, wenn man in den vier Monaten, in denen die Maßnahme gilt, mindestens 16 Fahrten gemacht hat.

Diese Punkte machen das Angebot wohl nur für Reisende interessant, die sich mehrere Wochen im Land aufhalten. Das ist kein Zufall. Laut Regierungssprecherin Isabel Rodríguez García sind 200 Millionen Euro für die gratis Zugfahrten veranschlagt. Mit den Hürden will die Regierung sicherstellen, dass es bei dieser Summe bleibt. Man wolle mit dem Geld vor allem heimische Pendler:innen entlasten.

In Deutschland endet das 9-Euro-Ticket

Während das Null-Euro-Ticket am 1. September startet, endet am anderen Ende Europas ein vergleichbares Öffi-Angebot. Bis 31. August konnte man für neun Euro pro Monat den gesamten Nah- und Regionalverkehr Deutschlands nutzen. Das Ticket wurde seit Ende Mai 38 Millionen Mal verkauft. Ob und wie es fortgesetzt wird, darüber wird in Deutschland derzeit intensiv debattiert.

Österreichs Klimaticket als Vorbild

Seit Ende Oktober 2021 gibt es in Österreich das Klimaticket. Für 1.095 Euro im Jahr kann man damit alle öffentlichen Verkehrsmittel des Landes unbegrenzt nützen. Als Ergänzung zum österreichweiten Angebot gibt es auch regionale Tickets, die nur für einzelne Bundesländer gültig sind. Der Erfolg des Tickets zeigt sich auch in den Zahlen. 15 Prozent mehr Fahrgäste zähle man im Vergleich zu vor Corona, meldet die ÖBB. Angesichts dieser Zahlen wundert es nicht, dass Deutschland bereits über ein ähnliches Modell nachdenkt.

Blutspenden für alle

Liebe ist Liebe – das hat nun auch die Politik erkannt. Bisher durften homo- und bisexuelle Männer kein Blut spenden, wenn sie innerhalb der letzten zwölf Monate Sex hatten. Ihnen wurde pauschal ein unvorsichtiges Sexualverhalten unterstellt. Die Drei-mal-Drei-Regel beseitigt diesen Ausschluss. Das individuelle Risikoverhalten ist seit 1. September Maßstab für alle.

Blutkonserven sind überlebensnotwendig. Nach Unfällen, während Operationen. Pro Tag werden in ganz Österreich 1.000 Konserven verbraucht. Umso wichtiger ist es, dass alle, die können, auch regelmäßig zur Blutspende gehen. Umso absurder: Bisher durften nicht alle, die wollten. Homo- und bisexuelle Männer wurden in der Praxis pauschal ausgeschlossen. Wollten sie Blut spenden, durften sie davor zwölf Monate keinen Sex haben. Die Begründung: sexuell und über Blut übertragbare Krankheiten würden in dieser Gruppe häufiger auftreten. Haten jedoch heterosexuelle Personen Intimkontakt mit Menschen, die zum Beispiel mit HIV infiziert sind, waren sie im Vergleich dazu nur vier Monate ausgeschlossen. „Eine völlig aus der Zeit gefallene Ungleichbehandlung“ laut Gesundheitsminister Johannes Rauch.

„Blutkonserven sind sicher und sie bleiben das auch.“

Mit dieser Diskriminierung ist nun Schluss. Rauch hat gemeinsam mit Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm im Mai eine Novelle der Blutspendeverordnung angekündigt. „Die Möglichkeit zum Blutspenden wird in Österreich künftig nur mehr vom eigenen Verhalten abhängen und nicht davon, wen man liebt oder wer man ist“, sagte Rauch. Die sogenannte Drei-Mal-Drei-Regel ist der Maßstab, um das Verhalten zu beurteilen.

  • 3×3-Regel: All jene, die innerhalb der letzten drei Monate mit drei verschiedenen Partner:innen Geschlechtsverkehr hatten, dürfen drei Monate lang kein Blut spenden. Geschlecht, Identität und sexuelle Orientierung spielen keine Rolle mehr.
Immer mehr Länder senken Hürden

„Blutkonserven sind sicher und sie bleiben das auch“, versichert Rauch. Das zeigt sich dadurch, dass Österreich nicht das erste Land mit so einer Regelung ist. In Italien, Portugal und Polen zum Beispiel sind Homosexuelle schon seit Jahren mit heterosexuellen Spendenwilligen gleichgestellt. Zuletzt haben immer mehr europäische Länder ihre Richtlinien gelockert. Unter anderem Großbritannien: Dort dürfen homo- und bisexuelle Männer Blut spenden, wenn sie in den letzten drei Monaten mit maximal einem Partner Geschlechtsverkehr hatten. Das Risiko wird individuell bewertet. In Frankreich und Griechenland spielt die sexuelle Orientierung mittlerweile gar keine Rolle mehr – wie in Österreich.

Deutschland beseitigt nicht alle Ungerechtigkeiten

Auch in Deutschland gab es 2021 eine Neuregelung. Alle, die mindestens vier Monate lang keine wechselnden Sexualpartner:innen hatte, dürfen Blut spenden. Aber es gibt trotzdem noch eine Ungleichbehandlung queerer Männer. Haben sie außerhalb einer solchen Beziehung Sexualkontakt, dürfen sie vier Monate lang kein Blut spenden. Für Sexualkontakte zwischen Frauen und Männern gilt dies jedoch nicht. Sie werden nur bei häufig wechselnden Partner:innen ausgeschlossen.

In Österreich ist die jahrelange Diskriminierung seit 1. September Geschichte. Der Fragebogen, den man vor dem Blutspenden ausfüllen muss, wurde auf Basis der neuen Blutspendeverordnung bereits aktualisiert. Nach zwei Jahren wird die Neuregelung evaluiert.

Biber: Artenschutz mit Biss

Wo auch immer ein Biber in den Wald einzieht, steigt die Artenvielfalt. Bei einem Spaziergang durch den Nationalpark Donauauen lässt sich gut nachvollziehen, wie der Nager das anstellt.

Drei klatschende Schläge im Wasser, dann Stille. Wer öfter durch die Auenwälder in Orth an der Donau streift, weiß, was das gerade war. Man hat fremdes Revier betreten. Biberrevier. Und das ist den scharfsinnigen Nagern nicht entgangen. Mit seinem schuppigen Schwanz, der Kelle, schlägt einer von ihnen kräftig auf die Wasseroberfläche. Jetzt weiß der restliche Biberclan Bescheid: potenzielle Gefahr im Anmarsch. Sie tauchen ab und beobachten die Lage im Verborgenen.

In den ruhigen Seitenarmen des Nationalparks Donauauen leben rund 400 Biber, schätzt die Nationalparkverwaltung. © Kovacs / Nationalpark Donauauen

Im Nationalpark Donauauen östlich von Wien bekommt man selten Biber zu Gesicht. Und das, obwohl es hier mehr Exemplare gibt, als irgendwo sonst in Österreich. Trotzdem lohnt sich ein Spaziergang, denn der Biber hinterlässt Spuren. Sehr viele sogar. Kein anderes Tier krempelt seine Umwelt derart um wie der Biber. Und diese Spuren helfen uns, zu verstehen, was der Biber für die Artenvielfalt im Wald leistet.

Biber schaffen Totholz

Welchen Weg auch immer man durch den Nationalpark gewählt hat, früher oder später trifft man auf einen gefällten Baum. Ob hier ein Biber oder doch nur der Wind am Werk war, lässt sich schnell klären. Die Abdrücke der langen Biber-Schneidezähne im Holz sind unverkennbar. Mit ihnen schabt er die Rinde der Bäume ab, wie ein Schäler die Apfelhaut. Besonders Weichhölzer wie Weiden und Pappeln finden die Nager unwiderstehlich. Um an die geliebte Rinde und an die ein oder andere Knospe heranzukommen, müssen sie den Baum fällen. Denn Klettern ist keine Option. Biber sind an Land ungeschickt – und nebenbei echte Schwergewichte. Mit bis zu 30 Kilo sind nach dem südamerikanischen Wasserschwein die zweitschwersten Nagetiere der Welt.

Totholz ist die Lebensgrundlage für unzählige Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Der Biber sorgt dafür, dass immer reichlich davon vorhanden ist. © Kern / Nationalpark Donauauen

Vielen Menschen ist der Biber suspekt. Er schade dem Wald, weil er gesunde Bäume fälle, so die landläufige Meinung. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ein gesunder Wald braucht Totholz. Ein genauer Blick auf einen toten Baumstamm genügt, um zu sehen, dass er alles andere als tot ist. Am Stamm wimmelt es vor Kleinstlebewesen. Auf, in und um gefällte Bäume leben Ameisen, Holzwespen, Pracht- und Hirschkäfer. Neben Tieren finden auch unzählige Flecht-Pilz- und Farnarten am Totholz ihr Zuhause.

Der Förster des Waldes

Der Biber schafft für sie alle Lebensräume, in dem er immer neues Totholz bereitstellt. Aber er tut dem Wald noch auf andere Weise einen Gefallen. Ein paar Schritte weiter, nahe dem Seitenarm, tun sich Lichtungen im Wald auf. Und auch hier hatte der Biber seine Finger im Spiel – oder besser geht seine Schneidezähne.  Mit jedem Baum, den der Nager fällt, entstehen kleine Lichtungen im Wald. Dadurch schaffen es Sonnenstrahlen wieder direkt zum Waldboden. Das Ergebnis: prächtige Wildwiesen. Wer sich die Zeit nimmt, das wuselige Geschehen hier zu beobachten, kann eine Vielfalt an Wildbienen, Schmetterlingen und Faltern zählen.

Auch hier hat der Biber wieder kleine Lebensräume geschaffen, die der Wald zuvor nicht hatte. Außerdem ermöglichen die Lichtungen jungen Bäumen nachzuwachsen. So verjüngt der Biber den Wald. Und der Biber gibt Baumarten eine Chance, die unter den dunklen Baumkronen alter Bäume nie gewachsen wären.

 Der Biber und seine Dämme

Der Biber ist fleißig. Aber er arbeitet durchaus mit Augenmaß. Das zeigt sich auch im Nationalpark Donauauen. An keinem der vielen Seitenarme findet man einen Biberdamm. Der Grund: Das Wasser ist von Natur aus tief genug für sie, um Schwimmen und Tauchen zu können. Die Arbeit, hier einen Damm anzulegen, macht sich keiner der 400 Biber.

Biberfamilien, die in kleinen Bächen und Flüssen leben, haben da mehr zu tun. In mühsamer Kleinstarbeit legen sie Dämme an und schaffen dahinter Bereiche, wo das Wasser höher steht und langsamer fließt – sogenannte Biberteiche. Diese Teiche sind einerseits ein wichtiger Hochwasserschutz. Andererseits sind Biberteiche wahre Biouniversitätswunder.  Hier finden Tiere einen Lebensraum, die in fließenden Gewässern eigentlich nicht heimisch sind. Amphibien wie Frösche, Molche und Kröten genauso wie Libellen.

Äste, die dank des Bibers im Wasser landen, sind für die europäische Sumpfschildkröte willkommene Rastplätze. © Dolecek / Nationalpark Donauauen
Baumkronen im Wasser

Biberteiche gibt es im Nationalpark nicht. Was man aber zahlreich in den Altarmen findet, sind tote Bäume im Wasser. Am liebsten fällt der Biber nämlich die Bäume im Uferbereich. Einerseits, weil er dann im Schutz des trüben Wassers speisen kann. Andererseits, weil das Grünzeug im Wasser länger frisch bleibt. Er nutzt den Seitenarm als Kühlschrank. Von dieser Praxis profitieren zahlreiche Lebewesen.

Eine Baumkrone, die im Wasser landet, ist vergleichbar mit einem Korallenriff im Meer. Die Äste schaffen geschützte Zonen im Wasser, wo es kaum Strömung gibt. Ein idealer Laichplatz und eine gute Versteckmöglichkeit, für alles und jeden mit Fressfeinden. Und die Äste, die aus dem Wasser schauen, sind sichere Ruheplätze für Eisvögel und Sumpfschildkröten.

Der Biber verspeist sein Essen am liebsten im geschützten Wasser. © Kern / Nationalpark Donauauen
Was Menschen und Biber gemeinsam haben

Der Biber verändert die Landschaft so, dass sie seinen Bedürfnissen gerecht wird. Das hat er mit den Menschen gemeinsam. Auch wir verändern Landschaften zu unseren Gunsten. Wir legen Wege an, graben Tunnel, stellen Bauwerke in die Landschaft und verändern den Lauf der Flüsse. All das macht auch der Biber.

Es gibt aber einen bedeutenden Unterschied: Der Biber verändert die Natur so, dass andere Arten mehr Platz zum Leben vorfinden. Wir Menschen verändern die Natur so, dass andere Arten immer weniger Platz haben. Wir können uns vom Biber also so einiges abschauen.

Zukunftswald als Klimaretter

Bäume ziehen Kohlendioxid aus der Luft, wandeln es in Sauerstoff und beeinflussen unser Klima dadurch positiv. Deshalb gelten Bäume auch als Klimaretter. Damit das aber auch so bleibt und unsere Wälder weiterwachsen können, müssen sie klimafit gemacht werden. FREDA erklärt, wie das funktioniert und warum nicht jeder Baum in jeden Wald passt.

Wie viele Bäume gibt es in Österreich? Wie steht es um unsere Biodiversität? Gibt es ausreichend Holzvorrat? Fragen über Fragen, die im Zuge der Österreichischen Waldinventur für den Zeitraum 2016 bis 2021 des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (kurz BML) untersucht worden sind. Mit einem durchaus positiven Ergebnis: Österreichs Waldfläche ist in den letzten zehn Jahren trotz negativer Natureinflüsse wie Sturmschäden oder Borkenkäfer täglich um eine Größe von neun Fußballfeldern gewachsen. Österreichs Waldfläche beträgt damit mittlerweile vier Millionen Hektar, das ist fast die Hälfte der gesamten Staatsfläche. Das wirkt sich auch positiv auf den Holzvorrat aus. Denn es wächst mehr Holz nach, als genutzt wird. 89 Prozent des Zuwachses wird geerntet. Der Rest bleibt naturbelassen und das ist auch gut so. Denn Bäume und Wälder sind eine wirksame Waffe gegen den Klimawandel. Sie ziehen Kohlendioxid aus der Luft und lagern Kohlenstoff im Holz und im Waldboden ein. Gesunde Wälder sind damit die größten Kohlenstoffspeicher.

Wie kann ein Wald klimafit werden?

Damit ein Wald gegenüber Klimaveränderungen wie erhöhte Temperaturen, extreme Unwetter und Schädlingen bestehen kann, braucht es eine nachhaltige ökologische Waldbewirtschaftung. Sie greift den Bäumen unter die Wurzeln und bereitet sie auf die Zukunft vor. Denn nicht jeder Baum passt in jedes Gebiet und auch nicht jeder Baum ist gleich gut als Klimaretter geeignet.

Die richtigen Baumarten pflanzen

Ein Wald ist ein komplexes Ökosystem und je nach Klima und Region benötigen Bäume verschiedene Standortbedingungen. Aufgrund der Klimakrise und der steigenden Temperaturen ändern sich diese derzeit so schnell, dass sich nicht alle Pflanzen entsprechend anpassen können. Baumarten wie die Fichte, mit 46 Prozent Österreichs weitverbreitetster Baum, leiden unter der zunehmenden Trockenheit, Hitze und den Schädlingen. Die Folge: die Bäume sind gestresst, werden schwach und erkranken.

Damit der Waldbestand aber nicht zurückgeht, sondern stark und gesund bleibt, ist es wichtig, Bäume anzupflanzen, die standortangepasst und langfristig überlebensfähig sind. Beispielsweise werden sich zukünftig besonders im Osten Österreichs und im Flachland wärmeliebende und trockenresistentere Baumarten wie Douglasie oder Lärche leichter tun. Die Douglasie ist ein aus Nordamerika stammender Nadelbaum. Er gilt als schnellwüchsig und kommt mit trockenen Perioden sehr gut zurecht. Die Lärche gilt als Alternative zur Fichte. Sie wächst vor allem in den höheren Berglagen, wird aber immer häufiger im Flachland als Mischbaumart eingesetzt. Dank ihrer starken Wurzeln, die bis zu zwei Meter in die Tiefe wachsen, ist sie besonders sturmfest. Welcher Baum passt am besten in welches Gebiet? Die interaktive Baumartenampel des BML hilft bei der optimalen Baumstandortsuche.

© Markus Englisch
Durchmischung der Baumarten

Von Natur aus sind die meisten Wälder in Europa Mischwälder. Das heißt, in den Wäldern kommen verschiedene Baumarten gemeinsam vor, teilweise mischen sich auch Laub- und Nadelbäume. Das sorgt für eine gesunde Waldlandschaft. Viele Waldbesitzer:innen haben aber lange Zeit auf Monokulturen gesetzt. Das heißt, über mehrere Jahre hat man auf derselben Fläche nur eine Baumart, größtenteils die Fichte, angebaut. Das galt als ertragreicher und auch leichter beim Abholzen, hat dem Wald auf lange Sicht jedoch geschadet. Studien zeigen, dass Monokulturen für den Wald viel schädlicher sind als Mischkulturen. Sie sind anfälliger für Schädlinge, bieten weniger Tieren und Pflanzen Schutz und nehmen weniger CO₂ auf.

Eine der wichtigsten Maßnahmen, den Wald an die Klimakrise anzupassen, ist deshalb Laub- mit Nadelbäumen zu mischen. Die Vorteile sind:

  • Mischwälder speichern mehr CO₂ als Monokulturen
  • Baumarten ergänzen sich gegenseitig, weshalb Mischwälder besser mit Wasser und Nährstoffen versorgt sind
  • sie sind widerstandsfähiger und gesünder
  • sie schaffen eine höhere Biodiversität, das heißt sie bieten mehr Tieren und Pflanzen Schutz und Nahrung
  • durch verschiedene Baumarten und vielfältige Lebensräume wie Totholz, Veteranenbäume und Wasserstellen wird der Wald widerstandsfähiger gegen Krankheiten, Schädlinge und Notlagen
Pflegemaßnahmen für den Wald

Die Pflege des Waldes ist eine extrem wichtige und notwendige Arbeit. Denn dadurch bekommt ein Wald eine gesunde und schnell wachsende Vegetation.

Zu den Pflegemaßnahmen gehören:
  • Zu alten Waldbeständen, die nicht weiterwachsen, werden Baumsetzlinge gesetzt. Dadurch werden die alten Bäume robust und gesund gehalten.
  • Durch das gezielte Fällen von Bäumen wird Platz für neue Bäume und Pflanzen geschaffen – dadurch kann man auch neue Baumarten anpflanzen und den Wald durchmischen.
  • Habitatbaum und Totholz im Wald belassen: Habitatbäume sind Bäume, die anderen Lebewesen besondere Lebensräume anbieten wie Bäume mit Höhlen für baumbrütende Vögel. Totholz sind abgestorbene Bäume, die Tieren und Pflanzen als Nist-, Entwicklungs-, Nahrungs- oder Überwinterungsplätze dienen.
  • Regelmäßiges Durchforsten: Das heißt, der Wald wird planmäßig ausgeholzt und von minderwertigen Stämmen befreit.
  • Schutz von Wildschäden: Wildtiere sind ein fester Bestandteil des Ökosystems Wald. Gibt es allerdings zu viel Reh-, Rot- und Gamswild, führt das zu Schäden im Wald. Wild frisst gerne die Knospen der jungen Bäume. Diese sind dadurch geschwächt und können nicht richtig wachsen.
  • Schutz vor allgemeinen Schäden: Auch bei der Ernte sollte man darauf achten, die Bäume nicht zu verwunden oder den Boden so zu verdichten, dass Feinwurzeln Schaden nehmen. Beispielsweise, wenn man mit einem schweren Gerät durch den Wald fährt.
Fit für die Zukunft

Die durch die Klimakrise verursachten Trockenperioden, extremen Stürme und steigenden Schädlingsbefall haben unseren heimischen Wäldern in den letzten Jahren extrem zugesetzt. „Damit unsere Wälder auch in Zukunft Lebensraum für Pflanzen und Tiere sein können, Erholungsraum für uns Menschen und Wirtschaftsraum mit tausenden Arbeitsplätzen, müssen wir sie klimafit machen“, erklärt Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Aus diesem Grund hat das BML den Waldfonds gegründet. Der Fonds umfasst zehn Maßnahmen, die die Waldbewirtschafter:innen bei der Wiederaufforstung, bei Borkenkäferschäden und auch bei der Förderung von Biodiversität unterstützen sollen –  umso langfristig Wälder klimafit zu machen. Der Waldfonds ist mit 350 Millionen Euro das größte Unterstützungspaket, das es für Österreichs Wälder jemals gegeben hat.

Weiblich, selbstbewusst, gehasst

Hass im Netz kann jede:n treffen. Frauen, vor allem jene mit starker Meinung, trifft er aber auf einer persönlicheren Ebene und die Hassnachrichten sind viel sexualisierter. Das wirkt sich auf die Art, wie sich Frauen im Internet äußern, aus.

Sie sind jung, weiblich und vertreten eine starke Meinung in den sozialen Medien. Sie äußern sich öffentlich zu polarisierenden Themen wie Feminismus, Rassismus, Klimawandel und die Corona-Impfung. Und sie werden genau dafür angefeindet. Sie werden beschimpft. „Schlampe“. „Aufmerksamkeitshure“. Mit rassistischen Begriffen. Ihnen werden Vergewaltigungen gewünscht und sie erhalten Morddrohungen.

Hassnachrichten sind sexualisierter

Hass im Netz kann alle treffen. Doch Frauen werden viel persönlicher und sexualisierter angegriffen. Sie bekommen nicht ein, zwei gemeine Nachrichten, ihnen schlägt geballter Hass entgegen. Noch stärker angefeindet werden sie, wenn sie LGBTIQ+ sind oder einer Minderheit angehören. Sie erfahren Hass in unterschiedlichsten Formen: von Beleidigungen über erfundene Aussagen und Drohungen bis hin zu Doxxing. Bei Letzterem werden persönliche Daten wie Adresse und Beruf im Internet veröffentlicht. Opfer müssen Angst haben, dass ihnen vor der eigenen Wohnung oder am Weg zur Arbeit jemand auflauert. Denn das ist auch ein Problem mit Hass im Netz: Er kann in die Offline-Welt überspringen.

Frauen werden eingeschüchtert

Das Ziel von Hass im Netz: selbstbewusste Frauen mundtot machen. Silencing lautet der Fachbegriff. Betroffene werden belästigt und bedroht. Zum Beispiel, indem Unbekannte ihnen E-Mails mit detailliert beschriebenen Vergewaltigungsszenen schicken. Das soll sie einschüchtern und aus der Debatte drängen. Es gibt Frauen, die sich danach mehrmals überlegen, was sie posten und ob sie überhaupt noch einmal etwas posten. Aus Angst vor noch mehr Hass. Manchmal löschen Betroffene ihre Social Media-Konten. So wie Schauspielerin Mavie Hörbiger. Weil sie bei den Salzburger Festspielen ohne BH und mit erkennbaren Brustwarzen unter ihrem T-Shirt fotografiert wurde, erntete sie Hass.  „Warum könnt ihr den Festspielen nicht die Würde verleihen, die jenes Kulturereignis großgemacht hat? Ein Jedermann, der zum JederGender verkommt – Kleidungsstil, der so zu Woodstock passt, Frauen ohne BH – nur, um sich aufzuregen, dass ihnen Männer auf den Busen glotzen. Kultur Over“, lautete eine Nachricht. Hörbiger konterte: „Wenn du meine Nippel durch das Shirt siehst, dann weil ich ein Mensch bin und welche habe. Ihr müsst mich nicht drauf hinweisen. Ich kenne meinen Körper.“ Danach hat sie ihren Twitter-Account deaktiviert.

Frauen diskutieren seltener mit

Silencing hat Konsequenzen. Die Hälfte der Frauen äußert sich aus Angst vor Drohungen und Angriffen seltener im Internet. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von HateAid, einer deutschen Beratungsstelle für Betroffene von digitaler Gewalt. Dass die Täter:innen meist anonym sind, macht den Opfern zusätzlich zu schaffen. Eine Umfrage des Kinderhilfswerks Plan International zeigt, dass Mädchen und junge Frauen deshalb ihr Verhalten anpassen und mehr darauf achten, wie sie ihre Meinung im Internet äußern.

Der Fall Lisa Maria Kellermayr zeigt auf drastische Weise, wozu Hass im Netz führen kann. Die oberösterreichische Ärztin hat sich unermüdlich für die Corona-Impfung starkgemacht und Demonstrationen von Corona-Leugner:innen vor Krankenhäusern verurteilt. Ein:e Unbekannte:r hat ihr deshalb über Monate hinweg Todesdrohungen geschickt. Kellermayr hat laut Staatsanwaltschaft Suizid begangen.

Mehr Hass, wenn sich Frauen wehren

Es gibt Frauen, die dagegenhalten. Die den Hass, mit dem sie konfrontiert werden, aufzeigen. Und dafür meistens noch mehr Hass abbekommen. So wie Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl, die gegen Rechtsextremismus auftritt und dafür seit Jahren Hass zu spüren bekommt. Zuletzt nach dem Tod von Kellermayr. „du grindige hur! wann machst du jetzt endlich die kellermayr? schaden würds nicht wenn man dich auch eines morgens tot auffinden würde“, schrieb ihr jemand. Auch sie hat ihren Twitter-Account vorübergehend deaktiviert.

Betroffene ernst nehmen

Das Internet ist ein Ort des Austauschs. Dafür muss es aber auch für alle Nutzer:innen ein sicherer Ort sein. In Österreich ist 2021 das Gesetz gegen Hass im Netz in Kraft getreten. Unter anderem müssen Plattformen wie Facebook, Twitter und Telegram einfache Möglichkeiten bieten, um rechtswidrige Inhalte zu melden und zu löschen. Um ihnen Klagen sicherzustellen zu können, müssen sie zudem eine zustellungsberechtigte Person innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums haben. Die Opfer von Hass im Netz können zudem eine kostenlose Prozessbegleitung in Anspruch nehmen. Es gibt Angebote zur psychologischen Betreuung, Opfer von Hass im Netz können sich auch zu Polizei und Gericht begleiten und vor Gericht von einem:r kostenlosen Rechtsanwält:in vertreten lassen.  Auch die Beratungsstelle #GegenHassimNetz unterstützt Opfer, gegen Hassnachrichten vorzugehen.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt es also. Es kommt aber vor, dass die Behörden Opfer nicht ernst nehmen oder die Täter:innen nicht ausforschen. Weil Ressourcen, Kompetenzen oder Sensibilität fehlen. Das dürfte auch bei Lisa Maria Kellermayr der Fall gewesen sein. Strobl hat von der Staatsanwaltschaft die Rückmeldung bekommen, es würde kein Anfangsverdacht bestehen.  Ein Problem sind auch die Plattformen, die Hassposts nicht immer löschen. Mit dem im Juli beschlossenen Digital Services Act will sie nun auch die EU mehr zur Verantwortung ziehen. Sie müssen unter anderem stärker gegen Hass- und Falschnachrichten sowie andere illegale Inhalte vorgehen.

Demokratie lebt von Meinungsvielfalt

Hass im Netz muss stärker bekämpft werden. Dafür braucht es aber nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen. Es braucht auch mehr Rücksicht im Internet. Nur, weil die Kommentarspalte unter einem Post unpersönlich wirkt, bedeutet das nicht, dass die Nachricht, die man eintippt, bei keinem Menschen ankommt. Jede:r Einzelne kann darauf achten, respektvoll zu bleiben. Denn, wenn Frauen aus berechtigter Angst vor Hassreaktionen sich aus dem digitalen Raum zurückziehen, können sie ihr Recht auf Meinungsäußerung nicht entsprechend nutzen. Hören sie auf oder beginnen gar nicht erst, sich an der digitalen Debatte zu beteiligen, geht zudem eine wichtige Perspektive verloren. Ideen, über die nicht gesprochen wird, erhalten auch keine Aufmerksamkeit. Sie werden nicht wahrgenommen. Doch gerade eine Demokratie lebt von Meinungsvielfalt.

Menschen, die Hass im Netz erfahren, in Krisensituationen oder mit Suizid-Gedanken können sich an eine Reihe von Hilfseinrichtungen wenden:

  • Opfernotruf vom Justizministerium in Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring (0-24 Uhr): 0800/ 112 122, opfer-notruf.at
  • Psychiatrische Soforthilfe (0–24 Uhr): 01/313 30
  • Kriseninterventionszentrum (Mo–Fr 10–17 Uhr): 01/406 95 95, kriseninterventionszentrum.at
  • Rat und Hilfe bei Suizidgefahr, pro mente Oberösterreich 0810/97 71 55
  • Sozialpsychiatrischer Notdienst 01/310 87 79
  • Telefonseelsorge (0–24 Uhr, kostenlos): 142
  • Rat auf Draht (0-24 Uhr, für Kinder und Jugendliche): 147
  • Gesprächs- und Verhaltenstipps für Angehörige: bittelebe.at

Buchtipp: Das Fluchtparadox

Flucht ist ein paradoxer Vorgang. Menschen müssen ihre Heimat verlassen, obwohl sie nicht wollen. Sie müssen illegal Grenzen überqueren, weil sie sonst nicht um Asyl ansuchen können. Sie müssen sich integrieren, das führt dann aber erst wieder zu Reibereien. In ihrem Buch „Das Fluchtparadox“ zeigt Judith Kohlenberger diese Widersprüche auf – und will damit den Weg zu einem menschlicheren Umgang mit Flucht ebnen.

Menschen auf der Flucht müssen Recht brechen, um zu ihrem Recht auf Asyl zu gelangen. Sie müssen arm und traumatisiert, gleichzeitig aber auch leistungsbereit sein. Klingt paradox? Ist es auch. Der Umgang europäischer Staaten mit Geflüchteten strotzt nur so von Widersprüchen. Das legt Migrationsforscherin Judith Kohlenberger in ihrem Buch „Das Fluchtparadox“ offen. Von Kapitel zu Kapitel zeigt sie unzählige Widersprüche des aktuellen Asyl- und Migrationsregimes auf und will damit den Weg zu einem anderen Umgang mit Geflüchteten ebnen.

Paradox vom Anfang bis zum Schluss

Das titelgebende Fluchtparadox erfahren Geflüchtete vom Anfang bis zum Schluss:  Von der Ausreise aus dem Heimatland über den Asylantrag bis hin zur Integration im Aufnahmeland. Die Zwischenziele der Flucht sind laut Kohlenberger geprägt von drei paradoxen Momenten:

  • Asylparadox: Es fehlen legale Fluchtwege. Deshalb müssen Menschen auf der Flucht durch illegale Grenzübertritte zuerst Recht brechen, um zu ihrem Recht auf Asyl zu gelangen.
  • Flüchtlingsparadox: Die sogenannte Aufnahmegesellschaft hat ein sehr konkretes Bild von Geflüchteten. Sie müssen arm und schutzbedürftig, gleichzeitig aber auch leistungsbereit und selbstständig sein.
  • Integrationsparadox: Von den Geflüchteten wird zwar vehement gefordert, sich zu integrieren. Erfüllen sie diesen Anspruch, entstehen aber neue Reibungspunkte mit der sogenannten Aufnahmegesellschaft. Dabei geht es um Verteilung, Aufstieg und Sichtbarkeit.

Kohlenberger arbeitet diese paradoxen Momente anhand aktueller und historischer Beispiele heraus. Unter anderem mit dem Ukraine-Krieg. In Österreich sind sich Politik und Gesellschaft schnell einig gewesen, dass Ukrainer:innen Schutz brauchen. Da der Begriff des Flüchtlings in der Vergangenheit derart kriminalisiert wurde, hat man für sie einen Begriff gesucht, um sie von jenen Geflüchteten, die als nicht willkommen gelten, zu unterscheiden. Aus ihnen wurden also Vertriebene, und damit ein Unterschied konstruiert.  „‚Flüchtlinge‘ wurden aus Syrien vertrieben und ‚Vertriebene‘ sind aus der Ukraine geflohen – oder wahlweise umgekehrt, denn die Bedingungen ihrer Ausreise sind in beiden Fällen solche der Unfreiheit, der Unfreiwilligkeit und des Zwangs“, schreibt Kohlenberger.

Verantwortlichkeit einfordern

Die Migrationsforscherin spürt auf 186 Seiten nicht nur die Probleme des aktuellen Asyl- und Migrationsregimes auf. Sie räumt mit Mythen auf, wie jenem, dass Flucht auch freiwillig erfolgen kann. Flucht erfolgt immer unter Zwang. Und sie bietet Lösungswege an. Im Fall unsicherer Fluchtwege zum Beispiel: die Möglichkeit, bereits in der Botschaft des Aufnahmelandes um Asyl anzusuchen, und die dauerhafte Aufnahme vulnerabler Personen über Resettlement-Programme.

„Das Fluchtparadox“ regt die Leser:innen aber auch zum Nachdenken und Hinterfragen an. Denn gleich im Vorwort stellt Kohlenberger klar, dass Grund- und Menschenrechte für alle gelten müssen: „Schutzsuchende, Marginalisierte und Minderheiten erfüllen in westlichen Demokratien deshalb die Funktion eines Kanarienvogels in der Kohlemine, der Bergleute vor einem drohenden Sauerstoffverlust warnte: Bleibt ihnen die Luft weg, weil man ihnen Grund- und Menschenrechte verwehrt, so wird es auch für uns bald brenzlig werden.“ Eine menschliche Asyl- und Migrationspolitik ist aber möglich. Nämlich dann, wenn jede:r Einzelne Verantwortung übernimmt. Und Kohlenberger liefert mit ihrem Buch die notwendigen Informationen und damit das Wissen, um die Verantwortlichkeit von Entscheidungsträger:innen einfordern zu können.

Es gibt auch einen Lichtblick im Buch: Sowohl der Fluchtherbst 2015 als auch der Frühling 2022 haben gezeigt, dass die Asylpolitik menschlich sein kann. Dass Abschottung, Abschreckung und Auslagerung nicht sein müssen, sondern eine Willkommenskultur möglich ist.

„Das Fluchtparadox“ ist im August 2022 im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen.

Ehrenamtliche Arbeit: Helfen trotz Corona-Pandemie

Eine neue Studie der Zivilschutzagenda Österreich hat herausgefunden, dass die Pandemie das Ehrenamt extrem gefordert hat. Wie sieht das in der Praxis aus? FREDA hat mit drei Freiwilligen über ihre Arbeit zu Beginn der Corona-Pandemie gesprochen:   

In Österreich engagieren sich fast 3,5 Millionen Menschen ehrenamtlich. Sie helfen in Krankenhäusern, in Pflegeheimen, bei der Nachbarschaftshilfe, in NGOs und in Tierheimen unentgeltlich und oft zusätzlich zum Beruf. Wie wichtig diese ehrenamtliche Arbeit ist, ist durch die Pandemie nochmals deutlich geworden. Denn ohne die zusätzliche Hilfe wären viele Blaulichtorganisationen, Vereine und Direkthilfen nicht im notwendigen Ausmaß möglich gewesen.

Die Studie Bridging the Gap der Zivilschutzagenda Österreich zeigt nun, dass die Pandemie das Ehrenamt extrem gefordert hat: So ist das Gesundheitsrisiko gestiegen, wodurch viele Helfer:innen Angst haben, sich während ihrer Tätigkeit anzustecken. Andere Befragte berichten, dass sie während ihrer Dienste verbal und auch körperlich angegriffen worden sind. Generell ist laut der Studie die Motivation während der Pandemie gesunken. Gründe dafür sind einerseits der schwindende Zusammenhalt in der Gesellschaft und die geringe Anerkennung der Freiwilligenarbeit und andererseits die zusätzliche zeitliche und auch körperliche Belastung. Das hat dazu geführt, dass einige Freiwillige ihre Tätigkeit beendet haben oder darüber nachdenken. Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch, dass zwei Drittel der ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen ihre Tätigkeit im gleichen Ausmaß weiterhin ausüben wollen, einige davon wollen ihr Pensum sogar erweitern.

Ehrenamtliche Arbeit und die Menschen dahinter

Während der Pandemie haben sich eine Vielzahl der Freiwilligen in Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, Caritas oder Nachbarschafts-Vereinen engagiert. Doch ehrenamtliche Arbeit kann viele verschiedene Facetten haben. Das zeigen uns auch unsere drei Freiwilligen Sabrina, Klaus und Martin. Sie alle engagieren seit vielen Jahren ehrenamtlich: als Mentorin für Jugendliche, in der Feuerwehr und als Obmann eines Nachhaltigkeit-Vereins. Welche Auswirkungen Corona auf sie gehabt hat und was die ehrenamtliche Arbeit für sie bedeutet, haben sie uns im Gespräch erzählt:

abrina vom Verein Sindbad Klagenfurt. © Sindbad Klagenfurt
Sabrina vom Verein Sindbad Klagenfurt. © Sindbad Klagenfurt

Sabrina: „Für mich hat es sich einfach richtig angefühlt, Mentorin zu werden. Unabhängig davon, ob gerade eine Pandemie herrscht oder nicht.“

Sabrina ist seit vielen Jahren ehrenamtlich im Bereich Kinder- und Jugendarbeit tätig. Begonnen hat sie damit im Zuge eines Pflichtpraktikums für ihr Psychologiestudium: „Ich war damals in einer Wohngemeinschaft für Kinder. Das hat mir so gut gefallen, dass ich danach weiterhin einmal die Woche in der Wohngemeinschaft tätig war“, erzählt Sabrina. Nach weiteren Praktika in verschiedenen Einrichtungen hat sie 2021 gemeinsam mit ihrer Vereinskollegin Johanna eine Zweigstelle des Vereins Sindbad in Klagenfurt gegründet. „Ziel des Vereins ist es, Jugendliche bei der Jobsuche zu unterstützen“, so Sabrina. Der Verein ist kurz vor dem erneuten Lockdown gegründet worden, was für Sabrina aber kein Problem war, vielmehr eine positive Herausforderung: „Für mich hat es sich einfach richtig angefühlt, Mentorin zu werden und mich wieder ehrenamtlich zu betätigen. Unabhängig davon, ob gerade eine Pandemie herrscht oder nicht.“

Als freiwillige Mentorin begleitet und unterstützt sie Jugendliche bei der Wahl der weiteren Ausbildung. Das heißt, sie findet gemeinsam mit der/dem Jugendlichen heraus, welche Ausbildung am besten für sie oder ihn geeignet ist: Lehre oder weiterführende Schule. Anschließend werden Schnuppertage vereinbart oder Schulen besucht. „Aufgrund der Pandemie sind viele Schnupperpraktika weggefallen. Die Jugendlichen konnten daher in die Berufe nicht hineinschnuppern und waren sich bei der Berufswahl oft sehr unsicher“, erklärt Sabrina. Gerade in so unsicheren Zeiten ist eine persönliche Betreuung durch eine Mentorin extrem wichtig und kann verhindern, dass Jugendliche in die Arbeitslosigkeit abrutschen.

Doch gerade da fehlt es an vielen Ecken, meint Sabrina: „Ehrenamtliche Mitarbeiter:innen übernehmen oft enorm wichtige Aufgaben und helfen in schwierigen Lebenssituationen. Deshalb würde ich mir wünschen, dass unsere Arbeit mehr geschätzt werden würde“, erklärt Sabrina. Auch im Bereich der Organisation muss das Ehrenamt verbessert werden, erklärt die Mentorin weiter: „Derzeit ist es in allen Bundesländern unterschiedlich geregelt, wie Ehrenamtliche versichert sind. Eine einheitliche Unfall- und Haftpflichtversicherung auf Bundesebene wäre meiner Meinung nach wünschenswert.“ Auch wenn es in den letzten Monaten nicht immer einfach war, macht Sabrina ihre ehrenamtliche Arbeit sehr gerne: „Es gibt mir ein so gutes Gefühl zu wissen, dass ich helfen kann. Mein Mentoringprogramm endet im November 2022, aber ich werde mit meiner Mentee sicherlich auch danach noch weiter in Kontakt bleiben.“

Klaus ist Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr in Kappel am Krappfeld. © Klaus Goltschnig
Klaus ist Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr in Kappel am Krappfeld. © Klaus Goltschnig

Klaus: „Sich in der Gemeinde zu engagieren, gehört bei uns am Land einfach dazu“

Seit seinem dreizehnten Lebensjahr ist Klaus bei der Freiwilligen Feuerwehr in seinem Heimatdorf Kappel am Krappfeld. In Österreich wird die Feuerwehr zum großen Teil von Freiwilligen betrieben. Nur in einigen Städten wie Wien, Graz, Linz und auch Salzburg gibt es eine Berufsfeuerwehr. Dabei machen die Freiwilligen ihren Dienst völlig unentgeltlich und im Dienst ihrer Gemeinde. „Ich fühle mich meiner Gemeinde sehr verbunden und finde es wichtig, meiner Familie und meinen Freund:innen helfen zu können. Daher war es für mich schon seit meiner Kindheit ganz klar, dass ich zur Freiwilligen Feuerwehr gehe. Zudem sind viele meiner Freunde dabei und es macht einfach Spaß“, erklärt Klaus.

Die Pandemie hat sein Leben als Feuerwehrmann von heute auf morgen komplett auf den Kopf gestellt. Während es vor der Pandemie noch regelmäßige Übungseinheiten und Teambesprechungen gegeben hat, ist es aufgrund der Ausgangssperren in der Feuerwehrzentrale ruhiger geworden. „Die Ausgangssperren haben es uns nicht immer einfach gemacht. Viele Zusammenkünfte wurden verschoben, Wichtiges schnell übers Telefon oder via Mail besprochen. Auch viele Übungseinheiten sind abgesagt worden“, erzählt Klaus.

Doch eine schwierige Zeit kann eine Gemeinschaft auch wachsen lassen. So berichtet Klaus, dass die Kameradschaft unter den Feuerwehr-Leuten stärker geworden ist. „Bei uns in der Feuerwehr ist der kameradschaftliche Charakter davor auch schon sehr hoch gewesen. Aber ich finde, dass wir die Krise gut überstanden haben und sie uns als Team noch enger zusammengeschweißt hat.“  Klaus erzählt außerdem, dass es in seinem Team nie zu Streitigkeiten über das Thema geimpft oder ungeimpft gegeben hat: „Das war nie ein Streitthema – bei uns kann jede/r seine eigene Meinung haben. Nur beim Thema Feuerwehr, da ziehen wir dann alle an einem Strang“, erklärt er.

So war in seinem Team auch nie vom Aufhören die Rede. „Ja, es ist schon öfters anstrengend gewesen, weil Kamerad:innen krank waren, aber ans Aufhören hab ich nie gedacht. Nur eines würde ich mir für die Zukunft wünschen: Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sollten für Einsätze im Beruf freigestellt beziehungsweise entschuldigt werden. Gerade in einer kleinen Gemeinde wäre das extrem hilfreich. Den finanziellen Verlust müssten sich die Unternehmen mit der Regierung ausmachen“, sagt Klaus.

Martin Mangeng vom Verein pure © pure
Martin Mangeng vom Verein pure © pure

Martin: „Ich möchte die Region, in der ich lebe, aktiv mitgestalten, um gemeinsam eine positive Veränderung zu bewirken“

Dass ehrenamtliche Arbeit sehr facettenreich sein kann und in vielen verschiedenen Bereichen stattfindet, zeigt uns Martin mit seinem Vorarlberger Verein p.u.r.e. Der Name steht für: pflanzenbasiert, unverpackt, regional und ethisch-fair. „Ziel des Vereins ist es, eine möglichst bewusste Lebensweise im Alltag aufzuzeigen, die einfach und praktikabel ist und zudem Spaß macht“, erklärt Martin.

Eigentlich arbeitet der gebürtige Vorarlberger in der IT- und Softwarebranche, ein nachhaltiges und bewusstes Leben zu führen, ist Martin aber schon immer sehr wichtig gewesen. Und das hat er sich auch für die Menschen aus seinem Umkreis gewünscht. „Mir ist aufgefallen, dass viele Menschen aus meinem Umkreis nicht wissen, wie oder wo sie mit einem umweltbewussten und nachhaltigen Lebensstil anfangen sollen“, erzählt er. Deshalb hat sich Martin oft darüber Gedanken gemacht, wie er seine Region unterstützen kann, um gemeinsam eine positive Veränderung zu bewirken. Nach längerem Grübeln ist 2019 die Idee zum Verein pure entstanden. „Dazu gibt es auf unserer Homepage Tipps und Tricks wie beispielsweise Einkaufstipps, Restauranttipps, Rezepte und auch Events. Wir präsentieren in unserem Podcast ‚pure leben in Vorarlberg‘ seit Anfang April 2022 zudem spannende Initiativen und Projekte. Wir haben auch schon kleinere Veranstaltungen und Treffen organisiert, bei denen wir uns über unsere Erfahrungen austauschen.“

Auch wenn sein Verein zum großen Teil digital ist, hat ihn die Pandemie dennoch stark getroffen. „Während der Pandemie haben uns einige Vereinsmitglieder verlassen. Die Motivation hat gefehlt oder es waren andere Dinge wichtiger. Das ist schade, aber umso wichtiger ist es aktuell für uns, die Menschen wieder zu motivieren. Ich glaube, dafür benötigt es vor allem einen regelmäßigen und persönlichen Austausch“, erzählt er. Trotz der Rückschläge ist auch in Martins Kernteam vom Aufhören nie die Rede gewesen. Im Gegenteil, sie haben die Zeit genutzt, ihr Konzept neu zu strukturieren und habe sich dazu entschlossen, einen Podcast zu starten, der April 2022 das erste Mal veröffentlicht wurde.

Die drei Freiwilligen kommen aus gänzlich unterschiedlichen Bereichen des Ehrenamts, eines haben sie dennoch gemeinsam: die Pandemie hat sie alle gestärkt. So war von Aufhören nie die Rede. Vielmehr haben sie die Pandemie als Chance gesehen, um anderen zu helfen und gemeinsam wachsen zu können. Die Arbeit mit den Menschen steht im Fokus und die Möglichkeit, mit ihrer Tätigkeit, anderen etwas zurückzugeben. Gerade in schwierigen Zeiten wie der Corona-Pandemie baut eine Gesellschaft auf Personen wie diesen, um gemeinsam gestärkt aus einer Krise zu gehen.

„Ich lebe hier, ich sollte eine Stimme haben.“

Der junge Kolumbianer Juan ist seit 2014 in Österreich, arbeitet, zahlt Steuern und spricht fließend Deutsch. Doch wie viele andere Menschen auch, ist er vom demokratischen Leben ausgeschlossen. Denn er hat keine österreichische Staatsbürgerschaft.

Österreicher:in zu werden, ist schwer. Für manche sogar unmöglich. Beim Migrant Integration Policy Index belegt Österreich den drittletzten Platz. Nur in den Vereinigten Arabischen Emirate und in Saudi-Arabien ist es noch schwerer, die Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Juan weiß das aus eigener Erfahrung. Er ist 26, im kolumbianischen Cali geboren und lebt seit 2014 in Österreich. Erst in zwei Jahren könnte er das erste Mal um die Staatsbürgerschaft ansuchen. Bis dahin ist er bei keiner Wahl stimmberechtigt.

Zehn Jahre rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt

Um die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen, müssen Menschen aus Drittstaaten zehn Jahre rechtmäßig in Österreich wohnen. In nur wenigen anderen Ländern ist der geforderte Aufenthalt ähnlich lang. Für Bürger:innen aus anderen EU-Ländern und den EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein sind es immerhin sechs Jahre.

Und das ist nicht die einzige Hürde. Anwärter:innen dürfen sich in dieser Zeit nicht länger als 20 Prozent der Zeit im Ausland aufhalten. Wer für längere Zeit Österreich verlässt, um etwa enge Familienangehörige im Heimatland zu pflegen, steht schnell vor einem Problem. Die Behörde addiert bei der Berechnung jeden einzelnen Auslandsurlaub und jede Dienstreise. Überschreitet man die 20 Prozent, fangen die zehn bzw. sechs Jahre wieder von vorne an.

Land der Berge, Land der Bürokratie

Juan kommt mit Matura im Gebäck nach Österreich. Damals ist er 17. Sein Vater ist schon seit 2000 hier und ermöglicht ihm einen schnellen Einstieg in Österreich. Nach einem Jahr spricht er dank mehrerer Sprachkurse fließend Deutsch. Juan will an die Uni in Wien und Dolmetscher werden. Doch die österreichische Bürokratie macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Ohne gleichzeitige Inskription an einer kolumbianischen Universität sei ein Studium nicht möglich, sagt man ihm. Also schiebt er seine Studienpläne nach hinten und versucht sein Glück am Arbeitsmarkt. Dank seiner Deutschkenntnisse findet er einen Job als Catering-Mitarbeiter.

Heute arbeitet Juan 40 Stunden im Einzelhandel. Davon kann er trotz eigener Wohnung gut leben. Es bleibt genug übrig, um seiner Familie in Kolumbien monatlich eine kleine Summe zu überweisen. Für eine österreichische Staatsbürgerschaft reicht das Einkommen nicht.

österreichische Staatsbürgerschaft
Juan lebt seit 8 Jahren in Österreich. Ein österreichischer Pass ist aber nicht in Sicht.
Zu arm, um wählen zu dürfen

Österreich verlangt von Anwerber:innen einen „hinreichend gesicherten Lebensunterhalt“. Der Betrag orientiert sich am Richtsatz im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz. Bei Einzelpersonen liegt der Wert derzeit bei 1.030,49 Euro.

Damit meint die Behörde allerdings nicht das Netto-Einkommen. Erst wenn nach dem Bezahlen von Miete, Unterhalt und etwaigen Kreditraten mehr als 1.030 Euro übrig bleiben, reicht das für die Staatsbürgerschaft. Diese Summe müssen Anwerber:innen allerdings nicht nur zum Zeitpunkt des Antrags nachweisen, sondern 36 Monate innerhalb der letzten sechs Jahre. Das geht sich für Juan und viele andere Menschen nicht aus. Denn: Menschen ohne Staatsbürgerschaft arbeiten oft in systemrelevanten, aber schlecht bezahlten Berufen.

Hinzu kommen noch hohe Gebühren. Je nach Bundesland summieren sich die Kosten auf bis zu 2.500 Euro. Besonders ältere Menschen verzichten wegen dieser Kosten auf den Antrag. So auch Juans Vater. Er ist 63. In seinem Alter „zahle es sich gar nicht mehr aus“ so viel Geld für die Einbürgerung auszugeben. 

„Ob man wählen darf oder nicht, sollte keine Frage des Geldes sein.“

Juan findet es ungerecht, dass Geld darüber entscheidet, wer wählen darf und wer nicht. 2022 leben fast 1,6 Millionen Menschen in Österreich, die keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Das ist jeder Fünfte. Wie viele gerne Staatsbürger:in werden würden, aber an den Hürden scheitern? Darüber gibt es keine Statistiken.

österreichische Staatsbürgerschaft
Das müssen Menschen erfüllen, um die Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen spricht sich in einem Interview mit Kleiner Zeitung und Presse dafür aus, Einbürgerungen zu erleichtern. Die Hürden seien derzeit „zu hoch“.

Solange das Recht zu wählen an die Staatsbürgerschaft geknüpft ist, sind viele Menschen vom demokratischen Leben ausgeschlossen. Sie haben keine Möglichkeit, ihre Bedürfnisse und Standpunkte auf demokratischem Weg einzubringen. Das widerspricht der Idee einer freien Demokratie.

Im Herzen Kolumbianer

Juan ist froh, hier zu leben. Das betont er mit Nachdruck. Er fühlt sich sicher in Wien. Ein Gefühl, dass er von den Straßen seiner Heimatstadt Cali nicht kennt. Würde er die österreichische Staatsbürgerschaft in zwei Jahren bekommen, müsste er seinen kolumbianischen Pass hergeben. Denn Doppelstaatsbürgerschaften akzeptiert Österreich nicht. Leicht würde das Juan nicht fallen. Aber er würde es tun. Weil Juan hier arbeiten und leben möchte. Aber vor allem: Weil er wählen möchte.

„Ich lebe hier! Ich bin auch ein Teil Österreichs. Warum sollte ich nicht auch eine Stimme haben?“ Ob er in zwei Jahren wirklich alle Voraussetzungen erfüllt, bezweifelt er. Aber versuchen möchte es Juan auf jeden Fall.