Klimakrise trocknet unsere Seen aus

Boote stehen im Schotter, Stege führen ins Nichts und Badegäste sitzen im Trockenen. Die Badeseen in Wiener Neustadt sind fast ausgetrocknet. Schuld ist ein beunruhigend niedriger Grundwasserspiegel in vielen Regionen Ostösterreichs.

Achtersee, Anemonensee und Föhrensee. Für Neustädter:innen sind das klingende Namen. Sie wecken Bilder von ersten Schwimmversuchen, Picknicks und Wasserballmatches. All das spielt es heuer nicht. Das Wasser ist fast zur Gänze weg, zurück bleibt eine staubige Mondlandschaft. Die Menschen in der Umgebung verlieren ihre lieb gewonnenen Naherholungsgebiete.

Die Schottergrube kehrt zurück

Wenn das Wasser fehlt, werden die Seen wieder zu dem, was sie früher waren: Schottergruben. Über Jahrzehnte haben Betriebe am Neustädter Stadtrand Schotter aus dem Boden geschaufelt. Später hat man die Schottergruben dann mit Grundwasser gefüllt. Seither hat sich viel getan. Um manche Seen sind ganze Stadtviertel entstanden, andere wie der Achtersee haben sich zu beliebten Freizeitoasen entwickelt. Es gibt Tennisplätze, einen Spielplatz und einen Beach Club. Nur das Wasser fehlt.

DIE SEEN MACHEN DEN GRUNDWASSERSPIEGEL FÜR ALLE SICHTBAR.

Der See als riesiger Messstab

Die Wiener Neustädter Badeseen werden mit Grundwasser gespeist. Das heißt: Die Menge an Wasser ist unmittelbar an den Pegel des Grundwassers gekoppelt. Die Seen machen damit sichtbar, was sich sonst unseren Augen entzieht: den Spiegel des Grundwassers. Gibt es viel Regen und Schnee, steigt der Grundwasserspiegel und damit das Wasser in den Seen. Sinkt es, dann trocknen die Seen aus. Das macht die Badeseen zu einem riesigen Messstab.

Badeseen Wiener Neustadt
Wenig Wasser und viel Staub. Im Sommer 2022 gibt der Achtersee ein jämmerliches Bild ab.
Riesenreservoir unter Wiener Neustadt

Unter Wiener Neustadt und großen Teilen des Wiener Beckens liegt eines der größten Grundwasserreservoirs Europas, die Mitterndorfer Senke. Sie erstreckt sich 40 Kilometer quer durch Niederösterreich, von Neunkirchen bis Fischamend.  Die Senke ist durch einen tektonischen Grabenbruch entstanden. Während der letzten Eiszeit hat sich der Riss dann mit Schotter gefüllt und ist damit an der Oberfläche nicht mehr sichtbar. Aber das Schmelzwasser aus dem nahe gelegenen Schneeberggebiet kennt den Weg. Unterirdisch folgt es dem Graben und versorgt die Pumpwerke der umliegenden Gemeinden. Nur leider kommt immer weniger Wasser im Wiener Becken an.

Grundwasser nahe am historischen Tiefststand

Die Abteilung Wasserwirtschaft der niederösterreichischen Landesbehörde erfasst den Grundwasserspiegel seit den 1950er Jahren. Die letzte Messung am 29. Juni in Wiener Neustadt zeigt einen Wasserpegel von 257 Meter über der Adria. Das ist nah dran am historischen Tiefstand. 2019 lag der Wasserspiegel noch satte 6 Meter höher. Seither sinkt der Pegel durchgehend.

März 2022 ist unter den drei heißesten und trockensten Märzmonaten in der Messgeschichte.

Der Klimakrise setzt dem Grundwasser zu

Schuld ist die Trockenheit in der Region. Der Sommer 2021 war österreichweit der achtwärmste in der Messgeschichte – und im Osten Österreichs auch einer der trockensten. Der vergangene Winter hat den Trend fortgesetzt. März 2022 ist unter den drei heißesten und trockensten Märzmonaten in der Messgeschichte, meldet Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Zwar gab es in der Vergangenheit auch schon Trocken- und Hitzeperioden, die dem Grundwasser zugesetzt haben. Aber mit dem Voranschreiten der Klimakrise werden diese Extremwetterereignisse deutlich häufiger. Diesen Zusammenhang belegt eine kürzlich veröffentlichte Meta-Studie von Forscher:innenteams aus Neuseeland und Großbritannien, eindeutig. Hinzu kommt, dass wir durch den Klimawandel nicht nur weniger neues Grundwasser bekommen, sondern auch mehr Wasser brauchen. Etwa, um Felder zu bewässern.

Wasser wird auch in Österreich zum knappen Gut

Egal ob unter der Dusche, in der Küche oder beim Gießen im Garten. Zukünftig werden wir genauer auf unseren Wasserverbrauch im Haushalt schauen müssen. Eine Studie des Landwirtschaftsministeriums rechnet damit, dass wir bis 2050 ein Viertel des österreichischen Grundwassers verlieren. Am größten ist das Problem im Südosten Österreichs. Messdaten der ZAMG zeigen, dass dort die Niederschlagsmenge in den letzten 200 Jahren deutlich abgenommen hat.

Badeseen Wiener Neustadt
Natürliche Flussläufe ohne betonierten Flussbett heben den Grundwasserspiegel. © Adobe Stock
Wasser in der Region halten

Oft schafft es das Regenwasser gar nicht in die Böden. Betonierte Flächen wie Straßen, Parkplätze oder Hausdächer können kein Wasser aufnehmen. Der Regen fließt in den Kanal und verlässt über Flüsse die Region. Und auch hier verhindert ein betoniertes Flussbett oft, dass Wasser in den Boden sickert. Wenn wir Flüsse wieder in ihren natürlichen Zustand bringen und unsere Böden entsiegeln, wirkt sich das sofort positiv auf den Grundwasserspiegel aus. Ein willkommener Nebeneffekt solcher Maßnahmen: Die Hochwassergefahr sinkt. Ein Großteil des Wassers versickert im Boden und landet gar nicht erst im Fluss. Und das Wasser, das letztlich im Fluss landet, hat in renaturierten Wasserläufen deutlich weniger zerstörerische Kraft.

Und eine kurzfristige Lösung? Die Badeseen einfach mit Wasser zu befüllen, hat jedenfalls keinen Zweck. Das eingeleitete Wasser würde praktisch sofort in den kiesigen Untergrund der Mitterndorfer Senke versickern, solange der Grundwasserspiegel so niedrig ist. Die Wiener Neustädter:innen bekommen ihre Seen also nur zurück, wenn es über längere Zeit regnet und das Wasser auch ins Grundwasser gelangen kann. Und das liegt bekanntlich nicht in unserer Hand. Was wir aber ändern können, ist unseren Umgang mit Wasser.

Über die/den Autor:In

Markus Englisch
Markus Englisch
Markus studierte TV- und Medienproduktion in Wien. Sein größter Antrieb als Journalist ist es, die Klimakrise für alle Menschen begreifbar zu machen. Zuletzt war er als Redakteur bei PULS 4 tätig und leitete das Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

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