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Weiblich, selbstbewusst, gehasst

Hass im Netz kann jede:n treffen. Frauen, vor allem jene mit starker Meinung, trifft er aber auf einer persönlicheren Ebene und die Hassnachrichten sind viel sexualisierter. Das wirkt sich auf die Art, wie sich Frauen im Internet äußern, aus.

Sie sind jung, weiblich und vertreten eine starke Meinung in den sozialen Medien. Sie äußern sich öffentlich zu polarisierenden Themen wie Feminismus, Rassismus, Klimawandel und die Corona-Impfung. Und sie werden genau dafür angefeindet. Sie werden beschimpft. „Schlampe“. „Aufmerksamkeitshure“. Mit rassistischen Begriffen. Ihnen werden Vergewaltigungen gewünscht und sie erhalten Morddrohungen.

Hassnachrichten sind sexualisierter

Hass im Netz kann alle treffen. Doch Frauen werden viel persönlicher und sexualisierter angegriffen. Sie bekommen nicht ein, zwei gemeine Nachrichten, ihnen schlägt geballter Hass entgegen. Noch stärker angefeindet werden sie, wenn sie LGBTIQ+ sind oder einer Minderheit angehören. Sie erfahren Hass in unterschiedlichsten Formen: von Beleidigungen über erfundene Aussagen und Drohungen bis hin zu Doxxing. Bei Letzterem werden persönliche Daten wie Adresse und Beruf im Internet veröffentlicht. Opfer müssen Angst haben, dass ihnen vor der eigenen Wohnung oder am Weg zur Arbeit jemand auflauert. Denn das ist auch ein Problem mit Hass im Netz: Er kann in die Offline-Welt überspringen.

Frauen werden eingeschüchtert

Das Ziel von Hass im Netz: selbstbewusste Frauen mundtot machen. Silencing lautet der Fachbegriff. Betroffene werden belästigt und bedroht. Zum Beispiel, indem Unbekannte ihnen E-Mails mit detailliert beschriebenen Vergewaltigungsszenen schicken. Das soll sie einschüchtern und aus der Debatte drängen. Es gibt Frauen, die sich danach mehrmals überlegen, was sie posten und ob sie überhaupt noch einmal etwas posten. Aus Angst vor noch mehr Hass. Manchmal löschen Betroffene ihre Social Media-Konten. So wie Schauspielerin Mavie Hörbiger. Weil sie bei den Salzburger Festspielen ohne BH und mit erkennbaren Brustwarzen unter ihrem T-Shirt fotografiert wurde, erntete sie Hass.  „Warum könnt ihr den Festspielen nicht die Würde verleihen, die jenes Kulturereignis großgemacht hat? Ein Jedermann, der zum JederGender verkommt – Kleidungsstil, der so zu Woodstock passt, Frauen ohne BH – nur, um sich aufzuregen, dass ihnen Männer auf den Busen glotzen. Kultur Over“, lautete eine Nachricht. Hörbiger konterte: „Wenn du meine Nippel durch das Shirt siehst, dann weil ich ein Mensch bin und welche habe. Ihr müsst mich nicht drauf hinweisen. Ich kenne meinen Körper.“ Danach hat sie ihren Twitter-Account deaktiviert.

Frauen diskutieren seltener mit

Silencing hat Konsequenzen. Die Hälfte der Frauen äußert sich aus Angst vor Drohungen und Angriffen seltener im Internet. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von HateAid, einer deutschen Beratungsstelle für Betroffene von digitaler Gewalt. Dass die Täter:innen meist anonym sind, macht den Opfern zusätzlich zu schaffen. Eine Umfrage des Kinderhilfswerks Plan International zeigt, dass Mädchen und junge Frauen deshalb ihr Verhalten anpassen und mehr darauf achten, wie sie ihre Meinung im Internet äußern.

Der Fall Lisa Maria Kellermayr zeigt auf drastische Weise, wozu Hass im Netz führen kann. Die oberösterreichische Ärztin hat sich unermüdlich für die Corona-Impfung starkgemacht und Demonstrationen von Corona-Leugner:innen vor Krankenhäusern verurteilt. Ein:e Unbekannte:r hat ihr deshalb über Monate hinweg Todesdrohungen geschickt. Kellermayr hat laut Staatsanwaltschaft Suizid begangen.

Mehr Hass, wenn sich Frauen wehren

Es gibt Frauen, die dagegenhalten. Die den Hass, mit dem sie konfrontiert werden, aufzeigen. Und dafür meistens noch mehr Hass abbekommen. So wie Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl, die gegen Rechtsextremismus auftritt und dafür seit Jahren Hass zu spüren bekommt. Zuletzt nach dem Tod von Kellermayr. „du grindige hur! wann machst du jetzt endlich die kellermayr? schaden würds nicht wenn man dich auch eines morgens tot auffinden würde“, schrieb ihr jemand. Auch sie hat ihren Twitter-Account vorübergehend deaktiviert.

Betroffene ernst nehmen

Das Internet ist ein Ort des Austauschs. Dafür muss es aber auch für alle Nutzer:innen ein sicherer Ort sein. In Österreich ist 2021 das Gesetz gegen Hass im Netz in Kraft getreten. Unter anderem müssen Plattformen wie Facebook, Twitter und Telegram einfache Möglichkeiten bieten, um rechtswidrige Inhalte zu melden und zu löschen. Um ihnen Klagen sicherzustellen zu können, müssen sie zudem eine zustellungsberechtigte Person innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums haben. Die Opfer von Hass im Netz können zudem eine kostenlose Prozessbegleitung in Anspruch nehmen. Es gibt Angebote zur psychologischen Betreuung, Opfer von Hass im Netz können sich auch zu Polizei und Gericht begleiten und vor Gericht von einem:r kostenlosen Rechtsanwält:in vertreten lassen.  Auch die Beratungsstelle #GegenHassimNetz unterstützt Opfer, gegen Hassnachrichten vorzugehen.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen gibt es also. Es kommt aber vor, dass die Behörden Opfer nicht ernst nehmen oder die Täter:innen nicht ausforschen. Weil Ressourcen, Kompetenzen oder Sensibilität fehlen. Das dürfte auch bei Lisa Maria Kellermayr der Fall gewesen sein. Strobl hat von der Staatsanwaltschaft die Rückmeldung bekommen, es würde kein Anfangsverdacht bestehen.  Ein Problem sind auch die Plattformen, die Hassposts nicht immer löschen. Mit dem im Juli beschlossenen Digital Services Act will sie nun auch die EU mehr zur Verantwortung ziehen. Sie müssen unter anderem stärker gegen Hass- und Falschnachrichten sowie andere illegale Inhalte vorgehen.

Demokratie lebt von Meinungsvielfalt

Hass im Netz muss stärker bekämpft werden. Dafür braucht es aber nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen. Es braucht auch mehr Rücksicht im Internet. Nur, weil die Kommentarspalte unter einem Post unpersönlich wirkt, bedeutet das nicht, dass die Nachricht, die man eintippt, bei keinem Menschen ankommt. Jede:r Einzelne kann darauf achten, respektvoll zu bleiben. Denn, wenn Frauen aus berechtigter Angst vor Hassreaktionen sich aus dem digitalen Raum zurückziehen, können sie ihr Recht auf Meinungsäußerung nicht entsprechend nutzen. Hören sie auf oder beginnen gar nicht erst, sich an der digitalen Debatte zu beteiligen, geht zudem eine wichtige Perspektive verloren. Ideen, über die nicht gesprochen wird, erhalten auch keine Aufmerksamkeit. Sie werden nicht wahrgenommen. Doch gerade eine Demokratie lebt von Meinungsvielfalt.

Menschen, die Hass im Netz erfahren, in Krisensituationen oder mit Suizid-Gedanken können sich an eine Reihe von Hilfseinrichtungen wenden:

  • Opfernotruf vom Justizministerium in Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring (0-24 Uhr): 0800/ 112 122, opfer-notruf.at
  • Psychiatrische Soforthilfe (0–24 Uhr): 01/313 30
  • Kriseninterventionszentrum (Mo–Fr 10–17 Uhr): 01/406 95 95, kriseninterventionszentrum.at
  • Rat und Hilfe bei Suizidgefahr, pro mente Oberösterreich 0810/97 71 55
  • Sozialpsychiatrischer Notdienst 01/310 87 79
  • Telefonseelsorge (0–24 Uhr, kostenlos): 142
  • Rat auf Draht (0-24 Uhr, für Kinder und Jugendliche): 147
  • Gesprächs- und Verhaltenstipps für Angehörige: bittelebe.at

Buchtipp: Das Fluchtparadox

Flucht ist ein paradoxer Vorgang. Menschen müssen ihre Heimat verlassen, obwohl sie nicht wollen. Sie müssen illegal Grenzen überqueren, weil sie sonst nicht um Asyl ansuchen können. Sie müssen sich integrieren, das führt dann aber erst wieder zu Reibereien. In ihrem Buch „Das Fluchtparadox“ zeigt Judith Kohlenberger diese Widersprüche auf – und will damit den Weg zu einem menschlicheren Umgang mit Flucht ebnen.

Menschen auf der Flucht müssen Recht brechen, um zu ihrem Recht auf Asyl zu gelangen. Sie müssen arm und traumatisiert, gleichzeitig aber auch leistungsbereit sein. Klingt paradox? Ist es auch. Der Umgang europäischer Staaten mit Geflüchteten strotzt nur so von Widersprüchen. Das legt Migrationsforscherin Judith Kohlenberger in ihrem Buch „Das Fluchtparadox“ offen. Von Kapitel zu Kapitel zeigt sie unzählige Widersprüche des aktuellen Asyl- und Migrationsregimes auf und will damit den Weg zu einem anderen Umgang mit Geflüchteten ebnen.

Paradox vom Anfang bis zum Schluss

Das titelgebende Fluchtparadox erfahren Geflüchtete vom Anfang bis zum Schluss:  Von der Ausreise aus dem Heimatland über den Asylantrag bis hin zur Integration im Aufnahmeland. Die Zwischenziele der Flucht sind laut Kohlenberger geprägt von drei paradoxen Momenten:

  • Asylparadox: Es fehlen legale Fluchtwege. Deshalb müssen Menschen auf der Flucht durch illegale Grenzübertritte zuerst Recht brechen, um zu ihrem Recht auf Asyl zu gelangen.
  • Flüchtlingsparadox: Die sogenannte Aufnahmegesellschaft hat ein sehr konkretes Bild von Geflüchteten. Sie müssen arm und schutzbedürftig, gleichzeitig aber auch leistungsbereit und selbstständig sein.
  • Integrationsparadox: Von den Geflüchteten wird zwar vehement gefordert, sich zu integrieren. Erfüllen sie diesen Anspruch, entstehen aber neue Reibungspunkte mit der sogenannten Aufnahmegesellschaft. Dabei geht es um Verteilung, Aufstieg und Sichtbarkeit.

Kohlenberger arbeitet diese paradoxen Momente anhand aktueller und historischer Beispiele heraus. Unter anderem mit dem Ukraine-Krieg. In Österreich sind sich Politik und Gesellschaft schnell einig gewesen, dass Ukrainer:innen Schutz brauchen. Da der Begriff des Flüchtlings in der Vergangenheit derart kriminalisiert wurde, hat man für sie einen Begriff gesucht, um sie von jenen Geflüchteten, die als nicht willkommen gelten, zu unterscheiden. Aus ihnen wurden also Vertriebene, und damit ein Unterschied konstruiert.  „‚Flüchtlinge‘ wurden aus Syrien vertrieben und ‚Vertriebene‘ sind aus der Ukraine geflohen – oder wahlweise umgekehrt, denn die Bedingungen ihrer Ausreise sind in beiden Fällen solche der Unfreiheit, der Unfreiwilligkeit und des Zwangs“, schreibt Kohlenberger.

Verantwortlichkeit einfordern

Die Migrationsforscherin spürt auf 186 Seiten nicht nur die Probleme des aktuellen Asyl- und Migrationsregimes auf. Sie räumt mit Mythen auf, wie jenem, dass Flucht auch freiwillig erfolgen kann. Flucht erfolgt immer unter Zwang. Und sie bietet Lösungswege an. Im Fall unsicherer Fluchtwege zum Beispiel: die Möglichkeit, bereits in der Botschaft des Aufnahmelandes um Asyl anzusuchen, und die dauerhafte Aufnahme vulnerabler Personen über Resettlement-Programme.

„Das Fluchtparadox“ regt die Leser:innen aber auch zum Nachdenken und Hinterfragen an. Denn gleich im Vorwort stellt Kohlenberger klar, dass Grund- und Menschenrechte für alle gelten müssen: „Schutzsuchende, Marginalisierte und Minderheiten erfüllen in westlichen Demokratien deshalb die Funktion eines Kanarienvogels in der Kohlemine, der Bergleute vor einem drohenden Sauerstoffverlust warnte: Bleibt ihnen die Luft weg, weil man ihnen Grund- und Menschenrechte verwehrt, so wird es auch für uns bald brenzlig werden.“ Eine menschliche Asyl- und Migrationspolitik ist aber möglich. Nämlich dann, wenn jede:r Einzelne Verantwortung übernimmt. Und Kohlenberger liefert mit ihrem Buch die notwendigen Informationen und damit das Wissen, um die Verantwortlichkeit von Entscheidungsträger:innen einfordern zu können.

Es gibt auch einen Lichtblick im Buch: Sowohl der Fluchtherbst 2015 als auch der Frühling 2022 haben gezeigt, dass die Asylpolitik menschlich sein kann. Dass Abschottung, Abschreckung und Auslagerung nicht sein müssen, sondern eine Willkommenskultur möglich ist.

„Das Fluchtparadox“ ist im August 2022 im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen.

Ehrenamtliche Arbeit: Helfen trotz Corona-Pandemie

Eine neue Studie der Zivilschutzagenda Österreich hat herausgefunden, dass die Pandemie das Ehrenamt extrem gefordert hat. Wie sieht das in der Praxis aus? FREDA hat mit drei Freiwilligen über ihre Arbeit zu Beginn der Corona-Pandemie gesprochen:   

In Österreich engagieren sich fast 3,5 Millionen Menschen ehrenamtlich. Sie helfen in Krankenhäusern, in Pflegeheimen, bei der Nachbarschaftshilfe, in NGOs und in Tierheimen unentgeltlich und oft zusätzlich zum Beruf. Wie wichtig diese ehrenamtliche Arbeit ist, ist durch die Pandemie nochmals deutlich geworden. Denn ohne die zusätzliche Hilfe wären viele Blaulichtorganisationen, Vereine und Direkthilfen nicht im notwendigen Ausmaß möglich gewesen.

Die Studie Bridging the Gap der Zivilschutzagenda Österreich zeigt nun, dass die Pandemie das Ehrenamt extrem gefordert hat: So ist das Gesundheitsrisiko gestiegen, wodurch viele Helfer:innen Angst haben, sich während ihrer Tätigkeit anzustecken. Andere Befragte berichten, dass sie während ihrer Dienste verbal und auch körperlich angegriffen worden sind. Generell ist laut der Studie die Motivation während der Pandemie gesunken. Gründe dafür sind einerseits der schwindende Zusammenhalt in der Gesellschaft und die geringe Anerkennung der Freiwilligenarbeit und andererseits die zusätzliche zeitliche und auch körperliche Belastung. Das hat dazu geführt, dass einige Freiwillige ihre Tätigkeit beendet haben oder darüber nachdenken. Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch, dass zwei Drittel der ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen ihre Tätigkeit im gleichen Ausmaß weiterhin ausüben wollen, einige davon wollen ihr Pensum sogar erweitern.

Ehrenamtliche Arbeit und die Menschen dahinter

Während der Pandemie haben sich eine Vielzahl der Freiwilligen in Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, Caritas oder Nachbarschafts-Vereinen engagiert. Doch ehrenamtliche Arbeit kann viele verschiedene Facetten haben. Das zeigen uns auch unsere drei Freiwilligen Sabrina, Klaus und Martin. Sie alle engagieren seit vielen Jahren ehrenamtlich: als Mentorin für Jugendliche, in der Feuerwehr und als Obmann eines Nachhaltigkeit-Vereins. Welche Auswirkungen Corona auf sie gehabt hat und was die ehrenamtliche Arbeit für sie bedeutet, haben sie uns im Gespräch erzählt:

abrina vom Verein Sindbad Klagenfurt. © Sindbad Klagenfurt
Sabrina vom Verein Sindbad Klagenfurt. © Sindbad Klagenfurt

Sabrina: „Für mich hat es sich einfach richtig angefühlt, Mentorin zu werden. Unabhängig davon, ob gerade eine Pandemie herrscht oder nicht.“

Sabrina ist seit vielen Jahren ehrenamtlich im Bereich Kinder- und Jugendarbeit tätig. Begonnen hat sie damit im Zuge eines Pflichtpraktikums für ihr Psychologiestudium: „Ich war damals in einer Wohngemeinschaft für Kinder. Das hat mir so gut gefallen, dass ich danach weiterhin einmal die Woche in der Wohngemeinschaft tätig war“, erzählt Sabrina. Nach weiteren Praktika in verschiedenen Einrichtungen hat sie 2021 gemeinsam mit ihrer Vereinskollegin Johanna eine Zweigstelle des Vereins Sindbad in Klagenfurt gegründet. „Ziel des Vereins ist es, Jugendliche bei der Jobsuche zu unterstützen“, so Sabrina. Der Verein ist kurz vor dem erneuten Lockdown gegründet worden, was für Sabrina aber kein Problem war, vielmehr eine positive Herausforderung: „Für mich hat es sich einfach richtig angefühlt, Mentorin zu werden und mich wieder ehrenamtlich zu betätigen. Unabhängig davon, ob gerade eine Pandemie herrscht oder nicht.“

Als freiwillige Mentorin begleitet und unterstützt sie Jugendliche bei der Wahl der weiteren Ausbildung. Das heißt, sie findet gemeinsam mit der/dem Jugendlichen heraus, welche Ausbildung am besten für sie oder ihn geeignet ist: Lehre oder weiterführende Schule. Anschließend werden Schnuppertage vereinbart oder Schulen besucht. „Aufgrund der Pandemie sind viele Schnupperpraktika weggefallen. Die Jugendlichen konnten daher in die Berufe nicht hineinschnuppern und waren sich bei der Berufswahl oft sehr unsicher“, erklärt Sabrina. Gerade in so unsicheren Zeiten ist eine persönliche Betreuung durch eine Mentorin extrem wichtig und kann verhindern, dass Jugendliche in die Arbeitslosigkeit abrutschen.

Doch gerade da fehlt es an vielen Ecken, meint Sabrina: „Ehrenamtliche Mitarbeiter:innen übernehmen oft enorm wichtige Aufgaben und helfen in schwierigen Lebenssituationen. Deshalb würde ich mir wünschen, dass unsere Arbeit mehr geschätzt werden würde“, erklärt Sabrina. Auch im Bereich der Organisation muss das Ehrenamt verbessert werden, erklärt die Mentorin weiter: „Derzeit ist es in allen Bundesländern unterschiedlich geregelt, wie Ehrenamtliche versichert sind. Eine einheitliche Unfall- und Haftpflichtversicherung auf Bundesebene wäre meiner Meinung nach wünschenswert.“ Auch wenn es in den letzten Monaten nicht immer einfach war, macht Sabrina ihre ehrenamtliche Arbeit sehr gerne: „Es gibt mir ein so gutes Gefühl zu wissen, dass ich helfen kann. Mein Mentoringprogramm endet im November 2022, aber ich werde mit meiner Mentee sicherlich auch danach noch weiter in Kontakt bleiben.“

Klaus ist Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr in Kappel am Krappfeld. © Klaus Goltschnig
Klaus ist Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr in Kappel am Krappfeld. © Klaus Goltschnig

Klaus: „Sich in der Gemeinde zu engagieren, gehört bei uns am Land einfach dazu“

Seit seinem dreizehnten Lebensjahr ist Klaus bei der Freiwilligen Feuerwehr in seinem Heimatdorf Kappel am Krappfeld. In Österreich wird die Feuerwehr zum großen Teil von Freiwilligen betrieben. Nur in einigen Städten wie Wien, Graz, Linz und auch Salzburg gibt es eine Berufsfeuerwehr. Dabei machen die Freiwilligen ihren Dienst völlig unentgeltlich und im Dienst ihrer Gemeinde. „Ich fühle mich meiner Gemeinde sehr verbunden und finde es wichtig, meiner Familie und meinen Freund:innen helfen zu können. Daher war es für mich schon seit meiner Kindheit ganz klar, dass ich zur Freiwilligen Feuerwehr gehe. Zudem sind viele meiner Freunde dabei und es macht einfach Spaß“, erklärt Klaus.

Die Pandemie hat sein Leben als Feuerwehrmann von heute auf morgen komplett auf den Kopf gestellt. Während es vor der Pandemie noch regelmäßige Übungseinheiten und Teambesprechungen gegeben hat, ist es aufgrund der Ausgangssperren in der Feuerwehrzentrale ruhiger geworden. „Die Ausgangssperren haben es uns nicht immer einfach gemacht. Viele Zusammenkünfte wurden verschoben, Wichtiges schnell übers Telefon oder via Mail besprochen. Auch viele Übungseinheiten sind abgesagt worden“, erzählt Klaus.

Doch eine schwierige Zeit kann eine Gemeinschaft auch wachsen lassen. So berichtet Klaus, dass die Kameradschaft unter den Feuerwehr-Leuten stärker geworden ist. „Bei uns in der Feuerwehr ist der kameradschaftliche Charakter davor auch schon sehr hoch gewesen. Aber ich finde, dass wir die Krise gut überstanden haben und sie uns als Team noch enger zusammengeschweißt hat.“  Klaus erzählt außerdem, dass es in seinem Team nie zu Streitigkeiten über das Thema geimpft oder ungeimpft gegeben hat: „Das war nie ein Streitthema – bei uns kann jede/r seine eigene Meinung haben. Nur beim Thema Feuerwehr, da ziehen wir dann alle an einem Strang“, erklärt er.

So war in seinem Team auch nie vom Aufhören die Rede. „Ja, es ist schon öfters anstrengend gewesen, weil Kamerad:innen krank waren, aber ans Aufhören hab ich nie gedacht. Nur eines würde ich mir für die Zukunft wünschen: Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sollten für Einsätze im Beruf freigestellt beziehungsweise entschuldigt werden. Gerade in einer kleinen Gemeinde wäre das extrem hilfreich. Den finanziellen Verlust müssten sich die Unternehmen mit der Regierung ausmachen“, sagt Klaus.

Martin Mangeng vom Verein pure © pure
Martin Mangeng vom Verein pure © pure

Martin: „Ich möchte die Region, in der ich lebe, aktiv mitgestalten, um gemeinsam eine positive Veränderung zu bewirken“

Dass ehrenamtliche Arbeit sehr facettenreich sein kann und in vielen verschiedenen Bereichen stattfindet, zeigt uns Martin mit seinem Vorarlberger Verein p.u.r.e. Der Name steht für: pflanzenbasiert, unverpackt, regional und ethisch-fair. „Ziel des Vereins ist es, eine möglichst bewusste Lebensweise im Alltag aufzuzeigen, die einfach und praktikabel ist und zudem Spaß macht“, erklärt Martin.

Eigentlich arbeitet der gebürtige Vorarlberger in der IT- und Softwarebranche, ein nachhaltiges und bewusstes Leben zu führen, ist Martin aber schon immer sehr wichtig gewesen. Und das hat er sich auch für die Menschen aus seinem Umkreis gewünscht. „Mir ist aufgefallen, dass viele Menschen aus meinem Umkreis nicht wissen, wie oder wo sie mit einem umweltbewussten und nachhaltigen Lebensstil anfangen sollen“, erzählt er. Deshalb hat sich Martin oft darüber Gedanken gemacht, wie er seine Region unterstützen kann, um gemeinsam eine positive Veränderung zu bewirken. Nach längerem Grübeln ist 2019 die Idee zum Verein pure entstanden. „Dazu gibt es auf unserer Homepage Tipps und Tricks wie beispielsweise Einkaufstipps, Restauranttipps, Rezepte und auch Events. Wir präsentieren in unserem Podcast ‚pure leben in Vorarlberg‘ seit Anfang April 2022 zudem spannende Initiativen und Projekte. Wir haben auch schon kleinere Veranstaltungen und Treffen organisiert, bei denen wir uns über unsere Erfahrungen austauschen.“

Auch wenn sein Verein zum großen Teil digital ist, hat ihn die Pandemie dennoch stark getroffen. „Während der Pandemie haben uns einige Vereinsmitglieder verlassen. Die Motivation hat gefehlt oder es waren andere Dinge wichtiger. Das ist schade, aber umso wichtiger ist es aktuell für uns, die Menschen wieder zu motivieren. Ich glaube, dafür benötigt es vor allem einen regelmäßigen und persönlichen Austausch“, erzählt er. Trotz der Rückschläge ist auch in Martins Kernteam vom Aufhören nie die Rede gewesen. Im Gegenteil, sie haben die Zeit genutzt, ihr Konzept neu zu strukturieren und habe sich dazu entschlossen, einen Podcast zu starten, der April 2022 das erste Mal veröffentlicht wurde.

Die drei Freiwilligen kommen aus gänzlich unterschiedlichen Bereichen des Ehrenamts, eines haben sie dennoch gemeinsam: die Pandemie hat sie alle gestärkt. So war von Aufhören nie die Rede. Vielmehr haben sie die Pandemie als Chance gesehen, um anderen zu helfen und gemeinsam wachsen zu können. Die Arbeit mit den Menschen steht im Fokus und die Möglichkeit, mit ihrer Tätigkeit, anderen etwas zurückzugeben. Gerade in schwierigen Zeiten wie der Corona-Pandemie baut eine Gesellschaft auf Personen wie diesen, um gemeinsam gestärkt aus einer Krise zu gehen.

„Ich lebe hier, ich sollte eine Stimme haben.“

Der junge Kolumbianer Juan ist seit 2014 in Österreich, arbeitet, zahlt Steuern und spricht fließend Deutsch. Doch wie viele andere Menschen auch, ist er vom demokratischen Leben ausgeschlossen. Denn er hat keine österreichische Staatsbürgerschaft.

Österreicher:in zu werden, ist schwer. Für manche sogar unmöglich. Beim Migrant Integration Policy Index belegt Österreich den drittletzten Platz. Nur in den Vereinigten Arabischen Emirate und in Saudi-Arabien ist es noch schwerer, die Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Juan weiß das aus eigener Erfahrung. Er ist 26, im kolumbianischen Cali geboren und lebt seit 2014 in Österreich. Erst in zwei Jahren könnte er das erste Mal um die Staatsbürgerschaft ansuchen. Bis dahin ist er bei keiner Wahl stimmberechtigt.

Zehn Jahre rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt

Um die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen, müssen Menschen aus Drittstaaten zehn Jahre rechtmäßig in Österreich wohnen. In nur wenigen anderen Ländern ist der geforderte Aufenthalt ähnlich lang. Für Bürger:innen aus anderen EU-Ländern und den EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein sind es immerhin sechs Jahre.

Und das ist nicht die einzige Hürde. Anwärter:innen dürfen sich in dieser Zeit nicht länger als 20 Prozent der Zeit im Ausland aufhalten. Wer für längere Zeit Österreich verlässt, um etwa enge Familienangehörige im Heimatland zu pflegen, steht schnell vor einem Problem. Die Behörde addiert bei der Berechnung jeden einzelnen Auslandsurlaub und jede Dienstreise. Überschreitet man die 20 Prozent, fangen die zehn bzw. sechs Jahre wieder von vorne an.

Land der Berge, Land der Bürokratie

Juan kommt mit Matura im Gebäck nach Österreich. Damals ist er 17. Sein Vater ist schon seit 2000 hier und ermöglicht ihm einen schnellen Einstieg in Österreich. Nach einem Jahr spricht er dank mehrerer Sprachkurse fließend Deutsch. Juan will an die Uni in Wien und Dolmetscher werden. Doch die österreichische Bürokratie macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Ohne gleichzeitige Inskription an einer kolumbianischen Universität sei ein Studium nicht möglich, sagt man ihm. Also schiebt er seine Studienpläne nach hinten und versucht sein Glück am Arbeitsmarkt. Dank seiner Deutschkenntnisse findet er einen Job als Catering-Mitarbeiter.

Heute arbeitet Juan 40 Stunden im Einzelhandel. Davon kann er trotz eigener Wohnung gut leben. Es bleibt genug übrig, um seiner Familie in Kolumbien monatlich eine kleine Summe zu überweisen. Für eine österreichische Staatsbürgerschaft reicht das Einkommen nicht.

österreichische Staatsbürgerschaft
Juan lebt seit 8 Jahren in Österreich. Ein österreichischer Pass ist aber nicht in Sicht.
Zu arm, um wählen zu dürfen

Österreich verlangt von Anwerber:innen einen „hinreichend gesicherten Lebensunterhalt“. Der Betrag orientiert sich am Richtsatz im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz. Bei Einzelpersonen liegt der Wert derzeit bei 1.030,49 Euro.

Damit meint die Behörde allerdings nicht das Netto-Einkommen. Erst wenn nach dem Bezahlen von Miete, Unterhalt und etwaigen Kreditraten mehr als 1.030 Euro übrig bleiben, reicht das für die Staatsbürgerschaft. Diese Summe müssen Anwerber:innen allerdings nicht nur zum Zeitpunkt des Antrags nachweisen, sondern 36 Monate innerhalb der letzten sechs Jahre. Das geht sich für Juan und viele andere Menschen nicht aus. Denn: Menschen ohne Staatsbürgerschaft arbeiten oft in systemrelevanten, aber schlecht bezahlten Berufen.

Hinzu kommen noch hohe Gebühren. Je nach Bundesland summieren sich die Kosten auf bis zu 2.500 Euro. Besonders ältere Menschen verzichten wegen dieser Kosten auf den Antrag. So auch Juans Vater. Er ist 63. In seinem Alter „zahle es sich gar nicht mehr aus“ so viel Geld für die Einbürgerung auszugeben. 

„Ob man wählen darf oder nicht, sollte keine Frage des Geldes sein.“

Juan findet es ungerecht, dass Geld darüber entscheidet, wer wählen darf und wer nicht. 2022 leben fast 1,6 Millionen Menschen in Österreich, die keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Das ist jeder Fünfte. Wie viele gerne Staatsbürger:in werden würden, aber an den Hürden scheitern? Darüber gibt es keine Statistiken.

österreichische Staatsbürgerschaft
Das müssen Menschen erfüllen, um die Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen spricht sich in einem Interview mit Kleiner Zeitung und Presse dafür aus, Einbürgerungen zu erleichtern. Die Hürden seien derzeit „zu hoch“.

Solange das Recht zu wählen an die Staatsbürgerschaft geknüpft ist, sind viele Menschen vom demokratischen Leben ausgeschlossen. Sie haben keine Möglichkeit, ihre Bedürfnisse und Standpunkte auf demokratischem Weg einzubringen. Das widerspricht der Idee einer freien Demokratie.

Im Herzen Kolumbianer

Juan ist froh, hier zu leben. Das betont er mit Nachdruck. Er fühlt sich sicher in Wien. Ein Gefühl, dass er von den Straßen seiner Heimatstadt Cali nicht kennt. Würde er die österreichische Staatsbürgerschaft in zwei Jahren bekommen, müsste er seinen kolumbianischen Pass hergeben. Denn Doppelstaatsbürgerschaften akzeptiert Österreich nicht. Leicht würde das Juan nicht fallen. Aber er würde es tun. Weil Juan hier arbeiten und leben möchte. Aber vor allem: Weil er wählen möchte.

„Ich lebe hier! Ich bin auch ein Teil Österreichs. Warum sollte ich nicht auch eine Stimme haben?“ Ob er in zwei Jahren wirklich alle Voraussetzungen erfüllt, bezweifelt er. Aber versuchen möchte es Juan auf jeden Fall.

Mit Regenwasser gegen die Hitze

Wien hat ein Hitzeproblem. Denn wenn es in Österreich heiß wird, wird es in Wien heißer. Bis zu zwölf Grad Temperaturunterschied kann es zwischen der Innenstadt und dem Umland haben. Grund dafür sind die dicht bebauten Straßen und Häuser. Auch Regen kühlt die Stadt nur bedingt ab. Denn wo viel versiegelt und verbaut ist, kann nur wenig versickern und verdunsten. Was da hilft? Ein gutes Management, das den Regen in die richtigen Bahnen lenkt. Was das genau bedeutet, FREDA klärt auf.

Wien ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Mit 1.9 Millionen Einwohner:innen gehört unsere Hauptstadt zu den Großstädten Europas. Eine Stadt mit so vielen Menschen benötigt dementsprechend viel Wohnfläche, weshalb stetig zu- oder umgebaut wird. Mittlerweile beträgt die versiegelte Fläche in Wien 12.496 Hektar. Bei einer Gesamtgröße von 41.667 Hektar sind das 30 Prozent. Das klingt vielleicht nicht viel, doch im gleichen Ausmaß hat der Anteil an Grünflächen wie Erholungs- und Naturräume, landwirtschaftliche Flächen und naturbelassene Böden abgenommen – was den Kreislauf des Wassers negativ beeinflusst. Denn aufgrund der versiegelten Flächen kann das Regenwasser vielerorts nicht mehr ungehindert versickern und verdunsten, sondern fließt direkt in den Kanal, wo es weiter ungenützt in die Donau kommt. Das führt dazu, dass einerseits die Kanalisation überbelastet ist und andererseits die Stadt ihr Klima nicht mehr selbst regulieren kann. Dadurch kann es zu Hochwasser, Grundwassermangel, Hitzewellen und auch Bränden kommen.

Um dem entgegenzuwirken und die Stadt langfristig auf das veränderte Klima vorzubereiten, beschäftigt sich die Stadt Wien seit mehreren Jahren mit dem Thema Regenwassermanagement. Mit diesem können natürliche Wasserkreisläufe in einer Stadt künstlich geschaffen werden. FREDA hat mit Christian Härtel von der Wiener Umweltschutzabteilung (MA22) gesprochen, um mehr zu erfahren:

So kann Regenwasser das Stadtklima regulieren

In der Natur wird Regenwasser in Baumkronen, in bewachsenen Böden oder von Pflanzen zwischengespeichert. Das Wasser ist auch noch Wochen nach dem Regen verfügbar und verdunstet nach und nach über die Pflanzen. Dabei entsteht Verdunstungskälte, die die Luft kühlt und befeuchtet und so als Klimaregulator wirkt. „In der Stadt gibt es aber keinen direkten Klimaregulator. Es regnet, der Asphalt dampft eine halbe Stunde und danach ist das Wasser wieder weg. Beim Regenwassermanagement geht es daher darum, dass das Wasser nicht mehr wie bisher im Kanal entsorgt wird, sondern dass man es vor Ort zurückhält, es verdunsten oder versickern lässt und dadurch ein natürlicher Wasserkreislauf geschaffen wird“, so Härtel.

Regenwassermanagement kann in unterschiedlichen Varianten eingesetzt werden, beispielsweise durch das Begrünen von Gebäuden wie Dach- oder Fassadenbegrünung, Versickerungen wie Sickergruben oder Flächenversickerung und auch Regenwasserspeicherung durch Zisternen oder Wasserbecken. Die gängigsten Methoden in Wien sind Bauwerksbegrünung und Versickerungen:

Christian Härtel von der Umweltschutzabteilung MA22 am begrünten Dach. © Linda Weidinger
Christian Härtel von der Umweltschutzabteilung MA22 am begrünten Dach. © Linda Weidinger
Kühl, kühler, Dachbegrünung

Fassaden stellen in Wien die größten ungenützten Flächen dar, weshalb sie sich besonders gut eignen, um begrünt zu werden. Die Begrünung durch Kletterpflanzen wie Efeu oder Wilder Wein ist günstig, pflegeleicht und lang haltbar. Sie schützt und dichtet die Außenwand ab, wodurch Kosten und Energie für Heizung und Klimaanlage gespart werden kann. Zudem ist die Fassadenbegrünung ist ein sehr wirksamer Luftreiniger, da die Pflanzen den Feinstaub binden.

„Durch die Dachbegrünung können urbane Hitze-Insel reduziert werden.“

Moos, Gräser, Gartenbeete oder Biotope: Es gibt viele verschiedene Arten sein Dach zu begrünen. Die Dachbegrünung wirkt dabei wie ein Schwamm und speichert je nach Aufbaudicke bis zu 90 Prozent des Regenwassers. Selbst eine Dachbegrünung, die nur wenige Zentimeter hoch ist, kann im Jahr bis zu 350 Liter Wasser pro Quadratmeter speichern. „Ein Großteil des Regenwassers wird auf dem Dach zurückgehalten. Entweder speichern die Pflanzen das Wasser und geben es nach und nach ab, wodurch die Umgebung abkühlt oder es wird gesammelt und dem Grundwasser zurückgeführt. In Wien werden auf Flachdächern leider oft noch Kieselsteine genutzt. Diese heizen sich im Sommer aber extrem auf und tragen so zusätzlich zur Hitze in der Stadt bei“, erklärt Christian Härtel. Durch die Vegetation am Dach und auf der Fassade wird mehr verdunstet, was die Stadt abkühlt und urbane Hitze-Inseln können vermieden oder reduziert werden.

Regenwasser wird am Dach gespeichert. Anschließend rinnt es durch ein Rohr an der Außenwand zum Boden, wo es in eine Mulde rinnt und versickert.© Linda Weidinger
Regenwasser wird am Dach gespeichert. Anschließend rinnt es durch ein Rohr an der Außenwand zum Boden, wo es in eine Mulde rinnt und versickert.© Linda Weidinger
Lass es sickern: Sickergruben und Co zum Schutz gegen Hochwasser

Aufgrund der Klimakrise kommt es immer häufiger zu Starkregen. Das heißt, es fallen innerhalb kürzester Zeit extrem hohe Mengen an Niederschlagswasser zu Boden. Die Wiener Kanalisation ist für diese großen Wassermengen nicht gemacht, weshalb es zu Hochwasser kommen kann.

Bei der Versickerung geht es deshalb in erster Linie darum, die Kanalisation bei Starkregen zu entlasten, indem man den Regen zurückhält, speichert und versickern lässt. Ein Beispiel dafür ist die Muldenversickerung im Bruno-Kreisky-Park bei der U4-Station Margaretengürtel:

„Das Regenwasser sammelt sich in der Mulde und versickert langsam ins Erdreich, wo es dem Grundwasser zurückgeführt wird.“

Die Muldenversickerung ist notwendig, da neben dem Park ein Fuß- und Radweg verläuft. Bei Regen ist das Wasser vom Weg direkt in zwei naheliegende Kanäle geflossen, wodurch der Kanal dort oft überlastet war. Deshalb hat man eine bereits bestehende Mulde im Park umgestaltet und umfunktioniert: Inmitten der Mulde ist eine Insel aus Schilf mit mehreren Kieselsteinchen errichtet worden. Die Insel und die Steine sorgen dafür, dass das Wasser gespeichert wird und besser versickern kann. Im Sommer werden die Kanalschächte der zwei naheliegenden Kanäle geschlossen. So kann bei Regen das Wasser nicht mehr direkt in die Kanalisation fließen, sondern in die Mulde. Dort sammelt es sich und versickert langsam ins Erdreich, wo es dem Grundwasser zurückgeführt wird. Dabei wird es von zahlreichen Mikroorganismen gereinigt. Das Schilf nimmt zusätzlich das Wasser auf und lässt es nach und nach verdunsten, wodurch die Umgebung abkühlt.

Was macht die Stadt Wien?

„Seit mittlerweile über zehn Jahren müssen Flachdächer in Wien laut der Flächenwidmungsabteilung (MA21) begrünt werden. Das heißt: Wer ein Dach baut, das flacher als 15 Grad ist, muss es begrünen“, erzählt Christian Härtel. Auch die Fassadenbegrünung ist vorgeschrieben. Dies gilt bei allen neuen Bebauungsplänen für das gesamte Stadtgebiet und die Industriegebiete ab einer Gebäudehöhe von über 7,5 Metern. Ausnahmen sind Familienhäuser, Gartensiedlungen und Kleingartengebiete.

„Mindestens 50 Prozent der Wiener Dächer soll in Gründächer umgewandelt werden“

Das gilt allerdings nur für Neubauten oder Umbauten. Damit das Begrünen aber auch für bereits bestehende Gebäude interessant wird, fördert die Stadt Wien die Begrünung von Innenhöfen, Dächern und Fassaden. Je nach Gebäude eignet sich natürlich eine andere Begrünung. Welche am besten passt und welche Förderung infrage kommt, kann mit der UMWELTBERATUNG der Stadt Wien bei einem Beratungsgespräch herausgefunden werden. Ziel des Wiener Begrünungsprogramms ist es, mindestens 50 Prozent der Wiener Dächer in Gründächer umzuwandeln, umso langfristig die Stadt an das neue Klima anzupassen.

Aber auch jede:r Einzelne kann zur Begrünung beitragen und beispielsweise auf Balkon und Terrasse viele Pflanzen aufstellen oder mit der Hausverwaltung über die Fassaden- oder Dachbegrünung sprechen.

Buchtipp: Periode ist politisch

Schon früh lernen Frauen und Menschen, die menstruieren, dass die Periode Privatsache ist. Doch das ist sie nicht. Der Umgang mit ihr ist mehr als politisch. Warum, das erklärt Menstruationsaktivistin Franka Frei in ihrem ersten Buch. Bei all der Ernsthaftigkeit des Themas verliert sie nicht den Humor.

Eine Welt, in der Tampons, Period Pantys und Co. als Statussymbol gelten und nicht das Budget belasten. In der sich niemand für Blutflecken schämen muss. In der offen über die Menstruation gesprochen wird und Menstruierende, die unter Beschwerden leiden, unterstützt werden. Es ist eine Utopie. Aber es wäre eine Welt, in der die Periode nicht länger als Privatsache gilt. Denn genau das ist sie nicht. In ihrem Buch „Periode ist politisch“ schreibt Aktivistin Franka Frei ein Manifest gegen das Menstruationstabu. Informativ, aufklärend und gleichzeitig mit viel Humor.

Blut ist nicht gleich Blut

Die Realität ist aktuell weit von einer Utopie entfernt. Junge Frauen und Menschen, die menstruieren, lernen früh, nicht über die Periode zu sprechen, Periodenartikel heimlich auszutauschen und still vor sich hinzuleiden, wenn sie monatlich von Bauchkrämpfen geplagt werden. Und passiert es einmal, dass ein Blutfleck auf einem Kleidungsstück sichtbar ist, werden sie verachtet. Dabei herrscht eine Doppelmoral. Denn Blut ist nicht gleich Blut. In Actionfilmen zum Beispiel gilt: Je mehr Blut, desto besser. Ein Symbol für Kampfgeist und Stärke. „Ob wir es als ekelhaft empfinden, scheint vor allem daran zu liegen, wo es herkommt“, schlussfolgert Franka Frei. Apropos Herkunft: Menstrualblut und Sperma werden bis heute noch oft miteinander verglichen, manche stellen Menstruieren sogar dem Masturbieren gegenüber. Als wäre Menstruieren eine freie Entscheidung.

Wie Männer Menstruation erklären

In der Geschichte finden sich viele abstruse Theorien wie diese – vorrangig von Männern. Unter anderem Pythagoras, der meinte, Frauen würden menstruieren, weil sie zu viel essen. Der Rechtsmediziner Richard von Krafft-Ebing, laut dem die Menstruation Frauen zu „Furien, Mörderinnen und Brandstifterinnen“ mache. Oder Paracelsus, der im 16. Jahrhundert überzeugt war, Menstrualblut sei giftig. Übrigens eine Theorie, die erst 1958 medizinisch widerlegt wurde. Für solche Vorstellungen muss Frei gar nicht erst in die Vergangenheit blicken, es gibt sie auch heute noch. Zum Beispiel Donald Trump, der unangenehme Kritik einer Journalistin auf die Periode zurückgeführt und ihr damit Zurechnungsfähigkeit abgesprochen hat. An all jene, verteilt die Menstruationsaktivistin im Laufe des Buches goldene Erdbeeren, die Negativ-Auszeichnung für vermeintliche Menstruationstheoretiker:innen.

Aktivistinnen klären auf

Franka Frei unternimmt Exkurse in die Vergangenheit, um zu erklären, wie die Menstruation zum Tabu wurde. Die meiste Zeit bleibt sie aber in der Gegenwart, um die politische Dimension aufzuzeigen. Sie nimmt ihre Leser:innen mit zu Aktivistinnen nach Indien, Pakistan, Bangladesch und Nepal. Sie stellt starke Frauen vor, die Aufklärungsarbeit leisten und ebenfalls versuchen, das Menstruationstabu zu durchbrechen. Die Autorin zeigt anhand dieser Länder aber auch einen Teufelskreis auf, der durch die Stigmatisierung der Menstruation entsteht. Häufig verwenden Menstruierende einen einfachen Stofffetzen, den sie danach mit Wasser auswaschen. Getrocknet werden diese oft an dunklen Stellen, zum Beispiel unter dem Bett. Weil die Blutflecken niemand sehen darf. Eine Brutstätte für Keime, Entzündungen sind die Folge. Periodenarmut, also mangelnder Zugang zu Menstruationsartikeln, Hygiene, Bildung und Abfallentsorgung, betrifft Menstruierende auf der ganzen Welt.

„Wir müssen anfangen, offener mit dem Thema umzugehen, auch um auf Missstände, Probleme oder Wissenslücken aufmerksam zu machen und für mehr Aufklärung zu sorgen.“

Das Menstruationstabu schadet der Gesundheit von Frauen. Nicht nur durch unhygienische Menstruationsartikel. Zyklusbedingte Krankheiten wie Endometriose, die Hormonstörung polizystisches Ovarialsyndrom (PCOS) und das prämenstruelle Syndrom (PMS) sind mangelhaft erforscht. Zum Nachteil aller Betroffenen. „Wir müssen anfangen, offener mit dem Thema umzugehen, auch um auf Missstände, Probleme oder Wissenslücken aufmerksam zu machen und für mehr Aufklärung zu sorgen. Nur dann können gesundheitliche Fragen allumfassender und Diagnosen schneller gestellt werden, damit zusammenhängende Forschungslücken geschlossen und Heilungsmethoden entdeckt werden“, fordert die Menstruationsaktivistin.

Miteinander reden und das Tabu brechen

Kommunikation ist für Franka Frei der Schlüssel. Frauen und Menschen, die menstruieren, müssen offen über ihre Periode sprechen können. Sie müssen sie ohne Scham beim Namen nennen können. „Durch die Tabuisierung der Periode fehlt uns selbst der Zugang dazu. Die Folgen: fehlendes Wissen, wenig Aufklärung, Mythen, Stigmatisierung, Verwirrung und Missverständnisse – eine gigantische Abwärtsspirale“, argumentiert Frei. Diese Grenzen können durch Kommunikation durchbrochen werden.

„Wäre Menstruation genauso normal wie Zähneputzen, würden mehr Betroffene sich trauen, periodenbedingte Beschwerden zu thematisieren“, ist sich die Autorin sicher.  Und vielleicht kommen wir so in die utopisch anmutende Welt, wie sie Frei im letzten Kapitel beschreibt. Ein Schritt in diese Richtung, ist, „Periode ist politisch“ zu lesen.

„Periode ist politisch“ ist 2020 im Heyne Verlag erschienen.

Endometriose: Wie ein Messer im Bauch

Die Menstruation bedeutete für Yvonne mehrere Jahre lang extreme Schmerzen. Erst mit der Antibabypille sind die Beschwerden besser geworden. Sie hat Endometriose, eine der häufigsten Frauenkrankheiten. In der breiten Öffentlichkeit ist sie aber immer noch weitgehend unbekannt – und das wirkt sich auf die Gesundheitsversorgung Betroffener aus.

Bauchkrämpfe, Schwindel und Stimmungsschwankungen gehören für viele Frauen und Menschen, die menstruieren, einmal pro Monat zum Alltag. Bei manchen gehen sie aber über die Grenze des Ertragbaren hinaus. „Weil es immer heißt, man soll sich nicht so anstellen, denkt man, die Schmerzen während der Periode sind normal“, sagt Yvonne. Sie hat mehrere Jahre unter extremen Schmerzen während der Menstruation gelitten. Der Grund: Sie hat Endometriose. Eine der häufigsten Frauenkrankheiten, gleichzeitig aber auch das „Chamäleon der Medizin“.

  • Endometriose ist eine gutartige chronische Krankheit. Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, bildet sogenannte Endometrioseherde an den unterschiedlichsten Stellen im Körper. Unter anderem im Becken, an den Eierstöcken, der Blase und in seltenen Fällen sogar in Lunge, Leber und Gehirn. Diese Herde verhalten sich wie die Gebärmutterschleimhaut und bluten zu Beginn des Zyklus. Anders als die Gebärmutterschleimhaut kann dieses Blut aber nicht über Körperöffnungen austreten. Es bleibt im Körper und verursacht Entzündungen und Zysten. Betroffen sind vor allem menstruierende Personen im gebärfähigen Alter.

Die Symptome sind unterschiedlich, der Weg zu einer gesicherten Diagnose ist lang. Im Durchschnitt vergehen acht bis elf Jahre. Eine von zehn Frauen ist von Endometriose betroffen. Eine höhere Dunkelziffer wird befürchtet. „Ich glaube, dass das Thema Menstruation für viele Frauen noch ein Tabu ist, viele wollen nicht darüber sprechen und viele glauben auch, wenn sie Beschwerden bei der Regelblutung haben, ist das etwas ganz Normales und deswegen wird das nicht angesprochen“, sagt die Gynäkologin Denise Tiringer in einem Expertinnengespräch, das FREDA und der Grüne Parlamentsklub organisiert haben. Das Ziel: mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit.

Monatliche Qual

Yvonne hatte ihre erste Periode mit zwölf Jahren. Schmerzen hatte sie schon damals, mit den Jahren wurden diese immer schlimmer. Die heute 26-Jährige hatte extreme Bauchkrämpfe, musste sich übergeben und konnte teilweise gar nicht aufstehen. Schmerzmittel haben nicht geholfen.  „Der erste Tag war immer die Hölle. Am zweiten Tag war es schon weniger schlimm und am dritten Tag meistens weg. Wenn das heute noch so wäre, könnte ich am ersten Tag meiner Periode nicht arbeiten“, erzählt Yvonne.

Kein einheitlicher Krankheitsverlauf

Heftige Bauchschmerzen während der Menstruation haben fast alle, die an Endometriose leiden. „Es hat sich angefühlt, als würde jemand mit dem Messer in den Bauch stechen“, beschreibt Yvonne die Schmerzen. Die Krankheit hat bei ihr aber auch Übelkeit, Blasenprobleme, zyklusbedingte Verdauungsprobleme und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr ausgelöst. Beim Gehen verspürt sie manchmal einen Druck im Lendenbereich. Die Symptome sind von Frau zu Frau unterschiedlich. Das macht auch die Diagnose schwierig. Denn manche Beschwerden wie zum Beispiel Rückenprobleme können auf andere Krankheiten hindeuten. Eine gesicherte Diagnose ist daher nur durch einen operativen Eingriff möglich. Der Bauchraum wird dabei auf Endometrioseherde untersucht.

  • Update vom 18.10.2022: Das Privatlabor Eluthia in Deutschland hat gemeinsam mit Partnerlaboren aus Frankreich und der Schweiz den weltweit ersten Speicheltest entwickelt, der Endometriose schnell und risikofrei feststellen kann. Das Ergebnis liegt nach etwa zwei Wochen vor. Der Test ist vorerst nur in Deutschland erhältlich und kostet 799 Euro.

Für 40 Prozent der Betroffenen bedeutet Endometriose zudem Unfruchtbarkeit. Eileiter können durch Entzündungen verklebt sein, Zysten können den Eisprung stören. Das muss aber nicht automatisch bedeuten, dass Betroffene keine Kinder bekommen können. In Kinderwunschkliniken gibt es entsprechende Behandlungen.

Yvonne im Garten
Yvonne leidet an Endometriose. Während der Periode hatte sie jahrelang extreme Schmerzen.
Endometriose ist behandelbar

Geheilt werden kann Endometriose nicht. Dafür ist noch zu wenig über die Ursache der Krankheit bekannt. Aber sie kann behandelt werden. In manchen Fällen helfen bereits Schmerzmittel. Andere werden mit einer Hormontherapie behandelt. Diese lindern aber nur die Beschwerden, wird die Therapie beendet, kommen in der Regel die Beschwerden zurück. Yvonne nimmt seit ihrem 16. Lebensjahr die Antibabypille. Weil das gegen die Beschwerden hilft, hat ihr die Frauenärztin damals gesagt. Von Endometriose war nicht die Rede. Erst vor einem Jahr war sie bei einer Frauenärztin, die sie auf die chronische Krankheit untersucht hat. Seither nimmt sie ein Präparat, das gezielt bei Entzündungsherden hilft. „Ich habe wirklich großes Glück, dass die Pille bei mir hilft“, sagt Yvonne. Während der Menstruation spürt sie zwar immer noch Schmerzen, aber diese sind bei weitem nicht mehr so stark wie früher. In den schmerzhafteren Phasen hilft ihr heute bereits eine Wärmeflasche.

Die Antibabypille hilft aber nicht immer wie bei Yvonne. Oft braucht es eine Operation, um die Endometrioseherde zu entfernen. Doch auch das ist leider kein Garant für ein Leben ohne Schmerzen. In manchen Fällen entwickeln sich nach Operationen neue Herde und das Leiden geht weiter.

Missstand in Gesundheitsversorgung

Auch wenn Endometriose sehr viele Frauen und Menschen, die menstruieren, betrifft, ist die Krankheit in der breiten Öffentlichkeit nach wie vor kaum bekannt. Dabei hilft bereits Aufklärung im Schulalter, die Zeitspanne zwischen den ersten Symptomen und der Diagnose zu verkürzen. Das hat eine Studie aus Neuseeland gezeigt. Ein Problem ist aber der sogenannte Gender Health Gap. In medizinischen Studien ist oft ein 75 Kilogramm schwerer Mann der Maßstab. Die Folge: Es ist mehr über den männlichen als den weiblichen Körper bekannt. Krankheiten von Frauen und Menschen, die menstruieren, werden dadurch schlechter erkannt. „Das führt auch dazu, dass die Versorgung im Hinblick auf Endometriose in Österreich desaströs ist. Es ist wirklich beschämend, in einem Land, das grundsätzlich eine sehr gute Gesundheitsversorgung hat, hier einen Missstand zu haben“, sieht die Grüne Frauensprecherin Meri Disoski Handlungsbedarf.

Reha für Betroffene gefordert

Handlungsbedarf sehen aber auch andere. Die Kampagnenorganisation Aufstehn hat daher eine Petition gestartet, die einen Nationalen Aktionsplan fordert:

  • Krankenkassen sollen Betroffene durch die Kostenübernahme von Behandlungen und Medikamenten unterstützen. Zudem soll das Angebot einer Reha geschaffen werden.
  • Für die Forschung und Entwicklung von Medikamenten sollen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Das medizinische Personal soll entsprechend aus- und weitergebildet werden.
  • In der breiten Öffentlichkeit soll Bewusstseinsbildung gefördert werden.

Auch Tiringer spricht sich für ein Reha-Angebot aus. In Deutschland gibt es das bereits. Betroffene lernen, mit ihrer Krankheit und den damit verbundenen Schmerzen umzugehen und wie sie ihren Alltag bewältigen. Das Angebot wird gut angenommen. „Die Krankheit muss als richtige Krankheit anerkannt werden“, fordert auch Yvonne. Sie sieht die Krankenkasse in der Pflicht, Betroffene besser zu unterstützen. Auch in Hinblick auf den Kinderwunsch. „Nur, weil man etwas nicht sehen kann, heißt das nicht, dass es nicht da ist“, unterstreicht sie.

Österreich rüstet sich für Waldbrände

Die Klimakrise bringt mehr Dürren, auch für Österreich. Damit steigt auch hierzulande die Waldbrandgefahr. Neue Forschungsprojekte und achtsames Verhalten im Wald sollen die Brände in Schach halten.

Kaum ein Land in Europa bleibt diesen Sommer vom Feuer verschont. In Spanien haben Brände bereits mehr Wald vernichtet als in jedem anderen Jahr zuvor – und das schon Ende Juli. Seit Jahresbeginn 2022 hat das Feuer 2.000 Quadratkilometer Wald zerstört. Das entspricht beinahe der Fläche Vorarlbergs. Nur in Spanien alleine. In weiten Teilen Südeuropas sieht es nicht viel besser aus. Italien, Kroatien, Portugal, Frankreich, Griechenland. Sie alle kämpfen diesen Sommer gegen gewaltige Waldbrände.

Anfang August 2022 ist die Waldbrandgefahr dank des Regens in weiten Teilen Österreichs gering. © Screenshot ZAMG

In weiten Teilen Österreichs ist die Waldbrandgefahr Anfang August zwar gering. Das zeigt ein Blick auf die Waldbrandkarte der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Doch die Lage kann sich auch bei uns schnell ändern, wenn der Regen ausbleibt.

Der größte Waldbrand in der Geschichte Österreichs

Das hat der Waldbrand im niederösterreichischen Rax-Gebiet im Oktober letzten Jahres gezeigt. Ein extrem trockener Herbst hat dem Feuer ermöglicht, sich extrem rasch auszubreiten. Innerhalb von zehn Stunden stand ein ganzer Berg in Flammen. Die erschreckenden Bilder des Feuers haben für viele begreifbar gemacht, dass sich auch Österreich zu einem Waldbrandland entwickelt.

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Mehr Informationen

Trockenheit ist Grundvoraussetzung für Waldbrände

Denn Dürrephasen nehmen auch im Alpenraum deutlich zu, wie eine 2020 veröffentliche Studie der ZAMG zeigt. Durch die Klimakrise werden Wetterextreme immer häufiger. Dazu zählen Hitzewellen oder eben lange Phasen ohne Regen. Beides erhöht die Waldbrandgefahr.

„Die Waldbrandgefahr ist heuer deutlich höher als noch vor zehn Jahren.“

Das zeigt auch die Waldbrand-Datenbank der Universität für Bodenkultur. Brände mit einer Brandfläche von unter einem Hektar haben deutlich zugenommen. In den 2000ern waren es durchschnittlich rund 130 Brände im Jahr. Zwischen 2011 und 201 schon durchschnittlich 220 Brände pro Jahr. Diese Tendenz bestätigt auch Felix Montecuccoli, Präsident der Land & Forst Betriebe Österreich. In einem Interview mit dem Ö1 Morgen Ende Juli sagt er: „Die Waldbrandgefahr ist heuer deutlich höher als noch vor zehn Jahren.“

Neue Waldbrandforschung gestartet

Auf große Waldbrände wie dem auf der Rax muss sich Österreich vorbereiten. Im Frühjahr dieses Jahres haben sich die ZAMG, die Universität für Bodenkultur und weitere große Forschungseinrichtungen für neue Waldbrandprojekte zusammengeschlossen. Das Landwirtschaftsministerium fördert diese Projekte mit dem österreichischen Waldfonds. Das Ziel der Forscher:innen: Sie wollen die Waldbrandgefahr in Österreich besser einschätzen können.

  • Projekt Ignite

Ignite beschäftigt sich mit der Entstehungsgefahr von Waldbränden in Österreich. Wie leicht ein Feuer entsteht, hängt stark davon ab, wie feucht der Waldboden ist. Und die Feuchtigkeit des Bodens hängt wiederum davon ab, um welchen Wald es sich genau handelt. Zum Beispiel, welche Baumart vermehrt im Wald wächst. Und genau hier setzt das Forschungsprojekt Ignite an. Forscher:innen wollen verstehen, wie lange der Boden in unterschiedlichen Waldtypen feucht bleibt, nachdem es geregnet hat. So können sie zukünftig besser sagen, wo große Waldbrandgefahr besteht. Im Rahmen von Ignite nehmen sie Bodenproben in Wäldern und machen Entzündungsversuche im Labor. Das neue Wissen arbeiten sie dann in eine Karte ein, die Expert:innen hilft abzuschätzen, wie leicht in welchem Wald Brände entstehen können.

  • Projekt Emerge

Während Ignite verstehen möchte, wo das nächste Feuer entsteht, beschäftigt sich das Projekt Emerge damit, wie sich Feuer verhält, wenn es schon da ist. Forscher:innen wollen verstehen, wohin sich Waldbrände ausbreiten und mit welcher Geschwindigkeit sie das tun. Das hängt nicht nur vom Wetter ab, sondern auch davon, ob es gebirgig oder flach ist. Oder beispielsweise davon, wie dicht die Bäume beisammen stehen und wo es Lücken im Wald gibt. Die so gewonnen Informationen werden in einen neuen Waldbrandsimulator eingespeist. Der soll Behörden und den Feuerwehren zukünftig helfen, die Ausbreitung von Waldbränden und damit ihr Gefährdungspotential besser einzuschätzen.

  • Projekt Firedata

Bei Firedata geht es darum, alle vergangenen Waldbrände in Österreich möglichst gut zu dokumentieren. Forscher: innen wollen die bereits existierende Waldbrand-Datenbank der Universität für Bodenkultur verbessern und mit neuen Waldbränden füttern. Wer die Waldbrände der Vergangenheit versteht, kann auch bessere Prognosen für zukünftige treffen, lautet das Credo.

Das kann jeder einzelne tun

Aber nicht nur die Wissenschaft kann etwas dazu beitragen, Waldbrände besser in den Griff zu bekommen. Beinahe 9 von 10 Waldbränden in Österreich verursacht der Mensch selbst. Das ist aber auch eine gute Nachricht. Denn so können wir das Risiko für Waldbrände deutlich senken, wenn wir alle achtsam bei unseren Waldbesuchen sind. Die wichtigsten Regeln sind:

  • Kein offenes Feuer machen

Offene Feuerstellen und Lagerfeuer sind in allen Wäldern Österreichs verboten. Für Zelt- oder Lagerplätze im Wald kann die Forstbehörde Feuer zwar bewilligen. Im Zweifel gilt aber: Wenn es niemand ausdrücklich erlaubt, ist es verboten.

  • Keine Zigarettenstummel wegwerfen

Rauchen im Wald ist prinzipiell erlaubt. Allerdings darf man die glimmenden Zigarettenstummel auf keinen Fall am Waldboden zurücklassen. Ist die Waldbrandgefahr durch anhaltende Trockenheit besonders hoch, können Bezirke das Rauchen im Wald auch per Verordnung verbieten. Auch hier gilt: Im Zweifel sollte man mit der Zigarette warten, bis man den Wald verlassen hat.

  • Dosen und Glasflaschen nicht im Wald zurücklassen

Glas und schimmerndes Metall bündeln Sonnenlicht und können so genug Wärme erzeugen, um ein Feuer auszulösen. Leere Dosen und Glasflaschen entsorgt man daher in Mistkübeln oder nimmt sie im Rucksack wieder mit aus dem Wald.

  • Autos nicht auf trockenem Gras parken

Der heiße Auspuff kann schnell das Gras entzünden. Feuer verbreitet sich auf trockenes Gras blitzschnell und kann so in kurzer Zeit den umliegenden Wald entzünden. Fahrzeuge sollte man daher immer auf befestigen Untergrund oder Schotter parken.

Zehn Irrtümer über Atomkraft

Der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Energiekrise haben die Debatte über Atomkraftwerke wieder entfacht. Belgien hat den beschlossenen Ausstieg bereits um zehn Jahre verschoben und auch in Deutschland wackelt der Widerstand gegen den Weiterbetrieb der verbleibenden Kernkraftwerke. Frankreich hat sogar einen massiven Ausbau angekündigt.

Die Energiekrise beschäftigt Politik, Wirtschaft und hat letztendlich Auswirkungen auf uns alle. Aus welchen Quellen kommt die zukünftig benötigte Energie? Wie kompensieren wir ausbleibende Gaslieferungen aus Russland und wie machen wir uns davon unabhängig? Ist Atomkraft die Lösung für unsere notwendige Energiewende? Nein. Denn sie ist weder billig noch CO₂-neutral noch sicher.

Zehn Irrtümer über Atomkraft zurechtgerückt

Um über die gängigsten Irrtümer rund um die Atomkraft aufzuklären, hat die FREDA Akademie zusammen mit dem grünen Anti-Atom-Sprecher Martin Litschauer eine Broschüre erarbeitet. Wir erklären darin ausführlich und verständlich, warum Atomkraft in Zukunft keine nachhaltige Lösung für unsere Energie- und Klimakrise sein kann. Hier ein Beispiel aus unserer Broschüre:

  • „Irrtum Nummer 1: Ohne Atomstrom wird die Energiewende nicht gelingen.“ Fakt ist, die dafür benötigten Atomkraftwerke sind zu schwach, zu langsam, zu unzuverlässig und zu unflexibel. Von den Kosten einmal ganz abgesehen. Außerdem erzeugen sie aktuell gerade einmal 2 Prozent des weltweiten Energiebedarfs. Bevor ein neu gebautes AKW in Europa ans Netz gehen könnte, vergehen mindestens 10 Jahre. Für den Klimaschutz kommt die Atomenergie damit zu spät. Österreich ist ein gutes Beispiel, wie wir mit dem Vorantreiben von Erneuerbaren Energien die Wende ohne Atomkraft schaffen können. Einen ausführlichen Faktencheck und neun weitere Mythen über Kernkraft gibt’s in der Broschüre.

„Die Energiewende mit Erneuerbaren Energien geht viel rascher und günstiger.“ Martin Litschauer

Unsere Broschüre „Kernkraft – Kurzschluss im Klimawandel“ gibt es hier als PDF-Download.

Zehn Irrtümer über Atomkraft

Unsere Erde ist ein Raumschiff mit begrenzten Ressourcen

Am 28. Juli haben wir Menschen alle Ressourcen der Erde verbraucht, die für das ganze restliche Jahr hätten reichen sollen. Wenn wir die Erde als Raumschiff betrachten, zeigt sich deutlich, warum wir ein Umdenken brauchen.

Seit 1971 berechnet die Organisation Global Footprint Network den Welterschöpfungstag. Vor 50 Jahren lag er noch am 14. Dezember. Im Laufe der Jahrzehnte ist der Tag allerdings immer weiter vorgerückt und erreicht 2022 mit dem 28. Juli einen neuen Negativrekord.  Die restlichen 156 Tage im Jahr lebt die Menschheit zulasten der Erde. Oder anders gesagt: Wir verbrauchen so viele natürliche Ressourcen, dass unser Planet keine Chance hat, sie wieder nachzuproduzieren. Um besser zu verstehen, was das bedeutet, hilft es, sich die Erde als Raumschiff vorzustellen.

Ein Raumschiff namens Erde

Am Raumschiff Erde finden die Fahrgäste alles, dass sie zum Leben brauchen. Solange die Lebenserhaltungssysteme funktionieren, werden sie mit Luft, Wasser, Essen und Energie versorgt. Im Gegensatz zu allen anderen Raumschiffen funktioniert die Erde ganz von selbst, ein wahres Wunderwerk. Sie braucht keinen Treibstoff, keine Wartung und alle Passagiere reisen umsonst mit.

Allerdings ist die Leistung des Raumschiffs Erde begrenzt. Es kann pro Jahr nur eine bestimmte Menge an natürlichen Ressourcen für seine Fahrgäste zur Verfügung stellen. Wenn sie mehr brauchen, müssen sie auf den Notfallspeicher zurückgreifen. Und das machen sie auch.

Wir plündern den Notfallspeicher

In den ersten Jahren entnehmen die Fahrgäste nur ganz wenig aus dem Notfallspeicher. Das Raumschiff Erde scheint das nicht weiter zu stören, alle Lebenserhaltungssysteme funktionieren weiterhin. Also entnehmen die Fahrgäste in den Jahren darauf immer mehr. Und dann beginnt es zu kippen. Die Lebenserhaltungssysteme funktionieren immer schlechter. Denn die Erde braucht selbst Ressourcen, um ihre Systeme am Laufen zu halten.

Doch die Fahrgäste im Raumschiff Erde plündern weiter. Irgendwann haben sie schon im Sommer die Ressourcen für das ganze Jahr verbraucht und müssen riesige Mengen aus dem Notfallspeicher entnehmen. Genau an dem Punkt stehen wir jetzt auf unserer Erde.

Unsere Erde ist erschöpft

Die Metapher des Raumschiffs hilft uns zu verstehen, dass die natürlichen Ressourcen unserer Erde begrenzt sind. Unsere Erde ist ein komplexes und empfindliches System, genauso wie ein Raumschiff. Durch unsere Art zu leben und zu wirtschaften fügen wir der Erde Schaden zu. Natürlich gibt es keinen Notfallspeicher, den wir tatsächlich durch unsere Lebensweise leerräumen. Aber nichtsdestotrotz plündern und beschädigen wir unsere Erde. Durch die Überfischung der Meere, durch den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen, durch die Abholzung der Regenwälder. Genau darauf möchte der Welterschöpfungstag hinweisen.

Österreichs eigener Erschöpfungstag ist am 6. April

Fachleute errechnen nicht nur den Welterschöpfungstag, sondern auch Erschöpfungstage für einzelne Länder. Und dieser Tag macht Österreich kein schlankes Bein. Würden alle Menschen der Erde genauso leben wie ein durchschnittliche/r Österreicher:in, dann wären die Ressourcen der Erde schon 6. April verbraucht. Damit liegt Österreich weit vorn im weltweiten Vergleich.

Wir müssen nachhaltiger leben

Das heißt: Besonders reiche Länder wie Österreich müssen ihre Art zu leben und zu wirtschaften verändern. Unsere Erde ist endlich und das muss sich in unser aller Leben widerspiegeln. Das beginnt bei der Frage, ob wir Dinge reparieren oder wegschmeißen. Wie wir Energie gewinnen, ohne unser Klima zu schädigen. Oder wie wir Essen anbauen, ohne dabei Ökosysteme zu zerstören.

Die Erde hat keinen Notausgang

Nur so kann das Raumschiff Erde auch in Zukunft vielen Menschen ein gutes Leben bieten. Es gehört uns nicht, wir sind lediglich Gäste, die für eine bestimmte Zeit mitfahren dürfen. Und eine weitere Tatsache sollten wir uns in Erinnerung rufen: Genauso wie ein Raumschiff hat auch unsere Erde keinen Notausgang. Wir können sie nicht verlassen, selbst wenn die Lebenserhaltungssysteme ausfallen. Sie ist der einzige lebensfreundliche Ort inmitten eines lebensfeindlichen Universums. Und derzeit leuchten alle Warnlämpchen im Raumschiff rot.