Ehrenamtliche Arbeit: Helfen trotz Corona-Pandemie

Eine neue Studie der Zivilschutzagenda Österreich hat herausgefunden, dass die Pandemie das Ehrenamt extrem gefordert hat. Wie sieht das in der Praxis aus? FREDA hat mit drei Freiwilligen über ihre Arbeit zu Beginn der Corona-Pandemie gesprochen:   

In Österreich engagieren sich fast 3,5 Millionen Menschen ehrenamtlich. Sie helfen in Krankenhäusern, in Pflegeheimen, bei der Nachbarschaftshilfe, in NGOs und in Tierheimen unentgeltlich und oft zusätzlich zum Beruf. Wie wichtig diese ehrenamtliche Arbeit ist, ist durch die Pandemie nochmals deutlich geworden. Denn ohne die zusätzliche Hilfe wären viele Blaulichtorganisationen, Vereine und Direkthilfen nicht im notwendigen Ausmaß möglich gewesen.

Die Studie Bridging the Gap der Zivilschutzagenda Österreich zeigt nun, dass die Pandemie das Ehrenamt extrem gefordert hat: So ist das Gesundheitsrisiko gestiegen, wodurch viele Helfer:innen Angst haben, sich während ihrer Tätigkeit anzustecken. Andere Befragte berichten, dass sie während ihrer Dienste verbal und auch körperlich angegriffen worden sind. Generell ist laut der Studie die Motivation während der Pandemie gesunken. Gründe dafür sind einerseits der schwindende Zusammenhalt in der Gesellschaft und die geringe Anerkennung der Freiwilligenarbeit und andererseits die zusätzliche zeitliche und auch körperliche Belastung. Das hat dazu geführt, dass einige Freiwillige ihre Tätigkeit beendet haben oder darüber nachdenken. Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch, dass zwei Drittel der ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen ihre Tätigkeit im gleichen Ausmaß weiterhin ausüben wollen, einige davon wollen ihr Pensum sogar erweitern.

Ehrenamtliche Arbeit und die Menschen dahinter

Während der Pandemie haben sich eine Vielzahl der Freiwilligen in Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, Caritas oder Nachbarschafts-Vereinen engagiert. Doch ehrenamtliche Arbeit kann viele verschiedene Facetten haben. Das zeigen uns auch unsere drei Freiwilligen Sabrina, Klaus und Martin. Sie alle engagieren seit vielen Jahren ehrenamtlich: als Mentorin für Jugendliche, in der Feuerwehr und als Obmann eines Nachhaltigkeit-Vereins. Welche Auswirkungen Corona auf sie gehabt hat und was die ehrenamtliche Arbeit für sie bedeutet, haben sie uns im Gespräch erzählt:

abrina vom Verein Sindbad Klagenfurt. © Sindbad Klagenfurt
Sabrina vom Verein Sindbad Klagenfurt. © Sindbad Klagenfurt

Sabrina: „Für mich hat es sich einfach richtig angefühlt, Mentorin zu werden. Unabhängig davon, ob gerade eine Pandemie herrscht oder nicht.“

Sabrina ist seit vielen Jahren ehrenamtlich im Bereich Kinder- und Jugendarbeit tätig. Begonnen hat sie damit im Zuge eines Pflichtpraktikums für ihr Psychologiestudium: „Ich war damals in einer Wohngemeinschaft für Kinder. Das hat mir so gut gefallen, dass ich danach weiterhin einmal die Woche in der Wohngemeinschaft tätig war“, erzählt Sabrina. Nach weiteren Praktika in verschiedenen Einrichtungen hat sie 2021 gemeinsam mit ihrer Vereinskollegin Johanna eine Zweigstelle des Vereins Sindbad in Klagenfurt gegründet. „Ziel des Vereins ist es, Jugendliche bei der Jobsuche zu unterstützen“, so Sabrina. Der Verein ist kurz vor dem erneuten Lockdown gegründet worden, was für Sabrina aber kein Problem war, vielmehr eine positive Herausforderung: „Für mich hat es sich einfach richtig angefühlt, Mentorin zu werden und mich wieder ehrenamtlich zu betätigen. Unabhängig davon, ob gerade eine Pandemie herrscht oder nicht.“

Als freiwillige Mentorin begleitet und unterstützt sie Jugendliche bei der Wahl der weiteren Ausbildung. Das heißt, sie findet gemeinsam mit der/dem Jugendlichen heraus, welche Ausbildung am besten für sie oder ihn geeignet ist: Lehre oder weiterführende Schule. Anschließend werden Schnuppertage vereinbart oder Schulen besucht. „Aufgrund der Pandemie sind viele Schnupperpraktika weggefallen. Die Jugendlichen konnten daher in die Berufe nicht hineinschnuppern und waren sich bei der Berufswahl oft sehr unsicher“, erklärt Sabrina. Gerade in so unsicheren Zeiten ist eine persönliche Betreuung durch eine Mentorin extrem wichtig und kann verhindern, dass Jugendliche in die Arbeitslosigkeit abrutschen.

Doch gerade da fehlt es an vielen Ecken, meint Sabrina: „Ehrenamtliche Mitarbeiter:innen übernehmen oft enorm wichtige Aufgaben und helfen in schwierigen Lebenssituationen. Deshalb würde ich mir wünschen, dass unsere Arbeit mehr geschätzt werden würde“, erklärt Sabrina. Auch im Bereich der Organisation muss das Ehrenamt verbessert werden, erklärt die Mentorin weiter: „Derzeit ist es in allen Bundesländern unterschiedlich geregelt, wie Ehrenamtliche versichert sind. Eine einheitliche Unfall- und Haftpflichtversicherung auf Bundesebene wäre meiner Meinung nach wünschenswert.“ Auch wenn es in den letzten Monaten nicht immer einfach war, macht Sabrina ihre ehrenamtliche Arbeit sehr gerne: „Es gibt mir ein so gutes Gefühl zu wissen, dass ich helfen kann. Mein Mentoringprogramm endet im November 2022, aber ich werde mit meiner Mentee sicherlich auch danach noch weiter in Kontakt bleiben.“

Klaus ist Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr in Kappel am Krappfeld. © Klaus Goltschnig
Klaus ist Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr in Kappel am Krappfeld. © Klaus Goltschnig

Klaus: „Sich in der Gemeinde zu engagieren, gehört bei uns am Land einfach dazu“

Seit seinem dreizehnten Lebensjahr ist Klaus bei der Freiwilligen Feuerwehr in seinem Heimatdorf Kappel am Krappfeld. In Österreich wird die Feuerwehr zum großen Teil von Freiwilligen betrieben. Nur in einigen Städten wie Wien, Graz, Linz und auch Salzburg gibt es eine Berufsfeuerwehr. Dabei machen die Freiwilligen ihren Dienst völlig unentgeltlich und im Dienst ihrer Gemeinde. „Ich fühle mich meiner Gemeinde sehr verbunden und finde es wichtig, meiner Familie und meinen Freund:innen helfen zu können. Daher war es für mich schon seit meiner Kindheit ganz klar, dass ich zur Freiwilligen Feuerwehr gehe. Zudem sind viele meiner Freunde dabei und es macht einfach Spaß“, erklärt Klaus.

Die Pandemie hat sein Leben als Feuerwehrmann von heute auf morgen komplett auf den Kopf gestellt. Während es vor der Pandemie noch regelmäßige Übungseinheiten und Teambesprechungen gegeben hat, ist es aufgrund der Ausgangssperren in der Feuerwehrzentrale ruhiger geworden. „Die Ausgangssperren haben es uns nicht immer einfach gemacht. Viele Zusammenkünfte wurden verschoben, Wichtiges schnell übers Telefon oder via Mail besprochen. Auch viele Übungseinheiten sind abgesagt worden“, erzählt Klaus.

Doch eine schwierige Zeit kann eine Gemeinschaft auch wachsen lassen. So berichtet Klaus, dass die Kameradschaft unter den Feuerwehr-Leuten stärker geworden ist. „Bei uns in der Feuerwehr ist der kameradschaftliche Charakter davor auch schon sehr hoch gewesen. Aber ich finde, dass wir die Krise gut überstanden haben und sie uns als Team noch enger zusammengeschweißt hat.“  Klaus erzählt außerdem, dass es in seinem Team nie zu Streitigkeiten über das Thema geimpft oder ungeimpft gegeben hat: „Das war nie ein Streitthema – bei uns kann jede/r seine eigene Meinung haben. Nur beim Thema Feuerwehr, da ziehen wir dann alle an einem Strang“, erklärt er.

So war in seinem Team auch nie vom Aufhören die Rede. „Ja, es ist schon öfters anstrengend gewesen, weil Kamerad:innen krank waren, aber ans Aufhören hab ich nie gedacht. Nur eines würde ich mir für die Zukunft wünschen: Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sollten für Einsätze im Beruf freigestellt beziehungsweise entschuldigt werden. Gerade in einer kleinen Gemeinde wäre das extrem hilfreich. Den finanziellen Verlust müssten sich die Unternehmen mit der Regierung ausmachen“, sagt Klaus.

Martin Mangeng vom Verein pure © pure
Martin Mangeng vom Verein pure © pure

Martin: „Ich möchte die Region, in der ich lebe, aktiv mitgestalten, um gemeinsam eine positive Veränderung zu bewirken“

Dass ehrenamtliche Arbeit sehr facettenreich sein kann und in vielen verschiedenen Bereichen stattfindet, zeigt uns Martin mit seinem Vorarlberger Verein p.u.r.e. Der Name steht für: pflanzenbasiert, unverpackt, regional und ethisch-fair. „Ziel des Vereins ist es, eine möglichst bewusste Lebensweise im Alltag aufzuzeigen, die einfach und praktikabel ist und zudem Spaß macht“, erklärt Martin.

Eigentlich arbeitet der gebürtige Vorarlberger in der IT- und Softwarebranche, ein nachhaltiges und bewusstes Leben zu führen, ist Martin aber schon immer sehr wichtig gewesen. Und das hat er sich auch für die Menschen aus seinem Umkreis gewünscht. „Mir ist aufgefallen, dass viele Menschen aus meinem Umkreis nicht wissen, wie oder wo sie mit einem umweltbewussten und nachhaltigen Lebensstil anfangen sollen“, erzählt er. Deshalb hat sich Martin oft darüber Gedanken gemacht, wie er seine Region unterstützen kann, um gemeinsam eine positive Veränderung zu bewirken. Nach längerem Grübeln ist 2019 die Idee zum Verein pure entstanden. „Dazu gibt es auf unserer Homepage Tipps und Tricks wie beispielsweise Einkaufstipps, Restauranttipps, Rezepte und auch Events. Wir präsentieren in unserem Podcast ‚pure leben in Vorarlberg‘ seit Anfang April 2022 zudem spannende Initiativen und Projekte. Wir haben auch schon kleinere Veranstaltungen und Treffen organisiert, bei denen wir uns über unsere Erfahrungen austauschen.“

Auch wenn sein Verein zum großen Teil digital ist, hat ihn die Pandemie dennoch stark getroffen. „Während der Pandemie haben uns einige Vereinsmitglieder verlassen. Die Motivation hat gefehlt oder es waren andere Dinge wichtiger. Das ist schade, aber umso wichtiger ist es aktuell für uns, die Menschen wieder zu motivieren. Ich glaube, dafür benötigt es vor allem einen regelmäßigen und persönlichen Austausch“, erzählt er. Trotz der Rückschläge ist auch in Martins Kernteam vom Aufhören nie die Rede gewesen. Im Gegenteil, sie haben die Zeit genutzt, ihr Konzept neu zu strukturieren und habe sich dazu entschlossen, einen Podcast zu starten, der April 2022 das erste Mal veröffentlicht wurde.

Die drei Freiwilligen kommen aus gänzlich unterschiedlichen Bereichen des Ehrenamts, eines haben sie dennoch gemeinsam: die Pandemie hat sie alle gestärkt. So war von Aufhören nie die Rede. Vielmehr haben sie die Pandemie als Chance gesehen, um anderen zu helfen und gemeinsam wachsen zu können. Die Arbeit mit den Menschen steht im Fokus und die Möglichkeit, mit ihrer Tätigkeit, anderen etwas zurückzugeben. Gerade in schwierigen Zeiten wie der Corona-Pandemie baut eine Gesellschaft auf Personen wie diesen, um gemeinsam gestärkt aus einer Krise zu gehen.

Über die/den Autor:In

Linda Weidinger
Linda Weidinger
Linda hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie CREOLE an der Uni Wien studiert. Die letzten Jahre arbeitete sie als Journalistin und Social Media-Redakteurin. Ihr Ziel: Die Menschen aufzuklären. Ihr Traum: eine offene, tierliebe und tolerante Gesellschaft. Ihre Schwerpunkte: Gerechtigkeit, Klima- und Umweltschutz.

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