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Mit Bohrlöchern Gemüse züchten

Ein niederösterreichischer Unternehmer arbeitet an einer Innovation, die im ersten Moment widersprüchlich klingt. Er will mithilfe von Ölbohrlöchern Gemüse züchten. 

In der Europäischen Union gibt es immer noch rund 85.000 Löcher, aus denen Unternehmen Erdöl und Erdgas fördern. Und dass, obwohl wir längst wissen, wie katastrophal sich das Verbrennen von fossilen Brennstoffen auf unser Klima auswirkt. Doch ausgerechnet diese Löcher können einen Beitrag für eine klimaschonende Landwirtschaft leisten. Davon ist der Unternehmer Robert Philipp überzeugt. Er will mit seinem Unternehmen Greenwell Wasser in stillgelegte Bohrlöcher leiten und so die Erdwärme in der Tiefe nutzen. Was das mit Gemüse zu tun hat? Alles der Reihe nach.

Umbau statt Rückbau

Philipp findet die Bohrlöcher dann interessant, wenn sie für Mineralölkonzerne uninteressant werden. Denn ab einem bestimmten Punkt kommt nicht mehr genug Erdöl bzw. Gas nach oben, die Förderung wird unrentabel. Normalerweise bauen Mineralölkonzerne dann die Technik rund um das Loch ab und versiegeln es. Das weiß Robert Philipp aus eigener Erfahrung. Viele Jahre war er an eben diesem Rückbau beteiligt. Er hat Umwelttechnik an der Universität für Bodenkultur studiert und war ab 1995 bei der OMV tätig.

„Wenn die Bohrlöcher stillgelegt werden, hat es da unten aber noch 100 Grad“, erklärt Philipp dem FREDA Magazin im Interview. Denn eine typisches Ölbohrloch reicht 2.000 bis 3.000 Meter in die Tiefe, manche sogar noch deutlich weiter. Dort unten herrschen hohe Temperaturen. Pro 100 Meter, die man tiefer bohrt, steigt die Temperatur um etwa drei Grad an. Zum Vergleich: Eine durchschnittliche Erdwärmesonde für einen Privathaushalt endet in rund 150 Metern Tiefe. Am unteren Ende von Erdöllöchern gibt es also viel Wärme.

Das enorme Potenzial der Erdwärme

Wenn wir diese Wärme wirtschaftlich nutzen, sprechen wir von Geothermie oder Erdwärme. Dabei entstehen keine klimaschädlichen Gase. Deswegen zählt Erdwärme zu den erneuerbaren Energien. Ihr Potenzial ist riesig. In der Erdkruste steckt laut International Renewable Energy Agency 50.000-mal mehr Energie in Form von Wärme als in allen Öl- und Gasvorkommen der Welt. Einen Haken gibt es allerdings: Um an die Energie heranzukommen, müssen wir Löcher bohren. Je tiefer, desto besser. Und das kostet viel Geld.

Diese Grafik zeigt vereinfacht, wie die Wärmegewinnung funktioniert. Greenwell pumpt kühles Wasser durch ein stillgelegtes Ölbohrloch in 1500-3000 Meter Tiefe. Dort erwärmt es sich und steigt wieder auf. Oben wird dem Wasser mithilfe eines Wärmetauschers die Wärme entzogen und damit ein Glashaus beheizt. ©Greenwell

Und genau hier setzt Robert Philipp an. Indem er Löcher nutze, die bereits da sind, lasse sich die Erdwärme kostengünstiger produzieren, schildert er. Die Ölfirma übergibt das Bohrloch versiegelt an ihn. Das verhindert, dass später Öl beziehungsweise Gas in das Erdwärmesystem eindringt. Dann bauen die Greenwell-Ingenieure ein zweites, schmäleres Rohr in das bereits bestehende ein. Im äußeren Rohr wird dann kaltes Wasser nach unten gepresst. Am Weg nach unten wärmt es sich auf und steigt durch das schmälere Rohr nach oben. Das Wasser gibt anschließend seine Wärme an einen Wärmetauscher ab und wird kalt wieder nach unten geleitet. Dann beginnt der Kreislauf von vorne.

Letztes Jahr ist im tschechischen Hodonín die erste Pilotanlage in Betrieb gegangen. Derzeit arbeite man gemeinsam mit der TU Wien am Feinschliff der Software, aber sie funktioniere einwandfrei, erklärt Philipp. Allerdings: Noch steigt die gewonnene Wärme aus der Testanlage in die Luft. Zukünftig soll sich das natürlich ändern.

Wärme vor Ort nutzen

Wie genau man die Wärme der Ölbohrlöcher am besten nutzen könnte, darüber habe Robert Philipp gemeinsam mit seinen beiden Mitgründer:innen Werner Donke und Asetila Köstinger lange nachgedacht. Würde man die Wärme zu Wohnhäusern leiten und sie dort zum Heizen nützen, bräuchte man lange Leitungen, schildert Philipp. Denn die meisten Bohrlöcher lägen weit weg von Siedlungen. Die Infrastruktur wäre also aufwendig und teuer. „Also haben wir uns gedacht, wir bringen die Kunden zur Wärme und nicht umgekehrt“, fasst der Unternehmer die wirtschaftlichen Überlegungen zusammen.

Gemüse Bohrlöcher
Gemüse züchten mit Erdöllöchern. Man könnte dem Unternehmer Robert Philipp durchaus unterstellen, eine verbohrte Idee zu haben. Aber der Gedanke macht Sinn, wenn man ihn erst einmal verstanden hat. ©Greenwell
Beheizen von Gewächshäusern

Mit der Zeit wurde die Idee immer klarer, erzählt Philipp und bringt nun endlich das Gemüse ins Spiel. Denn nachdem man sich den Markt genauer angesehen habe, war klar: Die Wärme eigne sich ideal zum Heizen von Gewächshäusern.

Die meisten Bohrlöcher liegen inmitten von landwirtschaftlichen Flächen. Was läge also näher, die Wärme auch für landwirtschaftliche Zwecke einzusetzen, schildert Philipp die Geschäftsidee. Mit einem der umgebauten Ölbohrlöcher ließe sich durchschnittlich ein 2000 bis 3000 Quadratmeter großes Gewächshaus beheizen. Eine Größe, die gut zur klein strukturierten Landwirtschaft Österreichs passe, sagt Philipp. Möglich wäre aber auch, dass man die Wärme zur Insektenzucht, zur Trocknung oder zur Fermentierung nützt. Möglichkeiten gibt also es viele.

Gemüse Bohrlöcher
Die Pilotanlage nahe dem tschechischen Ort Hodonín ist seit letztem Jahr in Betrieb.
Viele Kunden, wenig Bohrlöcher

Früher hätte er viele Angebote für stillgelegte Erdöllöcher gehabt, aber noch keine Kund:innen, die seine Wärme auch wirklich wollten. Jetzt ist es umgekehrt, erzählt der Unternehmer. Die Mineralölkonzerne sind so damit beschäftigt, Öl und Gas zu fördern, dass er kaum an stillgelegte Löcher herankommt. Denn wegen der stark gestiegenen Öl- und Gaspreise lässt sich momentan selbst mit bisher unrentablen Bohrlöchern Geld verdienen.

Auf der anderen Seite ist die Nachfrage nach erneuerbarer Wärme derzeit besonders hoch. Landwirt:innen würden ihm „die Tür einrennen“, erzählt Robert Philipp. Kein Wunder, suchen sie doch dringend nach Möglichkeiten, trotz der enorm gestiegenen Energiepreise ihre Gewächshäuser weiter beheizen zu können.

Für die Zukunft hat Robert Philipp große Pläne. In den nächsten zehn Jahren möchte er 1.000 Erdöllöcher auf Erdwärme umrüsten. Trotz der widrigen Umstände. Erst habe ihn Corona um Jahre zurückgeworfen, jetzt mischt der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine die Karten am Energiemarkt neu. Trotzdem gehe man Schritt für Schritt vorwärts. Greenwell führe derzeit Gespräche für eine zweite Pilotanlage in Oberösterreich, schildert Robert Philipp. In wenigen Jahren schon könnte also heimisches Gemüse auf unseren Tellern landen, das mit Hilfe eines Ölbohrlochs gezüchtet wurde.

7 Antworten zur Weltklimakonferenz

Von 6. bis 18. November findet die 27. internationale Klimakonferenz im ägyptischen Sharm El-Sheikh statt. Zwei Wochen lang verhandeln Expert:innen aus vielen Ländern der Welt über die Zukunft unseres Planeten. 

„Wildlebende Tierarten seit 1970 um 69 Prozent gesunken“, „Hitzesommer 2022 war für europäische Gletscher katastrophal“, „Heißester Ort der Welt versinkt in Wassermassen“ – die Klimakrise hat die Welt fest in Griff. Um die menschengemachte Erderwärmung und deren Folgen aufzuhalten, ist es wichtiger denn je, endlich aktiv zu werden. Möglich wäre das beim diesjährigen Weltklimagipfel COP27 in Ägypten. Denn bei der Konferenz der Vertragsstaaten des UN-Rahmenübereinkommens zum Klimawandel treffen sich in den kommenden zwei Wochen Expert:innen aus der ganzen Welt. Was passiert dort? FREDA klärt 7 Fragen zur 27. Klimakonferenz:

Frage 1: Was ist die COP und wer nimmt teil?

COP steht für Conference of the Parties und ist die jährlich stattfindende Klimakonferenz der Vereinten Nationen. Sie findet jedes Jahr an einem anderen Ort statt. Gastgeber der diesjährigen Konferenz ist Ägypten. An der Konferenz nehmen 197 Staaten sowie zahlreiche Expert:innen, CEOs, NGOs, Politiker:innen und interessierte Personen aus der ganzen Welt teil.

Frage 2: Wie läuft die COP ab?

Die Klimakonferenz oder auch Weltklimagipfel genannt, findet zwei Wochen statt. Während dieser Zeit wird jeden Tag ein anderes Thema behandelt. Nach dem Eröffnungswochenende beginnt in diesem Jahr die Konferenz mit dem Thema Finanzen. Weitere Themen sind Wissenschaft & Jugend, Dekarbonisierung, Anpassung & Landwirtschaft, Gender, Wasser, Aktionen für Klimaschutz & Zivilgesellschaft, Energie und Biodiversität.

Die Konferenz wird in zwei Zonen aufgeteilt: in die blaue und in die grüne Zone. Die blaue Zone ist den Delegierten der Länder vorbehalten. Dies sind meist Vertreter:innen aus den jeweiligen Umweltministerien. Sie erarbeiten die Tagesthemen und handeln Beschlusstexte aus. In der zweiten Woche reisen die Staatschef:innen oder einzelne Regierungsmitglieder an. Sie segnen die ausformulierten Entscheidungen der COP offiziell ab.

Die grüne Zone hingegen steht der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung. Hier können sich Expert:innen von NGOs, Unternehmer:innen, Aktivist:innen sowie weitere Interessierte austauschen, Themen bearbeiten, Vorträge besuchen und an Workshops teilnehmen.

Frage 3: Wer kann Entscheidungen treffen?

Jeder Vertragsstaat hat ein Stimmrecht. Jede Entscheidung muss einstimmig getroffen werden. Das heißt, wenn auch nur ein einziges Land ein Veto einlegt, kann die Entscheidung nicht abgesegnet werden. Bei 197 Vertragsstaaten kann das sehr lange dauern. Deshalb werden die Vertragsstaaten in mehrere Untergruppen, in sogenannte Blöcke, eingeteilt.

Frage 4: Wie wird eine einheitliche Entscheidung getroffen?

In diesen Blöcken versuchen die Teilnehmerstaaten zuerst unter sich einen Kompromiss zu finden. Welche Blöcke dabei zusammenfinden, hängt von den gemeinsamen geografischen, wirtschaftlichen oder politischen Interessen ab. Zu den größten Blöcken gehören beispielsweise die „G77 und China“, (G77 ist er größte Zusammenschluss von Entwicklungsländern innerhalb der Vereinten Nationen), die EU, die „Umbrella Group“ (dazu gehören Staaten wie USA, Kanada, Japan und Australien) oder die Small Island Developing States. Das sind Staaten, durch ihre geografischen Gegebenheiten besonders vom menschengemachten Anstieg des Meeresspiegels betroffen sind. Zusätzlich gibt es noch weitere kleinere Gruppen und auch Länder, die alleine agieren.

In diesen kleineren Gruppen wird so lange verhandelt, bis sie sich auf eine gemeinsame Position geeinigt haben. Anschließend geben sie diese im Plenum vor der gesamten Staatengemeinschaft bekannt. Wenn dann alle Vertragsstaaten zustimmen, wird die Entscheidung abgesegnet und soll anschließend umgesetzt werden.

Frage 5: Was sind die Themen der COP27?

Der diesjährige Slogan der COP27 lautet „Gemeinsam für die Umsetzung“. Ein Aufruf, der verdeutlichen soll, dass es höchste Zeit ist, die Maßnahmen der bisher versprochenen Klimaabkommen umzusetzen.

Dazu gehört die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles. Darin haben sich alle Vertragsstaaten dazu verpflichtet, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das sogenannte Pariser Klimaabkommen wurde bereits 2015 beschlossen. Die Maßnahmen ausreichend umgesetzt haben allerdings bisher nur die wenige. Wissenschaftler:innen mahnen, dass wir derzeit auf einen Temperaturanstieg von 2,8 Grad zusteuern. Wenn jetzt nicht alle Vertragsparteien des Pariser Abkommens ihre Ziele entscheidend nachschärfen, wird das 1,5-Grad-Limit deutlich verfehlt werden.

Daher ist auch die praktische Umsetzung des Kohle-, Gas- und Ölausstiegs ein wichtiges Thema der COP27. Der Klimapakt von Glasgow wurde bei der letzten Klimakonferenz beschlossen und beinhaltet neben dem Aufruf zum Kohleausstieg auch die Forderung, dass ineffiziente Subventionen für Öl, Gas und Kohle gestrichen werden.

Ein weiteres Thema der Konferenz ist die Anpassung an die nicht mehr abwendbare Klimaerwärmung. Hierzu sollen alle teilnehmenden Länder Pläne mit Maßnahmen vorlegen, die zeigen, wie man auch in einer wärmeren Welt leben könnte. Beispielsweise durch den Bau von Dämmen, wenn der Meeresspiegel steigt. Um die eigenen Klimaschutz-Maßnahmen und Anpassung an die Erwärmung finanzieren zu können, sollen ärmere Länder des Südens Geld aus dem Norden bekommen. Denn ausgerechnet jene Länder, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind, haben am wenigsten dazu beigetragen. Deshalb stehen bei der diesjährigen COP die Themen Verluste und Schäden und Finanzierung von Klimaschutz und Klimaanpassung auch im Mittelpunkt. Bereits 2009 haben sich die Industriestaaten verpflichtet, die Entwicklungsländer finanziell zu unterstützen. Von den vereinbarten 100 Milliarden Euro pro Jahr ist bisher allerdings nur ein Bruchteil gezahlt worden.

Frage 6: Welche Themen könnten zu Diskussionen führen?

Die Pandemie und eine von Russland verursachte Energiekrise hat viele Staaten in Geldnot gebracht. Deshalb könnte es vielen Regierungen (auch im Norden) schwerfallen, angemessene finanzielle Zusagen zu machen. Auch das Thema gerechter Zugang zu Energie könnte zu Diskussionen führen. Denn der Krieg in der Ukraine macht es vielen Regierungen noch schwerer, sich von fossilen Brennstoffen abzuwenden. Im Gegenteil, es werden sogar neue Anlagen für den Abbau von fossilen-Rohstoffen gebaut. Wenn die Klimaziele eingehalten werden sollen, dürften wir allerdings überhaupt keine neuen Vorkommen von Kohle, Öl oder Gas mehr erschließen.

© Adobe Stock
Der Krieg in der Ukraine sorgt aktuell auch für steigende Rohstoffpreise und Lebensmittelknappheit. Das führt dazu, dass Regierungen teilweise den Klimaschutz und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vernachlässigen, um Energie- und Versorgungsengpässe zu lösen. © Adobe Stock
Frage 7: Welche Bedeutung hat die Konferenz und warum steht sie auch in der Kritik?

Klimaschutz geht nur mit internationaler Zusammenarbeit. Die Weltklimakonferenzen sind die einzigen Plattformen, in denen große und kleine, reiche und arme Länder gleichberechtigt zusammenarbeiten. Daher ist es wichtig, dass es Konferenzen wie die COP gibt. Sie zeigen auf internationaler Ebene Missstände auf und schaffen Bewusstsein, dass es für die Klimakrise globale Lösungen braucht.

Viele kritisieren allerdings, dass es für den immensen Aufwand, der für die COP betrieben wird, viel zu wenig Output und zu langsame Fortschritte gibt. So dauert es oft Jahre, bis ein Ziel abgesegnet wird und weitere Jahre, bis es durch entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden kann. Des Weiteren reisen zwei Wochen lang Tausende Menschen mit dem Flugzeug an. Es werden Bühnen, Zelte und vieles mehr eigenes für die COP errichtet und das häufig in Länder, denen es finanziell nicht gut geht und die aufgrund ihrer Regierung in der Kritik stehen – so auch der diesjährige Gastgeber Ägypten.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi ist nach einem Militärputsch 2013 an die Macht gekommen. Seither führt ein strenges Regime. Menschenrechtler:innen berichten immer wieder von schweren Verstößen wie etwa willkürliche Verhaftungen und außergerichtliche Tötungen. Die Regierung hat zwar Verbesserungen versprochen, Organisationen wie Amnesty International beschreiben die Zustände weiterhin als katastrophal. Über 100 Menschen sind im Vorfeld der COP27 festgenommen worden. Ihnen wird unter anderem die Verbreitung von Falschnachrichten über das Regime vorgeworfen.

Fazit

Die Klimakrise ist ein globales Phänomen. Umso wichtiger ist es, dass wir global zusammenarbeiten und gemeinsame Lösungen finden, um die Erderwärmung zu stoppen. Auf viele Worte müssen noch viel mehr Taten folgen.

Vom Wert der Sortenvielfalt

Biotiger Michael Deutsch baut in Neusiedl am See 200 verschiedene Sorten Obst und Gemüse an. Vom traditionellen Neusiedler Wintersalat über Feigen bis hin zu exotischen Andenbeeren. Sortenvielfalt bringt nicht nur verschiedene Geschmäcker, sie ist auch für die Ernährungssicherheit wichtig.

Ständig raschelt es im Baum neben der Terrasse. Ein Vogel nach dem anderen fliegt hinein, versucht sein Glück. Es sind Stare, die es auf die Feigen abgesehen haben. Ein Gitter um den Baum soll verhindern, dass die Vögel an die reifen Früchte gelangen. „Da bleibt sonst nichts übrig“, erzählt Biotiger Michael Deutsch.

Auf rund 2.800 Quadratmetern treffen bei dem Neusiedler Bio-Landwirt exotische Pflanzen auf regionale und traditionelle Sorten. Er baut um die 200 verschiedenen Sorten an. Unter anderem die Feige. Sie ist eine Klimawandel-Gewinnerin. Ursprünglich stammt sie aus dem Mittelmeerraum. Durch die milden Winter in der Region rund um den Neusiedler See kann sie aber auch hier mittlerweile überleben. Deutsch will mit seiner Arbeit herausfinden, welche Pflanzen sich durch die veränderten Klimabedingungen im Burgenland wohlfühlen. Und es funktioniert. Der Feigenbaum im Garten von Deutsch trägt jedes Jahr reichlich Früchte. Das sind aber nicht die einzigen Exoten. Auf dem Feld hinter seinem Haus wachsen auch viele verschiedene Chilipflanzen. Jetzt im Herbst strahlen sie in den verschiedensten Farben. Rot, orange, gelb. Auch Habaneros, eine der schärfsten Chilisorten, findet man bei Deutsch.

Sortenvielfalt
Bunte Farben im Chilifeld von Michael Deutsch. © Nicole Frisch
Robust und gesund

Neben den Exoten gibt es aber auch jede Menge alte und traditionelle Sorten. Das sind Raritäten, die heute kaum in großem Maßstab angebaut werden. Dabei verfügen sie über wertvolle Eigenschaften. Sie sind samenfest, was bedeutet, dass man ihre Samen ernten und im nächsten Jahr wieder anbauen kann. Die Eigenschaften der Pflanze bleibt so erhalten. Das hat auch den Vorteil, dass sich diese Sorten gut an neue Gegebenheiten anpassen können und damit widerstandsfähiger gegen Einflüsse von außen sind. Zudem haben sie meist einen intensiveren Geschmack und gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe.

Ein Beispiel ist der Neusiedler Wintersalat. Eine alte Sorte, die bereits im Herbst gepflanzt wird und dann im Beet überwintert. „Anfang April, Mai kann man einen g’schmackigen Salat ernten“, lässt Deutsch wissen. Eine weitere alte Sorte, die er anbaut, ist Rheinlands Ruhm. Eine mittelgroße, rote Tomate, die gut in Ertrag und Geschmack ist. Sie ist sehr robust und trägt auch bei verregneten Sommern gut.

75 Prozent aller Sorten sind verloren

Sortenvielfalt ist in der Landwirtschaft wichtig. Deutsch baut zwar nur in kleinem Rahmen viele verschiedene Sorten an, leistet damit aber einen großen Beitrag zu deren Erhalt. Denn laut der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO sind bereits 75 Prozent aller jemals angebauten Nutzpflanzensorten unwiederbringlich verloren. Denn durch die Industrialisierung der Landwirtschaft in den letzten 100 Jahren wurden gezielt Pflanzen gezüchtet, die hohe Erträge und möglichst einheitliche Sorten erzielen. Denn diese verkaufen sich in allen Supermärkten gleich gut. Auf viele alte und regionale Sorten hat dieses Anforderungsprofil jedoch nicht zugetroffen. Die Folge: Sie sind entweder in Vergessenheit geraten oder komplett verschwunden. Das hat dazu geführt, dass heute nur noch wenige Nutzpflanzensorten angebaut werden. Reis, Weizen und Mais decken weltweit mehr als 50 Prozent des menschlichen Nahrungsmittelbedarfs. Hinzu kommt, dass die massentauglich gezüchteten Pflanzen sich nicht mehr selbst an den Standort anpassen können. Es müssen daher Kunstdünger und Pestizide eingesetzt werden.

Sortenvielfalt im Kampf gegen Klimakrise

Und das ist ein Problem, das durch die Klimakrise verstärkt wird. Es braucht nämlich widerstandsfähige Pflanzen, die mit Wetterextremen und Schädlingen klarkommen. Je größer die genetischen Ressourcen, desto eher können solche Pflanzen gezüchtet werden und damit der Klimakrise begegnet werden. Und die ist rund um den Neusiedler See schon spürbar. Es regnet wenig, die Landschaft ist trocken. Trauriges Sinnbild ist der Neusiedler See, der im Sommer mit 1,15 Metern den niedrigsten Wasserstand seit 1965 erreicht hat. „Es geht deutlich mehr Wasser weg als nachkommt. Wenn es früher um diese Zeit drei Millimeter geregnet hat, war der Boden ein paar Tage lang gatschig. Wenn es heute fünf Millimeter regnet, ist der Boden am nächsten Tag trocken, weil es so warm ist“, bemerkt auch Deutsch Veränderungen. Im Frühling steigen die Temperaturen schnell an, vom Winter fehlt die Feuchtigkeit. „Das potenziert sich“, so Deutsch.

Manchen Exoten wird es auch zu heiß

So manch eine Pflanze im Garten von Deutsch freut sich aber über die wärmeren Temperaturen. Zum Beispiel die Andenbeere, auch bekannt als Physalis. Diese kann bis zum Frost geerntet werden. Auch Gurken haben es gerne warm. Bei Deutsch wachsen sie im Folientunnel, wo es ihnen im Sommer aber fast schon wieder zu heiß wird. Sie im Freien anzubauen, ist aber schwierig. In der Region um den Neusiedler See ist es nämlich sehr windig. Die Rankhilfen für Pflanzen wie Gurken müssten daher sehr gut befestigt sein, damit im Freien nichts passiert. Um auf Nummer sicher zu gehen, bleiben die Gurken im Folientunnel. Dasselbe gilt für Chayoten, ein Kürbisgewächs aus den Tropen und Subtropen mit grünen, stacheligen Früchten. Ihre Blätter wachsen bereits beim Folientunnel hinaus. Deutsch hat sie am Rand gepflanzt, weil sie es ebenfalls nicht zu heiß mögen. „Die Chayoten sind immer eine Challenge“, lässt er wissen.

Sortenvielfalt
Michael Deutsch baut in Neusiedl am See die exotischen Andenbeeren an. © Nicole Frisch
Mit Tropfschläuchen gegen die Trockenheit

Auch wenn viele Pflanzen mit den wärmeren Temperaturen gut zurechtkommen, Wasser brauchen sie trotzdem. Auf den Feldern von Deutsch liegen daher schwarze Schläuche auf schwarzer Folie. Die Folie soll eigentlich das Unkraut im Zaum halten, hat aber auch den Vorteil, dass der Boden länger feucht bleibt. Das Wasser kommt in Form von Tröpfchen aus den Schläuchen. „Das Wasser geht sofort in die Erde. Deswegen kann man mit Tröpfchenschläuchen auch untertags gießen. Es kann kein Wasser verdunsten“, so Deutsch. Anders ist das bei den großen Sprengern, die man oft auf Feldern sieht. Es verdunstet bereits viel Wasser, bevor es überhaupt den Boden berührt. Die Pflanze profitiert davon überhaupt nicht.

Alte Sorten mit Hochleistungssorten kreuzen

Vielfalt trägt zur Ernährungssicherheit bei. Denn alte Sorten haben die Fähigkeit, sich besser an neue Gegebenheiten anzupassen. Dadurch, dass sie im Freien angebaut werden, sind sie robuster. Das ist vor allem in Hinblick auf die Klimakrise von besonderer Bedeutung. Ein Betrieb, wie der von Deutsch, wird aber nicht die gesamte Bevölkerung ernähren können, ist er sich sicher. Es braucht Glashäuser. „In den Glashäusern kann man aber durchaus auf alte Sorten zurückgreifen, sie mit anderen Sorten kombinieren und so eine hohe Ertragssicherheit erzielen“, sagt Deutsch. Es braucht also neue Züchtungen, die mit den standortgegebenen Bedingungen zurechtkommen und hohe Erträge erzielen. Wichtig ist laut Deutsch aber auch, dass sich die klassischen Sorten so entwickeln, dass sie in Zukunft mit weniger Wasser auskommen. Denn: „Wenn wir jetzt Unmengen an Olivenbäumen anbauen, haben die in Griechenland und Italien ein Problem. Man muss schon schauen, dass man in andere Kulturen geht, aber wir dürfen die Welt nicht auf den Kopf stellen“, verweist Deutsch auf die globalisierte Wirtschaft.

Im Feigenbaum raschelt es noch einmal. Ein Star fliegt davon, ein anderer fliegt hinein. Bald werden sie sich auf den Weg in ihr Winterquartier im Mittelmeerraum oder Nordafrika machen. Wenn sie nächstes Jahr wieder kommen, wird die Feige noch immer im Garten von Deutsch stehen. Und sie werden wieder ihr Glück versuchen.

Mein Jahr mit dem Klimaticket

Vor einem Jahr, am 26. Oktober, hat das Klimaticket seine Fahrt aufgenommen. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Mehr als 200.000 Personen haben sich für das österreichweite Ticket entschieden. Auch ich bin Besitzerin eines Klimatickets – und es hat meine Mobilität mehr verändert, als ich zunächst erwartet habe. Ein Erfahrungsbericht.

Manchmal komme ich nicht umhin, die Menschen um mich herum zu belauschen. Meistens im Zug, wenn das Buch, das ich gerade lese, den Spannungsbogen verloren hat und ich mich leicht ablenken lasse. Letztens haben sich zwei Männer über das Klimaticket unterhalten. Der eine pendelt täglich aus dem Wiener Umland in die Bundeshauptstadt. Klimaticket hat er keines. Das hat den anderen überrascht. „Ich habe meine Monatskarte und nach Salzburg fahre ich vielleicht dreimal im Jahr“, so die Erklärung. Seine Monatskarte nach Wien kostet 115 Euro und gilt nur auf der ausgewählten Strecke. Die Tickets nach Salzburg muss er extra kaufen. Mit dem Klimaticket könnte er um 91 Euro im Monat beziehungsweise 1.095 Euro im Jahr alle öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich nutzen. Pro Tag sind das drei Euro.

Mehr als 200.000 verkaufte Tickets

Mehr als 200.000 Personen sind seit der Einführung im Oktober 2021 mit einem Klimaticket unterwegs. Am meisten die Wiener:innen. In der Bundeshauptstadt hat sich das Ticket bereits 60.100-mal verkauft. Gefolgt von Niederösterreich mit 48.100 verkauften Klimatickets. Eine davon bin ich.

Das Klimaticket hat meine Mobilität mehr verändert, als ich erwartet habe. Gekauft habe ich es, weil ich von Montag bis Freitag nach Wien pendle. Auch ich würde dafür 115 Euro im Monat bezahlen. Mit dem Klimaticket erspare ich mir also 24 Euro – und kann noch dazu durch ganz Österreich fahren. Durch das ganze Land habe ich es im ersten Jahr nicht geschafft. Aber zumindest nach Tulln, Gmünd und Bruck an der Mur. Orte, an die ich ohne Klimaticket wohl nie gefahren wäre. Vermutlich wäre mir nie bewusst geworden, wie unkompliziert man viele Städte und Regionen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht.

Klimaticket
Verkaufszahlen Klimaticket nach Bundesländern (Stand: Juli 2022)
Mit dem Zug in den Urlaub

Bei der Urlaubsplanung im Sommer habe ich das Klimaticket zum Anlass genommen, um sowohl auf Flugzeug als auch Auto zu verzichten. Erst ging es nach Salzburg. Genauer nach Kaprun. Mit dem Auto wäre ich laut Navigationsgerät auch nur zehn Minuten schneller gewesen. Und die Anreise mit Zug und Bus hat sich noch dazu entspannter für mich gestaltet als mit dem Auto. Meine zweite Reise hat mich nach Südtirol geführt. Der Großteil der Zugstrecke führt durch Österreich und war damit mit dem Klimaticket gedeckt. Nur für die letzten paar Kilometer musste ich ein italienisches Busticket kaufen. Mit dem Klimaticket kann man also auch bei Reisen ins Ausland sparen.

Mehr Sitzplätze kommen

Einen Sitzplatz reservieren, sollte man in den Fernverkehrszügen immer – sicher ist sicher. Denn ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht die Einzige bin, die nun öfter mit dem Zug fährt. Vor allem an Wochenenden und rund um Feiertage ist ein spontaner Ausflug mit dem Zug nicht so einfach. Denn die Züge waren nicht nur einmal überfüllt. Die gute Nachricht: Ab 2023 wird die Sitzplatzkapazität im Fernverkehr um rund 30 Prozent erhöht. Zudem wird bis 2029 das Bahnangebot ausgebaut. Unter anderem werden schrittweise neue, barrierefreie Fahrzeuge mit erhöhter Sitzplatzanzahl eingesetzt. Der Nahverkehr in Ballungsräumen soll ausgebaut und Bahnhöfe barrierefrei umgebaut werden. Insgesamt 19 Milliarden Euro sollen bis 2028 in denen Schienenverkehr investiert werden.

Dass der öffentliche Verkehr ausgebaut wird, ist wichtig. Nach Wien pendeln, funktioniert für mich gut. Von Wien aus in andere Regionen oder Städte zu kommen, funktioniert meist auch gut. In meinem direkten Umfeld auf das Auto zu verzichten, funktioniert gar nicht. Ich kann das Klimaticket in meiner direkten Umgebung nicht nutzen, weil es schlichtweg an Verbindungen fehlt. So geht es nicht nur mir. Menschen, die in Dörfern oder auch kleinen Städten leben, sind meist auf einen Pkw angewiesen, um von A nach B zu kommen.

Klimaticket macht Öffis leistbar

Für manche mag das erste Jahr Klimaticket eine Art Schnupperjahr gewesen sein. Man hat realisiert, wo man überall mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommt. Gesehen, dass selbst kleinere Städte gut angebunden sind. Das Klimaticket ist unkompliziert und praktisch. Man braucht nicht drei verschiedene Tickets für Bus, Zug und U-Bahn. Mit dem Klimaticket kann man alle öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Es macht auch öffentlichen Verkehr leistbar. Um nur drei Euro am Tag kommt man von Wien nach Bregenz – wenn man möchte. Für all jene, die kein Ticket für ganz Österreich brauchen, gibt es günstigere Tickets, die für das jeweilige Bundesland oder – im Fall von Wien, Niederösterreich und Burgenland – für eine Region gelten. Finanziert wird das Klimaticket durch die Erlöse aus dem Ticketverkauf und einem Zuschuss aus dem Bundesbudget. Für 2022 sind das 160 Millionen Euro. Zudem bekommen die Bundesländer für die regionalen Angebote 100 Millionen Euro vom Bund gefördert.

Schöne grüne Welt

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Konsumrausch ohne schlechtes Gewissen – dass das geht, will uns Greenwashing weismachen. Werbekampagnen pinseln Unternehmen ein grünes Image an. Für Konsument:innen ist das nicht immer leicht zu erkennen und um rechtlich dagegen vorgehen zu können, gibt es wenig Spielraum.

Eine nachhaltige Modekollektion, nicht in Plastik verpackte Bananen und grüner Atomstrom. Konsument:innen achten bei ihren Kaufentscheidungen zunehmend darauf, dass Produkte oder Dienstleistungen umweltfreundlich und fair sind. Darauf reagieren auch die Unternehmen. Häufig investieren sie aber das viele Geld nicht in umweltfreundliche und faire Produktionsprozesse, sondern in Werbe- und Marketingkampagnen. Sie verpassen sich ein grünes Image durch Werbung, nicht durch Taten.

Diese Strategie ist gemeinhin als Greenwashing bekannt. Um sich ein grünes Image zu verpassen, verbreiten Unternehmen Desinformation. Das Perfide daran: Die Desinformation muss nicht zwingend unwahr sein. Das beworbene Produkt oder eine Aktion sind in vielen Fällen sogar nachhaltig und umweltfreundlich. Allerdings ändert dies nichts daran, dass das Kerngeschäft des jeweiligen Unternehmens der Umwelt schadet. Davon lenkt man mit Greenwashing gezielt ab.

Naturbilder lösen positive Gefühle aus

Unternehmen, die der Umwelt schaden, verwenden in ihrer Werbung Bilder von unberührter Natur und vermeiden negative Begriffe wie Klimakrise und globale Erderwärmung. Das hat eine neue Studie ergeben, die von Greenpeace in Auftrag gegeben und von einem Team rund um Harvard-Forscher Geoffrey Supran durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler:innen haben die Social Media-Posts von Öl- und Gasunternehmen, Autoherstellern und Fluglinien untersucht. Indem die Unternehmen Flüge in unberührte Naturlandschaften und Autos vor Bergkulissen zeigen, rufen sie bei den Betrachter:innen positive Gefühle hervor – und das reduziert das schlechte Gewissen.

Greenwashing geht in vielen Fällen auf

Greenwashing will uns Konsument:innen vermitteln, dass der Konsumrausch weitergehen kann wie bisher, allerdings ohne ein schlechtes Gewissen deswegen haben zu müssen. Es ist eine Strategie, die in vielen Fällen aufgeht. Denn für Laien ist sie alles andere, als einfach zu durchschauen. Zu komplex ist das Thema, zu wenig transparent die meisten Unternehmen.

In der Kommunikation von Unternehmen gibt es dennoch Anzeichen für Greenwashing:

  • Viele Unternehmen verwenden gerne schwammige Begriffe wie „grün“, „nachhaltig“ und „ökologisch“. Da diese Begriffe nicht geschützt sind, muss kein Nachweis für ihre Richtigkeit erbracht werden. Häufig sind es auch kleine Details, die einen großen Unterschied machen. Zum Beispiel Kleidungsstücke „mit Bio-Baumwolle“ und „aus Bio-Baumwolle“.
  • Manche Produkte werden mit Eigenschaften beworben, die selbstverständlich sind. Zum Beispiel, wenn eine Banane als plastikfrei verpackt beworben wird.
  • Unternehmen bewerben ein Öko-Produkt, sind aber eigentlich nicht dafür bekannt, in ihrem Tagesgeschäft Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen. Zum Beispiel große Modeketten, die eine nachhaltigere Kollektion rausbringen, mit allen anderen Kleidungsstücken aber weiterhin der Umwelt schaden.

Grünes Marketing muss aber nicht immer Greenwashing sein. Bei manchen Unternehmen machen nachhaltig und fair produzierte Produkte vielleicht ein Prozent aus. Wenn sie aber diesen Anteil in einem festgelegten Zeitraum steigern wollen, steckt eine langfristige Strategie dahinter.

Skeptisch bleiben und hinterfragen

Dennoch gilt es, skeptisch zu sein. Übertriebene Produktversprechen, die noch dazu mit schwammigen Begriffen formuliert wurden, sind meist ein Indiz dafür, dass Greenwashing betrieben wird. Man sollte auch immer hinterfragen, ob überhaupt alles zusammenpasst. Wie kann eine Modekette ein nachhaltig produziertes T-Shirt um wenige Euro verkaufen? Wie kann eine Flugreise klimaneutral sein? Ist man sich bei einem Unternehmen nicht sicher, kann in vielen Fällen eine Internetrecherche weiterhelfen. Zu Unternehmen, die für Greenwashing bekannt sind, hat bestimmt schon jemand etwas veröffentlicht.

Im Graubereich

Es braucht aber mehr als aufmerksame Konsument:innen. Es besteht vor allem politischer Handlungsbedarf. Aktuell befindet sich Greenwashing in einem Graubereich. Eben, weil viele Begriffe rechtlich nicht geschützt sind. Unternehmen nützen diese Gesetzeslücken aus. Aus moralischer Sicht ist diese Strategie zwar verwerflich, rechtlich dagegen vorgehen kann man im Moment aber nur schwer. Die Europäische Union plant Maßnahmen gegen Greenwashing. Kennzeichen, die fälschlicherweise Nachhaltigkeit versprechen, sollen auf die schwarze Liste des Wettbewerbsrechts gesetzt werden. Dazu zählen unter anderem vage Bezeichnungen wie „grün“ und „nachhaltig“ sowie die Kennzeichnung mit einem freiwilligen Gütesiegel, das weder von Dritten überprüft wurde, noch von Behörden stammt. Dadurch würde es rechtliche Mittel gegen Greenwashing geben.

Zudem sieht die EU ein strengeres Lieferkettengesetz vor. Unternehmen müssen in ihrem Produktionsprozess Menschenrechte schützen und negative Auswirkungen auf die Umwelt vermeiden. Weiters müssen jene Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen einen Klimaschutzplan vorlegen.

Infoportal: Aktuelle Energiesituation auf einem Blick

Energiesparen ist aktuell so wichtig wie nie. Doch woher wissen wir, dass die Sparmaßnahmen auch wirken? Mit dem neuen Infoportal energie.gv.at des Klimaschutzministeriums kann man sich ab sofort jederzeit selbst einen Überblick über die aktuelle Energielage schaffen.

Wie entwickelt sich der Gas- und Stromverbrauch in Österreich? Wie ist es um den Füllstand der Gasspeicher bestellt? Wer verbraucht, wie viel Strom pro Monat? Fragen über Fragen, die man bis dato nur schwer selbst beantworten konnte. Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat das Klimaschutzministerium ein neues Infoportal zur Energiesituation energie.gv.at entwickelt. Darauf finden sich einfach aufbereitete und aktuelle Daten für den Energiebereich. Was gibt es noch auf dem neuen Energie-Dashboard? Wir nehmen euch mit auf eine kleine Tour durch das Infoportal zur Energiesituation.

Easy going statt vieler Fragezeichen

Wer sich bis dato über die Energiesituation in Österreich schlaumachen wollte, war nach der Recherche oft unwissender als zuvor. Denn die vielen Informationen über die Energiesituation sind auf genau so vielen Internetseiten verstreut. Tauchen dann noch Fachausdrücke wie Energielenkung, Remit oder auch immunisierte Mengen im Text auf, steigen die meisten gänzlich aus der Thematik aus.

Ziel des neuen Infoportals ist es deshalb, den Bürger:innen eine Plattform zu bieten, auf der sich jede:r einfach, schnell und verständlich einen Überblick über die aktuelle Energielage schaffen kann. Daten über die Energielage werden mittels Diagramme und Grafiken verständlich aufbereitet, sämtliche Erklärungen und Fachausdrücke in einem zusätzlichen Glossar angeführt und mit Quellenangaben und weiteren Erklärungen ergänzt.

Mit einem Klick alles auf einem Blick

Statt kompliziert erklärt, werden Infos über den Gasverbrauch, Füllbestand und Co am Dashboard in Diagrammen einfach dargestellt. Worum es genau geht, erfährt man durch einen Klick auf das kleine Fragezeichen rechts oben im Diagramm.

Beispielsweise zeigen einem die Diagramme, dass die Gasspeicher aktuell zu 87,8 Prozent befüllt sind. Rund 60 Prozent davon gehören österreichischen Speicherkund:innen oder dem österreichischen Staat. Zudem ist der Gasverbrauch im August dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 17,8 Prozent gesunken. Auch Zahlen des Gas- sowie Stromverbrauchs pro Monat im 5-Jahres-Vergleich findet man in Diagrammen am Dashboard. Der aktuelle Verbrauch ist heuer niedriger als noch vor fünf Jahren.

Aktualisiert wird jeweils am Ende des Monats für den Vormonat. Das heißt, die Daten für beispielsweise Oktober werden Ende November eingespielt.

Wem gehört was? Wer verbraucht was?

Wusstet ihr, dass in Österreichs Haushalten nahezu gleich viel Gas wie Strom verbraucht wird? Laut der Website energie.gv.at (Zahlen aus der Energiebilanz 2021 der Statistik Austria) haben private Haushalte 33 Prozent des gesamten Gasbestandes für Heizen und Kochen verbraucht. Der Stromverbrauch von privaten Haushalten liegt bei 31 Prozent. Am meisten Gas und Strom hat der produzierende Sektor verbraucht, jeweils 40 bis 50 Prozent.

Weitere Informationen darüber, wem die Gasspeicher in Österreich gehören, wie viel Gas und wie viel Strom in Österreich verbraucht wird und was das für Österreich bedeutet, wird auf der Website ausführlich erklärt.

So könnte unser Winter werden

Auch Infos für den kommenden Winter sind auf der Website zu finden: Expert:innen des Klimaschutzministeriums, der Österreichischen Energieagentur und E-Control geben anhand verschiedener Szenarien eine mögliche Vorschau auf die Gasversorgungslage in diesen Winter. Beispielsweise: Was passiert, wenn Russland die Gaszufuhr nach Österreich stoppen würde.

Die Modelle und Szenarien werden laufend angepasst und neu errechnet. Sollten sich Daten gravierend verändern, werden diese vom Klimaschutzministerium upgedatet.

Notfallplan: Energielenkung

Was ist eine Energielenkung? Was passiert, wenn die Energieversorgung gestört wird? Welchen Notfallplan gibt es? Die Antworten dazu und noch mehr werden auf der Website unter dem Punkt „Energielenkung im Notfall“ ausführlich erklärt. Zudem erhalten Bürger:innen Informationen über mögliche Lenkungsmaßnahmen zur Sicherung der Gasversorgung, wie beispielsweise: Aufruf zur Verteilung des verfügbaren Erdgases an die Endverbraucher:innen.

Infos für Haushalte & für Unternehmen

Wie kann man am besten Energie sparen? Welche Maßnahmen setzt die Regierung, um Haushalte sowie Unternehmen finanziell zu entlasten? Welche Alternativen gibt es zu Öl und Gas? Unter „Informationen für Haushalt und Privatpersonen“ sowie unter „Informationen für Unternehmen“ werden wichtige Fragen zur Energiesituation und die Auswirkungen beantwortet. Ein Schwerpunkt wurde dabei auf die Stromkostenbremse für Haushalte und den Energiekostenzuschuss gelegt.

Laut dem Klimaministerium ist die Energieversorgung in Österreich derzeit stabil und die bevorstehende Heizsaison kann gut überstanden werden. Energiesparen hilft dabei, diesen Status aufrecht zu erhalten und zu festigen.

Neues Festival feiert die Kunst der Reparatur

Sie ist eine traditionsreiche Kulturtechnik, die wir lange stiefmütterlich behandelt haben: die Reparatur. Ein neues Festival lässt sie in Workshops, Ausstellungen und Vorträgen hochleben.

Wo gerade noch ein Riss in der Hose war, sind jetzt bunte Muster zu sehen. Pinke, rote und gelbe Fäden lassen den Riss zwar verschwinden, machen aber auch klar: Diese Hose hat schon viel erlebt. Visible Mending ist die englische Bezeichnung für diesen Modetrend. Zu Deutsch: Sichtbare Flickarbeit. Gestickt, gestopft und genäht haben natürlich auch schon unsere Großeltern. Während sie aber die Nähte geschickt verbergen wollten, feiern viele Menschen heute die Spuren der Zeit. Mit farbenfrohen Fäden, Bügelbildern und Stoffresten unterstreichen sie die Makel ihrer alten Kleidung. Visible Mending hebt die Reparatur wieder in den Rang eines Kunsthandwerks.

Festival Reparatur
Beim Visible Mending werden alte Kleidungsstücke zu farbenfrohen Unikaten. Am Re:pair Festival gibt es Workshops, die Besucher:innen diese Flicktechnik beibringen.

Genau das will auch das Re:pair Festival, das heuer erstmals in Wien stattfindet. An 22 Tagen gibt es Veranstaltungen, Vorträge und Workshops rund ums Reparieren – darunter auch einige, bei denen man die Kunst Visible Mendings erlernt. Das Programm verteilt sich auf viele Orte. Bespielt werden unter anderem das Technische Museum, das Volkstheater und das Kunsthistorische Museum. Die Festival-Zentrale ist aber das Wiener Volkskundemuseum. Dort gibt es auch freien Eintritt zu allen Festival-Veranstaltungen und zur Dauerausstellung.

Vor der Wegwerfgesellschaft

Wir haben immer schon repariert. Aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte kennt man Gegenstände, auf denen sich Spuren von Reparaturen entdecken lassen. Und genau diese Gegenstände holt das Volkskundemuseum für seine Dauerausstellung aus dem Depot. Sie trägt den Namen „Vor der Wegwerfgesellschaft“ und verdeutlicht damit, dass wir die Reparatur erst vor wenigen Jahrzehnten mit dem Beginn der Massenproduktion verlernt haben. Zu sehen gibt es kunstvoll ausgebesserte Keramik, einen geflickten Lederschlapfen und einen zusammengeklammerten Wäschepracker aus dem 19. Jahrhundert. Normalerweise bekommen wir historische Museumsstücke nur in neuwertigem Zustand zu Gesicht. In dieser Ausstellung sieht man die Spuren der Zeit deutlich und kann die verschiedenen Techniken der Reparatur nachvollziehen.

Festival Reparatur
Im Wiener Volkskundemuseum kann man Profis bei der Reparaturarbeit zusehen.
Warum wir mehr reparieren sollten

Wenn wir die Reparatur wieder in unseren Alltag aufnehmen, leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Die Rechnung ist einfach: Wer seine Gebrauchsgegenstände länger nutzt, der muss weniger Neues kaufen. Dadurch produzieren Unternehmen weniger Produkte und wir sparen Ressourcen, Energie und Müll ein. Damit ist die Reparatur nicht nur eine traditionsreiche Kulturtechnik der Vergangenheit, sondern auch für eine nachhaltige Zukunft unentbehrlich.

Wie ich Frieden mit meinen Klimagefühlen geschlossen habe

Ich empfinde Klimaangst, Klimawut und Klimatrauer. Ein Buch hat mir dabei geholfen, diese Gefühle zu erkennen und sie für etwas Gutes zu nützen.

Seit zweieinhalb Jahren setze ich mich jeden einzelnen Tag mit der Klimakrise auseinander. Egal ob Waldbrand, Überschwemmung, Dürre oder Gletschersterben – wo die Klimakrise zuschlägt, schaue ich hin. Das ist meine Aufgabe als Klimajournalist. Um andere Menschen über die Klimakrise zu informieren, muss ich sie selbst in all ihren bedrohlichen Aspekten verstehen. Und das bedeutet nun mal auch, jede neue Schreckensmeldung zu lesen und einzuordnen.

Ein dumpfes Unbehagen als täglicher Begleiter

Die intensive Auseinandersetzung mit der Klimakrise haben mich verändert, auch wenn ich mir das anfangs nicht zugestanden habe. Da war plötzlich ein dumpfes Unbehagen in meinem Leben. Lange habe ich es weggeschoben, oft sogar erfolgreich, aber letztendlich hat es mich immer wieder eingeholt. Ein vages Gefühl, dass irgendetwas nicht ganz passt. Erst habe ich Corona verantwortlich gemacht, dann wahlweise Stress, das Wetter oder die Jahreszeit.

Seit einem Monat kann ich dieses Unbehagen klar benennen. Es ist Klimaangst. Dem Gefühl einen Namen zu geben, fühlt sich gut an. Es ist zwar trotzdem noch da. Aber seitdem wirkt es sich weniger auf mein Leben aus. Um an diesem Punkt zu kommen, hat mir das Buch „Klimagefühle“ und ein Gespräch mit einer der beiden Autorinnen geholfen.

Die Krise im Kopf

Die beiden Psychotherapeutinnen Lea Dohm und Mareike Schulze beleuchten in „Klimagefühle“ die psychologischen Folgen der Klimakrise. Sie zeigen auf, welche Gefühle sie in uns auslösen kann und wie wir lernen, mit diesen Gefühlen umzugehen. Die beiden wissen, wovon sie schreiben. Sie sind die Gründerinnen der deutschen „Psychologists for Future“ -Plattform. Mittlerweile haben sich den beiden mehr als 1.500 Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen angeschlossen. Zusammen wollen sie ihr Fachwissen nutzen, um die Klimakrise zu bekämpfen.

Kaugummi unterm Schuh

In einem Telefongespräch über Ihr Buch beschreibt Autorin Mareike Schulze genau jenes Gefühl, das mich schon so lange begleitet. Ein andauerndes Gefühl des Unwohlseins. Sie kennt es aus eigener Erfahrung und beschreibt es als „Kaugummi unterm Schuh“. Man spürt ihn bei jedem Schritt, er stört, aber man kann trotzdem damit durchs Leben gehen. Das war die perfekte Umschreibung für mein dumpfes Unbehagen. In ihrem Buch liefert Schulze auch gleich Anleitungen für mich, wie ich mit diesem Unbehagen umgehen soll. Mit Gleichgesinnten sprechen, zum Beispiel. Auch Achtsamkeitsübungen und Mediation können für viele Menschen eine Lösung sein. All das beschreiben die beiden Autor:innen praxisnah.

Gefühle sind hilfreich und wichtig

Das Wichtigste sei es jedoch, seine Gefühle zu akzeptieren und ihnen keinen Störwert zuzurechnen. „Gefühle sind hilfreich und wichtig“, erzählt mir Schulze. Sie würden uns die eigenen Bedürfnisse anzeigen und uns zum Handeln bringen. Und genau darum geht es bei der Klimakrise: Wir müssen handeln. Unsere Gefühle erinnern uns darin.

Das Problem sind also weniger die Gefühle selbst, als vielmehr der Umgang der Gesellschaft mit ihnen. „Wir leben in einer zunehmend entemotionalisierten Welt“, fasst Mareike Schulze das Problem zusammen. „Gefühle sind verpönt. Wir schieben sie zur Seite, weil sie im Alltag stören.“

Das habe ich auch selbst bemerkt. Nachdem ich das Buch gelesen hatte, wollte ich Menschen finden, die bereit waren über ihre Klimaangst zu sprechen. Die gesamte Redaktion hat Freunde, Familie und Bekannte gefragt. Kaum jemand gab zu, überhaupt Angst vor der Klimakrise zu haben. Die wenigen, die zu den Gefühlen standen, wollten nicht damit vor den Vorhang treten.  Dabei sei Angst eine völlig natürliche Reaktion auf die Klimakrise, betont Schulze. Schließlich würden ihre Auswirkungen unser gesamtes Leben infrage stellen.

Jeder fühlt anders

Angst ist allerdings nur eines von vielen Gefühlen. In ihrem Buch beschreiben Schulze und Dohm viele verschiedene emotionale Reaktionen, die in Zusammenhang mit der Klimakrise auftauchen. Trauer, Frust, Wut, Scham, Neid und Schuldgefühle zum Beispiel. Besonders Wut und Trauer habe ich dann nach und nach in mir selbst entdeckt.

Wut ist ein kraftvolles Gefühl, eines, das uns aktiviert und uns nicht verletzlich aussehen lässt. Zu diesem Gefühl zu stehen, ist für viele Menschen vergleichsweise leicht. Auch für mich. Bei der Trauer war das anders. Dieses Gefühl habe ich mir anfangs nicht zugestanden. Trauer dürfte ich doch nur empfinden, wenn ich einen lieben Menschen verloren hätte. „Trauer hilft uns Abschied zu nehmen“ erklärt Mareike Schule mir dann allerdings am Telefon. Und die Klimakrise zwinge uns viele Dinge gehen zu lassen. Eine unbeschwerte Zukunft, die Vielfalt der Natur oder auch materielle Wünsche.

Klimagefühle können helfen, richtig zu handeln

Klimaangst ist immer noch Teil meines Lebens – und das ist in Ordnung so. Mein dumpfes Unbehagen ist zu meinem Knopf im Taschentuch geworden. Es erinnert mich bei jeder Alltagsentscheidung, dass ich meinen kleinen Teil beitragen muss. Was kaufe ich? Wo kaufe ich es? Wohin fahre ich auf Urlaub? Wie fahre ich in die Arbeit? Wir alle stehen jeden Tag vor solchen kleinen Entscheidungen. Meine Klimaangst erinnert mich daran, das Klima mitzudenken, wenn ich sie treffe.

Und auch als Klimajournalist brauche ich mein Unbehagen. So rufe ich mir in Erinnerung, wie wichtig es ist auch über Lösungen in der Klimakrise zu sprechen. Positive Geschichten und Vorbilder zu zeigen, die uns Mut machen. Denn Klimagefühle müssen nicht zwangsläufig negativ sein. Auch Freude, Hoffnung und Selbstwirksamkeit können wir empfinden, wenn wir uns mit der Klimakrise auseinandersetzen. Und diese Gefühle brauchen wir dringend, wenn wir die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch aufhalten wollen. Sie geben uns Kraft, gemeinsam an einer besseren Welt zu arbeiten.

„Klimagefühle“ ist im August 2022 im Verlag Droemer Knau erschienen.

Klimaneutralität: Neue Pläne für die Industrie

Heimische Förderungen und internationale Forschung sollen Österreichs Industrie klimaneutral machen. FREDA fasst zusammen, wie diese Wende gelingen soll.

Kohle und Erdgas raus, Ökostrom und Wasserstoff rein. Das ist es im Grunde, was die Bundesregierung von der österreichischen Industrie möchte. Das übergeordnete Ziel dahinter: Österreich muss klimaneutral werden. Bis spätestens 2040, dieses Ziel hat man sich vor zweieinhalb Jahren ins Regierungsprogramm geschrieben.

„Die Industrie erzeugt mehr als ein Drittel aller Treibhausgasemissionen Österreichs.“

Und dabei spielt die Industrie eine wichtige Rolle. Die Anlagen brauchen oft hohe Temperaturen, etwa um Stahl herzustellen. Das kostet viel Energie, die noch oft in Form von Öl und Gas in die Anlagen fließt. In Summe ist die Industrie für mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen Österreichs verantwortlich. Sie auf klimafreundliche Produktion umzustellen, ist also eine wichtige Klimaschutzmaßnahme. Aber nicht nur. Eine klimaneutrale Industrie ist auch unabhängiger – sowohl von russischem Gas als auch von hohen Energiepreisen.

Satte 5,7 Milliarden Euro nimmt die Bundesregierung für Förderungen in die Hand. Das Geld soll sicherstellen, dass Österreichs Industrie auch zukünftig im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Nur so lassen sich auch auf Dauer die vielen Arbeitsplätze in der heimischen Industrie absichern.

Neue Förderung für klimaneutrale Produktionstechniken

Mit der sogenannten „Klima- und Transformationsoffensive“ gibt es eine völlig neue Förderung für die Industrie. Mit drei Milliarden Euro macht sie den Löwenanteil aus. Das Geld unterstützt den Aufbau von klimafreundlichen Produktionsprozessen. Bis 2030 werden jährlich 600 Millionen Euro ausgeschüttet.

Die lange Laufzeit der Förderung ist wichtig. Bereits heute entscheidet sich, wie in zehn Jahren produziert wird. Neue Industrieanlagen sind teuer, aufwendig zu errichten und erfordern oft jahrelange Finanzierung. Wenn ein Unternehmen heute eine klimafreundliche Anlage plant, muss es sich darauf verlassen können, dass der Bau in vier Jahren dann auch wirklich noch gefördert wird. Um das sicherzustellen, hat die Regierung die Klima- und Transformationsoffensive fix im Gesetz verankert.

Klimaschutzverträge für mehr Fairness

Eine weitere Neuerung für die Industrie sind die sogenannten „Carbon Contracts for Difference“. Das sind neuartige Klimaschutzverträge, die Unternehmen ermöglichen, sich höhere Betriebskosten durch klimaneutrale Produktionsweisen fördern zu lassen. Auf lange Sicht werden CO₂-freie Technologien zwar kostengünstiger. Während der Umstellung kann es aber noch zu höheren Produktionskosten kommen. Das gleicht die Regierung zukünftig mit den „Carbon Contracts for Difference“ aus. Die Verträge verhindern, dass Unternehmen, die weiterhin schmutzig produzieren, einen unfairen Vorteil haben.

Klimaneutral Industrie
Neben der bereits laufenden Umstellung auf Wind, Sonne und Wasserkraft, setzt die Regierung nun bei der Industrie an. Sie ist eine der wichtigsten Stellschrauben im Klimaschutz.

Weitere 1,5 Milliarden Euro fließen außerdem in die Energieeffizienz. Damit bekommen Industrieunternehmen Maßnahmen gefördert, die Energie sparen. Auch das verringert die Abhängigkeit von Gas. Eine dritte Förderschiene ist die Umweltförderung. Die richtet sich auch an kleinere Unternehmen und unterstützt sie beispielsweise bei der Wärmedämmung von Betriebsgebäuden oder beim Bau von einem eigenen Solarkraftwerk auf dem Dach. Dafür sieht die Regierung 600 Millionen Euro vor.

Österreich und Australien starten Mission „Net-Zero Industries“

Neben den neuen Fördergeldern engagiert sich Österreich auch für mehr Forschung, um die Wende in der Industrie voranzubringen. Gemeinsam mit Australien leitet Österreich die internationale Mission „Net-Zero Industries“. Das gab Klimaschutzministerin Leonore Gewessler Ende September bekannt. Teil der Mission sind die Europäische Union und 24 andere Länder, darunter China, Großbritannien, Kanada und Südkorea.

Ziel von Net-Zero Industries ist „die Entwicklung und beschleunigte Markteinführung von innovativen Technologien“, die in der Industrie Emissionen einsparen können. Net-Zero Industries legt den Fokus vor allem auf die Stahlerzeugung, Zementindustrie und anderen Hochtemperatur-Industrien. Bis 2030 möchte man bereits 50 große, industrielle Demonstrationsprojekte umgesetzt haben.

Brasilien: Stichwahl für den Regenwald

Am 30. Oktober findet in Brasilien die Stichwahl zwischen dem amtierenden konservativen Präsidenten Jair Bolsonaro und dem linksgerichteten Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva statt. Eine Wahl, die nicht nur über die Zukunft des Landes entscheidet, sondern für das gesamte Weltklima von Bedeutung ist.

Die Indigenen bekommen „kein Millimeter“ neues Land mehr! Mit diesem Wahlspruch hat der amtierende brasilianische Präsident Jair Bolsonaro 2018 die Wahl in Brasilien gewonnen. Sein verheerendes Wahlversprechen, Indigenen keine zusätzlichen Schutzgebiete zu gewähren, hielt der konservative Politiker auch ein. Und nicht nur das. Vielmehr hat er indigene Schutzgebiete sogar geöffnet, um Landwirtschaft zu betreiben und Rohstoffe abzubauen. Die Folge: Während seiner Amtszeit hat das brasilianische Amazonasgebiet eine Waldfläche in der Größe von ganz Belgien verloren. Die höchste Entwaldungsrate in den letzten 15 Jahre. Dennoch hat Bolsonaro auch im aktuellen Wahlkampf viele Befürworter:innen. So viele, dass es im Moment ein Kopf an Kopf Rennen um das brasilianische Präsidentenamt gibt. Am 30. Oktober muss bei einer Stichwahl zwischen ihm und seinem Herausforderer, dem linksorientiertem Luiz Inácio Lula da Silva (kurz Lula) entschieden werden. Lula gilt vor allem bei den indigenen Völkergruppen als Hoffnungsträger, da er sich zum Ziel gesetzt hat, die Amazonas-Entwaldung auf Null zu setzen. Im Gegensatz zu Jair Bolsonaro. Der sieht in dem für das Weltklima wichtigen Amazonasgebiet weiterhin vor allem wirtschaftliche Nutzfläche.

Zwei Kandidaten, die über die Zukunft des Regenwaldes nicht unterschiedlicherer Meinung sein könnten. Was das genau bedeutet, FREDA gibt einen Einblick:

Die Bolsonaro-Regierung: Wirtschaft geht vor Waldschutz

Der amtierende Präsident Jair Bolsonaro, der für die liberale Partei Partido Liberal antritt, ist für seine rechtsradikalen und konservativen Ansichten bekannt. Auch sein aktueller Regierungsplan baut auf die traditionellen Werte Familie, Gott, Vaterland und Freiheit. Unterstützt wird er dabei von streng konservativen Anhänger:innen der evangelikalen Pfingstkirchen, der Agrarindustrie und Bergbaufirmen.

Umwelt- und Klimaschutz nehmen in seinem Wahlprogramm hingegen kaum eine Rolle ein. Vielmehr setzt sich Bolsonaro für den Abbau von natürlichen Ressourcen und die Waldrodung ein. Selten wurde mehr Regenwald abgeholzt, als unter seiner Präsidentschaft. Brasilien gilt als einer der wichtigsten Exporteure von Soja und Rindfleisch: Auf einer Fläche, die fast so groß ist wie ganz Deutschland, rund 320.000 Quadratkilometer, wird Sojaanbau betrieben. Noch mehr Fläche braucht Brasilien für seine Weidetiere. 1,7 Millionen Quadratkilometer Weidefläche ernähren die größte Rinderzucht weltweit. Fleisch und Soja werden zum großen Teil nach China und Europa exportiert. Um den Bedarf zu decken, fördert Bolsonaro die Abholzung weitere Regenwaldflächen. So sind bereits 20 Prozent des Amazonaswaldes vollständig zerstört und eine ebenso große Fläche ist durch Brandrodungen und Ähnlichem geschädigt.

Laut Brasilien-Experte Andreas Novy ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich Bolsonaros Regenwald- Politik ändert. Er wurde genau deshalb von Landwirt:innen in der Amazonasregion gewählt – um Schutzreservate für die Landwirtschaft und den Bergbau nutzbar zu machen. Doch genau das könnte schwerwiegende Folgen nicht nur für Brasilien, sondern für die gesamte Welt haben. Geht es mit der Abholzung weiter, hat der Amazonas laut Expert:innen schon bald seinen Kipppunkt erreicht. Das Amazonasgebiet gilt als eines der Kippelemente, die das Klima auf der Welt aus dem Gleichgewicht bringen können. Was das genau bedeutet, erfährt ihr im Beitrag: Jedes Zehntelgrad weniger zählt.

Brasilien gilt als sechstgrößter Treibhausgasproduzent weltweit. © Adobe Stock
Die Lula-Regierung: Vielfalt des Amazonas soll geschützt werden

Ganz anders sieht das im linken Lager aus. Denn Klima- und Umweltpolitik spielen im Wahlprogramm von Lula eine wichtige Rolle. Der Politiker, der für die Arbeiterpartei Partido Trabalhador antritt, war bereits von 2003 bis 2011 Präsident. Umweltthemen hatten damals allerdings keinen Vorrang. Im Gegenteil, denn unter der Regierung von Lula hat sich Brasilien zum weltgrößten Fleischexporteur entwickelt. Sein Ziel war es, dass Fleisch kein Privileg für Reiche bleiben dürfe, weshalb er viel Geld in die Förderung von Rinderzucht steckte. Dazu gehörten auch Brandrodungen im Regenwald für neues Weideland.

Aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, legt der überzeugte Sozialdemokrat seinen Fokus in Zukunft auf den Schutz des Amazonasregenwaldes. Eines der wichtigsten Wahlversprechen, denn im August dieses Jahres hat es laut dem Institut für Weltraumforschung mit 33.116 Feuerausbrüchen im Amazonasgebiet die meisten Brände in einem August seit 2010 gegeben.

Beim Schutz des Regenwaldes wird er von Brasiliens ehemaliger Umweltministerin Marina Silva unterstützt. Die in der Amazonasregion geborene Politikerin ist von 2003 bis 2008 in der Lula-Regierung tätig gewesen. Sie schaffte es, die Abholzung des Regenwaldes um 80 Prozent zu reduzieren. Gemeinsam haben sie jetzt einen 26-Punkte-Plan für den Schutz der brasilianischen Umwelt und Indigene verfasst, die u.a. folgende Punkte beinhalten:

  • Bergbau und Landraub auf Indigenen Territorien soll verhindert werden
  • Bereits entwaldete Gebiete sollen wieder aufgeforstet werden
  • Umweltbehörden soll wieder gestärkt werden, um Umweltverbrechen aufhalten und aufdecken zu können
  • Null-Abholzung soll erreicht werden
  • Es wird eine Landwirtschaft mit geringeren Emissionen gefordert
  • Indigene und ökologische Schutzzonen sollen errichtet werden uvm.

Ein wichtiger Schritt, um Brasilien vor der Zerstörung Amazoniens und der indigenen Völker zu bewahren.

Die grüne Lunge der Welt steht vor dem Kipppunkt

Mit 5,5 Millionen Quadratkilometer ist der Amazonas der größte zusammenhängende Regenwald der Welt. Seine Gesamtfläche ist damit größer als ganz Europa. Mindestens die Hälfte aller auf der Welt vorkommenden Tier- und Pflanzenarten leben dort sowie über 20.000 verschiedene Baumarten. Durch diese hohe Biodiversität wird Unmengen an Kohlendioxid aus der Luft gebunden. Dabei entsteht Sauerstoff, genauer gesagt werden im Amazonasgebiet rund 20 Prozent des gesamten Sauerstoffs unseres Planeten produziert. Deshalb bezeichnet man den Amazonas auch als die grüne Lunge der Welt.

Werden innerhalb kürzester Zeit jedoch zu viele Bäume gerodet oder verbrannt, verliert der Wald seine Funktion als grüne Lunge. Das heißt, durch Brände und Rodungen wird das CO₂ nicht mehr gebunden, sondern entweicht in die Atmosphäre. Dadurch werden die Treibhausgasemissionen verstärkt. Ein Phänomen, das in Brasilien bereits begonnen hat: Laut einer Studie des Nature Climate Change hat das brasilianische Amazonasgebiet zwischen 2010 und 2019 rund 18 Prozent mehr CO₂ ausgestoßen als im selben Gebiet gespeichert wurde. Der Regenwald gab demnach rund 16,6 Milliarden Tonnen CO₂ in die Umwelt ab, nahm aber nur rund 13,9 Milliarden Tonnen auf. Ob sich diese Veränderung noch rückgängig machen lässt oder der Kipppunkt bereits erreicht wurde, weiß derzeit auch die Wissenschaft nicht genau. Ein Stopp der Abholzung, der Ausbeutung von Ressourcen und der mutwilligen Zerstörung des Regenwaldes würde aber definitiv dazu beitragen.

Die Wahl entscheidet

Deshalb liegt aktuell auch alle Hoffnung auf Lula, der das Land nicht nur einen und wieder in die Weltgemeinschaft führen könnte, sondern mit einer ernsthaften Umweltpolitik den Amazonasregenwald retten könnte. Würde Bolsonaro gewinnen, würde das für den Regenwald bedeuten, dass der Raubbau ungehindert weitergehen kann und indigene Völkergruppen bedroht und aus ihrer Heimat vertrieben werden. Auch wäre es laut Novy das Ende der liberalen Demokratie und freier Wissenschaft, denn der rechtsradikale Politiker hat Brasilien in den letzten vier Jahren nach und nach zu einer Militär-Diktatur umgebaut. Demnach bleibt zu hoffen, dass sich am 30. Oktober die Brasilianier:innen für Lula, für demokratische Werte und für den Schutz der grünen Lunge entscheiden.