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Langlebige Geräte schon vor dem Kauf erkennen

Langlebige Geräte zu erkennen, geht in Frankreich ganz einfach. Ein verpflichtendes Pickerl auf der Packung zeigt an, wie leicht sich ein Gerät reparieren lässt. Die Europäische Union plant nun eine ähnliche Kennzeichnung.

Vier Sommer hat er gehalten, der Rasenmäher. Jetzt muss er zum Mistplatz. Reparieren?  Geht nicht, sagt die Werkstatt.  Das Gerät ist so gebaut, dass eine Reparatur unmöglich ist. Also ab zum Baumarkt, um einen neuen Rasenmäher zu kaufen. Nur: Ob sich der reparieren lässt, erfahren wir erst, wenn er wieder kaputtgeht.

Auf einen Blick sehen, was sich reparieren lässt

Gerätehersteller machen es uns schwer, Wegwerfprodukte zu erkennen. Selbst für Profis ist es unmöglich, langlebige von kurzlebigen Produkten zu unterscheiden, ohne das Gerät aufzuschrauben. Produktbewertungen im Internet können zwar helfen. Sie zu lesen und zu vergleichen, kostet aber Zeit.

In Frankreich geht das einfacher. 2021 hat die französische Regierung den Indice de réparabilité eingeführt. Eine Kennzeichnung, die zeigt, wie leicht sich ein Gerät reparieren lässt. Konkret heißt das: Hersteller müssen auf der Verpackung ihrer Geräte ein Pickerl anbringen. Auf dem steht ein Punktestand zwischen null und zehn, der anzeigt, wie reparaturfreundlich ein Gerät ist. Vergleichbar ist das mit dem EU-Energielabel. Ein Blick auf die Packung und schon kann man den Stromverbrauch einschätzen.

So kommt die Bewertung zustande

Der Indice de réparabilité berücksichtigt die wichtigsten Kriterien fürs Reparieren. Lässt sich ein Gerät leicht zerlegen? Wenn ja, welche Werkzeuge braucht man? Wichtig ist außerdem, wie lange Ersatzteile verfügbar sind und wie viel sie kosten. Je länger ein Hersteller Teile seiner alten Produkte anbietet, desto besser schneidet er ab. In die Bewertung fließt überdies mit ein, ob der Hersteller Anleitungen zum Reparieren beilegt. Ohne diese Informationen können selbst Profis Geräte nur schwer wieder auf Vordermann bringen.

Wie auch Österreicher:innen vom französischen Reparaturindex profitieren

Das französische Start-up Spareka sammelt die Bewertungen des Indice de réparabilité und stellt sie auf ihrer Website zur Verfügung. Auch Österreicher:innen können so rund 1250 Geräte vor dem Kauf miteinander vergleichen. Die Seite ist zwar nur in französischer Sprache abrufbar – dank automatischer Übersetzungsfunktion kann man aber auch ohne Französischkenntnisse durch die Seite navigieren.

Links der französische Reparaturindex, rechts das in ganz Europa verpflichtende Energielabel
Reparieren ist Klima schützen

Derzeit gibt es den Indice de réparabilité nur für Wasch- und Spülmaschinen, Computer, Handys, Fernseher und Rasenmäher. Die französische Regierung will das Reparaturpickerl aber bald schon auf anderen Produktgruppen anbringen.

Das ist wichtig, denn je weniger Geräte vorzeitig am Mistplatz landen, desto besser ist das für unser Klima. Die Produktion von Elektrogeräten verbraucht enorme Mengen an Energie und Ressourcen. Je länger wir alte Geräte also nutzen können, desto weniger klimaschädliche Gase erzeugen wir. Würden alle Elektrogeräte innerhalb der EU nur ein Jahr länger halten, ließen sich so rund vier Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen. Das hat das European Environmental Bureau in einer Studie errechnet. Zum Vergleich: Das ist die Menge an CO₂, die 2 Millionen Autos in einem Jahr ausstoßen.

Europäische Union will eigenen Index

Wir brauchen also langlebige und reparierfreundliche Geräte. Das findet auch die Europäische Union. Mitte April hat das Europäische Parlament über die Initiative Recht auf Reparatur abgestimmt – und sie fast einstimmig angenommen. Teil dieser neuen Initiative ist auch eine Kennzeichnung der Reparierbarkeit auf Geräteverpackungen. Wann diese Kennzeichnung kommt und ob sie sich am französischen Index orientiert, ist noch offen.

Verchipt und zugeklebt: Halten moderne Geräte kürzer?

Moderne Geräte sind voll mit Elektronik und nur allzu oft billig produziert. Warum das immer mehr zu einem Problem für Klima und Umwelt, lesen sie hier.

Moderne Geräte sollen schlau sein. Schauen wir uns die Waschmaschine an. Sie erkennt die Menge an Wäsche, hat dutzende Programme und lässt sich per Smarthone steuern. Damit das möglich ist, braucht es Mikroelektronik. Das heißt: In den Geräten sind winzige Chips verbaut, wie wir sie aus Computern kennen. Solche Chips vertragen keine Feuchtigkeit. Und hier hakt es. Im Gegensatz zu Computern stehen Waschmaschinen oft in feuchten Kellern oder direkt neben der Dusche. Das kann die Lebenszeit des Chips deutlich verkürzen – und damit das der ganzen Waschmaschine.

Elektronik ist überall – und sie ist empfindlich

Ist der Chip defekt, steht die Maschine still. Auch Handwerker:innen können uns da nur mehr vertrösten. Dann wandert die Waschmaschine zum Mistplatz, obwohl die Mechanik der Waschmaschine einwandfrei funktioniert.

Das Problem mit den Software-Updates

Elektronik hat einen weiteren Nachteil: Sie braucht Software. Und die verlangt regelmäßig nach Updates. Das betrifft vor allem Computer, Smartphones oder Grafikkarten. Stellen Hersteller keine Software-Updates oder neue Treiber mehr zur Verfügung, können wir unsere mechanisch einwandfreien Produkte schnell nicht mehr benützen.

Der Kostendruck bei Herstellern ist enorm

Alte Geräte sind schwer. Jeder, der schon mal mit einer alten Waschmaschine umgezogen ist, weiß das. Neue Modelle bringen weniger Gewicht auf die Waage. Der Grund: Viele Teile sind nicht mehr aus langlebigem Metall, sondern aus Plastik.

Um Geräte billig anzubieten, sparen Hersteller oft beim Material. Der Kostendruck in unserer globalisierten Welt ist enorm, jeder konkurriert mit jedem. In der Praxis bedeutet das: Plastik statt Metall und Kleber statt Schrauben. Das trägt nicht nur dazu bei, dass Geräte schneller kaputtgehen. Sondern auch, dass Handwerker:innen sie nur schwer reparieren können. Verklebte Plastikbauteile brechen schon, wenn man das Gerät nur öffnet.

Ist die kurze Lebensdauer gewollt?

Die billige Bauweise der heutigen Geräte befeuert immer wieder Diskussionen zur geplanten Obsoleszenz. Das ist der Fachausdruck dafür, wenn Hersteller die Lebensdauer ihrer Produkte vorsätzlich verkürzen, um mehr Geschäft zu machen. Am bekanntesten ist der Fall des Phoebus-Kartells aus den 1920ern. Damals halbierten die führenden Glühbirnenfabrikanten die Lebensdauer ihrer Birnen nach einer geheimen Absprache. So etwas heutzutage nachzuweisen, ist schwer. Konsumentenschützer:innen beißen sich vor Gericht die Zähne aus. Denn: Sie müssen belegen, dass die Hersteller die Mängel vorsätzlich einbauen.

Das können wir selbst tun

Ob und wo geplante Obsoleszenz zum Einsatz kommt, können wir als Konsument:innen kaum feststellen. Trotzdem können wir beim Kauf einiges beachten.

  • Nicht zum billigsten Geräten greifen
    Wer sich beim Kauf nicht für das aller billigste Produkt entscheidet, hat in der Regel deutlich länger etwas davon. Das zeigen die Tests der Stiftung Warentest am Beispiel von Waschmaschinen. Kein Gerät unter 490 Euro hat den Dauertest bestanden. Hier behält also ein altes Sprichwort recht: Wer billig kauft, kauft zweimal.
  • Auf Reparierbarkeit achten
    Außerdem sollten wir uns für Geräte entscheiden, die sich leicht reparieren lassen. Dann muss das Gerät nicht gleich zum Mistplatz, wenn etwas defekt ist. Die zu erkennen, ist allerdings derzeit noch schwer. Die EU plant allerdings einen Reparaturindex, mit dem auf einen Blick ersichtlich ist, was sich leicht reparieren lässt. Frankreich hat mit dem Indice de réparabilité genau das bereits umgesetzt.
  • Geräte mit unnötiger Elektronik meiden
    Geräte mit wenig Elektronik halten in der Regel länger. Und: Sind sie doch defekt, lassen sie sich deutlich leichter reparieren als Geräte mit viel Elektronik. Braucht der Toaster wirklich einen LCD-Bildschirm?

Eine vierköpfige Familie aus Österreich verursacht im Schnitt 100 Kilo Elektroschrott pro Jahr. Würden unsere Geräte länger halten, müssten wir erstens weniger Neues produzieren und zweitens entstünde weniger Müll. Beides ist wichtig, um die Klimakrise auszubremsen.

Wie 100 Österreicher:innen das Klima retten sollen

Die Klimakrise und ihre Auswirkungen betreffen jede:n einzelne:n. Die Zukunft müssen daher alle mitgestalten können.  Im Klimarat erarbeiten 100 zufällig ausgewählte Bürger:innen Empfehlungen für den Weg zur Klimaneutralität. 

Wie kommen wir künftig in die Arbeit? Wie heizen wir die Wohnungen im Winter? Was werden wir in zukünftig zu Mittag auf dem Teller haben? Es sind Normalos, die derzeit Antworten auf Fragen wie diese finden. Pensionist:innen, Verkäufer:innen, Techniker:innen oder auch Schüler:innen suchen gemeinsam nach Lösungen in den Bereichen Ernährung und Landnutzung, Mobilität, Wohnen, Energie sowie Produktion und Konsum – den Kernthemen des ersten österreichischen Klimarats. Es diskutieren jene Personen, die im Alltag von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind. Ihre Meinung zu hören, ist daher wichtig.

Per Zufall in den Klimarat

Insgesamt sind es 100 Bürger:innen, die an sechs Wochenenden abwechselnd in Wien und Salzburg zusammenkommen. Vier Treffen haben bereits stattgefunden, bis Mitte Juni folgen noch zwei weitere. Sie wurden zufällig ausgewählt, damit möglichst viele Weltanschauungen, Altersgruppen, Berufe oder auch Wohnorte vertreten sind. Basierend auf dem Konzept der Bürgerräte arbeiten einfache Menschen Empfehlungen für die Politik aus. Wissenschaftler:innen stehen dem Rat mit fachlicher Expertise bei.

Anfang Mai wurde die Diskussionsarena für alle geöffnet. In einem Online-Forum konnte jede:r zehn Tage lang eine Meinung zu den Vorschlägen abgeben und sich mit eigenen Ideen einbringen. Unter anderem wurden folgende Punkte gefordert:

  • keine Sonderrabatte mehr auf Fleisch
  • leerstehende Gebäude besteuern
  • Neuwaren nicht mehr vernichten, nachdem sie zurückgesendet wurden
  • verstärkt auf Reihen- statt Einfamilienhäuser setzen
  • Klimaschutz in Lehr- und Studienplänen verankern.
Erfolge in Irland und Deutschland

In mehreren europäischen Ländern wurden in den letzten Jahren ähnliche Versammlungen abgehalten. In Frankreich sind die Erfahrungen weniger gut ausgefallen. Präsident Emmanuel Macron kündigte zunächst zwar an, die Empfehlungen ungefiltert an das Parlament weiterzugeben oder in einem Referendum darüber abstimmen zu lassen. Letztlich haben es knapp 40 Prozent der 149 Empfehlungen in einen Gesetzesvorschlag geschafft.

Irland hingegen gilt als Vorbild. 2018 haben sich 100 Bürger:innen unter anderem darauf geeinigt, dass Fahrspuren für Busse und Fahrräder ausgebaut, der Umstieg auf E-Autos forciert und Maßnahmen ausgearbeitet werden sollen, damit keine Lebensmittel verschwendet werden. Ein Großteil der Empfehlungen wurde im Klimagesetz berücksichtigt, zudem wurde ein Klima-Aktionsplan erstellt. Der Bürgerrat Klima in Deutschland hat letztes Jahr die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels als oberste Priorität definiert. Dazu hat sich auch die Ampelkoalition in ihrem Regierungsübereinkommen bekannt. Auch weitere Empfehlungen hat die neue Regierung berücksichtigt. Für die Klimarät:innen ist das ein großer Erfolg.

Und in Österreich

Zum heimischen Klimarat der Bürger:innen gab es bereits mehrere parlamentarische Anfragen. Dabei kam unter anderem heraus, dass ein Viertel des Budgets von rund zwei Millionen Euro für PR-Ausgaben verwendet wurden. Kritisiert wurde auch, dass damit auch Lothar Lockls Agentur Lockl & Keck beauftragt wurde. Laut Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat die Agentur bei einem umfassenden Auswahlprozess die beste Bewertung bekommen. Die Zusammenarbeit würde zudem gut verlaufen.

Was die Ergebnisse betrifft, hat Gewessler angekündigt, alle Empfehlungen des Klimarats der Bürger:innen zu sichten. Diese sollen Mitte des Jahres vorliegen.

Anschluss für alle: Jetzt kann jeder eine E-Ladestelle haben

E-Auto laden in der Wohnhausgarage? Bisher konnten einzelne Nachbar:innen in einem Mehrparteienhaus die Errichtung von E-Ladestellen de facto blockieren. Eine Gesetzesnovelle hat das mit Jahresbeginn geändert. Mit dem Right-to-Plug hat nun jeder das Recht zum Saft laden. FREDA erklärt, was das konkret bedeutet.

Familie Bauer hat eine Eigentumswohnung in einem Wohnhaus mit Garage. Für ihren Arbeitsweg braucht die Familie ein eigenes Fahrzeug. Um klimafreundlicher von A nach B zu kommen, soll das neue Fahrzeug mit Strom fahren. Doch daraus wird nix! Das Problem: Familie Mayer aus dem ersten Stock. Sie sagt Nein zur E-Ladestelle in der gemeinsamen Garage. Das Problem von Familie Bauer: Ohne Strom kein E-Auto! Sie entscheiden sich wieder für einen Verbrenner.

Wenn der Nachbar nein sagt

Diese Geschichte ist frei erfunden. Aber so oder so ähnlich ist das in Österreich öfter passiert. Ohne die aktive Zustimmung einer Mehrzeit der Hausparteien war der Bau einer E-Ladestelle nicht möglich. Das war in vielen Fällen ein de facto Veto-Recht gegen nachhaltige Mobilität der eigenen Nachbarn:innen. Seit der Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes am 1. Jänner 2022 ist nun vieles unkomplizierter:

  • Wer eine Einzel-Ladestation errichten will, muss künftig nur die anderen Parteien schriftlich darüber informieren. Gibt es keinen wohlbegründeten Einspruch, kann es losgehen. Wenn sich doch jemand dagegen ausspricht, dann kann man immer noch gerichtlich die „Zustimmung ersetzen“ lassen, wie es im juristischen Fachjargon heißt – und zwar einfacher und mit besseren Erfolgschancen als bisher.
  • Wer mehrere Ladestationen gemeinsam mit anderen Parteien im Haus einrichten will, aber noch keine Mehrheit unter den Eigentümer:innen hat, kann sich in Zukunft zu einer sogenannten „E-Mobilitätsgemeinschaft“ zusammenschließen.
  • Allerdings: Für Ladestationen mit mehr als 3,7 kW (einphasig) oder mehr als 5,5 kW (dreiphasig) gilt in beiden Fällen weiterhin, dass man die aktive Zustimmung der Mehrheit der Parteien benötigt.
Ein Stein weniger am Weg zur Mobilitätswende

Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir den Co2-Ausstoß im Verkehr bis 2030 zumindest um ein Drittel reduzieren. Denn der Verkehr allein ist für fast die Hälfte aller Emissionen verantwortlich. Mit dem Right-to-plug rückt dieses Ziel ein kleines Stück näher. Das sieht die E-Wirtschaft ähnlich und begrüßt die Gesetzesnovelle. Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, sieht in den neuen Regeln einen „wesentlichen Beitrag zur Erreichung unserer Energie- und Klimaziele“.

 

Flüchtlinge mit Fell: Hilfe für Haustiere aus der Ukraine

Seit Ende Februar versinkt die Ukraine im Krieg. Die Menschen fliehen vor Terror und Gewalt. Viele von ihnen haben Haustiere und wollen sie nicht zurücklassen. Wie Tierschützer:innen ihnen helfen und was jede:r beitragen kann.

Darüber, wieviele Menschen aus der Ukraine flüchten müssen, gibt es relativ gute Zahlen: 3,5 Millionen Menschen waren es Mitte Mai bereits. Aber: Wieviele Haustiere mussten schon den Panzern weichen? Sie reisen mit ihren Besitzer:innen in provisorischen Transportboxen oder Tragetaschen, manche Flüchtlinge nehmen ihre Katzen und Hunde auch einfach an die Leine. Hauptsache raus aus der Gefahrenzone und das möglichst schnell – für die Tiere bedeutet das den puren Stress. Jeder, der selbst ein Tier hat, weiß, wie belastend eine ungewohnte Situation für ein Tier sein kann. Doch was ist die Alternative? Das Tier zurücklassen? Für viele Ukrainer:innen ist das ein absolutes No-Go.

Erste Hilfe für geflüchtete Tiere

In Wien gibt es nun erstmals auch eine Station für geflüchtete Menschen mit Haustieren. Die Aktion A G’spia für’s Tier (kurz AGFT) bietet Erste Hilfe vor Ort an. Ursprünglich wurde sie für Tierhalter:innen in den Einrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe ins Leben gerufen, jetzt wurde das Angebot für Flüchtlinge mit Haustieren adaptiert – denn noch nie gab es einen Krieg, bei dem so viele Menschen ihre Haustiere mitgenommen haben. Täglich kommen 15 bis 70 neue Tiere in die Ankunftsstellen. Sie brauchen Futter, Tierärzt:innen oder einfach einen Schlafplatz. Weil derzeit so viele Tiere mit ihren Besitzer:innen auf der Flucht sind, dürfen sie derzeit ohne Einreisepapiere, Chips oder Tollwut-Impfnachweise reisen. Erst wenn die Besitzer:innen an einem Ort bleiben wollen, müssen sie ihre Tiere anmelden und chippen.

Verschnaufen an einem sicheren Platz

AGFT bietet Menschen und ihren Haustieren einen sicheren Platz an und eine Verschnaufpause. „Auch Tiere sind durch die Flucht einem extrem erhöhten Stresspegel ausgesetzt. Dadurch kann es immer wieder zu unvorhersehbaren Verhaltensweisen kommen“, erklärt Sabine Rauscher, Leiterin des Projekts A G’spiar für’s Tier der Volkshilfe Wien. Das Angebot des AGFT-Projekts im Detail:

„Ein kurzer Gesundheitscheck und das nötige Equipment, um einen sicheren Aufenthalt oder Weiterreise zu ermöglichen, ist unabdingbar und wird von uns kostenlos zur Verfügung gestellt.“

  • Erste-Hilfe: Vor Ort gibt es ehrenamtliche Helfer:innen und veterinärmedizinische Unterstützung, die Erste Hilfe für verletzte Tiere leisten. Tiere mit schweren Verletzungen oder Erkrankungen werden an Tierarztpraxen weitergeleitet, die ukrainische Tiere kostenlos behandeln.
  • Verpflegung: Besitzer:innen erhalten vor Ort alles, was ihre Tiere benötigen: von Futter und Spielzeug über Transportboxen bis zu Leinen und Decken.
  • Sichere Unterkunft: Bis sie ein gemeinsames Quartier gefunden haben, bieten Tierschutz Austria und das TierQuarTier Flüchtenden mit Haustier an, ihre tierischen Begleiter kostenlos aufzunehmen – entweder bei freiwilligen Privatpersonen oder Organisationen wie Tierschutz Austria. Das gilt auch, wenn die Besitzer:innen an Corona erkranken und in Quarantäne müssen.
  • Tour fürs Tier: Das Team von AGFT besucht die verschiedenen Unterkünfte und bietet allen Tierbesitzer:innen eine Erstversorgung an.
  • Aufklärungsgespräche & Betreuung: Ein Haustier ist eine riesige Herausforderung für alle, die ein Quartier suchen. Die Angst, es nach der temporären Versorgung in fremden Unterkünften nicht mehr wiederzubekommen, ist bei vielen Flüchtenden groß. Aufklärungsgespräche vor Ort sind daher extrem wichtig.
Gemeinsam helfen

Wer das Projekt mit Sachspenden unterstützen möchte, folgende Dinge werden dringendst benötigt:

  • Maulkörbe in allen Größen
  • Katzengeschirre
  • Leinen und Brustgeschirre
  • Floh- und Zeckenmittel
  • Transportkörbe
  • Futter in kleinen Portionen
  • Tierspielzeug
  • Katzentoiletten plus Zubehör

Sachspenden können 24 Stunden täglich beim TierQuartier abgegeben werden sowie im AGFT-Büro der Volkshilfe Wien, Breitenfurter Straße 336, 1230 Wien, jeweils von Mo-Do 8-15 Uhr; Fr 8-12 Uhr.

Wie wir den essbaren Müllberg halbieren

Das weltberühmte Schnitzerl, unsere Kaspressknödel oder nur einfach nur ein Kornspitz. Wir Österreicher:innen lieben unser Essen. Aber wir führen mit ihm nur Kurzzeit-Beziehungen, denn nach wie vor landen jedes Jahr Tonnen von einwandfreien Lebensmitteln im Müll. Die Umweltministerin will dieses Problem jetzt mit dem Aktionsplan „Lebensmittel sind kostbar!“ angehen.

Seit Ende April gibt es den ersten Entwurf des neuen Bundes-Abfallwirtschaftsplans. Hinter diesem sperrigen Namen verbirgt sich ein Bündel an Maßnahmen, die alle ein Ziel verfolgen: weniger Müll. Im Bundes-Abfallwirtschaftsplan finden sich unter anderem der kürzlich eingeführte Reparaturbonus oder die geplante Pfandregelung.

Den größten Teil des Kuchens macht aber die Lebensmittelverschwendung aus: Mehr als 500.000 Tonnen wandern allein aus Privathaushalten jedes Jahr in Österreich in den Mist – genießbar. Der Aktionsplan „Lebensmittel sind kostbar!“ soll das ändern. Mit 60 Maßnahmen will Klimaministerin Leonore Gewessler die Ziele des EU-Kreislaufwirtschaftspakets erreichen.

„EU-Ziel bis 2030: 50 % weniger Lebensmittelabfälle“

Die Europäische Union verlangt eine Halbierung der Lebensmittelabfälle bis 2030 (im Vergleich zu 2020). Aber schon bis 2025 soll der essbare Müllberg um 30 Prozent schrumpfen. Wir haben die wichtigsten Maßnahmen des Aktionsplans zusammengefasst:

Handel
  • Ein Kernsortiment wird bei Frischwaren eingeführt:
    Wer gegen Ende der Öffnungszeiten einkauft, soll das wichtigste vorfinden – ein Kernsortiment, das alle Geschmäcker und Anlässe abdeckt. Wenn nicht alle Artikel bis zur letzten Sekunde frisch angeboten werden, muss weniger weggeworfen werden.
  • Steuerlicher Anreize für die Weitergabe von Lebensmitteln werden geschaffen:
    insbesondere an soziale oder karitative Einrichtungen.
  • Weniger XXL-Verpackungen in Supermärkten:
    Viele Verbraucher:innen kaufen die größere Packung, weil sie günstiger erscheint als die kleine. Oft viel zu viel für den persönlichen Verbrauch – und das Essen landet im Müll.
Gastro & Kantinen
  • Variable Portionsgrößen:
    Jede:r soll zukünftig die Möglichkeit haben, nur so viel zu bestellen, wie er oder sie auch tatsächlich essen möchte.
  • Neue Küchenkonzepte wie „nose to tail“ und „root to leaf“:
    Die Idee: Möglichst alle Teile eines Lebensmittels verwerten, von der Nase bis zum Schwanz und von der Wurzel bis zum Blatt.
  • Öffentliche Großküchen kaufen B-Waren
    Großküchen und Kantinen in öffentlicher Hand setzen zukünftig beim Einkauf verstärkt auf sogenannte B-Waren, die sonst keine Abnehmer finden würden. Also Essen, das völlig in Ordnung ist, aber nicht „hübsch“ genug für den Verkauf im Supermarkt.
Landwirtschaft
  • Weitergabe von Ernteüberschüssen erleichtern:
    insbesondere an soziale oder karitative Einrichtungen.
  • Nachernten fördern:
    Bei den gängigen Erntemethoden bleiben oft beträchtliche Mengen an Feldfrüchten liegen. Das Ministerium plant, mit technischen Innovationen Landwirt:innen bei der Nachernte zu unterstützen.
Privathaushalte
  • leicht zugängliche und mehrsprachige Informationen zur Einkaufsplanung
  • verstärkte Bildungsarbeit an Schulen
  • öffentliche Kochworkshops

Kühlschrank richtig sortieren

Wie sieht es in deinen Kästen, Kommoden und Schränken aus? Alles schön gefaltet, geschlichtet und sortiert? Falls ja, herzlichen Glückwunsch! Wenn nicht – auch keine Panik. Es gibt nur einen Schrank, bei dem Ordnung wirklich wichtig ist: den Kühlschrank. Wenn du deinen Kühlschrank richtig sortierst, kannst du deine Lebensmittelabfälle einfach und schnell verkleinern.

Weltweit landen unvorstellbare Mengen an Lebensmitteln im Müll. Oft gelesen, oft gehört? Problem bekannt? Leider ist es größer, als die meisten vermuten. Viel größer.

„Ein Drittel aller Lebensmittel landet im Müll.“

Die Vereinten Nationen schätzen: „Ein Drittel aller weltweit hergestellten Lebensmittel landet nicht am Teller, sondern im Müll.“ Das ist jede dritte Kartoffel am Acker, jede dritte Tomate im Glashaus und jede dritte Marille am Baum schafft es nicht ihren einzigen Zweck zu erfüllen: gegessen zu werden. Das ist nicht nur „einfach schade“, sondern ein bedrohliches Problem für Mensch und Erde. Wir reden hier von 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittelmüll.

Lebensmittelabfälle befeuern die Klimakrise

Bei der Produktion von Lebensmitteln werden große Mengen von Gasen in die Atmosphäre geblasen, die das Klima aufheizen. Allen voran CO₂ und Methan. Und nochmal: Ein Drittel dieser Gase entsteht dabei völlig nutzlos. Die UN schätzt, dass Lebensmittelabfälle pro Jahr in Summe 4,4 Gigatonnen Treibhausgase verursachen. Das entspricht ungefähr den jährlichen Emissionen der Vereinigten Staaten.

„In Österreich entsteht die Hälfte aller vermeidbaren Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten.“

Zwar haben die meisten Österreicher:innen keine Tomaten auf den Augen, wenn es um Lebensmittelverschwendung geht: Eine vor kurzem durchgeführte Studie zeigt, dass drei von vier Befragten „so wenige Lebensmittel wie möglich“ verschwenden wollen. Oft fehlt aber das Wissen, wie das am besten geht. Vor allem bei jungen Menschen.

Die Klimazonen deines Kühlschranks

Die richtige Lagerung ist schon die halbe Miete. Deswegen solltest du im ersten Schritt deinen Kühlschrank besser kennenlernen! Ähnlich wie unsere Erde hat auch ein Kühlschrank verschiedene Zonen mit unterschiedlichen Temperaturen. Und nicht jedes Lebensmittel braucht die kälteste Zone, damit es lange hält. Hier eine Übersicht:

  • Kühlschranktür: Der wärmste Ort des Kühlschranks. Hier kommen Eier, Butter, Ketchup, Dressings und Getränke hinein
  • Obere Zone: Auch hier ist es vergleichsweise warm. Perfekt für lang haltende Lebensmittel wie Marmelade oder eingelegte Speisen. Reste vom Vortag, die du bald isst, können hier auch rein.
  • Mittlere Zone: Milch, Käse, Joghurt und Feinkost. Außerdem lagerst du hier am besten geöffnete Konserven und Feinkost.
  • Untere Zone: Das ist der kälteste Bereich des Kühlschranks. Hier lagerst du am besten Fisch, Fleisch und Wurst.
  • Gemüsefach: Der Name verrät es schon: Hier kannst du Gemüse, Salate und Kräuter optimal lagern. Allerdings vertragen nicht alle Sorten die kalte Kühlschrankluft. Wässrige Gemüsearten wie Gurken, Zucchini, und Tomaten lagerst du besser bei Raumtemperatur. Genauso wie Ananas, Banane und Mango beim Obst.
Alter vor Neuheit

Sind die Lebensmittel erst mal nach Zonen sortiert, dann gibt es nur mehr eines zu beachten: Keine Lebensmittel übersehen! Der Klassiker ist das angefangene Joghurt im hintersten Eck des Kühlschranks. Du entdeckst es erst, wenn es anfängt zu stinken. Schade drum. Nach dem Einkaufen solltest du die neuen Lebensmittel daher bewusst nach hinten sortieren. So bleiben die angefangenen vorne – und im Blick.

Manche Menschen haben bekanntlich ein Talent dafür, ihr eigenes Chaos zu überblicken. Für alle anderen gilt: Bring‘ Ordnung in deinen Kühlschrank. Das Chaos heb‘ dir für die anderen Kästen auf.

Recht auf gutes Klima – FREDA Talk

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18FREDA ForumTalk: Recht auf gutes Klima – Gerecht gegen die Krise?

Wir dachten schon an ein Aufatmen, hofften auf eine inhaltliche Rückkehr zu den brennenden Fragen abseits der Pandemie. Und jetzt? Ein Angriffskrieg in Europa. Und doch sind es keine isolierten Krisen – verbunden durch den Widerhall auf den Finanzmärkten und durch das Potenzial, sich gegen die gesamte Menschheit zu richten. Ganz rasch haben die Finanzierung von Waffen und eine milliardenstarke Aufrüstung des Verteidigungsbudgets wieder Vorrang. Wo bleibt die Zukunft?

Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit, das gute Klima – im doppelten Wortsinn – eine Utopie? Wie lässt sich in diesen Zeiten die Dringlichkeit bei den Menschen verankern? Wir alle wissen dass der Hut brennt, aber die Bandbreite bei der Umsetzung ist groß. Vieles ist Greenwashing, vieles geht am Ziel vorbei oder ist sogar kontraproduktiv. Es braucht aber ganz konkrete Veränderungen und zwar jetzt.

Grüne Themen sind längst Mainstream geworden, finden sich jedoch auf der Suche nach einem „sanften“, technologiegetragenen Ausweg aus der Krise in Geiselhaft eines überholten Industrie- und Wirtschaftssystems. Der Europäische Green Deal war ein Schritt in die richtige Richtung, aber das „Fit-for-55“ Maßnahmen-Paket und echte Verpflichtungen kommen nur langsam in die Gänge. Als Grüne bewegen wir uns in einem steten Spannungsfeld im Bemühen um einen ehrgeizigeren und sozial gerechteren Green Deal. Eine moderate Klimafinanzierung reicher Länder, um ärmeren dabei zu helfen, sich an einen heißeren Planeten anzupassen, greift definitiv zu kurz. Es geht um viel mehr:

  • Um Verteilungsfragen – nicht nur die Verteilung der Anstrengungen, um die globalen Emissionen auf Null zu senken, sondern ganz konkret um die Frage: Wer darf heute noch Kohle, Öl und Gas verbrennen? Im Klimaschutz gibt es jede Menge „low hanging fruits“, u.a. die Förderungen für klimaschädliches Verhalten. Die werden nicht geerntet, weil die Privilegierten ihre Privilegien gern behalten wollen.
  • Um faire und gerechte Prozesse bei Entscheidungen über Klimaschutz-Maßnahmen unter Einbindung der Betroffenen: Die Klimakrise muss demokratisch gelöst werden.
    Um eine grundlegende Neudefinition von gesellschaftlichen Zielen, die sich an legitimen Bedürfnissen orientiert – immer im Einklang mit planetaren Limits.
  • Um ökologische Gerechtigkeit – auch andere Lebewesen als der Mensch haben ein Recht auf ein Entfaltung und Leben.

Last but not least: Progressive Lösungen für soziale und Klimagerechtigkeit, für alternative Wirtschaftsmodelle und partizipative Lösungsprozesse haben keine Kraft, wenn sie nicht die Menschen in allen Gesellschaftsschichten erreichen, motivieren und ansprechen. Die Dringlichkeit der Klimakrise zu kommunizieren, aber auch gleichzeitig wirksam und pragmatisch zu vermitteln, wie die grüne Agenda im Alltag der Menschen ankommt, bleibt eine große Herausforderung. Welche Rolle dabei die Medien spielen (können), wie es mit dem Bildungsauftrag des größten öffentlich-rechtlichen Senders in Österreich aussieht und welches Know-how wir benötigen oder anders formuliert: Wie es um den gesellschaftlichen Konsens bestellt ist, dass Stand der Wissenschaft unser bestes Wissen ist, diskutieren wir hin diesem FREDA Forum Talk mit folgenden Gästen:

Michaela Krömer, Rechtsanwältin.
Für ihr klimapolitisches Engagement mit dem Menschenrechtspreis 2021 der österreichischen Liga für Menschenrechte ausgezeichnet.

Hildegard „Gitsch“ Aichberger, Managerin und Kommunikationsexpertin aus dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich.
Vorständin bei oekostrom AG, Publikumsrätin beim ORF (von FREDA entsandt).

Anita Malli, Referentin für Umwelt und Nachhaltigkeit im ORF.
Geschäftsführerin – Umweltinitiative MUTTER ERDE.

Nur Fairer Handel ist freier Handel – FREDA Talk

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Fördern Lieferkettengesetze Transparenz und Fairness im Welthandel?

Die Präsentation des EU-Lieferkettengesetzes ist im Dezember 2021 zum dritten Mal verschoben worden. Gewerkschaften sehen darin einen Erfolg von Konzern-Lobbyisten und werfen der EU Intransparenz und Tatenlosigkeit vor. Aktuell gibt es in Deutschland ein Lieferkettengesetz, das vom Entwurf bis zum Beschluss einige Zähne verloren hat. In Frankreich gibt es seit 2017 ein Sorgfaltspflichtgesetz, in den Niederlanden und in Großbritannien gibt es Ansätze in diese Richtung. Die neue Deutsche Bundesregierung unterstützt ein „wirksames EU-Lieferkettengesetz, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert“. Neue Gesetze und Regeln bergen stets die Gefahr, dass nur die ganz Großen damit zurecht kommen, während sie kleinere Unternehmen stark belasten.

Den Konsument:innen stellt sich die Frage, ob tatsächlich sie an der Kasse entscheiden, welche Art von Produkten auf welche Weise in der der ganzen Welt hergestellt werden. Haben sie wirklich die Macht zu verhindern, dass Turnschuhe mittels Kinderarbeit hergestellt werden? Oder dass für Shampoo Urwald gerodet wird? Woher sollen sie alles das überhaupt wissen?

Über den Nutzen und die Wirksamkeit von Lieferkettengesetzen diskutieren:
Veronika Bohrn Mena, Arbeitsmarktexpertin und Autorin, vormals Gewerkschafterin
Andreas Freytag, Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Direktor des dortigen Schumpeter-Instituts
Werner Raza, – ÖFSE Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung
Moderation, Juliane Alton, FREDA

Rudolf der Erste: Wie kleine Gemeinden glücklich und gesund werden

Er wird kein König der Zweitwohnsitzer sein: Rudi Hemetsberger ist der erste grüne Bürgermeister in Oberösterreich. Den Ortskern wachküssen, neue Jobs schaffen und den freien Seezugang erhalten: Wie eine grüne Vision für kleine Gemeinden mit großer Natur aussehen kann.

Stell dir vor, es ist See – aber keiner kommt hin. Genau das passiert im Sommer an “starken” Tagen regelmäßig am Attersee. Es wird heißer, die Menschen wollen Abkühlung. Und wegen Corona lieber in der Umgebung anstatt einer Urlaubsbuchung, die dann wegen einer Quarantäne oder einer Infektion in letzter Sekunde noch hinfällig ist.

Je heißer, desto Stau: An manchen Tagen kommen doppelt so viele Autos an die Badeplätze am Attersee, wie es Parkplätze gibt. Die Bäder sind voll, die Parkplätze sind voll. Und für die Anrainer*innen ist die Lage mittlerweile untragbar geworden.

Die Lösung dafür können also unmöglich noch mehr Parkplätze sein, sondern Alternativen: Parkplätze an der Autobahn mit Shuttle-Dienst zum See, sichere Fahrradstrecken aus dem Umland zum See (derzeit teilen sich die Radler*innen die Straße mit dem Stau).

Das ist aber nicht das einzige Problem, das Rudi Hemetsberger für seine Gemeinde lösen will. Er ist Landtagsabgeordneter in Oberösterreich und hat am 10. Oktober vergangenen Jahres die Stichwahl in Attersee am Attersee gewonnen – der erste grüne Bürgermeister in Oberösterreich. Sein erster Kommentar damals: “Ein historischer Schritt für die Gemeinde, in der Klimaschutz und nachhaltige Kommunalpolitik nun den Stellenwert bekommen, den die Gemeinde braucht und verdient.”

Der Plan für Attersee:

  • Ortskern nach den Wünschen der Bevölkerung wieder wachküssen
  • mehr Menschen für Attersee… aber nicht in Wohnblocks
  • neue Jobs mit grüner Energie
  • freier Zugang zum Attersee

Und was braucht und verdient die Gemeinde: Attersee hat 1.600 Hauptwohnsitze, aber 1.800 Nebenwohnsitze. Nach der Sommersaison ist also der halbe Ort leer. Wo Menschen fehlen, da fehlt auch Infrastruktur: Kindergärten, Schulen und Vereine bluten aus. “Deshalb sagen wir Stopp”, sagt Hemetsberger. “Wir müssen das Verhältnis wieder zugunsten der Hauptwohnsitze umdrehen, Menschen nach Attersee bringen und den Ort wieder mit Leben füllen.” Aber: Das müsse besser gehen als mit den Wohnblocks, die im Ortsteil Oberach geplant waren. “Sozialer Wohnbau ist der richtige Weg, aber nicht mitten im Grünland. So viele Gebäude im Zentrum stehen leer, die können wir reaktivieren. Dann lebt auch der Ort wieder.” Anstatt noch mehr Fläche zu betonieren, könne man die Flächen endlich sinnvoll nützen, die schon da sind. “Der Landungsplatz ist das Juwel von Attersee. Im Moment ist er aber nur ein Parkplatz.” Was genau aus diesem Platz nun werden soll? “Das entscheiden wir mit der Bevölkerung gemeinsam, da stecken wir mitten im Prozess.”

Mit dem EAG, dem “Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz”, das nun endlich auch vom Bundesrat durchgewunken wurde, lassen sich außerdem neue Jobs schaffen – gerade auch in kleinen Gemeinden. Für die Zukunft des oberösterreichischen Wirtschaftsstandortes und unsere Versorgungssicherheit braucht es eine massive Ausbauoffensive für die Erneuerbaren Energieträger Umweltwärme, Biomasse, Biogas, Geothermie, Photovoltaik, Solarthermie, Wasser- und Windkraft … der Bedarf ist riesig.

Unterach am Attersee
© Ubacher Pixabay

„Die Berge, die Seen, die Natur – das gehört uns allen, nicht einem Investor.”

Ein persönliches Anliegen ist Hemetsberger der freie Zugang zum See: “Die Berge, die Seen, die Natur – das gehört uns allen, nicht einem Investor.“ Deshalb will er weitere Verkäufe nicht nur stoppen, sondern auch darüber verhandeln, dass die Gemeinde Flächen zurückkauft und allen Menschen zur Verfügung stellt. Attersee macht einen Neustart. Und was soll am Ende rauskommen? “Eine bessere Lebensqualität für alle Menschen hier. Für die Gäste, aber vor allem für die Bevölkerung von Attersee”, sagt Hemetsberger.