6 Mythen rund ums Fliegen

Wie oft diskutierst du mit Freund:innen und Bekannten über das Thema Fliegen? Es kursieren viele Argumente, die angeblich rechtfertigen, dass man das Flugzeug weiterhin nutzt – obwohl es globale Ungleichheiten und die Klimakrise verstärkt. Wir machen den Faktencheck und entkräften fünf gängige Mythen rund um den Flugverkehr.

#1 Es fliegen doch eh alle, also ist es egal, ob ich das Flugzeug nutze.

Falsch. Weltweit fliegt nur eine kleine Minderheit, die große Mehrheit nutzt das Flugzeug selten oder gar nicht.

So ist über ein Drittel der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren noch nie geflogen. Nur 18 Prozent der Österreicher:innen fliegen viel. Die negativen Auswirkungen bekommen wir trotzdem alle zu spüren. Das reichste Viertel der Haushalte verursacht beispielsweise allein durchs Fliegen so viel CO₂ wie Menschen mit weniger Geld in ihrem ganzen Leben.

In vielen anderen Ländern, vor allem im globalen Süden, können es sich viele Menschen gar nicht erst leisten, in den Urlaub zu fliegen. Oder sind durch Visa-Regelungen in ihrer Reisefreiheit eingeschränkt.

Etwa 1 Prozent der Weltbevölkerung ist für ungefähr 50 Prozent der Emissionen aus dem Luftverkehr verantwortlich. Wenn eine kleine Elite also so viel fliegt, verstärkt das globale Ungleichheiten weiter, denn unter den Emissionen und der Klimakrise leiden trotzdem alle.

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#2 Fliegen macht nur einen unbedeutenden Teil der Emissionen aus.

Falsch. Außerdem müssen neben den CO₂-Emissionen noch viele weitere Faktoren beachtet werden.

Der Flugverkehr ist für circa 4 Prozent der CO₂-Emissionen der EU verantwortlich.  Zum Vergleich: Die Emissionen aus dem Straßenverkehr machen 20 Prozent aus. Wirkt also vergleichsweise gering. Jedoch ist der Flugverkehr jener Verkehrsbereich mit den am stärksten wachsenden Emissionen. Die Anzahl der Flüge ist in Europa bereits wieder auf dem Vor-Corona-Niveau und soll bis 2050 um weitere 44 Prozent wachsen. Anstatt zu sinken, wie es für die Erreichung unserer Klimaziele notwendig wäre, steigen die Emissionen also weiterhin massiv an.

Und: Neben CO₂ müssen auch weitere Faktoren beachtet werden. Der Klimaeffekt durch Kondensstreifen, Stickoxide, Feinstaub und Zirruswolken soll mindestens doppelt so groß sein wie die Auswirkungen durch CO₂ allein. Und da reden wir noch gar nicht von der Lärmbelästigung oder dem Schaden, der durch das Fliegen in der Tierwelt verursacht wird.

#3 Aber Fliegen ist so billig.

Falsch. Es geht nämlich nicht nur um den reinen Ticketpreis, sondern vor allem um die hohen ökologischen und sozialen Kosten. Die Effekte auf Klima und Umwelt sind groß. Weitere Emissionen und die Auswirkungen auf die Artenvielfalt kosten uns um einiges mehr, als der Preis für eine Flugreise widerspiegelt.

Zudem herrschen in vielen Bereichen der Flugbranche schlechte Arbeitsbedingungen. Vor allem Billigfluglinien haben meist keine Kollektivverträge, ihre Beschäftigten arbeiten für Niedrigst-Löhne und sind oftmals nicht in Österreich gemeldet. Die Billigfluggesellschaft Ryanair verursacht zum Beispiel auch mit Abstand die höchsten CO₂-Emissionen aller Airlines in der EU.

Flugtickets sind außerdem nur deshalb so billig, weil Fliegen praktisch steuerfrei ist. Airlines zahlen nämlich keine Kerosin- oder Mehrwertsteuer. Der VCÖ berechnet: Dadurch sind uns in Österreich allein im Jahr 2019 rund 560 Millionen Euro Steuern entgangen.

#4 Es gibt keine Alternativen.

Falsch.

Der Großteil der Strecken, die innerhalb Europas geflogen werden, ist vermeidbar und über kurze Distanzen – man könnte diese Kurzstreckenflüge also gut durch klimafreundliche Zugreisen ersetzen. Rund ein Drittel der Fluggäste in Wien flog 2019 Ziele an, die weniger als 800 Kilometer entfernt waren.

Vergleicht man den CO₂-Ausstoß eines Kurzstreckenflugs mit der entsprechenden Zugreise, machen die Emissionen der Bahn immer nur rund 20 Prozent jener des Flugzeuges aus. Das Umweltbundesamt errechnet, dass Flüge innerhalb von Österreich sogar rund 50-mal klimaschädlicher sind als der Schienenverkehr.

Auch Geschäftsreisen, die 4 von 10 Flugreisen ausmachen, sind größtenteils vermeidbar. Die meisten betreffen ebenfalls nur kurze Strecken, etwa Wien-Frankfurt. Das geht auch mit dem Zug. Außerdem handelt es sich bei vielen Geschäftsreisen um routinemäßige Besprechungen, die man auch gut per Videokonferenz abhalten könnte.

Es gibt keine realistischen Aussichten auf nachhaltiges Fliegen in der nahen Zukunft. Um unsere Klimaziele zu erreichen, muss der Flugverkehr also deutlich verringert werden.

#5 Wenn ich meine Flüge kompensiere, kann ich weiterhin fliegen.

Das bei Flugreisen ausgestoßene CO₂ zu kompensieren ist gut, wenn sich ein Flug wirklich nicht vermeiden lässt. Die Idee dabei: Man bezahlt Geld, mit dem Bäume gepflanzt, Solar- und Windkraftanlagen gebaut oder neue Technologien unterstützt werden, um somit woanders CO₂ einzusparen.

Wir müssen unsere Emissionen jedoch nicht nur kompensieren, sondern tatsächlich verringern – und das sehr schnell. Zusätzlich hat Fliegen wie oben erklärt noch viel mehr negative Auswirkungen als allein der Ausstoß von CO₂, die man nicht so einfach „ausgleichen“ kann.

Ein weiterer Aspekt: Viele Kompensationsprojekte halten nicht, was sie versprechen. Studien haben gezeigt, dass nur zwei Prozent der Kompensationsprojekte wirklich eine CO₂-Reduktion erzielen, 85 Prozent tun dies mit Sicherheit nicht. Man muss also aufpassen und sich genau informieren – vor allem bei der Kompensation, die viele Airlines selbst anbieten. Mehr Infos zu sinnvollen Projekten findest du beispielsweise hier.

#6 Aber es gibt doch nachhaltige Treibstoffe für Flugzeuge.

Die Flugindustrie wirbt fleißig mit sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF). Und eine EU-Verordnung sieht ab 2025 eine stufenweise Beimengung von SAF vor. Diese vermeintlich nachhaltigen Treibstoffe sind jedoch kaum verfügbar und sehr teuer. Sie kosten mindestens das Fünffache von herkömmlichem Kerosin. Noch dazu sind sie ineffizient: 90 Prozent der Energie gehen verloren, statt das Flugzeug anzutreiben.

Es gibt zwei Gruppen von SAF: synthetische und biogene Treibstoffe. Die Herstellung von synthetischem SAF braucht bei der Produktion sehr viel Energie und wird aktuell nur in geringem Maß gemacht.

Biogenes SAF wird hingegen aus extra dafür angebauten Pflanzen wie Raps oder Soja gewonnen, man braucht also große Anbauflächen dafür. Oder man macht es aus altem Speiseöl – davon haben wir in Europa aber bei weitem nicht genug, um den Bedarf zu decken. Aufgrund der hohen Nachfrage wird bereits Altöl aus Asien importiert. Umwelt-NGOs warnen zusätzlich vor möglicherweise unseriösen Methoden. In Deutschland gab es bereits den Verdacht, dass frisches Palmöl aus Asien als vermeintliches Altöl für SAF auf den Markt gebracht wurde.

Auch bei SAF handelt es sich also leider um Greenwashing. Den Wunsch nach nachhaltigem Reisen wird damit nicht erfüllt.

Was können wir stattdessen für die Erreichung unserer Klimaziele tun?

Von politischer Seite: Die Abschaffung der Steuerbefreiung für Flüge und eine Einschränkung von vor allem Kurzstreckenflügen, aber auch von Langstreckenflügen und Privatjets. Die Flugticketabgabe muss weiter erhöht werden. Außerdem sind zusätzliche Investitionen in das Schienennetz und in bessere Direkt- und Nachtverbindungen zwischen Metropolen notwendig. Dabei muss auf die Leistbarkeit der Zugtickets geachtet werden. So fordert die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling beispielsweise einen Preisdeckel von 10 Prozent pro Kilometer für Zugfahrten zwischen EU-Hauptstädten.

Unternehmen müssen ihre Flugreisen ebenfalls stark verringern und können auf Videokonferenzen oder den Zug umsteigen. Und als Privatperson sollte man sich immer zuerst fragen, ob es nicht auch eine andere Möglichkeit gibt, das gewünschte Ziel zu erreichen.

Anmerkung: Der Artikel wurde im Juli 2024 um den Absatz zu nachhaltigen Treibstoffen ergänzt.

Über die/den Autor:In

Mira Dolleschka
Mira Dolleschka
Mira studierte Umwelt- und Bioressourcenmanagement und war durch ihr Engagement in der Klimaschutzbewegung schon früh im Bereich der Öffentlichkeits- und politischen Arbeit tätig. Ihr Ziel: Verständnis zu schaffen für die großen Herausforderungen unserer Zeit. Der Fokus liegt dabei auf Umweltschutz, Klimakrise und sozialer (Un)Gerechtigkeit. Zuletzt arbeitete sie beim Moment Magazin.

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