WMO-Befund stellt verheerende Diagnose

Das Weltklima ist in schlechter Verfassung und damit eine unmittelbare Bedrohung für die Menschheit. Das sagt die Weltwetterorganisation (WMO) in einem neuen Bericht. Er richtet sich vor allem an jene, die gerade in Ägypten über die Zukunft der Welt verhandeln.

Einmal im Jahr sollten wir zur Vorsorgeuntersuchung gehen. Das empfehlen die meisten Ärzt:innen und die Gesundheitskasse. Bei so einem Gesundheitscheck geben wir Blut- und Harnproben ab, lassen uns abhören, wiegen und Blutdruck messen. Am Schluss erhalten wir einen Befund zu unserem Gesundheitszustand. Manche von uns sollten mehr Sport machen, andere weniger rauchen oder die Ernährung umstellen. Auch die Weltwetterorganisation macht solch einen Gesundheitscheck einmal im Jahr. Allerdings haben sie nur einen einzigen Patienten: das Weltklima.

In ihrem Jahresbericht warnt die Organisation seit Jahrzehnten, dass der Zustand des Weltklimas sich jedes Jahr verschlechtert. Aber heuer fällt der vorläufige Befund besonders drastisch aus. Die Daten sollen alle verhandelten Personen auf der UN-Weltklimakonferenz COP27 erinnern, was auf dem Spiel steht.

Die wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen

Die vergangenen acht Jahre deuten sich laut des WMO-Befundes als wärmste der Aufzeichnungen an. Die weltweite Durchschnittstemperatur lag zuletzt schätzungsweise rund 1,15 Grad über dem Durchschnitt der vorindustriellen Zeit.  Hitzewellen, Dürren und Flutkatastrophen haben in diesem Jahr Millionen Menschen betroffen und Milliardenkosten verursacht.

Menschen im globalen Süden leiden am meisten unter den Folgen der Klimakrise. Und das, obwohl sie am wenigsten verantwortlich seien, sagt WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. Bis Mitte des Jahres waren unter anderem durch extrem langanhaltende Dürren im Osten Afrikas bis zu 19,3 Millionen Menschen von unsicheren oder unzureichendem Zugang zu Nahrungsmitteln betroffen. Die Fluten in Pakistan kosteten mindestens 1.700 Menschen das Leben und vertrieben fast acht Millionen Menschen aus ihrer Heimat.

Hitzetote in Europa

Auch in Europa forderte die Klimakrise Menschenleben. Mindestens 15.000 Menschen sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit Jahresbeginn an den Folgen der schweren Hitzewellen in Europa gestorben. Darunter seien etwa 4.500 Todesfälle in Deutschland, fast 4.000 in Spanien und mehr als 3.200 in Großbritannien.

Die drei Monate von Juni bis August waren in Europa die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die außergewöhnlich hohen Temperaturen führten zur schwersten Dürre, die der Kontinent seit dem Mittelalter erlebte.

Bilder des ausgetrockneten Pos im Norden Italiens gingen um die Welt. © Adobe Stock
Für viele Gletscher ist es bereits zu spät

Forscher:innen können aus Gebirgsgletschern viel über den Zustand des Weltklimas ablesen. Sie sind Schlüsselindikatoren für Klimaänderungen, sozusagen eine Art globales Fieberthermometer. Umso drastischer, dass das Schmelzen der Gletscher in diesem Jahr enorm an Fahrt aufgenommen hat.

In den Alpen wurden durchschnittliche Verluste von drei bis vier Metern der Gletschereisdicke gemessen, deutlich mehr als im bisherigen Rekordjahr 2003. Der Grönländische Eisschild schmolz das 26. Jahr in Folge, außerdem fiel am höchsten Punkt des Eisschilds im August 2021 erstmals Regen statt Schnee.

In der Schweiz nahm das Volumen der Gletscher in den vergangenen zwanzig Jahren um mehr als ein Drittel ab. „Für viele Gletscher ist es bereits zu spät und das Schmelzen wird für Hunderte, wenn nicht Tausende Jahre weitergehen, mit enormen Auswirkungen für die Wasserversorgung“, so Taalas.

Der Meeresspiegel steigt rasant

Das Tempo des Meeresspiegel-Anstiegs hat sich seit 1993 verdoppelt, stellt der WMO-Bericht fest. Allein seit Jänner 2020 stieg der Meeresspiegel um fast 10 Millimeter auf einen neuen Rekordstand an. Der Anstieg in den vergangenen zweieinhalb Jahren macht zehn Prozent des Gesamtanstiegs der vergangenen knapp 30 Jahre aus, in denen dieser mithilfe von Satellitenmessungen beobachtet wurde. Für Küstenregionen und tiefliegende Staaten ist das eine enorme Bedrohung.

Mehr Klimagase denn je

Die Konzentration der wichtigsten Treibhausgase – Kohlendioxid (CO₂), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) – hat im abgelaufenen Kalenderjahr einen neuen Höchststand erreicht, bei Methan war die Zunahme sogar so groß wie nie. Auch im noch laufenden Jahr stieg die Konzentration aller drei Gase in der Atmosphäre weiter an. „Wir haben so hohe Werte an Kohlendioxid in der Atmosphäre, dass das 1,5-Grad-Ziel kaum noch in Reichweite ist“, hält WMO-Generalsekretär Taalas fest. Je höher die Erderhitzung sei, desto schlimmer würden die Auswirkungen.

Deutlicher könnte ein Befund der Weltwetterorganisation kaum ausfallen. Die Diagnose liegt schwarz auf weiß vor uns. Der schlechte Gesundheitszustand des Weltklimas fordert schon heute unzählige Menschenleben. Auch in Europa. Die internationale Gemeinschaft hat sich bereits auf viele Klimaziele verständigt, auch dieses Mal werden neue Versprechen folgen. Wir müssen uns nur immer wieder daran erinnern, dass wir Klimaschutzmaßnahmen nicht nur beschließen, sondern auch umsetzen müssen.

Über die/den Autor:In

Markus Englisch
Markus Englisch
Markus studierte TV- und Medienproduktion in Wien. Sein größter Antrieb als Journalist ist es, die Klimakrise für alle Menschen begreifbar zu machen. Zuletzt war er als Redakteur bei PULS 4 tätig und leitete das Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

Ähnliche Artikel

Up-to-date bleiben

38FollowerFolgen
1,563FollowerFolgen
155FollowerFolgen
226AbonnentenAbonnieren

Neueste Beiträge