Ewiges Eis am Ende

Die Gletscher in den österreichischen Alpen schmelzen dahin. Das zeigt ein Bericht des Österreichischen Alpenvereins.

Wird es bald kein Eis mehr auf Österreichs Gipfeln geben? Laut dem jährlichen Gletscherbericht des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) ist es im Jahr 2021/2022 zu einer Rekordschmelze auf Österreichs Gletschern gekommen. Rund 28,7 Meter an Länge haben sie eingebüßt. Die Ursachen dafür sind hohe Temperaturen und geringe Niederschlagsmengen.

Die traurigen Top 3 der stärksten Rückgänge

Laut des ÖAV ist es gleich an drei Orten in Österreich zu fatalen Rückgängen gekommen. Dazu gehören der Schlatenkees in der Tiroler Venedigergruppe (minus 89,5 Meter), die Kärntner Pasterze in der Glocknergruppe (minus 87,4 Meter) und der Diemferner in den Ötztaler Alpen (minus 84,3 Meter). Grund für diesen extremen Rückgang sind laut Andreas Kellerer-Pirklbauer vom ÖAV-Gletschermessdienst die ungünstigen Wetterbedingungen gewesen. So war es im Winter 2021/22 um 1,4 Grad zu warm, gleichzeitig gab es um 12,3 Prozent weniger Niederschlag.

Die extreme Entgletscherung ist laut Gerhard Lieb vom Alpenvereins-Gletschermessdienst aber nicht nur in den österreichischen Alpen zu beobachten. Auch weltweit ist es zu einer massiven Gletscherschmelze gekommen.

„Gletscher leben von den Eisreservern der Vergangenheit.“

Gletscherfrei im Jahr 2075

„Geht die Entgletscherung so weiter, dann könnte Österreich um das Jahr 2075 weitgehend gletscherfrei sein“, wagt Kellerer-Pirklbauer eine Prognose für die Zukunft. Aktuell leben die Gletscher nur noch von den Eisreserven der Vergangenheit, weshalb ein niederschlagsreiches Jahr dringend notwendig wäre. Blickt man auf das aktuelle Halbjahr gibt es wenig Hoffnung, da es bislang nur sehr wenig Regen gab. Allerdings ist der Winter noch nicht vorbei, erklärt Kellerer-Pirklbauer. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Schmelze im Sommer entwickeln wird, denn dieser ist für die Schmelze ausschlaggebend.

Wassermangel als Norm

Gerhard Lieb vom Alpenvereins-Gletschermessdienst macht im Bericht darüber hinaus aufmerksam, dass Wassermangel künftig ein immer stärkeres Thema sein wird. „Die Gletscherspende, die jetzt durch eine verstärkte Schmelze in die Flüsse fließt, bringt noch ein gewisses Plus und würde in Dürreperioden aushelfen“. Doch auch diese Reserven sind nicht unendlich. Deshalb wird Wassersparen gerade im Sommer immer wichtiger. Allerdings werde die Zukunft des Niederschlags ausschlaggebender sein, merkt der Experte an.

Der Hut brennt

Der Bericht soll laut ÖÄV-Experte Kellerer-Pirklbauer die Politik wachrütteln, um endlich ins Tun zu kommen. „Mehr können wir hier wirklich nicht mehr erzählen, da muss man handeln“, sagte der Wissenschaftler, der die Gletscherschmelze und den Klimawandel als vom Menschen massiv verstärkt bezeichnete. Dem hat sich auch Alpenvereins-Vizepräsidentin Ingrid Hayek angeschlossen. Gleichzeitig kritisiert sie ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer, der kürzlich von Österreich als „Autoland schlechthin“ gesprochen hat. „Österreich ist zwar heute ein Autoland, aber als ‚Eigenschaft‘ kann ich dem nicht zustimmen. Weil Österreich vor 100 Jahren kein Autoland gewesen ist und in 100 Jahren kein Autoland mehr sein wird. Das ist nicht in Stein gemeißelt“, argumentierte Hayek.

Der ÖÄV-Gletscherbericht

Der alljährliche Gletscherbericht des Alpenvereins beobachtet bereits seit 132 Jahren die heimischen Gletscher. Verantwortlich dafür sind ehrenamtliche Gletschermesser des Alpenvereins, die 89 Gletscher in zwölf Gebirgsgruppen untersucht haben. Die dabei erhobenen klimarelevanten Daten werden in internationale Datenbanken wie das World Glacier Monitoring Service (WGMS) eingespeist. Durch den Rückzug der Gletscher werden die Geländebedingungen für die Forscherinnen und Forscher jedoch immer schwieriger. Zurück bleiben nämlich meist steiles, lockeres Schuttmaterial und schwierige Felspartien. Zum Teil können Gletscher deswegen nicht mehr beobachtet werden, wie beispielsweise im Vorjahr beim Bieltalferner in der Silvrettagruppe. (RED/APA)

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