Das kurze Leben schneller Mode

Modekonzerne produzieren immer mehr Kleidung zu günstigen Preisen und wir kaufen sie. Fast Fashion macht’s möglich. Es wird aber auch immer mehr Kleidung vernichtet. Sowohl Alt- als auch ungetragene Neuware landen im Müll. Ressourcen werden so verschwendet und der entstehende Schaden für die Umwelt und den Menschen ist groß.

Wir besitzen im Durchschnitt 85 Kleidungsstücke. Pro Jahr kommen rund 60 Neue dazu. Möglich macht das vor allem Fast Fashion. Zu einem günstigen Preis wird ständig neue, modische Kleidung angeboten. Was vor ein paar Wochen noch neu war, ist heute bereits überholt. Shirts, Pullover, Hosen und Co. werden aussortiert, um im Kleiderschrank Platz für Neues zu schaffen. Oft landen sie fast neuwertig im Müll. Das Geschäftsmodell Fast Fashion zielt auf wiederkehrenden Konsum und Impulskäufe ab. Denn Shopping macht uns glücklich. Jeder Einkauf lässt unser Gehirn das Hormon Dopamin ausschütten. Unser Glückshormon. Wir suchen den Kick. Immer und immer wieder.

Neue Kollektionen in kurzen Abständen

Fast Fashion nutzt das aus. Das Geschäftsmodell spielt mit unserem Unterbewusstsein. Damit, dass wir den Kick suchen. In immer kürzeren Abständen werden neue Kollektionen angeboten. Um dazuzugehören, müssen wir immer Up-to-date sein und die neueste Ware besitzen. Beim Kaufen müssen wir schnell sein, denn, wenn der Pullover in unserer Größe vergriffen ist, lässt sich meist nichts mehr machen. „Ich konsumiere, also bin ich Teil der Gesellschaft. Und ich muss konsumieren, um Teil dieser kapitalistischen Gesellschaft zu bleiben. Und ich muss immer schneller konsumieren, um ‚dranzubleiben‘. Wir leben in einer sich immer schneller drehenden Trendspirale: Was heute hip ist, sehen wir morgen überall und wollen Neues“, schreibt die Konsum-Expertin Nunu Kaller in ihrem Buch „Kauf mich. Auf der Suche nach dem guten Konsum“.

Über zwanzig verschiedenen Kollektionen sind bei manchen Modehäusern heutzutage keine Seltenheit mehr. Jede neue Kollektion lässt die vorherige alt aussehen. Das steigert den Umsatz, denn um im Trend zu sein, braucht man Teile aus der neuen Kollektion. Durch Fast Fashion ist die Textilproduktion zwischen 1975 und 2018 von 5,9 Kilo auf 13 Kilo pro Kopf angewachsen. Über 62 Millionen Tonnen Kleidung werden jedes Jahr produziert.

Unmengen an Neuware werden vernichtet

Nicht jedes Kleidungsstück, das wir uns kaufen, ziehen wir auch an. Und nicht jedes Kleidungsstück, das produziert wird, findet auch den Weg in unsere Kleiderschränke. Greenpeace schätzt, dass im Vorjahr 4,6 Millionen Kilogramm neuwertige Kleidung und Schuhe in Österreich nicht verkauft wurden. Es ist anzunehmen, dass diese Produkte über Umwege in Ländern des Globalen Südens entsorgt wurden. Die Menge entspricht einem Gegenwert von 155 Millionen Euro. Einen Teil der unverkauften Ware machen Retouren aus. Greenpeace schätzt, dass in Österreich mindestens 1,31 Millionen Retourenpakete mit Kleidungsstücken entsorgt wurden.

Schaden für Umwelt und Mensch

Dass große Konzerne Kleidungsstücke vernichten, statt sie zu verkaufen, ist nicht nur ein finanzieller Schaden. Es ist auch für Mensch und Umwelt katastrophal. Denn gerade die Textilbranche setzt der Umwelt stark zu. Sie verursacht fünf bis zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Für die Textilproduktion werden zudem enorme Mengen Wasser benötigt. Zum Beispiel für das Färben der Stoffe. Für ein Kilo Garn werden 60 Liter Wasser benötigt. Über diesen Prozess gelangen auch Chemikalien ins Abwasser, was in weiterer Folge natürliche Gewässer wie Flüsse und Seen verunreinigt.

Der Anbau von Baumwolle wiederum setzt verschiedene Arten von Gewässern unter Stress. Der Aralsee in Zentralasien ist beispielsweise bereits fast ausgetrocknet. Seine beiden Zuflüsse, der Syr-Darja und der Amu-Darja, wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts angezapft, um damit die großen Baumwollfelder in der Region zu bewässern. Der Aralsee begann, nach und nach auszutrocknen. Einst war er eines der größten Binnengewässer der Welt. Heute sind davon nur kleine Reste übrig, der überwiegende Teil ist Staub- und Salzwüste. Pestizidrückstände inklusive. Denn beim Anbau von Baumwolle kommen viele Pestizide und Dünger zum Einsatz, die den Boden verseuchen.

Ein weiteres Problem: Viele große Konzerne lassen ihre Kleidungsstücke in den ärmeren Ländern des Globalen Südens wie Bangladesch, China und Indien produzieren. Weil es dort billig ist. Und nur wenn die Produktion billig ist, kann man das T-Shirt dann um wenig Geld verkaufen und trotzdem noch Gewinn damit machen. Die Näher:innen arbeiten daher um einen Hungerlohn, bis zu sechzehn Stunden am Tag. Überstunden werden nicht ausbezahlt. Zudem sind sie einem enormen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Arbeitnehmer:innenschutz? Fehlanzeige!

Mikroplastik gelangt über Kleidung in die Umwelt

Eine große Umweltbelastung sind auch die synthetischen Fasern, die in 69 Prozent der Kleidung verarbeitet werden. Für ihre Herstellung wird Öl benötigt. 2015 wurden allein für die Textilproduktion 98 Millionen Tonnen Öl verwendet. Über die Kleidung gelangt dann Mikroplastik in die Umwelt. Bei jedem Waschvorgang. Beim Entsorgen auf illegalen Deponien. Und in der Müllverbrennung. Ist das Mikroplastik erst einmal in der Umwelt, ist der Weg in die menschliche Nahrungskette nicht mehr weit.

Anstieg der Textilproduktion verschärft Risiken

Werden also Neuwaren entsorgt, werden Ressourcen verschwendet. Sie haben keinerlei Nutzen für die Gesellschaft. Doch der Schaden für Mensch und Umwelt ist trotzdem da. Indem immer mehr Kleidung produziert und in weiterer Folge auch immer mehr Kleidung entsorgt wird, vervielfachen sich die Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Menschen. Ein Ausweg aus der Misere ist, weniger Kleidung zu produzieren, sich vom Geschäftsmodell Fast Fashion abzuwenden. Zudem muss Kleidung langlebiger und reparierbar gestaltet werden. Die Konzerne müssen hier Verantwortung übernehmen. Eine Trendumkehr ist aktuell aber nicht erkennbar. Meist überwiegen Greenwashing-Aktionen.

Vernichtungsverbot wird ausgearbeitet

Wir Konsument:innen haben Möglichkeiten, aus diesem Konsumrad auszusteigen. Wir können unsere Kleidung Secondhand kaufen, die aussortierten Kleidungsstücke bei Tauschbörsen anbieten oder am Flohmarkt verkaufen, statt Fast Fashion Slow Fashion kaufen. Das ist Mode, die unter nachhaltigeren und faireren Bedingungen produziert wird. Das macht die Kleidungsstücke aber auch erheblich teurer. Wir können unsere Kleidung so lange tragen, bis sie kaputt ist. Und nur dann neue Kleidung kaufen, wenn wir sie benötigen. Wir Konsument:innen haben Möglichkeiten, aber es braucht auch Maßnahmen vonseiten der Politik.

In Österreich wird nun ein Gesetz geprüft, das verbieten soll, dass Neuwaren vernichtet werden. Das hat Umweltministerin Leonore Gewessler angekündigt. Die Gespräche wurden Anfang Dezember aufgenommen. Das Gesetz soll verhindern, dass tonnenweise neue und neuwertige Ware Jahr für Jahr entsorgt wird. Nicht nur im Modebereich. Diese Maßnahme ist eine von 93 Empfehlungen des Klimarats.

Über die/den Autor:In

Nicole Frisch
Nicole Frisch
Nicole studiert Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Das Ziel: Die Weltpolitik verstehen – und das Verstandene mit möglichst vielen Menschen teilen. Ihren Weg in den Journalismus hat sie über die NÖN gefunden. Ihre Schwerpunkte sind soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Migration und Vergangenheitspolitik.

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