Die Gelsen sind los

Die Klimakrise lässt nicht nur die Temperaturen nach oben schießen, sondern auch unsere Gelsenpopulation. Was bedeutet das genau, und woran liegt es, dass plötzlich aus allen Ecken Gelsen strömen?

Zzzz, zzz, zzzzz … Ein kleines, aber permanentes Geräusch, das den ein oder anderen im Sommer schon mal in den Wahnsinn treiben kann. Gelsen – sie sind zwar klein, aber nerven ungeheuerlich. In den letzten Jahren ist es rund um die Gelse ziemlich still gewesen. Nur selten hörte man ihr Summen oder wurde von den kleinen Mücken gestochen. Für uns Menschen einfach herrlich, für viele Tiere, wie beispielsweise Vögel, die Gelsen als Nahrung sehen, nicht sonderlich toll. Damit ist diesen Sommer aber Schluss. Denn der erste warme Sommertag Mitte Mai läutete den Start einer wahren Gelseninvasion ein. Erwarten wir eine Gelsenplage oder alles halb so schlimm? Wir haben mit Prof. Dr. Führer, stellvertretender Leiter des Instituts für Parasitologie der VetMed Universität, über die kleinen Mücken gesprochen und nachgefragt, inwiefern die Klimakrise die Gelsenpopulation beeinflusst.

Die heimische Gelse ist los

„In Österreich gibt es etwa 52 verschiedene Arten von Gelsen, auch Stechmücken genannt. Dabei ist vor allem zwischen Haus- und Überschwemmungsgelsen zu unterscheiden“, erklärt Prof. Dr. Führer. Hausgelsen sind hauptsächlich in Wohngebieten zu finden und ruhen im Winter an geschützten Orten wie unter Blättern, in Kellern oder Baumhöhlen. Mit steigenden Temperaturen werden sie wieder aktiv und legen ihre Eier in stehendem Wasser ab, vorzugsweise in ruhigen Gewässern wie Teichen, Pfützen oder verstopften Regenrinnen.

Überschwemmungsgelsen haben sich hingegen an feuchte Umgebungen und Überschwemmungen angepasst. Sie legen ihre Eier nicht ins Wasser, sondern in trocken liegende Gebiete. Diese können dort über längere Zeit ohne Wasser überdauern, manchmal sogar mehrere Jahre. Wird die Stelle überflutet, schlüpfen die Larven. Und genau das ist Mitte Mai auch in Österreich passiert. „Anfang Mai war es in Österreich außerordentlich feucht. Zu dieser Zeit hat es noch relativ wenige Gelsen gegeben. Erst mit dem Anstieg der Temperaturen und den starken Regenfällen Mitte des Monats kam es zu einem Massenschlüpfen der Larven. Dabei handelt es sich vorwiegend um heimische Überschwemmungsgelsen“, erklärt Führer. Doch was genau beeinflusst eine Gelseninvasion?

Stehende Gewässer sind potenzielle Brutstätten für Gelsen. Daher sollte man diese in seiner Umgebung unbedingt entfernen wie beispielsweise Regenfässer. © Adobe Stock
Stehende Gewässer sind potenzielle Brutstätten für Gelsen. Daher sollte man diese in seiner Umgebung unbedingt entfernen wie beispielsweise Regenfässer. © Adobe Stock
Die Gelse fühlt sich im warmen Österreich wohl

Es gibt mehrere Faktoren, die das Auftreten und die Vermehrung von Gelsen beeinflussen:

  • Temperatur: Stechmücken benötigen Wärme, um sich zu entwickeln und aktiv zu werden. Je wärmer es ist, desto schneller wachsen die Larven und desto häufiger stechen die Weibchen, um Blut für ihre Eier zu saugen. Darüber hinaus können auch klimatische Veränderungen, wie die Erwärmung des Klimas, das Verbreitungsgebiet von Gelsen erweitern und ihnen ermöglichen, neue Gebiete zu besiedeln.
  • Feuchtigkeit: Hausgelsen legen ihre Eier in stehenden Gewässern ab. Mehr Wasser bedeutet mehr Lebensraum für die Gelsen. Aufgrund der Klimakrise ist es in den letzten Jahren vermehrt zu starken Regenfällen und Überschwemmungen gekommen, was zusammen mit einem regenreichen Frühling oder Sommer zu einer erhöhten Gelsenpopulation beiträgt.
  • Konkurrenz: Gelsen haben viele natürliche Feinde wie Vögel, Spinnen oder Wespen. Wenn die Anzahl der Feinde, beispielsweise aufgrund veränderter Lebensräume, zurückgeht, können sich die Mücken ungehindert ausbreiten. In diesem Jahr gibt es zum Beispiel weniger Wespen, die normalerweise eine große Bedrohung für Gelsen sind.
  • Menschliches Verhalten: Auch wir können das Auftreten von Gelsen beeinflussen. Wenn wir stehende Gewässer haben oder ungeschützte Regenfässer stehen lassen, schaffen wir optimale Bedingungen für ihre Vermehrung. Außerdem kann auch eine Gartenbewässerung die Anzahl der Gelsen in einer Gegend erhöhen.
Welche Gefahr stellen eingeschleppte Stechmücke dar?

„Aktuell gibt es zwar neue Stechmückenarten, die aufgrund des Klimawandels nach Österreich kommen, ihre Bedeutung für uns ist jedoch noch gering. Die asiatische Tigermücke hingegen taucht in den letzten Jahren immer häufiger in Österreich auf“, so der Professor. Die asiatische Tigermücke ist durch Gütertransporte aus Asien nach Österreich eingeschleppt worden. Sie ist besonders gefährlich, da sie Krankheiten wie Dengue-Fieber, Zika-Virus und Chikungunya-Virus übertragen kann. „Die exotische Mückenart wurde bereits in allen Bundesländern des Landes nachgewiesen und hat sich sogar in Wien und Graz erfolgreich etabliert“, wie der Professor erklärt.

Um Stiche zu vermeiden, gibt es verschiedene Maßnahmen: Beispielsweise solltet ihr stehendes Wasser entfernen, wie in Regentonnen oder Vogeltränken. Das Tragen von langärmliger Kleidung und das Auftragen von Insektenschutzmittel, vor allem abends, kann ebenfalls helfen. Installiert Moskitonetze an Fenstern und Türen, um Mücken fernzuhalten. Achtet auch auf mögliche Brutstätten der Tigermücken und meldet diese den örtlichen Gesundheitsbehörden. Dadurch können Maßnahmen zur Bekämpfung der Mückenpopulation ergriffen werden.

Trotz ihrer nervigen Art erweist sich unsere heimische Gelse als bemerkenswert nützliches Insekt. © Adobe Stock
Trotz ihrer nervigen Art erweist sich unsere heimische Gelse als bemerkenswert nützliches Insekt. © Adobe Stock
Gelsen, eine große Bedeutung im Ökosystem

Stechmücken sind zwar lästig und potenziell gefährlich für uns Menschen, sie haben aber auch eine große Bedeutung im Ökosystem. Während weibliche Stechmücken Blut saugen, ernähren sich die männlichen von Nektar und Pflanzensäften und tragen so zur Bestäubung von Pflanzen bei. Außerdem dienen Stechmücken vielen Tieren als wichtige Nahrungsquelle. „Insbesondere Vögel ernähren sich von den Larven der Stechmücken. Das heißt, wenn die Anzahl der Stechmückenlarven zunimmt, profitiert davon natürlich auch die Vogelpopulation“, so Führer.

Heimische Insekten leiden

Nicht alle Insekten nehmen die klimatischen Veränderungen so positiv an wie die Gelse. Schmetterlinge sind zum Beispiel auf bestimmte Pflanzen angewiesen, die aufgrund des veränderten Klimas zu einer anderen Zeit blühen oder sogar absterben. Auch Bienen und andere Bestäuber leiden unter der Klimakrise. Diesen Frühling konnten beispielsweise viele Bienen aufgrund der starken Regenfälle nicht wie gewohnt Blüten bestäuben. Die Folgen sind zum einen, dass die Obstausbeute deutlich geringer ist, da die Bienen während des Regens nicht genug Pollen und Nektar sammeln konnten. Zum anderen sind bereits viele Blüten verblüht, was bedeutet, dass es weniger Nahrung für die Bienen gibt.

Die Klimakrise stellt aber auch für unsere heimischen Gelsen eine Gefahr dar. „Man konnte nachweisen, dass unsere heimische Hausmücke nach und nach von der asiatischen Tigermücke verdrängt wird“, so Professor Führer. Die Folgen wären massiv: So könnten die exotischen Mücken heimische Insektenarten verdrängen, die als Nahrungsgrundlage für Vögel und Fledermäuse dienen. Dadurch könnte das Gleichgewicht in der Natur gestört werden und die Artenvielfalt abnehmen. Zudem könnten die Tigermücke neue Krankheiten verbreiten und unsere Gesundheit beeinträchtigen. Daher ist es wichtig, Maßnahmen gegen die Klimakrise zu ergreifen und die Insektenwelt zu schützen, um das empfindliche Gleichgewicht und die Vielfalt unseres Ökosystems zu bewahren.

Über die/den Autor:In

Linda Weidinger
Linda Weidinger
Linda hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie CREOLE an der Uni Wien studiert. Die letzten Jahre arbeitete sie als Journalistin und Social Media-Redakteurin. Ihr Ziel: Die Menschen aufzuklären. Ihr Traum: eine offene, tierliebe und tolerante Gesellschaft. Ihre Schwerpunkte: Gerechtigkeit, Klima- und Umweltschutz.

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