Raubtier-Begegnung: So verhaltet ihr euch richtig

Bär, Wolf, Luchs: Europas große Raubtiere sind zurück in Österreichs Wäldern. Eine Gefahr für den Menschen stellen sie nur in seltenen Einzelfällen dar. Dennoch ist es wichtig, zu wissen, wie man sich bei einer Begegnung richtig verhält.

Mehr als 100 Jahre sind vergangen, bis Europas größte Raubtiere den Weg zurück in Österreichs Wälder gefunden haben. Ende des 19. Jahrhunderts sind Bären, Wölfe und auch Luchse erbarmungslos gejagt und nahezu in ganz Europa ausgerottet worden. Doch ihre Populationen konnten sich erholen, und dank Wiederansiedlungsprojekten gibt es heute sogar einige Wolfsrudel, Bärenfamilien und sogar Luchse in unserem Land. Für die Natur ein Segen, denn große Raubtiere tragen zur Regulierung der Waldtierpopulation bei und sorgen für ein gesünderes und ausgewogenes Ökosystem. Für Bäuer:innen, Wander:innen und andere hingegen kann ihre Rückkehr gefährlich sein. Denn in den letzten Jahren ist es vermehrt zu Schaf- und Ziegenrissen gekommen. Auch Menschen sind bereits angegriffen und verletzt worden. Meldungen dazu häufen sich in letzter Zeit in den Medien. So stellt sich die Frage, wie gefährlich ist ihre Rückkehr wirklich und was soll man tun, wenn man auf einen Bären oder Wolf in der Wildnis trifft.

 „Egal bei welcher Tierart gilt: Ruhig bleiben, dem Tier entsprechend Respekt zeigen, nicht weiter nähern, keine Selfies, nicht locken, schon gar nicht füttern und sich jedenfalls zurückziehen, in die Richtung, aus der man gekommen ist“, empfiehlt Albin Blaschka, Geschäftsführer des Österreichszentrums Bär, Wolf, Luchs.

Das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs überwacht und dokumentiert Raubtier-Sichtungen, Begegnungen sowie Schaf- und Ziegenrisse, und bietet Aufklärungsarbeit für ein konfliktarmes Zusammenleben. Bei einer Wolfs- oder Bärensichtung ist das die richtige Anlaufstelle. Dabei ist stets zwischen Sichtung und Begegnung zu unterscheiden: „Eine Sichtung liegt vor, wenn jemand ein Tier aus größerer Distanz wie aus einem Fahrzeug sieht und das Wildtier dies möglicherweise nicht einmal registriert. Eine Begegnung hingegen ist ein direktes Zusammentreffen auf kürzere Distanz, bei dem das Tier auf den Menschen auch aufmerksam wird“, erklärt Albin Blaschka. Auch wenn tatsächliche Begegnungen sehr selten sind, solltet ihr darauf vorbereitet sein. Folgende Tipps können Leben retten:

Braunbär, der König des Waldes:

Trotz der häufigen Berichterstattung über Bärensichtungen und -angriffen ist die Chance, einem Braunbären zu begegnen, sehr gering. Aktuell gibt es in Österreich nur etwa 50 Braunbären, die hauptsächlich aus Slowenien und Italien zu uns gewandert sind. Zudem sind Bären auch sehr scheue Tiere und meiden den Kontakt zum Menschen. Ihr ausgezeichneter Geruchs- und Gehörsinn warnt sie meistens rechtzeitig vor unserer Anwesenheit.

Beim Wandern in einem Bärengebiet solltet ihr euch dennoch frühzeitig bemerkbar machen. Ob ihr nun singt, mit euren Mitwandernden sprecht, laute Geräusche macht oder sogar ein Bärenglöckchen am Rucksack befestigt, der Bär wird eure Gegenwart bemerken. Wenn möglich, solltet ihr euch auch mit dem Wind im Rücken fortbewegen, damit der Bär euren Geruch wahrnehmen kann.

Solltet ihr dennoch direkt auf einen Bären treffen, folgende Punkte unbedingt befolgen:

  1. Haltet angemessenen Abstand zum Bären und schneidet ihm nicht den Weg ab. Vermeidet es, zwischen dem Bären und seinen Jungen oder seiner Beute zu stehen.
  2. Macht langsame und ruhige Schritte rückwärts, ohne den Bären anzustarren – Augenkontakt könnte der Bär als Bedrohung empfinden. Vermeidet auch plötzliche Bewegungen oder lautes Schreien.
  3. Bewegt sich der Bär dennoch auf euch zu, versucht, euch langsam zurückzuziehen, ohne ihm den Rücken zuzuwenden. Bleibt aufrecht und spreizt die Arme aus, um größer und bedrohlicher zu erscheinen. Vermeidet es auf jeden Fall, wegzulaufen!
  4. Wenn der Bär euch angreift, versucht, Gesicht, Hals und Brust zu schützen, indem ihr euch auf den Bauch legt und eure Hände hinter dem Nacken verschränkt. Das zeigt dem Bären, dass von euch keine Gefahr ausgeht. Bleibt still liegen, stellt euch tot und wehrt euch nicht – auch wenn das in so einer Situation fast unmöglich erscheint, kann Ruhe bewahren hier euer Leben retten! Bleibt so lange liegen, bis der Bär weit genug weg ist.
  5. Wenn ihr auf Bärenjunge trefft, seid vorsichtig und zieht euch langsam zurück. Die Bärenmutter ist mit Sicherheit nicht weit entfernt.
  6. Wenn ihr Bärenspuren findet, macht ein Foto mit beispielsweise einem Kugelschreiber zur Größenbestimmung und meldet es an die örtliche Behörde oder an das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs.

Bären greifen normalerweise keine Menschen an, es sei denn, sie fühlen sich bedroht oder provoziert. Gefährlich kann es werden, wenn Menschen Bären anfüttern. Denn dadurch lernen sie, dass menschliche Siedlungen und Nahrung eine gute Quelle sind und beginnen, diese gezielt aufzusuchen. Um an Nahrung zu gelangen, kann es dann schon vorkommen, dass Bären ein aggressives Verhalten zeigen oder ihre Nahrungsquelle vor Eindringlingen verteidigen. Daher ist es wichtig, dass man in betroffenen Gebieten Mülltonnen versperrt und vor tierischen Einbrüchen sichert.

Was passieren kann, wenn Menschen Wildtiere anfüttern, hat sich Anfang April in Trentino in Südtirol gezeigt. Dort ist ein junger Mann beim Joggen von einer Bärin angegriffen und tödlich verletzt worden. Die Bärin namens Gaia wurde, wie ihre Geschwister zuvor, von einem Hotelbesitzer angefüttert, um als Touristenattraktion zu dienen. Leider verlor sie dadurch ihre natürliche Scheu vor dem Menschen und verhielt sich zunehmend aggressiv.

Wolfsmutter mit Jungtieren. © Klein und Hubert/WWF
Wolfsmutter mit Jungtieren. Seit 2016 leben auch wieder einige Wolfsrudel in Österreich. © Klein und Hubert/WWF
Wolf – Die Gesundheitspolizei des Waldes

Seit über 150 Jahren leben erstmals wieder drei bekannte Wolfsrudel in Österreichs Wäldern. Einige einzelne Wölfe ziehen zudem durch unsere Wälder. So kann es schon mal vorkommen, dass ihr beim Wandern auf Wolfsspuren trefft. Eine Begegnung mit einem Wolf ist hingegen sehr selten. Denn auch Wölfe sind sehr scheu und suchen bei Gefahr schnell das Weite.

Nicht weglaufen oder den Rücken kehren

Solltet ihr dennoch einem Wolf begegnen, ist es wichtig, dass ihr stehen bleibt und euch ruhig verhaltet. Im Normalfall zieht sich der Wolf von allein zurück. Sollte er wider Erwarten stehen bleiben oder euch sogar folgen, versucht ihn einzuschüchtern, indem ihr euch groß macht und lautstark anschreit. Meist sind es jüngere Wölfe, die neugierig sind und weniger Scheu als ihre älteren Artgenossen haben. Wichtig ist auch hier: Lauft auf keinem Fall weg oder kehrt ihm den Rücken zu. Das kann den Wolf provozieren.

In Europa gab es zwischen 1950 und 2020 insgesamt 127 Wolfsangriffe auf Menschen, wobei in 107 Fällen die Tiere tollwutkrank waren. Anzeichen für Tollwut bei Tieren sind aggressives Verhalten, Lethargie, Lähmungen sowie Schaum aus dem Maul. Wenn man auf ein Tier mit diesen Symptomen trifft, solltet ihr den Vorfall sofort der örtlichen Wildtierbehörde oder einem Tierarzt melden. In Österreich gilt Tollwut seit 2008 als ausgerottet.

Mehr über Wölfe in Österreich findet ihr in unserem Beitrag „Der Wolf ist gekommen, um zu bleiben“.

Luchs in den Wäldern Europa. © Adobe Stock
Ein seltener Anblick eines außergewöhnlichen Tieres: Luchs in den Wäldern Österreichs. © Adobe Stock
Luchs – Europas größte Raubkatze

Neben Wolf und Bär wurde auch der Luchs Ende des 19. Jahrhunderts erbarmungslos gejagt und in Mitteleuropa ausgerottet. Dank verschiedener Wiederansiedlungsprojekte in den 1970er Jahren leben heute wieder vereinzelt rund 35 Luchse in den österreichischen Alpenregionen. Beim Wandern ist es jedoch äußerst unwahrscheinlich, auf einen Luchs zu treffen.  Denn die Raubkatzen führen ein heimliches Leben, von dem wir Menschen kaum etwas mitbekommen. Das liegt daran, dass die nachtaktiven Luchse sehr scheu und meist nur in der Dämmerung unterwegs sind.

Wenn ihr dennoch einmal das Glück habt, einen Luchs zu sehen, gönnt der Raubkatze einen respektvollen Abstand. Bleibt stehen und wartet, bis sie sich zurückzieht. Das kann allerdings eine Weile dauern, denn Luchse verlassen sich auf ihre gute Tarnung und zeigen dadurch geringe Fluchtdistanzen.

Die Luchspopulation in Österreich ist nach wie vor sehr gering. Trotz strengem Schutz kommt es immer wieder zu illegaler Wilderei.

Große Raubtiere fürchten nichts mehr als uns Menschen

Laut einer kanadischen Studie von Michael Clinchya, erschienen in der Zeitschrift „Behavioral Ecology“, fürchten Wildtiere – auch die großen Raubtiere – nichts mehr als uns Menschen. Das geht auf die jahrtausendelange Verfolgung von Wildtieren zurück. Wie gefährlich ist ihre Rückkehr also wirklich? Mit dem richtigen Wildtiermanagement meint Albin Blaschka ist eine friedliche Koexistenz durchaus möglich. Es braucht dazu nur die Mitarbeit der Menschen.

Die Welt gehört nicht nur uns Menschen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir Wildtieren respektvoll gegenübertreten, ihre Lebensräume schützen und akzeptieren. Nur so können Unfälle vermieden werden und ein angstvolles Nebeneinander kann zu einem friedlichen Miteinander werden.

Über die/den Autor:In

Linda Weidinger
Linda Weidinger
Linda hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie CREOLE an der Uni Wien studiert. Die letzten Jahre arbeitete sie als Journalistin und Social Media-Redakteurin. Ihr Ziel: Die Menschen aufzuklären. Ihr Traum: eine offene, tierliebe und tolerante Gesellschaft. Ihre Schwerpunkte: Gerechtigkeit, Klima- und Umweltschutz.

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