Neuer Start für Männlichkeit

Was bedeutet Männlichkeit? Was bedeutet Stärke? Geflüchtete Menschen stehen nach ihrer Ankunft in Österreich vor zahlreichen Herausforderungen – von Bürokratie bis hin zu sozialen und kulturellen Hürden. Auch Shokat Walizadeh hat diese Erfahrungen gemacht. Aus seiner eigenen Geschichte heraus gründete er den Verein „Neuer Start“, der geflüchtete Männer dabei unterstützt, ihre Rolle in der Gesellschaft neu zu definieren. 

Der Verein „Neuer Start“ ist eine Initiative, die seit ihrer Gründung im Jahr 2010 geflüchteten Menschen in Österreich Unterstützung bietet und ihnen den Einstieg in ein neues Leben erleichtert. Gegründet von Shokat Walizadeh und anderen ehemaligen Geflüchteten, hat der Verein das Ziel, nicht nur Integrationshilfe anzubieten, sondern auch eine Plattform für interkulturellen Austausch und Sensibilisierung zu schaffen. Vor allem männliche Geflüchtete und Jugendliche stehen im Mittelpunkt der Arbeit. Diese reicht von sozialer Unterstützung über Gewaltprävention bis hin zur Berufsorientierung.

„Integration kann nicht von heute auf morgen gelingen. Es muss von Anfang an ermöglicht werden“, erklärt der ehemalige Zahntechniker Shokat und unterstreicht damit die Dringlichkeit einer frühzeitigen Unterstützung. Der Verein bemüht sich, Geflüchteten von Anfang an zu helfen, um deren Motivation, in Österreich ein neues Leben zu beginnen, zu bewahren.

Gewaltprävention durch Sport

Der Verein „Neuer Start“ bietet eine Vielzahl von Aktivitäten an, die sich an die Bedürfnisse der Geflüchteten richten. Diese reichen von Sportangeboten wie Kickboxen und Fußball über kulturelle Veranstaltungen bis hin zu sozialen und pädagogischen Workshops. Das erst vor kurzem stattgefundene Integrationsfestival „Von Kabul bis Wien“ ist dabei ein besonderes Highlight, das den Austausch zwischen Österreicher:innen und Migrant:innen fördert. Zudem werden regelmäßig Workshops an Schulen durchgeführt, um das Bewusstsein für die Situation geflüchteter Menschen zu stärken.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Arbeit mit geflüchteten Männern. Gewaltprävention und der Umgang mit emotionalen Belastungen stehen hier im Mittelpunkt. Mit einem „Safe Space“ bietet der Verein einen geschützten Raum, in dem Männlichkeit und Stärke neu definiert werden – fernab von Gewalt und Vorurteilen. Wir durften einen Abend beim Kickbox-Training mit Trainer Samim Sahil dabei sein:

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Kickboxen ist bei „Neuer Start“ nicht nur ein Kampfsport, sondern ein Mittel zur Aggressionsbewältigung und Disziplinierung. Trainer Samim Sahil ist Welt- und Europameister in Kickboxen. Er lehrt den Teilnehmenden, dass Stärke und Respekt Hand in Hand gehen. Durch den Sport können die Männer Gefühlen wie Aggression, Angst oder Frust Raum geben und lernen, damit umzugehen. Viele Männer und Burschen, die regelmäßig zu Samims Training kommen, schätzen es, hier emotional sein zu dürfen. Sie lernen, dass es okay ist, als Mann Gefühle zu haben – diese aber nicht in Gewalt umzusetzen.

„Das Patriarchat schafft sich nicht von selbst ab.“

Ein besonderes Projekt des Vereins ist „BARABARI“ – ein Angebot, das sich auf interkulturelle Burschen- und Männerarbeit konzentriert. Der Begriff „Barabari“ stammt aus dem Dari und bedeutet „Gleichberechtigung“. Das Projekt wurde in Kooperation mit dem Poika-Verein für gendersensible Bubenarbeit und dem Dachverband für Männer-, Burschen- und Väterarbeit in Österreich (DMÖ) ins Leben gerufen und wird vom Sozialministerium gefördert. Ziel des Projekts ist es, Geflüchteten, die oft in prekären Verhältnissen und mit begrenztem Zugang zu Bildung aufgewachsen sind, einen geschützten Raum zu bieten.

Im Rahmen von BARABARI werden Jungen, Männer und Väter unterstützt, ihre Emotionen auszudrücken und offen über Herausforderungen zu sprechen. Sozialarbeiter:innen und Pädagog:innen bieten Begleitung und Zugang zu weiterführenden Unterstützungsangeboten. „Das Patriarchat schafft sich nicht von selbst ab“, sagt Shokat Walizadeh und verdeutlicht damit die Wichtigkeit dieses Projekts, das nicht nur den Teilnehmern hilft, sondern auch langfristig zur Gewaltprävention beiträgt.

Sensibilisierung für Österreicher:innen

Neben der direkten Unterstützung Geflüchteter sieht der Verein es als wichtig an, die österreichische Gesellschaft für die Erfahrungen und Bedürfnisse von Migrant:innen zu sensibilisieren. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen werden Schulworkshops und Vorträge angeboten. Diese fördern das interkulturelle Verständnis und tragen zur Prävention von Extremismus und Vorurteilen bei. Shokat Walizadeh und seine Kolleg:innen sind überzeugt, dass nur durch ein realistisches Verständnis füreinander Vorurteile abgebaut werden können.

Integration ist keine Einbahnstraße

Shokat sieht jedoch noch viel Handlungsbedarf in Österreich. Integration sei keine Einbahnstraße, betont er und fordert eine offenere Gesellschaft, die Geflüchteten die notwendige Zeit und Unterstützung bietet, um sich zurechtzufinden. Um seine Arbeit weiterhin erfolgreich fortführen zu können, wünscht sich der Verein mehr Unterstützung und Anerkennung. Die Förderung durch unterschiedliche Ebenen, ob durch den Staat, private Spender oder andere Organisationen, ist essenziell, um auch langfristig Geflüchteten einen neuen Start zu ermöglichen.

„Neuer Start“ ist ein Ort, an dem es nicht um Herkunft oder Religion geht – es zählt allein der Mensch. Der Verein bietet Geflüchteten nicht nur die Möglichkeit, in Österreich anzukommen, sondern auch, ihre eigene Stärke und Rolle in der Gesellschaft zu entdecken. Das Ziel bleibt klar: Ein Österreich, in dem Menschen mit und ohne Fluchterfahrung gemeinsam und respektvoll leben können.

Über die/den Autor:In

Julia Zander
Julia Zander
Julia studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaften in Wien und sprang danach direkt in die Medienwelt. Sie ist vor oder hinter der Kamera zu sehen. Ihr Ziel ist es, Geschichten zu erzählen, die Menschen inspirieren. Zuletzt arbeitete sie beim PULS4 Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

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