2022: Ein Rückblick, der Hoffnung macht

Ein Jahr voller Herausforderungen liegt hinter uns. Aber das bedeutet nicht, dass es nicht auch Grund zur Hoffnung gibt. Ein Blick zurück zeigt, dass die Welt 2022 auch einige Schritte nach vorn gemacht hat.

2022 war für die meisten kein leichtes Jahr.  Der Krieg ist zurück nach Europa gekommen, mit ihm eine Energiekrise und eine Inflation, wie wir sie zuletzt vor 40 Jahren erlebt haben. Pakistan hat eine verheerende Überschwemmungskatastrophe erlebt, weite Teile Südasiens eine nie dagewesene Hitzewelle. Aber um all das soll es hier nicht gehen.

Gerade, weil die letzten zwölf Monate nicht leicht waren, wollen wir das Jahr mit einer anderen Brille betrachten. Einer Brille der Zuversicht. Das soll keineswegs kleinreden, dass viele schlimme Dinge passiert sind. Aber manchmal brauchen wir Geschichten, die uns Hoffnung machen. Denn, wenn wir durch unseren Social Media-Feed scrollen oder die Zeitung aufschlagen, werden wir von schlechten Nachrichten erdrückt. Dieser Artikel möchte ein Gegengewicht dazu sein.

Hier kommen also einige Hoffnungsmacher des dahingeschiedenen Jahres. Die Liste ist keineswegs vollständig, sondern eine bunte Auswahl aus Österreich und der ganzen Welt.

Schutz der Wälder

Los geht’s mit ein paar guten Nachrichten für die Wälder dieser Erde. 2022 meldet Schottland, dass sich ihr Wald in den letzten 100 Jahren verdreifacht hat. Einst war die Region in Norden Großbritanniens so gut wie kahlgeschlagen. Zu groß war der Holzhunger der schnell wachsenden Industrie. Doch mittlerweile weichen viele der kargen Hügel der Highlands Birken-und Eichenwäldern. Steter und konsequenter Aufforstung sei Dank.

Auch in Indonesien geht es beim Schutz der eigenen Wälder in die richtige Richtung. Während 2017 noch 480.000 Hektar gerodet wurden, waren es 2021 nur noch 203.000 Hektar. Die Tropenwälder der indonesischen Inseln sind Oasen der Artenvielfalt. Unter anderem sind sie die Heimat von Orang-Utans, Tiger, und Nashörnern. Der rasante Rückgang der Abholzung macht Hoffnung.

Viele tausend Kilometer weiter gibt es ebenfalls Grund zum Aufatmen. Im Oktober 2022 wurde Luiz Inacio Lula da Silva zum Präsidenten Brasiliens gewählt. Er will die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes beenden. Das verspricht er in seiner Antrittsrede. Amtsvorgänger Jair Bolsonaro hatte in seiner Regierungszeit Umweltgesetze geschwächt, wichtige Budgets gestrichen und damit illegale Abholzung gefördert.

Mit illegaler Abholzung haben wir hierzulande zum Glück weniger Probleme. Was allerdings zunehmend eine Gefahr für österreichische Wälder wird, sind Waldbrände. Im Frühjahr dieses Jahres haben sich die ZAMG und die Universität für Bodenkultur für die Waldbrandforschung zusammengeschlossen. So will man die Waldbrandgefahr in Österreich zukünftig besser einschätzen können.

Österreichischer Wald
In Österreich wird geforscht, um Waldbrände zu verhindern. © AdobeStock
Beschleunigung in der Verkehrswende

Auch im Verkehr gibt es Erfolge zu vermelden. Die erste gute Nachricht führt uns nach Norwegen. Dort sind 2022 drei von vier neu zugelassenen Pkw rein elektrisch betrieben. Ein wichtiger Meilenstein in der Verkehrswende. Norwegen gilt als Paradebeispiel dafür, wie man mit klugen Anreizen den Umstieg auf E-Mobilität fördert.

Apropos Umsteigen: Auch öffentliche Verkehrsmittel sind ein noch wichtigerer Teil der Mobilitätswende. Und in diesem Bereich hat Spanien 2022 mit einem Null-Euro-Ticket aufhorchen lassen. Mit der Aktion will die spanische Regierung Menschen in die Züge locken, die bisher mit dem Auto in die Arbeit oder zum Studium gependelt sind. Das kostenlose Ticket hätte Ende Dezember enden sollen, wurde aber um ein ganzes Jahr verlängert.

Auch in Österreich ist in Sachen Öffis ein Erfolg gelungen. Das Klimaticket feiert im Oktober 2022 einjähriges Jubiläum. Mit 200.000 verkauften Tickets und übertrifft es die Erwartungen beinahe um das doppelte. Hinzu kommen weitere 300.000 regionale Klimatickets.

Ebenfalls im Oktober 2022 ist die neue Straßenverkehrsordnung in Österreich in Kraft getreten. Darin zu finden sind neue Regeln, die es angenehmer und sicherer machen zu Fuß zu gehen und mit dem Rad zu fahren.  Zum Beispiel dank verpflichtendem Seitenabstand beim Überholen von Radler:innen oder besseren Ampelschaltungen für Fußgänger:innen.

Mehr Rechte

Mehr Rechte gibt es 2022 nicht nur für umweltfreundliche Mobilität, sondern auch für gleichgeschlechtliche Paare. In Chile, Kuba, Slowenien und der Schweiz konnten heuer zum ersten Mal gleichgeschlechtliche Paare heiraten. In Summe ist 2022 die Ehe für alle in 32 Staaten der Welt möglich.

Eheringe
In immer mehr Ländern bekommen gleichgeschlechtliche Paare das Recht, zu heiraten. © AdobeStock

Finnland ist seit fünf Jahren eines dieser Länder. 2022 schafft dort eine Reform eine weitere wichtige Gleichstellung: die faire Aufteilung der Elternzeit. Jeder bekommt 160 Tage zugeteilt. 62 dieser Tage dürfen sie an die oder den anderen weitergeben. Finnlands Reform der Elternzeit ermöglicht es Familien, die Betreuungs- und Erziehungspflichten fair aufzuteilen.

Ein Recht mit enormer symbolischer Bedeutung hat die UN-Generalversammlung im Juli dieses Jahres beschlossen.  In der Resolution wird das Recht auf eine gesunde und nachhaltige Umwelt als eigenständiges Menschenrecht anerkannt. Staaten, internationale Organisationen und Wirtschaftsunternehmen werden dringend dazu aufgefordert, eine gesunde Umwelt für alle zu gewährleisten.

Mehr Recht auf politische Mitsprache hat das Jahr 2022 in Österreich gebracht. Mit dem Klimarat wurde ein demokratisches Experiment gestartet. An sechs Wochenenden haben zufällig ausgewählte Bürger:innen aus allen Regionen und Teilen der Gesellschaft über Klimaschutz diskutiert. Das Ergebnis: 93 Empfehlungen an die Politik.

Weniger Müll

Wenn es um Rechte geht, bedeutet ein „mehr“ Hoffnung. Bei anderen Dingen ist ein „weniger“ die gute Meldung. Zum Beispiel beim Thema Müll. Hier führt uns die erste Erfolgsmeldung nach Südkorea. In den Neunzigern wurden dort nur drei Prozent aller Lebensmittelabfälle recycelt. Dann folgte ein neues Kompostier-Programm. In diesem Jahr vermeldet Südkorea stolz, dass beinahe 100 Prozent aller Lebensmittelabfälle recycelt werden.

Um weniger Elektroschrott geht es bei der nächsten Nachricht, die Hoffnung macht. In der Europäischen Union verkaufte Geräte müssen bis spätestens Ende 2024 über einen USB-C-Anschluss verfügen. Das gilt unter anderem für Smartphones, Tablets, Digitalkameras und Kopfhörer. Das hat die EU 2022 beschlossen. Das neue Gesetz soll Bürger:innen Geld sparen und Elektroschrott verringern.

Dasselbe Ziel hat der im April 2022 in Österreich eingeführte Reparaturbonus. Der Bund übernimmt 50 Prozent der Reparaturkosten von Elektrogeräten.  Bis zu 200 Euro kann sich so jeder zurückholen. 300.000 tausend Mal wurde das bereits in Anspruch genommen und damit viel Elektroschrott eingespart.

Fortschritte im Kampf gegen Diskriminierung und Gewalt

Auch Maßnahmen, die zu weniger Diskriminierung und Gewalt beitragen, sind eindeutig in der Spalte gute Nachrichten zu vermerken. Und hier gibt es in Österreich einige Neuigkeiten. So durften homo- und bisexuelle Männer bisher kein Blut spenden, wenn sie innerhalb der letzten zwölf Monate Sex hatten. Ihnen wurde pauschal ein unvorsichtiges Sexualverhalten unterstellt. Eine neue Regel beseitigt diese Diskriminierung. Das individuelle Risikoverhalten ist seit September 2022 Maßstab für alle.

Wir bleiben in Österreich. Hierzulande gibt es eine neue Vertrauensstelle für Menschen, die Belästigung, Gewalt und Machtmissbrauch erfahren. Sie heißt vera* und ist für Betroffene aus den Bereichen Kunst, Kultur und Sport. Das wichtige Ziel: Künstler:innen, Kulturarbeiter:innen und Sportler:innen sollen ihre Fähigkeiten gewaltfrei und sicher ausleben können.

Eine weitere wichtige Vertrauensstelle haben Österreichs Fußball-Institutionen eingerichtet. Eine neue Ombudsstelle hilft allen auf und abseits des Fußballplatz Tätigen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden.

Aufwind in der Energiewende

Es gibt also Lichtblicke in Kampf gegen Diskriminierung und Gewalt. Und es gibt Sonnenstrahlen in der Energiewende. Mehr denn je. In der Europäischen Union ist im Sommer 2022 so viel Solarstrom produziert worden wie nie zuvor. 100 Terawattstunden waren es zwischen Mai und August. Ein wichtiger Schritt am Weg zur angestrebten Klimaneutralität.

Solaranlage
In der EU ist im Sommer so viel Solarstrom wie noch nie zuvor produziert worden. © AdobeStock

Diesen Weg verfolgt auch Österreich. Mit der sogenannten „Klima- und Transformationsoffensive“ gibt es seit diesem Jahr eine nachhaltige Förderung für die Industrie. Ihre Anlagen brauchen oft hohe Temperaturen, etwa um Stahl herzustellen. Das kostet viel Energie, die noch oft in Form von Öl und Gas in die Anlagen fließt. Die Offensive soll der Industrie helfen auf klimafreundliche Energie umzusteigen.

In Sachen Grünstrom gibt es auch eine gute Nachricht aus Niederösterreich. In Höflein würde die weltweit erste Windkraftanlage errichtet, die Bahnstrom produziert. Sie speist ihren Strom direkt in die Oberleitung der benachbarten Zugstrecke ein. Drei Megawatt liefert sie pro Jahr Energie. Genug für rund 1.400 Zugfahrten auf einer Strecke von Wien nach Salzburg.

Lichtblicke bei Gesundheit und Medizin

Von Salzburg springen wir über die Landesgrenze nach Deutschland. Dort hat ein Labor einen Speicheltest entwickelt, der Endometriose schnell und risikofrei feststellen kann. Das Ergebnis liegt nach etwa zwei Wochen vor. Endometriose ist eine gutartige chronische Krankheit, die Frauen im gebärfähigen Alter große Schmerzen verursacht. Eine schnelle Diagnose kann den Betroffenen viel Leid ersparen.

Viel Leid verhindern kann auch eine HPV-Impfung. HP-Viren können unterschiedliche Krebsarten auslösen, unter anderem Gebärmutterhalskrebs. Deswegen soll die HPV-Impfung künftig bis zum vollendeten 21. Lebensjahr in Österreich kostenlos sein. Darauf haben sich Bund, Länder und Sozialversicherung 2022 geeinigt.

Weiter geht’s nach Frankreich. Das Land hat 2022 beschlossen, die Pille danach für alle Frauen  – unabhängig vom Alter – kostenlos zur Verfügung zu stellen. Schon in naher Zukunft wird es möglich sein, das Notfallverhütungsmittel in Apotheken zu erhalten.

Und auch in Österreich gibt es Lichtblicke. Ein Reformpaket in der Pflege bringt 20 konkrete Maßnahmen. Das bedeutet mehr Geld und Entlastung für unser Pflegepersonal, eine Ausbildungsoffensive für dringend benötigte Fachkräfte und zusätzliche Unterstützung für pflegende Angehörige.

Vielfalt schützen

Gute Nachrichten gibt es auch für einige Wildtiere. So hat zum Beispiel Nepal die Zahl seiner freilebenden Tiger in rund einem Jahrzehnt fast verdreifacht. Das meldet die nepalesische Nationalparkgemeinde 2022. Die Großkatzen sind zwar nach wie vor vom Aussterben bedroht, aber langsam nimmt die Population wieder zu.

Dasselbe gilt auch für Thunfische. Ein Forscherteam hat sich Raubfischbestände angesehen und die Ergebnisse 2022 im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht. Ihr Resümee: Der Zustand der Thunfischpopulationen hat sich seit den 1990er Jahren stetig verbessert. Strengeren Regeln in der Fischereiindustrie sei Dank.

Thunfischbestände erholt
Der Thunfischbestand verbessert sich seit den 1990er Jahren stetig. © AdobeStock

Deutlich schlechter steht es leider um die weltweiten Haifisch-Populationen. Umso wichtiger ist das Ergebnis der 19. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) Vertreter:innen von 184 Staaten haben im November dieses Jahres beschlossen, dass Hunderte Wildarten, darunter auch viele bedrohte Haiarten, künftig nur noch nachhaltig gehandelt werden dürfen.

Eine weitere Konferenz bringt ebenfalls Erfolge im Artenschutz. Bei der UN-Weltbiodiversitätskonferenz (COP15) in Montreal haben rund 200 Teilnehmerstaaten angekündigt 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Außerdem gibt es international mehr Gelder für Artenschutz.

Mit 2022 geht ein Jahr zu Ende, dass viele von uns nicht so schnell vergessen werden. Aber nicht alles schlecht in diesem Jahr. Der Blick zurück zeigt, dass die Welt auch einige Schritte nach vorne gemacht hat. Viele dieser Schritte mögen klein sein, bei manchen stehen wir erst am Anfang. Aber aus kleinen Anfängen können bekanntlich große Dinge wachsen. Diese Hoffnung kann uns viel Motivation und Tatenkraft bescheren. Und die kann jeder im neuen Jahr gebrauchen.

Über die/den Autor:In

Markus Englisch
Markus Englisch
Markus studierte TV- und Medienproduktion in Wien. Sein größter Antrieb als Journalist ist es, die Klimakrise für alle Menschen begreifbar zu machen. Zuletzt war er als Redakteur bei PULS 4 tätig und leitete das Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

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