Der Lobautunnel löst keine Probleme
Der Lobautunnel soll Wiens Verkehrsprobleme lösen. Tatsächlich würde er sie verschärfen. Das belegen wissenschaftliche Analysen. Trotz jahrzehntelanger Debatten hält sich die Erzählung vom „notwendigen Entlastungsprojekt“ hartnäckig. Doch was die Regierung uns als Fortschritt verkauft, ist laut Fachleuten nichts anderes als ein teurer, klimaschädlicher und wirtschaftlich sinnloser Rückschritt.
Zu dem Ergebnis kommen zum wiederholten Male Expert:innen vom Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität (TU) Wien, der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und dem Forum Wissenschaft & Umwelt (FWU). In einer Pressekonferenz forderten sie das Aus für den Lobautunnel.
Tunnel bringt keine Verkehrsentlastung
Der Verkehrsexperte Hermann Knoflacher von der TU Wien bringt es auf den Punkt: „Wird das Projekt umgesetzt, vergrößert es die Verkehrsprobleme in Wien und dem Umland durch vermehrten Autoverkehr und Verringerung der Chancen für den öffentlichen Verkehr innerstädtisch und der Eisenbahnen landesweit.“
Kurz gesagt: Wer mehr Straßen baut, bekommt mehr Autos – und weniger Platz für sinnvolle Mobilität. Der Lobautunnel wäre damit kein Beitrag zur Lösung, sondern ein Beschleuniger des Problems.
Knoflacher geht noch weiter: Der Autoverkehr, für den der Tunnel gebaut werden soll, sei „die ineffizienteste, umweltschädigendste, sozial unverträglichste und die lokale Wirtschaft schädigendste Verkehrsart“. Während eine Straßenbahn hunderte Menschen gleichzeitig transportiert, blockiert der private Pkw viel Raum für wenig Nutzen.
Kaum wirtschaftlicher Nutzen
Auch ökonomisch ist der Tunnel ein Verlustgeschäft. Michael Getzner vom Forschungsbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik der TU Wien erklärt: „Da Österreich bereits über ein hervorragend ausgebautes Straßennetz verfügt, führt eine zusätzliche Verbindung entweder zu keinem oder nur zu einem sehr geringen Produktionsgewinn.“
Das bedeutet: Der volkswirtschaftliche Nutzen ist ausgeschöpft – und jeder weitere Straßenkilometer produziert mehr Schaden als Gewinn. Studien zeigen sogar, dass der Bau negative Effekte haben und reale wirtschaftliche Verluste verursachen kann.
Statt Milliarden in den Tunnel zu investieren, seien andere Bereiche deutlich zukunftsträchtiger, betonte Getzner: „Investitionen im gleichen Ausmaß, also in Höhe des mit mindestens 2,7 Milliarden Euro veranschlagten Bauvolumens, in Forschung, Digitalisierung und Gesundheitsinfrastrukturen führen zu deutlich höheren Produktivitätsgewinnen.“ Selbst kurzfristige Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte seien im öffentlichen Verkehr oder bei der energetischen Gebäudesanierung erheblich größer. Zudem würde das Projekt die ohnehin angespannte Budgetlage der öffentlichen Haushalte weiter verschlechtern.
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Weitere InformationenGefahr für Nationalpark
Neben verkehrs- und wirtschaftspolitischen Argumenten warnen die Fachleute auch vor den ökologischen Folgen. Der Lobautunnel würde das Gegenteil dessen bewirken, was die Stadt und das Land offiziell anstreben: Klimaneutralität. „Die dabei entstehenden Treibhausgasemissionen sind nicht in den derzeitigen Emissionsplänen enthalten“, sagt Helga Kromp-Kolb vom Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). „In anderen Bereichen müssen wir dann viel schneller Emissionen abbauen, um wie geplant bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen.“ Laut Kromp-Kolb existiert jedoch kein Plan, wo diese Einsparungen erfolgen sollen.
Auch der Nationalpark Donau-Auen wäre von den Bauarbeiten betroffen. „Bei einem großen Bauwerk wie solch einem Tunnel ist nicht sichergestellt, dass die Wassersituation, von der solch ein Auwald lebt, unverändert bleibt“, warnt Reinhold Christian vom Forum Wissenschaft & Umwelt.
Relikt aus vergangenen Zeiten
Die Fachleute kommen zu einem klaren Schluss: Der Lobautunnel bringt keine Entlastung, weder für Verkehr noch für Wirtschaft oder Umwelt – im Gegenteil, er verschärft bestehende Probleme und gefährdet die Klimaziele. Der Lobautunnel steht sinnbildlich für eine Verkehrspolitik, die im letzten Jahrhundert stecken geblieben ist: Beton statt Innovation, Autos statt Menschen, kurzfristige Symbolpolitik statt langfristiger Nachhaltigkeit. Wissenschaft, Umweltverbände und selbst Ökonomen aus der Infrastrukturforschung liefern längst klare Daten, die gegen den Tunnel sprechen. (Red/APA)






