Lebensmittel-Gütesiegel: Orientierungshilfe oder Greenwashing?
Gütesiegel auf Produkten sind wichtig. Geben sie uns doch Informationen über Qualität, Herkunft und Produktion. Wer nachhaltig einkaufen möchte, kann sich so an den Siegeln orientieren. Sollte man meinen. Die Realität schaut oft aber anders aus. Zu viele, zu unübersichtlich, zu wenig Ahnung … Die Vielzahl an österreichischen und EU-Gütesiegel verwirren oft mehr, als dass sie nützen. Was bringen die Gütesiegel in der Praxis und welches steht wofür? Wir machen den Test-Einkauf.
Im Siegel-Land Österreich gibt es mittlerweile für nahezu alles ein Gütesiegel, Zertifikat oder Label. Allein für Lebensmittel gibt es über 100 Siegel. Das liegt unter anderem daran, dass es in Österreich für Gütesiegel keine gesetzlichen Regelungen gibt. So gilt: Jede:r, die oder der eine Art Siegel kreieren will, kann das auch tun. Man braucht dazu nur: Ein Siegel, Richtlinien und jemanden, der die Richtlinien kontrolliert. Welche Richtlinien das sind, entscheidet aber gänzlich die oder der Ersteller:in des Siegels.
Vertrauen oder nicht vertrauen? Das ist hier die Frage!
Drei der über 100 Siegel sind staatlich anerkannt und unterliegen einem geregelten Kontrollsystem. Die restlichen Siegeln sind von privaten Unternehmen. Viele davon unterliegen aber häufig viel strengeren Richtlinien, als die der staatlich anerkannten Siegeln oder des EU-Bio-Siegels – andere hingegen betreiben Greenwashing. Von Greenwashing spricht man, wenn Unternehmen gezielt irreführende oder falsche Informationen darüber verbreiten, wie umweltfreundlich oder klimafreundlich ihr Produkt ist.
Sich gänzlich auf die Produktkennzeichnung zu verlassen, macht daher nicht immer Sinn. Zudem besitzen viele Produkte aus dem Supermarkt kein Siegel, können aber trotzdem nachhaltig oder biologisch sein, beispielsweise regionale Produkte. Bei Lebensmitteln wie Tee, Schokolade, Südfrüchte oder auch Gewürze können Siegel hingegen sehr sinnvoll sein. Da diese uns zeigen können, dass für die Herstellung des Produktes ein gerechter Lohn an die Erzeuger:innen gezahlt wurde und soziale Standards sowie Umweltaspekte eingehalten worden sind. Inmitten des Siegel-Dschungels stellt sich für Konsument:innen da die Frage: HILFE, welchem Siegel kann ich vertrauen? Um sich im Wirrwarr der Produktkennzeichnung zurechtzufinden, nehmen wir heute die gängigsten Lebensmittle-Gütesiegel aus dem Supermarkt unter die Lupe.
Was ist ein Siegel?
Ein Gütesiegel ist eine grafische oder auch schriftliche Produktkennzeichnung. Diese informiert, woher das Produkt kommt, wie es hergestellt wird, ob es biologisch oder nachhaltig ist und vieles mehr.
Ab in den Supermarkt
Mit einer Einkaufliste mit den am häufigsten gekauften Lebensmitteln wie Milch, Butter, Fleisch, Käse und Co. geht es ab in den nächsten Supermarkt. Mein Ziel: Licht ins Siegel-Wirrwarr zu bringen und die gängisten Siegel zu erklären. Bei der Erklärung der Siegel orientiere ich mich an den Untersuchungen von Greenpeace, Global 2000 sowie der Arbeiterkammer Österreich.

**** AMA-Gütesiegel auf Camembert-Käse
Agrarmarkt Austria
In Österreich gibt es drei staatlich anerkannte Gütesiegel: Das AMA-Gütesiegel, AMA-Biosiegel und AMA Genuss Region-Siegel. Sie unterliegen dem AMA-Gesetz von 1992 und werden von der Marktordnungsstelle Agrarmarkt Austria vergeben.
Das AMA-Gütesiegel ist das bekannteste österreichische Siegel. Es kennzeichnet Produkte mit ausgezeichneter Qualität, nachvollziehbarer Herkunft und unabhängigen Kontrollen. Aufgrund massiver Schwachpunkte in den Bereichen gentechnisch veränderter Futtermittel und Tierschutz ist das Siegel von Greenpeace, Global 2000 und WWF allerdings als nur bedingt vertrauenswürdig, mit sehr niedrigem Anspruch bewertet worden. Vor allem das AMA-Gütesiegel-Schweinefleisch schneidet bei sämtlichen Bewertungen extrem schlecht ab. Gründe:
- Gentechnisch veränderte Soja aus Anbauregionen im Regenwald.
- Schlechtes Tierwohl: zu wenig Platz und kein Auslauf, Kastration ohne Betäubung erlaubt, Schwänze dürfen kupiert werden.

AMA-Bio Gütesiegel Austria auf Bio-Milch.
Das AMA-Biosiegel zeichnet qualitative, biologische Lebensmittel mit hohen Umweltstandards aus. Es gibt zwei unterschiedliche Siegel:
- Rot-weiß-rote Siegel mit der Ursprungsangabe AUSTRIA: Die landwirtschaftlichen Rohstoffe stammen aus Österreich. Das Produkt ist im Inland be- und verarbeitet worden. Bei Fleisch und Fleischprodukten sind die Tiere in Österreich geboren, gefüttert, geschlachtet und verarbeitet worden.
- Schwarz-weiße Bio-Siegel ohne Ursprungsangabe: Die Bio-Rohstoffe stammen aus unterschiedlichen Herkunftsländern.
Das AMA-Biosiegel wird von einem dreistufigen Prozess kontrolliert: Eigenkontrolle, externe Kontrolle und Überkontrolle. Laut Greenpeace und Global 2000 ist es vertrauenswürdig und kann zur Orientierungshilfe beim Einkauf verwendet werden.
Das AMA Genuss Region-Siegel wird an regionale landwirtschaftliche Spezialitäten von bäuerlichen Direktvermarkter:innen, kleinen Lebensmittelunternehmen oder Gastronomiebetrieben vergeben. Die teilnehmenden Betriebe unterliegen klaren Qualitätskriterien und werden von externen Kontrollstellen überprüft. Ziel des Siegels ist, den Konsument:innen regionale Produkte näherzubringen. Im Gegensatz zu den zwei anderen Siegel ist es eine Betriebszertifizierung. Basis für die Auszeichnung sind die Richtlinien für das von der EU anerkannte Qualitäts- und Herkunftssicherungssystem (QHS).

Bio Weinkäse von Ja! Natürlich. Eigenmarke von Rewe.
ja! Natürlich
Natürlich ist eine Bio-Marke von Rewe mit eigenen Siegeln. Sie gehört zu den besten Marken am österreichischen Markt. Gründe dafür sind u.a.:
- Umwelt- und Tierwohlstandards liegen deutlich über denen der EU-Bio-Verordnung.
- Regionale, österreichische Produkte stehen im Vordergrund.
- Fleisch und Milch zu 100 Prozent aus Österreich.
- Keine Anbindehaltung von Milchkühen.
- Keine Schredderung von männlichen Küken.
- Bananen, Kaffee, Schokolade, Rohrzucker und Basmatireis müssen zusätzlich Fairtrade-zertifiziert sein, etc.
- Kontrollnummern auf den Produkten gewährleisten eine gute Nachvollziehbarkeit der Kontrollen.
Produkte von Ja! Natürlich sind laut den NGOs daher sehr vertrauenswürdig. Die Marke hat unterschiedliche Siegel wie 365-Tage-Freilauf oder Gockelaufzucht.

365 Tage Freilauf-Siegel von ja! Natürlich.
365-Tage-Freilauf
Das 365-Tage-Freilauf-Siegel garantiert, dass Tiere artgemäß gehalten werden und jeden einzelnen Tag im Jahr ins Freie dürfen. Es kennzeichnet biologische Lebensmittel, die den erweiterten Bio-Kriterien von ja! Natürlich-Produkte entsprechen.

Bio-Eier mit Gockel Aufzucht-Siegel von ja! Natürlich
Gockel-Aufzucht
Ein Pionierprojekt von ja! Natürlich und Vier Pfoten: Seit 2013 werden Hahn und Hennen zusammen großgezogen. Das Fleisch und die Eier werden von beiden genützt. Ziel: Das Töten männlicher Küken zu beenden. Was zuerst eine Pionierarbeit war, ist mittlerweile Standard in der österreichischen Bio-Eierproduktion.

Fair Zum Tier-Siegel auf Heumilch-Packungen.
Fair zum Tier
Das Siegel Fair zum Tier gehört ebenfalls zu Rewe. Es kennzeichnet Produkte, die für ihre Tiere höhere Standards haben, als gesetzlich vorgeschrieben. Das heißt:
- Mehr Platz für Tiere,
- Stallungen mit mehr Komfort,
- gentechnikfreie Fütterung,
- Tageslicht,
- Hähne werden bei den Legehennen aufgezogen,
- kurze Transportwege und unabhängige Kontrollen in der
gesamten Wertschöpfungskette.

Donau Soja-Siegel auf Toni’s Freilandeier.
Donau Soja
Donau Soja ist ein Gütezeichen für Soja aus dem Donauraum. Es steht für streng kontrolliertes, regionales und gentechnikfreies Soja und ist vom Verein Donau Soja in Wien gegründet worden. Es steht für:
- Für den Soja-Anbau nutzt Donau Soja nur Flächen, die vor 1. Jänner 2008 bereits landwirtschaftliche Nutzflächen waren.
- Für den Anbau darf man zudem keine neuen landwirtschaftlichen Nutzflächen schaffen, für die Naturschutzgebiete, Wälder und Moore zerstört werden müssen.
- In allen Anbaugebieten gelten die EU-Standards des Pestizidsrechts und Arbeitsrechts – auch in Donau-Soja-Gebieten außerhalb der EU wie zum Beispiel Serbien.
- Ziel von Donau Soja ist: den europäischen Soja-Markt zu erweitern, damit immer mehr Unternehmen auf Soja aus dem Regenwald verzichten.
Das Siegel findet man auf fast allen heimisch produzierten Frischeiern – es sagt aber nichts über die Haltung der Hühner oder Qualität der Eier aus.

OhneGentechnik-Siegel auf ja! Natürlich Kartoffeln.
Ohne GenTechnik-Siegel
Für Lebensmittel mit dem Ohne GenTechnik-Siegel gilt:
- Lebensmittel dürfen weder aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen, noch diese enthalten.
- Bei der Herstellung und der Produktion der Zusatzstoffe sind gentechnische Verfahren verboten.
- Bei tierischen Produkten müssen auch die Futtermittel frei von Gentechnik sein.
Das Siegel wird daher als vertrauenswürdig eingestuft. Es wird vom Verein Arbeitsgemeinschaft für gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel kurz ARGE Gentechnik-frei vergeben. Das Siegel hilft bei der Orientierung. Als Alleinstellungsmerkmal und für einen biologischen und nachhaltigen Einkauf ist das Siegel jedoch oft zu wenig.

Heumilch-Siegel auf ja! Natürlich Alpenkönig Bio-Käse.
Heumilch
Heumilch ist ein geschütztes Zeichen der ARGE Heumilch Österreich (hat früher zu AMA gehört). Es steht für silagefrei erzeugte Milch von Kühen, Schafen und Ziegen. Das heißt, die Heumilch-Tiere werden nur mit hochwertigen und gentechnikfreien Rohstoffen wie Gras, Heu und Hülsenfrüchten gefüttert. Tiere, die herkömmliche Milch geben, werden zusätzlich mit Silage gefüttert. Unter Silage versteht man ein gegärtes Futtermittel für Nutztiere. Diesem Futter wird unter andrem Stärke und Rohasche beigemischt und mit Milchsäure konserviert. Es gibt sowohl biologisch als auch konventionell hergestellte Heumilch-Produkte. Heumilch garantiert:
- Kühen haben an mindestens 120 Tagen im Jahr Auslauf.
- Kühe werden das ganze Jahr über mit frischen Gräsern, Kräutern und Heu gefüttert.
- Als Ergänzung ist mineralstoffreicher Getreideschrot erlaubt.
- Heumilch ist gentechnikfrei und wird im Rahmen der Heumilch-Kuhwohl-Initiative mit Rücksicht auf das Tierwohl erzeugt.
Das Siegel ist laut Greenpeace und Global 2000 vertrauenswürdig. Es werden Produkte in Bio-Qualität empfohlen.

MSC-Siegel auf Dorschleber.
MSC – Marine Stewardship Council & ASC-Label
Das Marine Stewardship Council-Zeichen steht für Fische und Meeresfrüchte aus zertifiziert nachhaltiger Fischerei. Es ist 1997 von Unilever und WWF gegründet worden. 2018 haben über 60 Organisationen und Wissenschaftler:innen einen offenen Brief verfasst, unter anderem auch WWF und haben strengere Regeln und höhere Standards bei der Fischerei verlangt. Der Grund dafür ist, dass einige Fischereien als nachhaltig zertifiziert werden, obwohl sie nachweislich den Meeresboden zerstören, überfischen und eine extrem hohe Beifangrate haben. Da das Siegel nichts über Qualität oder Nachhaltigkeit aussagt, gilt es auch als unseriös und nicht vertrauenswürdig. Laut Greenpeace gibt es generell keinen nachhaltigen Fischfang. Wenn man Fisch essen möchte, dann am besten heimischen Fisch.

ASC-Siegel auf Zuchtforelle von Eisvogel.
Auch das ASC-Label (Aquaculture Stewardship Council) für zertifizierten Zuchtfisch steht unter starker Kritik. Für den Zuchtfisch wie Zuchtlachs wird wild gefangener Fisch benötigt. Dadurch werden erst Meere leer gefischt und Meeresböden zerstört. Zudem werden Chemikalien und Antibiotika verwendet und es ist erlaubt, die Fische mit Fischmehl und -öl zu füttern. Das ist problematisch, weil um Fischmehl oder -öl herzustellen, kleine Fische aus dem Meer gefangen werden. Häufig aber jagen Fischereien dafür bereits überfischte Arten wie Sardinen, Heringe oder Makrelen.

GGN-Siegel auf Räucherlachs.
GGN by Global GAP
Das GGN-Siegel by Global GAP zeichnet nachhaltige Aquakulturen aus. GAP steht für Gute-Agrar-Praxis. Über eine 13-stellige Identifikationsnummer am Produkt kann man herausfinden, woher der Fisch tatsächlich kommt und wie er geliefert worden ist. Für die Produkte gibt es bestimmte Nachhaltigkeits-Kriterien und Sozialstandards. Diese werden leider nur empfohlen, sind aber nicht verpflichtend einzuhalten.
Häufig handelte es sich bei Produkten mit ASC- und GGN-Siegeln um konventionellen Fischfang. Aquakultur-Fische mit diesen Siegeln sind zwar in der Regel nachhaltiger als Wildfang, die Standards sind aber niedriger als bei Bio-Siegeln. Tipp: Wenn Fisch, dann in Bio-Qualität und am besten aus regionalen Gewässern oder heimisch ökologischer Zucht.

Bio Austria-Siegel auf Bio-Honig.
BIO Austria
Das Bio Austria-Gütesiegel wird von der Organisation Bio Austria, einem Zusammenschluss von österreichischen Biobäuer:innen, verliehen. Es garantiert Produkte in Bio-Qualität und geht weit über die Mindestanforderungen des EU-BIO-Siegels hinaus. Für Greenpeace ist es daher sehr vertrauenswürdig mit sehr hohen Ansprüchen für Mensch und Tier.

V Label auf Deli Dip Hummus.
V-Label für vegetarische und vegane Produkte
Die V-Label für vegetarische und vegane Produkte wird weltweit von vegetarischen und veganen Organisationen vergeben. In Österreich übernimmt diese Arbeit die Vegane Gesellschaft Österreich (VGÖ). Das Siegel steht für Erzeugnisse, die ohne tierische Rohstoffe hergestellt worden sind, insbesondere ohne Fleisch, Gelatine, Knochen und Schlachtfette. Zudem kennzeichnet es Produkte, die keine Tierversuche machen und gentechnikfrei sind. Die Produkte werden mindestens einmal im Jahr von der unabhängigen Zertifizierungsorganisation FLOCERT kontrolliert. Die Organisation prüft, ob die Lizenznehmer:innen, die das Fairtrade-Siegel verwenden, die vorgegebenen Standards einhalten.

EU-Bio Siegel auf Bio-Knoblauch von Billa.
EU-Bio
EU-Bio ist ein offizielles Siegel der EU für biologisch hergestellte Lebensmittel. Es regelt die Mindestanforderungen für alle Bio-Produkte, die in der EU hergestellt werden. Zu den Anforderungen gehören:
- Nutztiere haben freien Auslauf.
- Genmanipulierte Inhaltsstoffe und Futtermittel sind verboten.
- Die Verwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden und Düngemitteln sowie Zugabe von Lebensmittelzusatzstoffen sind verboten.
Das Siegel ist eine gute Orientierungshilfe beim Einkauf in Österreich aber auch im Ausland.

Fairtrade auf Very Fair-Schokolade.
Fairtrade
Fairtrade ist ein weltweit einheitliches Siegel, das Produkte aus fairem Handel kennzeichnet. Durch bessere Preise für Kleinbauernfamilien sowie menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Beschäftigte auf Plantagen in Entwicklungs- und Schwellenländern hilft das Siegel den Handel nachhaltig zu verbessern. Bei der Herstellung müssen bestimmte soziale, ökologische und ökonomische Kriterien eingehalten werden wie stabile Preise oder bessere Arbeitsbedingungen. Das Siegel ist vor allem bei Produkten wie Kakao, Kaffee oder Südfrüchten sehr hilfreich und eine gute Orientierungshilfe beim Einkauf.






